Zum SkepKon-Vortrag von Sebastian Herrmann ist heute ein Interview bei wissenschaftskommunikation.de erschienen:
Wenn man den Leuten etwas wegnimmt, dann muss man ihnen auch etwas dafür anbieten. Fragen, die mich dabei umtreiben, sind: Was bieten wir an, wenn wir einfach sagen, die Homöopathie ist nichts? Was ist unsere Vision einer menschlichen Medizin? Gibt es vielleicht Ideen in der Homöopathie, die wir übernehmen könnten?
Etwa die Zeit für den Patienten und die intensiven Gespräche? Was ist uns wichtig? Wie können wir das mit der Wissenschaft vereinen, mit der etablierten Medizin, bei der ja nun wirklich auch nicht alles nur rosig ist?
Kurz: Wo liegen die Gemeinsamkeiten mit dem anderen Diskutanten und wie können wir mit dem Unbehagen gegenüber der wissenschaftlichen Medizin umgehen?“
Zum Weiterlesen:
- „Wir vergessen zu häufig, was hinter Meinungen steckt“ – Wenn Fakten allein nicht mehr ausreichen, wissenschaftskommunikation.de am 28. Mai 2018
- Videos: Klima- und andere Fakten und wie man sie vermittelt, GWUP-Blog am 19. November 2017
- Was tun gegen Fake News? Ein Interview mit Dr. Nikil Mukerji, GWUP-Blog am 16. Mai 2018
- Video: Wieso Menschen ihre Meinung nicht ändern, GWUP-Blog am 1. Mai 2018
- Why Facts Don’t Change Our Minds, The New Yorker am 27. Februar 2017
- Warum wir nicht glauben, was uns nicht passt, spektrum am 7. August 2017
- Vortrag an der Hochschule Furtwangen: Was sind Fakten? GWUP-Blog am 1. Mai 2018
30. Mai 2018 um 00:41
Exakt den Impetus, den Sebastian Herrmann anspricht (sogar ganz konkret zur Homöopathie) verfolgen ja beide Bücher von Dr. Natalie Grams:
Das erste Buch verwirft die unhaltbare Teile der alten Heilslehre, verwendet aber mindestens den gleichen Raum für die konkrete Offerte an die homöopathische Szene, sich um das Bewahrenswerte zu bemühen. Ergebnis: Anfeindungen, Wagenburgmentalität bei den Homöopathen, brüske Zurückweisung.
Das zweite Buch geht noch viel weiter und hinterfragt Medizinwissenschaft und Medizinbetrieb allgemein, weit über das Thema Homöopathie hinaus, mit dem gleichen Anspruch und Tenor: Was gehört verbessert, was kann man dem Patienten / Konsumenten „anbieten“ an „Mehrwert“ im Tausch gegen Medizinverdrossenheit und Wissenschaftsskepsis, und wie kann man dies kommunizieren?
Also: Alles richtig gemacht. Eine Menge Bringschuld erfüllt. Aber es geht nun mal nicht ohne Holschuld. Die Basis dafür, dass „die Menschen“ sich diesen Angeboten zuwenden, bereit sind, sich damit auseinanderzusetzen, muss auch „top down“ geschaffen werden.
Ceterum censeo: Solange groteske Irrationalitäten Teile der Gesundheitspolitik bestimmen und dem Publikum damit den Anschein von Vertrauenswürdigkeit vermitteln, ist es sehr schwierig, den Panzer von Desinformation und Vorurteil beim Publikum zu durchbrechen. Wir brauchen deshalb zwingend und ohne Wenn und Aber vor allem in der Gesundheitspolitik eine konsequent wissenschaftsorientierte und intersubjektive Ausrichtung.
Es kann nicht nur den WissenschaftskommunikatorInnen und engagierten Aufklärern überlassen bleiben, für mehr Rationalität und Vorurteilsfreiheit zu kämpfen. Die Politik hat eine große Verantwortung in dieser Richtung, die sie so lange verfehlt, wie sie in rational entscheidbaren Fragen keine intersubjektiv vertretbaren Positionen einnimmt.
Wie bei den „besonderen Therapierichtungen“, was sich bekanntlich auf den Webseiten der Abt. 4 des BfArM allen Ernstes in einer „Würdigung“ des unsäglichen „Pluralismus in der Medizin“ niederschlägt, also einem Plädoyer für ein „lass uns doch einfach mal machen“.
Es eilt, liebe Gesundheitspolitik.