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Nostradamus-Fake: GWUP-Forscher findet Originale

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Und wieder mal … Nostradamus. Die Eso-Postille „mysteries“ („Geheimnisse, Wunder, Phänomene“) hat den Großmeister aller Stern- und Fernseher exhumiert und ihm „sein letztes Geheimnis“ abgerungen. Das verheißt jedenfalls die Titelschlagzeile der Ausgabe Juli/August 2009. Im Innenteil erfahren wir, dass Nostradamus als Prophet wie als Zeichner gleichermaßen begabt gewesen sein soll. In der römischen Nationalbibliothek ist nämlich ein uraltes Buch mit 80 rätselhaften Zeichnungen aufgetaucht – möglicherweise „geheime Botschaften von Nostradamus“.

Die bunten Wasserfarbenbilder zeigten eindeutig den Untergang des Papsttums, denn auffallend häufig seien darauf „Päpste zu sehen, oftmals werden sie angegriffen und bedrängt“, zitiert das Blatt einen der zahllosen selbst ernannten „Nostradamus-Forscher“ auf dieser Welt. Immerhin äußert „mysteries“ wohlweislich auch ein paar vage Zweifel an der nostradamitischen Urheberschaft des Manuskripts mit dem Datumseindruck „1629“ – auch wenn der Entdecker des Buches, der italienische Journalist Roberto Pinotti, nach eigenem Bekunden keine allzu großen Hoffnungen in wissenschaftliche Analysen setzt: „Tatsache ist, dass irgend jemand vor langer Zeit diese Bilder gemalt hat. Was mit den Visionen gemeint ist, werden wir wohl nie mit Bestimmtheit sagen können.“

Hier irrt Signore Pinotti allerdings gewaltig. Ein Anruf bei den freundlichen Skeptikern von der gemeinnützigen GWUP hätte genügt, um die „mahnende Botschaft der Bilder“ (Zitat aus dem „mysteries“-Artikel) zu dechiffrieren.

Tatsächlich liegt der Berliner Historiker Jörg Dendl, den der „mysteries“-Autor nach seiner Meinung gefragt hat, nicht ganz falsch, wenn er in den 80 Zeichnungen aus dem geheimnisvollen Buch „Motive aus dem Mittelalter“ zu entdecken glaubt. „Allerdings müsste man einmal vorurteilslos abklären, für welche Bilder es Vorlagen gibt und für welche nicht“, regt er an. „Mich wundert, dass das in all den Jahren noch nie jemand getan hat.“

Doch, hat jemand. Und zwar der Volkskundler Dr. Stephan Bachter, Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP. Gleich nachdem das Magazin „2000 plus“ vor genau zehn Jahren zum ersten Mal über das angeblich „verschollene Buch von Nostradamus“ berichtet hatte (der „sensationelle“ Fund in der römischen Nationalbibliothek datiert nämlich schon von 1994!), machte sich Bachter auf die Suche.

Und da er als Skeptiker nicht in jedem Tintenklecks „Nostradamus-Botschaften“ vermutet, sondern die historisch-wissenschaftlichen Fakten prüft, wurde er bald fündig – und zwar in der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek der Universität Augsburg. In diesem höchst seltenen Buchbestand aus der Privatsammlung einer nordschwäbischen Adelsfamilie stöberte Bachter die Vorlagen auf, aus denen 1629 ein cleverer unbekannter Drucker seinen Nostradamus-Fake zusammenmontierte.

Mehr dazu gibt’s ab Mitte September im nächsten SKEPTIKER, der einzigen deutschsprachigen Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken. Als Appetizer hier schon mal eine Gegenüberstellung, wie sie aussagekräftiger kaum sein kann:

1) Angebliche Nostradamus-Zeichnung von 1629:

2) Illustration aus der Oettingen-Wallerstein-Sammlung von 1527:

Links zum Thema:

10 Kommentare

  1. Hallo, liebe Kollegen von der gemeinnützigen „Skeptiker“-Postille. Schön zu wissen, dass auch Ihr zu den zahlreichen Lesern unseres MYSTERIES-Magazins zählt. :-)

    Leider scheint Euch folgende Textpassage in unserem Nostradamus-Artikel irgendwie entgangen zu sein, weshalb ich sie nachfolgend für alle Interessierten gerne nochmals wörtlich wiedergebe.

    In diesem Sinne grüsst herzlich aus der Schweiz
    Luc Bürgin (Herausgeber)

    Zitat „MYSTERIES“, Heft Nr. 4/2009 (Juli/August):

    „Doch es gibt auch skeptische Stimmen – und zwar nicht wenige. (…) Maria Cristina Misiti, Leiterin der Bibliothek für Archäologie und Kunstgeschichte in Rom, ist überzeugt, dass die Zeichnungen ‚im späten 18. Jahrhundert, wenn nicht gar erst im 19. Jahrhundert‘ hergestellt wurden. Die Vorlagen stammen ihrer Ansicht nach von Motiven, die im Mittelalter weit verbreitet waren. Misiti nennt in diesem Zusammenhang den Kodex der Stiftsbibliothek Kremsmünster (um 1410 bis 1415), das Manuskript Arundel 117 der British Library (um 1414 bis 1417) oder das Manuskript A 2848 der Bibliothek des Erzgymnasiums von Bologna, das Ende des 15. Jahrhunderts entstand: Drei Beispiele von etlichen ähnlich illustrierten Manuskripten unterschiedlichster Autoren mit Prophezeiungen über das Papsttum, die um 1414 bis 1418 unter dem Obertitel ‚Vaticinia de Summis Pontificibus‘ zusammengefasst wurden. (…)“

  2. Hallo lieber Herr Bürgin,

    ein kollegialer Gruß zurück in die schöne Schweiz!

    << Leider scheint Euch folgende Textpassage in unserem Nostradamus-Artikel irgendwie entgangen zu sein, <<<

    Durchaus nicht – wir erwähnen sowohl, dass „mysteries“ *ein paar vage Zweifel* an der nostradamitischen Urheberschaft der Zeichnungen anmeldet, als auch das Dendl-Zitat, welcher (analog zu Signora Misiti) die Bilder ebenfalls im Mittelalter verortet.

    Die Kommentierung *ein paar vage Zweifel* mögen Sie mir verzeihen – ist diese doch lediglich dem Umstand geschuldet, dass alle von „mysteries“ durchaus eingeholten kritischen Stimmen anscheinend nicht schwer genug wogen, um von einer Titel-Schlagzeile mit der Tatsachenbehauptung „Verschollenes Buch prophezeit Ende des Papsttums und globale Katastrophen“ Abstand zu nehmen.

  3. Lieber Herr Bürgin,

    der entscheidende Punkt scheint mir zu sein, daß die von mir vorgestellten Bilder überhaupt nichts mit „Prophezeiungen über das Papsttum“ zu tun haben, sondern allenfalls mit der Auseinandersetzung mit dem Papsttum während der Reformation. Gestattet sei der Hinweis, daß man Bilder zeigen muß, und sich nicht mit den gewiß sehr gelehrt klingenden Hinweisen auf entlegene Manuskripte begnügen darf. Wenn Sie dann noch die inhaltlichen Kontexte der Bilder eingehen, kommen wir in dieser Sache weiter.

    Mit freundlichen Grüßen
    Stephan Bachter

  4. Nun ja, liebe Skeptiker-Kollegen: Eure Titelschlagzeile „Nostradamus-Fake: GWUP-Forscher findet Originale“ ist marketingtechnisch gesehen auch nicht von schlechten Eltern … ;-)

    Ich mag es nicht verleugnen: Skeptiker sind für mich die Pessimisten unter den Zweiflern. Oder es um es mit den treffenden Worten von Edgar Wunder von der Gesellschaft für Anomalistik zu formulieren, deren Arbeit ich ausserordentlich schätze: „Das GWUP-kritische Weblog demonstriert, dass auch Skeptiker Skepsis verdienen.“

    In diesem Sinne wünsche ich Euch von Herzen weiterhin viele fruchtbare Erkenntnisse – und ab und an vielleicht auch mal ein Quäntchen mehr Fantasie. Das macht die Welt mit Garantie realistischer, als sie manchen heute scheinen mag. :-)

    Herzlich aus der Schweiz, Euer
    Luc Bürgin
    http://www.mysteries-magazin.com

  5. @ Luc Bürgin: Bitte studieren Sie Ihre Quellen genauer: Edgar Wunder von der GfA hat nie gesagt, was Sie ihm da oben in den Mund legen. Das Zitat stammt nicht von ihm. – MfG: Thomas Ellwangen

  6. @Thomas E:: Sie haben natürlich Recht. Edgar Wunder drückt es sogar noch differenzierter aus:

    „(…) Es gibt innerhalb der GWUP eine ganze Reihe von Mitgliedern, die ohne hinreichende fachliche Kenntnis der jeweiligen Materie eine Art Weltanschauungskampf gegen alles führen wollen, was sie mit dem Begriff ‚paranormal‘ assoziieren, die dabei auch (bewusst oder unbewusst) eine selektiv-einseitige Darstellung der Fakten und Argumente sowie zuweilen auch emotional-unsachliche rhetorische Taktiken in Kauf nehmen, während sie an wissenschaftlichen Untersuchungen zu Parawissenschaften höchstens insofern interessiert sind, als deren Ergebnisse ‚Kanonenfutter‘ für öffentliche Kampagnen liefern könnten.“

    Liebe Grüsse, LB

  7. Hallo lieber Herr Bürgin,

    vielen Dank für Ihre guten Wünsche!

    Nichtsdestotrotz wird, fürchte ich, unsere *Fantasie* nie so weit reichen, dass wir offenkundige Phantastereien über die Wirklichkeit triumphieren lassen würden.

    Um bei unserem Ausgangsthema zu bleiben: *Realistischerweise* können die besagten Zeichungen unmöglich von Nostradamus stammen, da sie sich bis ins Detail lange vor Nostradamus‘ Lebzeiten nachweisen lassen.

    Wenn wir das einfach auch so schreiben würden – sei es in „mysteries“ oder im „Skeptiker“, würde das unsere Welt in der Tat „mit Garantie“ realistischer machen.

  8. […]

    aber zu meinem anliegen – der artikel hier ist ja schon und gut ABER es wäre angebrachter etwas deutlicher zu schreiben und nicht zu sehr in anspielungen oder ironie auszuarten …

    ich kann dem artikel nicht besonders viel konstruktives entnehmen weil der text meines erachtens zu kryptisch vom sinn her formuliert wurde …

    […]

    aber da ich schonmal hier bin zum schluss noch eine sache wegen der ich mich mal ausheulen muss – obs passt entscheidet der leser ;)

    […]

  9. @Herr Bode:

    << aber zu meinem anliegen - der artikel hier ist ja schon und gut ABER es wäre angebrachter etwas deutlicher zu schreiben und nicht zu sehr in anspielungen oder ironie auszuarten ... ich kann dem artikel nicht besonders viel konstruktives entnehmen weil der text meines erachtens zu kryptisch vom sinn her formuliert wurde ... << Nicht alles, was Sie nicht verstehen, ist "kryptisch". << aber da ich schonmal hier bin zum schluss noch eine sache wegen der ich mich mal ausheulen muss - obs passt entscheidet der leser ;) << Nö, das entscheidet jetzt mal ganz undemokratisch der Moderator und sagt dazu: Heulen Sie sich über Gott und die Welt gerne woanders aus.

  10. Einige dargestellten Zeichnungen des Nostradamusbuches sind sehr ähnlich den Zeichnungen im Voynich – Manuskript .
    Mein Verdacht : Es handelt sich um den gleichen Autor/ Zeichner.
    LG Tami

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