gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Esoteriker als Krisenbegleiter: das braucht niemand

| 11 Kommentare

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Leidfaden („Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer“) befasst sich schwerpunktmäßig mit

Mystik, Mythen, Aberglauben

Neben einem völlig überflüssigen und befremdlichen Beitrag eines „Geistheilers und Schamanen“ (der natürlich die „Quantenphysik“ für seinen angeblich „mystischen Erlebnisse“ bemüht) finden sich darin interessante volkskundliche Aufsätze (zum Beispiel über Hexenvorstellungen und Vampire), eine psychologische Analyse des Phänomens „psychogene Todesfälle“ und eine Bestandsaufnahme der akademischen Parapsychologie von IPPG-Leiter Prof. Dieter Vaitl.

Ich selbst durfte einen Artikel zum Thema „Leid und Esoterik“ beitragen.

Darin geht es um „Vermisstenhellseher“, inszenierte „Jenseitskontakte“ und die empathielose Egozentrik der Eso-Szene.

Ein Auszug:

Die Autorin des esoterikkritischen Romans „Vier Frauen und ein Scharlatan“, Eva S. Bernauer (ein Pseudonym), erklärte in einem Interview:

„Bis vor einigen Jahren hielt ich Esoteriker für harmlose Spinner. Dann erkrankte ich an Krebs, und plötzlich hagelte es von allen Seiten Ratschläge. Diäten, Vitamine, positives Denken, sogar die Neue Germanische Medizin wurde mir angedient. Und ich nahm erst mal alles ernst, googelte tagelang den obskursten Wundermitteln hinterher. Dann hatte ich einen lichten Moment und begriff, was los war: Ich griff nach Strohhalmen.

An diesen ganzen Unfug hätte ich vor der Krebsdiagnose keinen einzigen Gedanken verschwendet. Und genau das ist das Perfide daran. Diese Angebote erwischen einen im schwächsten Moment und nutzen diese Schwäche schamlos aus.“

Vielen Menschen geht es nach esoterischen und alternativ-psychologischen Behandlungen schlechter als zuvor. „Finde dein inneres Selbst, reinige dich, löse die Blockaden und lass die Energie fließen. Sie ist eins, und du bist Teil des Ganzen …“ – Klingt nett, meint aber übersetzt: „Den Krebs hast du dir selbst manifestiert, denk mal drüber nach“ oder „Dein Mann hat dich verlassen, weil er für seinen Seelenplan eine andere Frau braucht.“

So eine Krisenbegleitung braucht niemand.

Die Einzelausgabe kostet 20 €, einzelne Artikel daraus 7 €.

Zum Weiterlesen:

  • „Vermisstenhellseher“: Wie die Betrüger ticken, GWUP-Blog am 28. Oktober 2017
  • Der Esoterik-Wahn, Schweriner Volkszeitung am 30. August 2013
  • Video: „Im Bann des Übersinnlichen – Echter Segen oder falscher Zauber?“ bei Talk im Hangar-7, GWUP-Blog am 21. September 2018

11 Kommentare

  1. Ich wurde dieses Jahr Mitglied der GWUP.

    Weil ich mich für Wissenschaft interessiere. Mein Hobby ist die Astrophysik und die Astronomie.
    Nebenher lese ich sehr gerne Beiträge von Norbert Aust, Bernd Harder und Natalie Grams.

    Auch Harald Lesch gehört zu meinen Favoriten, und wenn Alex Gerst den Mund auf macht, sitze ich staunend vor dem Bildschirm.

    Das, was ich weiß, können alle Menschen wissen. ALLE.
    Wenn sie sich nur ein Bisschen für die Welt interessieren, die sie umgibt.

    Und dennoch zeigt die Menschheit gerade jetzt im Hinblick auf Homöopathie, Klimawandel, Flüchtende, Faschismus, Antisemitismus usw. eine Dummheit, die ich einfach nicht verstehen kann.

    Nordafrika wird in spätestens 20 Jahren unbewohnbar sein. Weil dort die Temperaturen am Tag REGELMÄßIG über 45 Grad Celsius liegen werden.
    Ein Mensch kann dort nicht dauerhaft überleben, selbst mit Wasser und Nahrung. Es ist einfach zu heiß.
    Auch gesunde Menschen werden dort nicht überleben können.
    Die Staaten dort werden das bald zwangsweise erkennen müssen, und dann werden sie sich untereinander einig werden und mit bewaffneten Schiffen einfach ungefragt in europäische Häfen einfahren, mit Hunderttausend und mehr Flüchtlingen.
    Und mit Waffengewalt an Land gehen.

    Unsere Luxusprobleme sind Homöopathie, Schüsslersalze oder Wahrsagerei.
    Unsere ernsten Probleme sind Klimawandel und seine Folgen und die fliehenden Millionen Menschen weltweit.
    DAS wird schlimmer und schlimmer werden, und in wenigen Jahren werden wir nicht mehr über die AFD diskutieren, oder die Homöopathie. Weil wir Europa mit vielen Millionen Menschen aus aller Welt teilen werden müssen.
    Lächerliche Gruppen wie Pegida oder AFD werden dann nichtmal mehr gefragt werden.
    Es.wird.Einfach.Passieren. und. gemacht.
    Wenn 3 Nordafrikanische Staaten sich einig werden und mit einer bewaffneten Flüchtlingsflotte vor Italien auftauchen, dann gibt Europa nach, oder es gibt Krieg.

    Und währenddessen werden deutsche Veganer darüber diskutieren, ob Globuli bei 25 Grad im Schatten besser wirken, weil die Quantenfluktuation die Wirkung ohne SonnenPsiXrayReptilienStrahlen besser entfaltet.

    Heute schon diskutieren wir darüber, wie man eine „Hetzjagd“ definiert, und ob ein Innenminister zurücktreten sollte.
    Während mehr als 5000 Menschen allein dieses Jahr im Mittelmeer jämmerlich ertrunken sind. Menschen, die Mütter und Kinder und Ehepartner haben, welche ein Leben hatten.
    In den Foren der ARD-Nachrichten wird gefordert, Flüchtlinge einfach absaufen zu lassen, damit sie es lernen, nicht in die Gummiboote zu steigen.
    Und niemand, NIEMAND sagt etwas dagegen?

    Wo sind wir nur gelandet? Wie tief müssen wir noch sinken?

    Rechtsradikale sitzen im Bundestag und sind an der Regierung als Opposition beteiligt.

    Wir sollten die Zuckerkügelchen mal sein lassen, vorerst.
    Und besser um unsere Werte kämpfen.
    Die Werte, die wir haben, um Pseudokram zu bekämpfen, werden nämlich gerade durch Seehofer und die AFD Stück für Stück untergraben.

    Ein Blinder, der das nicht sieht.

  2. @Carsten

    „Und dennoch zeigt die Menschheit gerade jetzt im Hinblick auf Homöopathie, Klimawandel, Flüchtende, Faschismus, Antisemitismus usw. eine Dummheit, die ich einfach nicht verstehen kann.“

    Vielleicht hilf das hier beim verstehen ;)

    Michael Schmidt-Salomon: Keine Macht den Doofen!
    https://www.youtube.com/watch?v=AsSo_z_XCcc

  3. @Carsten:

    Erst einmal willkommen in der GWUP und vielen Dank für Ihren engagierten Kommentar.

    Das sind Aspekte, die durchaus auch „intern“ schon häufig diskutiert worden sind. Ich kann/will Ihnen indes nur meine persönliche Auffassung dazu sagen – das ist keine „offizielle“ GWUP-Stellungnahme, natürlich.

    „Wir sollten die Zuckerkügelchen mal sein lassen, vorerst.“

    Und was konkret würde das bringen? Das würde ja keineswegs bedeuten, dass unser ganzes Engagement dann sofort und zwangsläufig in andere (möglicherweise „wichtigere“) Themen fließen würde.

    Natürlich haben Sie – aus meiner Sicht – recht damit, dass Homöopathie, Veganismus, Impfverweigerung etc. Luxusprobleme unserer übersättigten Gesellschaft sind.

    Genau das betont auch z.B. Natalie Grams in ihrer „Eingeimpft“-Rezension:

    „Letztlich bleibt das Buch ein Zeugnis westlichen Überlegenheitsgefühls, eines „Uns-geht’s-zu-gut“-Wohlstandsmaden-Gehabes, das angesichts des Blicks in weniger glückliche Weltgegenden wie Afrika oder Indien beschämen muss.“

    Nichtsdestotrotz hat die GWUP als Organisation nun mal eine Satzung, in der ein ganz konkreter USP festgeschrieben ist: nämlich Para- und Pseudowissenschaften sowie „außergewöhnliche Behauptungen“.

    Natürlich gibt es zahllose Probleme und Missstände auf der Welt, die objektiv betrachtet „wichtiger“ sein mögen. Nur: Wer will das konkret beurteilen?

    Mal ganz platt gesagt: Bei der nächsten Mitgliederversammlung lösen wir die GWUP de facto auf bzw. ändern die Satzung dahingehend, dass wir uns zum Beispiel der Flüchtlingssituation oder dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschreiben.

    Und dann?

    Dann würde der erste aufstehen und einwenden, was denn mit den hungernden Kindern in Afrika ist? Und der zweite würde einwenden, warum wir uns nicht gegen Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen, Kindesmissbrauch etc.pp. engagieren?

    Will sagen: Es gibt immer ein „next best“, also ein noch größeres, noch wichtigeres Problem, für das man sich engagieren könnte.

    Aus meiner persönlichen Erfahrung kann man sich aber wirkungsvoll und nachhaltig nur dort einbringen, wo man persönliche Interessen und eine gewisse persönliche Expertise hat. Für alles andere kann man z.B. Geld spenden – aber mehr nicht.

    Das heißt: Die allermeisten GWUP-Mitglieder haben durchaus persönliche und reflektierte Gründe für ihr Engagement gegen „Zuckerkügelchen“ etc.

    Und wer will ernsthaft darüber urteilen, ob diese Gründe weniger wichtig, weniger bedeutsam, weniger schwerwiegend sind, als ein Engagement gegen oder für andere Ziele?

    Auf die Spitze getrieben: Sollen wir auch alle Sportvereine, Volkstanzgruppen etc. auflösen, weil es derzeit wichtiger scheint (oder auch tatsächlich sein mag), für andere gesellschaftliche Ziele und Anliegen einzutreten?

    Natürlich nicht.

    Das eine zu tun heißt ja nicht, das andere zu lassen.

    Die allermeisten GWUP-Mitglieder, die ich persönlich kenne, sind sehr vielseitig interessiert und unterhalten zahlreiche Aktivitäten außerhalb der GWUP, die zum großen Teil auch in die Richtung gehen, die Sie sich wünschen. Wir sind ja nicht „hauptberuflich“ Globuli-Gegner, die sonst nichts mehr tun.

    Und gerade deswegen, vor diesem Hintergrund, halte ich die GWUP als Organisation nach wie vor für uneingeschränkt wichtig und unterstützenswert – auch und gerade vor dem Hintergrund, den Sie skizzieren.

    Denn gerade das, was heutzutage wichtiger ist denn je, vermittelt und demonstriert die GWUP: nämlich kritisches Denken, Skeptizismus, Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaften erkennen, falsche Argumentationsmuster detektieren, und vieles mehr.

    Ob Sie das in der Auseinandersetzung mit „Zuckerkügelchen“ lernen und einüben oder mit etwas anderem, ist erst mal völlig egal.

    Der entscheidende Punkt ist, dass wir Skeptiker versuchen, die Skills dafür zu lernen und dann bereitzustellen – die dann im Endeffekt auch auf alle anderen Themen und Probleme angewandt werden können.

    Konkret: Wenn sie [im Sinne einer unbestimmten Allgemeinheit] erst mal wissen, wie ein Homöopath seine Zuckerkügelchen verteidigt, können sie diese Muster auch anderswo identifizieren und entsprechend damit umgehen.

    Wenn sie erst mal verstanden haben, wie Chemtrail-Anhänger argumentieren, verstehen sie auch besser, wie die AfD agiert.

    Aus diesen Gründen sehe ich persönlich nicht die Notwendigkeit, „die Zuckerkügelchen mal sein zu lassen“, auch nicht vorerst.

    Ganz im Gegenteil. Aus meiner Sicht soll und muss die GWUP gerade derzeit genau das bleiben, was sie ist, und tun, was sie tut.

  4. Man stelle sich vor, es gäbe die GWUP nicht mehr. Schrecklich dieser Gedanke.

    Dann würde die Aufklärung vermutlich nur noch im Schneckentempo (wenn überhaupt) dank weniger Einzelkämpfer voranschreiten. Die GWUP hat viel bewirkt. Sie hat einen Stellenwert und ist Vorreiter. Sie ist für ihre „Gegner“ lästig und unbequem – und das ist gut so!

    Es mag sein, dass „Dumme“ (ich würde sie lieber als Uninformierte oder Bildungsferne bezeichnen) sich wie die Leichtgläubigen vermehren. Aber auch der Schneeball der Skeptiker rollt und wird immer größer. Immer mehr Menschen werden skeptisch und wünschen Aufklärung.

    Für jeden Bereich unseres Lebens gibt es Spezialisten und ihre Aufgaben. Ist doch toll, oder?

    „Unsere Luxusprobleme sind Homöopathie, Schüsslersalze oder Wahrsagerei.
    Unsere ernsten Probleme sind Klimawandel und seine Folgen und die fliehenden Millionen Menschen weltweit.“

    Das sehe ich anders. Alle Probleme hängen im weitesten Sinne zusammen und sind Teil des Ganzen. Diese in „Luxusprobleme“ oder „ernste Probleme“ zu unterteilen, halte ich für einen großen Fehler.

  5. @Pierre C.:

    „Alle Probleme hängen im weitesten Sinne zusammen.“

    Genau das sehe ich auch so, hatte ich vielleicht vergessen zu erwähnen.

  6. Guter Kommentar. Man kann den NGOs und Vereinen jetzt nicht vorwerfen, dass sie sich nicht um alle oder nur noch um die 3 wichtigsten Probleme der Welt kümmern können.

    Jeder in der Zivilgesellschaft sollte sich engagieren und die Welt ein Stück besser machen.

    Vielleicht gäbe es weniger Rechtsradikale und Nationalisten, wenn es früher mehr Vereine gegeben hätten, die sich um solche Menschen/Kinder gekümmert hätten.

    Also der Fokus auf eine Sache führt immer zur Vernachlässigung einer anderen. Daher ist es sicherlich schlauer, wenn verschiedene Organisationen und Menschen verschiedene Dinge verbessern wollen und so die Welt besser machen. Aber nicht nach dem Motto „Warum kümmerst du dich um obdachlose Katzen, wenn doch Menschen durch Terror sterben“.

  7. „dass Homöopathie, Veganismus, Impfverweigerung etc. Luxusprobleme unserer übersättigten Gesellschaft sind.“

    Aber es sind trotzdem PROBLEME – und sie sind da.

    Also muss sich auch jemand drum kümmern.

  8. @ Carsten:
    Ich gebe Ihnen 100% recht:
    Homöopathie und Artverwandte sind Luxusprobleme im Vergleich zu den existenziellen Herausforderungen der Menschheit.

    Sie sind aber AUCH Symptom einer Wissenschaftsfeindlichkeit, die die gefühlte Wahrheit über substanzielle Fakten erheben will.

    Bleiben wir beim Beispiel Homöopathie:

    An Universitäten gelehrt oder von Krankenkassen anerkannt und erstattet, bekommt eine Scheinwissenschaft, quasi durch die Hintertüre, eine gesellschaftliche Legitimation, die gleichzeitig die echte, faktenbasierte Wissenschaft diskreditiert.

    Und damit wird dieses Symptom zum Türöffner, um auf allen möglichen Feldern die Experten und -innen zu ignorieren oder zu überbrüllen. Beim Impfen, beim Wählen, beim Klimawandel, bei was auch immer; denn das zugrundeliegende Denkmuster ist dasselbe:

    „Ich weiß es besser als 100 Jahre kritische Wissenschaft, weil ich a) meinen bequemen Status quo nicht für die Realität opfern will, b) ich einen Sündebock brauche, um meine eigene Verantwortung nicht wahrnehmen zu müssen und c) ich Youtube-Videos gesehen habe.“

    „kritisches Denken, Skeptizismus, Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaften erkennen, falsche Argumentationsmuster detektieren“, wie Herr Harder schreibt, müssen Leute schon bei den „harmloseren“ Themenfeldern erlernen, damit sie sich nicht vom ersten dahergelaufenen Demagogen für weitaus Schlimmeres instrumentalisieren lassen.

    Die Auseinandersetzung mit Scharlatanerie ist notwendige Basisarbeit an der kritischen Denkfähigkeit der Gesellschaft.

  9. Wo ist eigentlich Eva S. Bernauer? Ihr letztes Zeichen auf Facebook war von 2016… Hat irgendjemand Kontakt mit ihr?

  10. @Carsten:

    Homöopathie ist wie Nichtimpfen von Kindern eine traurige Zeiterscheinung in dekadenten Ländern, in denen dumme Menschen durch Religions- und Bildungsferne Ersatzkulte suchen zum Füllen des eigenen Sinnvakuums und Regierungen leider tatenlos zusehen, wie Wahnsinn Mainstream wird.

    https://twitter.com/Kachelmann/status/1041324473864151046

  11. @Carsten:

    Gerade diese „Luxusprobleme“ versperren den Weg für die realen Probleme…

    wer sein Heil in der Esoterik sucht und an Heilsteine, Wasseradern oder kosmische Wissensströme glaubt, der wird immer weniger die realen Probleme sehen, die Sie beschreiben…

    Gerade das Internet fördert solche „Informations-Blasen“, diese sind wie eine Rückkopplungs-Schleife, die Menschen immer mehr in ihrem Glauben bestärken, um im „Elektroniker-Sprech“ zu bleiben, für eine Rückkopplung bedarf es einer Gegenkopplung, die das ganze System wieder in einem Gleichgewicht bringt, und das könnte die GWUP sein (und auch andere Organisationen, die sich gegen die „Extremformen“ stellen).

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.