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Wahrsager-Check 2008: Wieder lauter Nieten

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Der Astrologe Wolfgang Scheer war sich sicher: „Nur ein Eingriff von außen wie ein Anschlag o.ä. [kann] den Erfolg des DFB verhindern“. Den EM-Titel gewannen Löws Kicker trotzdem nicht, und Anschlag gab es glücklicherweise auch keinen. Wie die jährliche Auswertung der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) zeigt, lagen auch 2008 Wahrsager, Hellseher und Astrologen mit ihren öffentlich geäußerten Prognosen daneben.

[Update: Lesen Sie auch den Artikel „Medien, Seher, Astro-Lügen!“ über die angedrohte Blog-Zensur des Astrologen Malkiel Rouven Dietrich.]

Zur Fußball-EM schien Italien die besten Sterne zu haben: Hans Jürgen Butz, Monika Geiger, Rosalinde Haller und Sofia Sahir setzten zu Jahresbeginn auf den amtierenden Weltmeister, Gerda Rogers sah Frankreich oder Italien als neuen Titelträger. Sie irrten sich ebenso wie Sabine Krause (Tschechien), Georg Stockhorst (Deutschland oder Griechenland), Lucia Francia (Türkei) oder nochmals Rosalinde Haller, die kurz vor der EM ihren Tipp in Frankreich änderte.

Ansonsten sahen die selbst ernannten Zukunftsexperten – wie üblich – vorwiegend schwarz und prophezeiten Naturkatastrophen aller Art, Terroranschläge, Flugzeugabstürze und Kriege. „Katastrophenprognosen sind der absolute Klassiker“, so der Mathematiker Michael Kunkel, der Prognosen dieser Art seit vielen Jahren sammelt und auswertet. „Jedes Jahr sorgt der Monsun für Hochwasser in Indien und Bangladesh, Japan liegt bekanntlich in einer Region in der die Erde sehr häufig bebt. Solches für das kommende Jahr vorherzusagen, ist so sinnvoll wie die Prophezeiung einer drohenden Dunkelheit in den Abendstunden.“

Die Auflistung drohender Katastrophen von Rosalinde Haller ist da nur ein Beispiel: „Deutschland: Stürme, Hochwasser; Indonesien: Erd/Seebeben; Japan, Chile, Los Angeles, San Francisco: Erdbeben; Südchinesischer Bereich, Indien, Bangladesch, Tansania: Hochwasser; Thailand, Malaysia/Sumatra: Tsunamigefahr.“ Wie in jedem Jahr durfte auch ein Anschlag auf den US-Präsidenten nicht fehlen (Haller). Für Schlagzeilen sollte schließlich ein Besuch Außerirdischer (für den 14.10. vom australischen Medium Blossom Goodchild angekündigt) sowie mehrere „exakt datierte“ Weltuntergänge.

Weniger martialisch drückten sich einige Börsenastrologen aus. Ihre Prognosen à la „in diesem oder jenem Monat geht die Börse nach oben oder unten“ haben von vorneherein eine mögliche Erfolgsquote von 50 Prozent. Und obwohl Börsen-Crashs auch zu den üblichen, alljährlichen Katastrophenprognosen gehören und einige Börsen-Astrologen (ebenso wie einige Wirtschaftswissenschaftler) schon zu Jahresbeginn vor einer drohenden Finanzkrise warnten, ist aus deren Prognosen die große Finanzkrise vom Herbst 2008 nicht konkret herauszulesen.

Dass man mit detaillierteren Prognosen dann auch leicht danebenliegen kann, zeigte der Freiburger Astrologe Karsten Kröncke. Seine Voraussage, der DAX könne im Januar einbrechen, mag man noch als Treffer gelten lassen; mit dem Jahrestief im Februar, dem Jahreshoch im Juli und dem Kurseinbruch Mitte Mai lag er allerdings deutlich daneben. Völlig falsch war die Prognose von Winfried Noë, der den DAX im Jahresverlauf um 5 bis 9 Prozent steigen sah.

Bei Konfrontation mit dieser Art von Fehlprognosen verweisen Astrologen häufig darauf, nur eine Minderheit ihrer Zunft wage sich auf das dünne Eis solcher Zukunftsspekulationen und sie selbst würden die Sterndeutung lediglich für die Analyse von Charaktermerkmalen benutzen. Für Skeptiker Kunkel ist das nicht mehr als eine Ausrede: „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Astrologen nicht einmal offensichtlichste Charaktermerkmale aus den Horoskopdaten bestimmen können und dass Horoskopleser ihr eigenes Horoskop nicht von dem einer anderen Person unterscheiden können.“

Auch die Promis hielten sich nicht an die Prognosen der Auguren. Brad Pitt und Angelina Jolie haben sich weder getrennt (Elizabeth Tessier) noch geheiratet (Nikki Pezaro, Jeanne Phillipi); der monegassische Fürst Albert II. (Tessier, Pezaro) und der britische Thronfolger Prinz William (Sofia Sahir) trotzten ebenfalls den Heiratsprognosen. Tatsächlich geheiratet hat der Dänenprinz Joachim – die Hochzeit war vom dänischen Königshaus aber bereits zwei Monate vor der entsprechenden Prognose von Sabine Krause öffentlich angekündigt worden.

Unter den weiteren Prognoseflops aus der Promiwelt finden sich solche über George Clooney (laut Pezaro sollte er heiraten, Vater werden und die Hauptrolle in einem Remake des Leinwandklassikers „Vom Winde verweht“ übernehmen), Britney Spears (Antonio Vazquez Alba prophezeite ihren Selbstmord), Paris Hilton (Jeanne Phillipi sah eine skandalöse Lovestory, Sabine Krause einen Gerichtstermin und finanzielle Verluste) sowie Gülcan Kamps (laut Dagmar Wackermann müsste sie jetzt Mutter sein).

Insgesamt war die Bilanz der Astrologen, Wahrsager und Hellseher auch 2008 eher katastrophal. Das kanadische Medium Nikki Pezaro, das auch für 2008 wieder über 100 Prognosen auf ihrer Internetseite veröffentlichte, lieferte wie gewohnt ein paar besondere Skurrilitäten: So sollte ein Transvestit an der Wahl zur Miss America teilnehmen, und in der englischen Grafschaft Surrey würde ein Riesenkaninchen entdeckt werden.

Vielleicht sollte man das aber alles nicht so ernst nehmen: Zumindest in Großbritannien müssen Kartenleger und Wahrsager auf Grund einer Anpassung an die EU-Gesetzgebung inzwischen eine Art Warnhinweis auf ihren Webseiten veröffentlichen, die ihre Dienste als „reine Unterhaltung“ kennzeichnet.

EU-Minister warnen vor Wahrsagern

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Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

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