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Hexenrehabilitation

| 7 Kommentare

Eine „Posse“ nennt Welt-Online das, was sich derzeit in Dortmund abspielt.

An der evangelischen Reinoldi-Kirche sollten Statuen an die Hexenverfolgung erinnern. Erst war die Kirche dafür, nun behindert sie das Projekt.

Das Presbyterium argumentiert, dass ein Hexendenkmal in unmittelbarer Nachbarschaft zur Reinoldi-Kirche optisch eine Alleinverantwortung für die Hexenverfolgung signalisiere, die die Kirche nun einmal nicht habe.

Das ist zwar durchaus richtig, aber:

Auch Hartmut Hegeler, ein evangelischer Pfarrer aus Unna, der einen Arbeitskreis Hexenprozesse gegründet hat und seit Jahren deutschlandweit für eine Rehabilitation der einst Hingerichteten kämpft, hält es für keine gute Idee, dass seine Kollegen von St. Reinoldi das Maß der Verantwortung daran festmachen wollen, wie viele Meter das Denkmal von der Kirche entfernt ist.“

Zu der Thematik der Hexenrehabilitierung gibt es im aktuellen Skeptiker (1/2012) ein Interview mit dem Saarbrücker Historiker Dr. Herbert Rätz.

Dabei geht es insbesondere um einen politischen Streit in Düsseldorf, aber auch um allgemeine Aspekte.

Ein Auszug:

Zahlreiche, meist private Initiativen fordern die öffentliche Rehabilitation von Frauen und Männern, die in früheren Jahrhunderten wegen Hexerei verurteilt und getötet wurden. Macht das nach so langer Zeit noch Sinn?

Selbstverständlich.

Es ist wohl wahr, dass die Zeiten der Hexenprozesse schon sehr lange vergangen sind, aber grundsätzlich hat jedes Justizopfer ein Recht auf Rehabilitation. Aber das muss auch eine tatsächliche Rehabilitation sein und nicht ein pflichtschuldigst dahingestammeltes Berufen auf die damaligen Zustände.

In der frühen Neuzeit bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der Hexenprozesse also, war die Tatsache, dass man nicht zaubern oder hexen kann, allseits bekannt. Dennoch wurden in Territorien mit schwachen Administrationen vor allem auf Wunsch der Bürger hin Frauen und Männer als Hexen verfolgt.

In Gebieten mit starker Administration kam es hingegen nicht zu Verfolgungen. Ein weiteres Indiz spricht für eine Rehabilitation der Opfer: Den Hexenprozessen lag als juristische Grundlage die „Carolina“, die Halsgerichtsordnung Kaiser Karls, zugrunde. In dieser wurde eindeutig festgelegt, dass die Folter nur ein Mal ausgeübt werden durfte. Kamen die Henker nicht zum gewünschten Geständnis, dann waren die Delinquenten freizulassen.

Das war aber nicht immer der Fall. Die Folterknechte behaupteten einfach, die Folter unterbrochen zu haben und folterten weiter, oft bis zum Tod der Beschuldigten. Daher ist heute prinzipiell zu prüfen, ob eine solche Rechtsbeugung vorgelegen hat, und in all diesen Fällen eindeutig von Justizmord zu sprechen. Rechtmäßig verurteilt worden wären die Beschuldigten, wenn sie tatsächlich Magie ausgeübt hätten.

Insofern sind die blödsinnigen Behauptungen moderner „Hexen“, dass sie über magische Kräfte verfügen, eine Verunglimpfung von Justizmordopfern, weil damit implizit behauptet wird, dass die Opfer rechtmäßig ermordet wurden. Ich bin der Auffassung, dass solche Behauptungen aufgrund ihrer menschenverachtenden Tendenz sogar mit Strafe belegt werden sollten.

Viele Entscheidungsträger, so auch Mitglieder des Düsseldorfer Stadtrates, argumentieren, dass sie gar nicht die Rechtsnachfolger der damaligen Richter seien. Sollten sie trotzdem öffentlich Stellung zu dem Thema beziehen?

Formaljuristisch stimmt das.

Faktisch ist diese Behauptung jedoch dem routinemäßigen „Bin nicht zuständig“ eines subalternen Beamten gleichzusetzen. Rechtsnachfolge kann aufgrund des langen Zeitraums und der wechselnden Obrigkeiten ausgeschlossen werden.

Die Stadt Düsseldorf des Jahres 2011 ist zwar wesentlich größer als die Stadt Düsseldorf der frühen Neuzeit, aber das alte Territorium ist Teil des heutigen. Insofern ist die Stadt Düsseldorf zwar nicht Rechtsnachfolger, aber das gleiche Rechtssubjekt. Sie hat sehr wohl die Verpflichtung, sich zu Taten zu äußern, die in ihrem Namen veranlasst worden sind.

Abgesehen von der justiziablen Zuständigkeit hat ein jeder Bürger und ebenso eine jede Institution das Recht, einen Justizmord als Justizmord anzuprangern. Dazu bedarf es keiner Rechtsnachfolge.

Zum Weiterlesen:

  • „Hexen“ sollten rehabilitiert werden, Skeptiker 1/2012, Seite 40-42
  • Hexenrehabilitation – nun auch in Bad Homburg, GWUP-News

 

7 Kommentare

  1. @Ano Nym:

    Hallo Herr „Ano Nym“,

    tut mir Leid, aber wirre Anschuldigungen, die dem interviewten Historiker Aussagen unterstellen, die nicht mal im Entferntesten intendiert sind, veröffentlichen wir nicht – schon gar nicht anonym.

    Wenn Sie schon herumspinnen wollen, stehen Sie wenigstens mit Ihrem Namen dazu. Oder schämen Sie selbst sich für Ihren Unsinn?

  2. Lieber Herr Harder,

    dass Sie Kommentare einer Vorabkontrolle unterwerfen, kann ich nachvollziehen, würde ich als Betreiber auch machen, schon der Haftungs- und Spam-Problematik wegen.

    Dass eine Aussage dieselbe Aussage bleibt, auch wenn sie nicht intendiert ist, und dass es an einem Argument nichts ändert, wenn es ein anderer vorbringt, ist Ihnen sicherlich bekannt. Insofern sehe gar ich kein Erfordernis, von einer Kritik an etwas abzulassen, was ausgesagt, aber nicht beabsichtigt war, und auch keines hier mit einem anderen Namen als „Ano Nym“ zu kommentieren.

    Zum „Herumspinnen“ und zum „Unsinn“. Nehmen Sie doch mal den Satz, den Sie zitieren:

    „Den Hexenprozessen lag als juristische Grundlage die „Carolina“, die Halsgerichtsordnung Kaiser Karls, zugrunde. In dieser wurde eindeutig festgelegt, dass die Folter nur ein Mal ausgeübt werden durfte.“

    und legen Sie meine Aussage dagegen.

    „2. Foltern geht in Ordnung, wenn es entsprechend dem Codex erfolgt.“

    Eine vernünftige Kritik an meinem Satz würde dort einen inhaltlichen Fehler aufzeigen. Welcher soll das Ihrer Meinung nach sein?

    Mit freundlichen Grüßen

    Ano Nym

    PS: Weil es gerade noch frisch ist: „Klarnamen werden immer nur von den Stärkeren gefordert“ http://www.zeit.de/2012/10/Netz-Interview-Domscheit-Berg/seite-2

  3. @Ano Nym:

    Sie können doch lesen, oder?

    Der Satz, auf dem Sie herumreiten, beschreibt die damalige Rechtslage und die Problematik des heutigen Umgangs damit im Sinne einer formaljuristischen Rechtsnachfolge.

    Dass der interviewte Historiker damit Folter „in Ordnung“ findet, wie Sie meinen, sofern diese „rechtmäßig“ (also dem Codex entsprechend nur einmal) erfolgte, ist eine Verunglimpfung Ihrerseits, die an Rufmord grenzt.

    Und genau aus diesem Grund werde ich keinen weiteren Kommentar von Ihnen freischalten, wenn Sie nicht Ihren Namen angeben. Sie können von mir aus ein Pseudonym verwenden, aber geben Sie ihre korrekte Mail-Adresse an, ansonsten geht alles weitere automatisch in den Spam-Filter.

  4. Was manche alles mit dem Hexenkult begründet.Zum Glück gibt es auch noch klardenkende Richter.

    Hexenverbrennung schützt nicht vor Kirchensteuerabführungspflicht

    Ein Arbeitgeber kann nicht die Abgabe von Kirchenlohnsteuer für seine Arbeitnehmer mit dem Hinweis darauf verweigern, daß eine Vorfahrin von ihm am 23.02.1664 als Hexe öffentlich verbrannt worden ist.

    FG München, Urteil vom 21-08-1989 – 13 K 2047/89 = NJW 1990, 1256

    http://blog.beck.de/2011/10/15/hexenverbrennung-schuetzt-nicht-vor-kirchensteuerabfuehrungspflicht

  5. Ich zitiere: „In der frühen Neuzeit bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der Hexenprozesse also, war die Tatsache, dass man nicht zaubern oder hexen kann, allseits bekannt.“ …
    „Rechtmäßig verurteilt worden wären die Beschuldigten, wenn sie tatsächlich Magie ausgeübt hätten.“ …
    „Insofern sind die blödsinnigen Behauptungen moderner „Hexen“, dass sie über magische Kräfte verfügen, eine Verunglimpfung von Justizmordopfern, weil damit implizit behauptet wird, dass die Opfer rechtmäßig ermordet wurden. Ich bin der Auffassung, dass solche Behauptungen aufgrund ihrer menschenverachtenden Tendenz sogar mit Strafe belegt werden sollten.“

    Was ist denn das für eine Logik???

    Eine neue Inquisition zur Verfolgung „moderner“ Hexen????

    Zunächst müsste man erstmal definieren was Magie eigentlich ist. In der altägyptischen Mystik ist Magie z.B. eine Kraft die jedem Menschen gegeben ist, um böse Ereignisse abzuwehren. Insofern können alle ‚zaubern‘ oder niemand kann ‚zaubern‘.
    Wenn wir dieser Definition folgen, dann sind sämtliche Opfer der Hexenprozesse keine Hexen gewesen und somit unschuldig hingerichtet worden. Wären sie Hexen gewesen, wären sie nämlich garnicht erst in diese Lage gekommen, da sie über Magie verfügt hätten, eine Kraft, die sie davor geschützt hätte in diese Lage zu geraten.
    Und das ist ja auch der Witz all dieser Hexenprozesse. Es ging hauptsächlich um Macht mittels Verunglimpfung mißliebiger Menschen, um sich deren Vermögen anzueignen.
    Und worum geht es heute? Heute geht es wieder um Verunglimpfung, – aber nicht ‚moderne Hexen‘ verunglimpfen Justizmordopfer, sondern der Schreiberling obiger Zeilen will mit seiner verqueren Logik ‚moderne Hexen‘ verunglimpfen.

  6. @Shakti Morgane:

    Ich argwöhne, in Sachen „verquerer Logik“ sind Sie die Expertin.

    << In der altägyptischen Mystik ist ...<< Wen interessiert hier "altägyptische Mystik", wenn es ganz konkret um die europäische Hexenverfolgung der frühen Neuzeit geht? Sie folgen gar keiner Logik, sondern konstruieren eine Argumentation, die Ihnen gerade am besten passt. << Eine neue Inquisition zur Verfolgung “moderner” Hexen???? << Nein, der Autor will zum Ausdruck bringen, dass er es für eine arrogante Anmaßung hält, wenn irgendwelche Schwärmerinnen sich heute "Hexen" nennen, angesichts der in früheren Zeiten als "Hexe" ermordeten Frauen. Das sehe ich übrigens ähnlich. Wenn Sie wirklich etwas für "Hexen" tun wollen, dann engagieren Sie sich bitte gegen die heutige Hexenverfolgung in Afrika etc., anstatt gelangweilte und wohlstandsverwahrloste Pseudo-"Hexen" hierzulande in Schutz zu nehmen: https://blog.gwup.net/2013/04/04/todliche-hexenjagden-und-der-kampf-der-skeptiker/

    https://blog.gwup.net/2013/04/17/witch-camps-studie-in-ghana-benotigt-spenden/

    https://blog.gwup.net/2011/06/26/hexen-hinrichtungen-und-hirnverbranntes/

    https://blog.gwup.net/2012/07/22/wir-schreiben-2012-und-die-hexe-heist-leona/

  7. @Shakti Morgane:
    „Insofern können alle ‘zaubern’ oder niemand kann ‘zaubern’.“

    Da es keinerlei Belege für „‘zaubern’ können“ gibt, können wir wohl getrost von Letzterem ausgehen.

    „Eine neue Inquisition zur Verfolgung “moderner” Hexen????“

    Die heutige Kritik an der Geschäftemacherei an diesem Hokuspokus mit dem grausamen Tod vieler Menschen zu vergleichen, ist tatsächlich eine Verhöhnung und Verunglimpfung der Opfer.
    Ich kann mir vorstellen, dass es unbequem ist, wenn das eigene Geschäftsmodell in Frage gestellt wird.
    Aber kann man das wirklich mit Folter und dem Verbrennen lebendigen Leibes vergleichen?

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