Am kommenden Donnerstag (21. April 2011) ist der offizielle Kinostart des Dokumentarfilms „Die Mondverschwörung“.
Es geht darin um den Chefreporter des deutschsprachigen US-Senders DDC-TV, Dennis Mascarenas, der sich aufmacht zu einer Erkundungsreise in die Welt der Esoteriker und Verschwörungstheoretiker. Zitat aus dem Presseheft:
Jeder Schritt führt ihn tiefer in ein irritierendes Gestrüpp aus verschrobenen Ansichten, abenteuerlichen Beweisketten und absurden Schlussfolgerungen.“
Nach unserem kurzen Vorbericht haben wir jetzt den Regisseur Thomas Frickel bei den Augsburger Filmtagen getroffen:
Während der Vorstellung waren aus dem Publikum immer wieder Kommentare wie „Das gibt’s doch gar nicht!“ zu hören. Ist das die Reaktion, die Sie mit dem Film beabsichtigt haben?
Dieses ungläubige Staunen deckt sich durchaus mit meinem eigenen Empfinden. Bei den Dreharbeiten habe ich mich selbst immer wieder gefragt, ob das alles wahr sein kann, was sich da vor der Kamera entfaltet. Insofern haben Sie völlig Recht.
Schon bei „Deckname Dennis“, meinem ersten Dokumentarfilm mit dem DDC-TV-Chefreporter Dennis Mascarenas, schrieben Kritiker von einer „ethnografischen Reise ins eigene Land“. Dieser Effekt ist wohl bei der „Mondverschwörung“ noch stärker. Bei diesem Film handelt es sich um eine Exkursion in eine nahezu unsichtbare und doch omnipräsente Gegenwelt zur Rationalität unseres Alltags.
Was war überhaupt der Anlass für Sie, sich mit der „antimodernen Massenflucht in Esoterik, Okkultismus und Innerlichkeit“ zu beschäftigen, wie es im Presseheft heißt?
Auch das knüpft unmittelbar an „Deckname Dennis“ von 1996 an. Dennis sollte damals die „deutsche Mentalität“ erkunden. Er fand dabei nicht nur Arbeiter und Autonarren, Künstler und Antifa-Demonstranten – sondern zum Beispiel auch einen paranoiden Kabbalisten, der aus allen möglichen Zahlenkombinationen die bevorstehende Weltkatastrophe errechnete.
Oder Menschen mit einem eher rückwärtsgewandten Geschichtsbewusstsein, die von einem „Vierten Reich“ schwärmten. Leider konnten wir das gar nicht alles für den Film verwenden, und da haben wir gesagt, dass wir uns das zu einem späteren Zeitpunkt nochmal genauer ansehen möchten.
Und, wie sieht es heute aus?
Schon vor 15 Jahren haben wir massiv gespürt, dass nach der Auflösung der militärischen Machtblöcke und der festgefügten politischen Weltbilder die Gesellschaft sich in zahllose Kleingruppen zu spalten scheint, die vordringlich an ihren genuinen Interessen orientiert sind.
Und diese auch recht vehement gegen andere verteidigen. Radler gegen Autofahrer zum Beispiel. Oder Vegetarier gegen Fleischliebhaber. Diese Entpolitisierung ist unserer Beobachtung nach noch weiter fortgeschritten, zugunsten einer merkwürdigen Form von Innerlichkeit.
Ich wage mal eine These, die über den persönlichen Bereich hinausgeht: Wenn der äußere Feind – also früher der Osten, die Kommunisten etc. – abhandenkommt, richtet sich der Blick nach innen. Dann ist plötzlich die eigene Regierung der Feind. Beziehungsweise mächtige Verschwörergruppen, die angeblich überall die Fäden ziehen und unsere Freiheit bedrohen.
Das sieht so aus, ja. Wir haben für „Die Mondverschwörung“ zum Beispiel jemanden mit der Kamera begleitet, der beim Berliner Landeskriminalamt Anzeige erstattet gegen die Drahtzieher der „Sprühaktionen“, durch die „Chemtrails“ am Himmel entstehen. Auch bei einem Treffen von „Neuschwabenland“-Anhängern im Hinterzimmer einer Kneipe haben wir eigenartige Überzeugungen zu hören bekommen.
Die in Ihrem Film nicht kommentiert, sondern nur dokumentarisch gezeigt werden. Wie ist es Dennis Mascarenas eigentlich gelungen, so ruhig zu bleiben, obwohl er ständig mit der amerikanisch-jüdischen Weltverschwörung und noch ganz anderen Absurditäten konfrontiert worden ist?
Zum einen haben amerikanische Journalisten eine andere Einstellung als viele ihrer hiesigen Kollegen, die unliebsamen Gesprächspartnern gerne Fallen stellen und sie vorführen wollen. Darum ging es Dennis nicht – und zum anderen auch uns nicht. Wir hatten von vorneherein einen dokumentarischen Ansatz, es ging also nicht darum, mit den Interviewten zu diskutieren oder sie gar zu belehren und ihnen zu erklären, dass sie sich auf einem Irrweg befinden.
Nein, unser Problem war ein ganz anders: Als Dokumentarfilmer hat man den Anspruch, die Wirklichkeit abzubilden, frei nach Godard, der sagte: Film ist Wahrheit, 24-mal in der Sekunde. Auch und gerade die Zeitzeugen in Doku-Formaten müssen glaubwürdig sein. Bei den Interviews für „Die Mondverschwörung“ sind wir dann zum Beispiel auf eine Frau gestoßen, die erzählt, sie habe schon 1939 im Radio gehört, dass der Führer seinen Altersruhesitz in einer Festung am Südpol nehmen möchte.
Man wird also mit Menschen konfrontiert, die ganz andere Wahrheiten und Realitäten im Kopf haben als wir. Diese Parallelwelten waren mir so nicht bewusst, und das muss man erst mal verkraften.
Bei der Mondverschwörung denkt man in erster Linie an die „We never went to the moon“-Story. Darum geht es im Film aber gar nicht. Wie und warum sind Sie auf diesen Titel gekommen?
Der Mond ist für den Film das zentrale Motiv, im Sinne eines verbindenden Elements für die einzelnen Episoden und Handlungsstränge. Das beginnt ganz harmlos mit Mondkalendern, Mondgymnastik und einer Mondscheinfriseurin. Über das „Mondwasser“ landet man dann schon bei Masaru Emoto und der „Macht der Gedanken“. Bis hin zur „dunklen Seite des Mondes“ und der Frage, wer oder was sich dort erdabgewandt verbergen mag.
Wobei ich nicht behaupten will, dass jemand, der Mondwasser trinkt, für rechtes Gedankengut oder esoterischen Hitlerismus anfällig ist. Das wäre natürlich ein Kurzschluss, dem ich in keiner Weise Vorschub leisten möchte.
Andererseits huldigt die Esoterikszene ja dem schönen Motto „Alles hängt mit allem zusammen“. Folglich muss sie sich auch gefallen lassen, dass in einer Gesamtschau wie „Die Mondverschwörung“ auch die Extreme ausgeleuchtet werden.
Im Film fährt Dennis Mascarenas einen roten VW-Käfer mit dem Kennzeichen „C – IA 666“. Nach der Vorstellung in Augsburg breitete jemand im Publikum eine auch für mich völlig neue „VW-Verschwörung“ aus, möglicherweise sogar ernst gemeint. Passiert Ihnen das öfter?
Meinen Sie damit, dass der Film affirmativ wirken könnte? Ich weiß es nicht, denke es aber eigentlich nicht. Gerade in der 85-minütigen Geballtheit wird deutlich, dass das doch sehr merkwürdige Dinge sind, um die es da geht. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass dadurch jemand angefixt wird und zum Esoteriker oder Verschwörungstheoretiker mutiert.
Wenn allerdings jemand eine Affinität für das Thema hat, wird er den Film möglicherweise sehr selektiv wahrnehmen, also das meiste darin verwerfen, aber bestimmte Sachverhalte auch für sich bestätigt sehen. Mag sein, dass die VW-Geschichte so eine ist.“
Sie sind bei vielen Vorstellungen dabei und diskutieren anschließend mit dem Publikum. Was sind Ihre Erfahrungen?
Es gibt immer mal wieder Zuschauer, die das gar nicht gut finden, wenn man sich über angeblich vergiftete Euro-Scheine oder Teufelssymbole auf unserem Personalausweis oder die Weltverschwörung lustig macht.
Dann antworte ich, dass wir uns gar nicht darüber lustig machen. Und das stimmt ja auch. Kein einziges Gespräch in dem Film ist sinnentstellend gekürzt oder falsch wiedergegeben worden. Wie schon gesagt, wir führen die Leute nicht vor.
Aber es stört Sie auch nicht, wenn das Publikum über deren krude Ideen lacht.
Nein.
Wollen Sie mit dem Film eine implizite Warnung vor Esoterik, Pseudowissenschaften und Verschwörungstheorien formulieren?
Sagen wir mal so: Ich habe bei Reisen nach Afrika und in den Orient durchaus wundersame Dinge gesehen, wie etwa Heilerfolge von Marabouts. Sicherlich hängt das auch vom Glauben und von der Erwartungshaltung ab, darüber kann und möchte ich mir kein Urteil erlauben.
Bei der Arbeit am „Mondverschwörungsfilm“-Film haben wir aber häufig erlebt, dass allen möglichen skurrilen Ideen das Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit umgehängt wird. Und dabei lösen sich bestimmte gesellschaftliche und rationale Übereinkünfte auf, von denen ich denke, dass es wichtig ist, dass sie erhalten bleiben.
An dem Punkt, wo der Konsens der Aufklärung verlassen wird, geraten manche Leute anscheinend auf eine Art schiefe Ebene, auf der man von der „Widerlegung Einsteins“ über die Holocaust-Leugnung geradewegs bis zur extremen politischen Rechte rutschen kann. Dann wird’s wirklich schwierig. Und auch gefährlich.
17. April 2011 um 18:11
Den Film muss ich sehen. Aber lieber auf DVD – Ich glaub, im Kino (also ohne zwischendrin mal „Pause“ drücken zu können) halte ich das nicht aus.
17. April 2011 um 20:27
Yep – bitte ASAP auf DVD/BD rausbringen. Übrigens, wo gibt es den „Deckname Dennis“ auf DVD oder BluRay? Kino ist nicht jedermanns Sache, außerdem läuft der Streifen in meiner Stadt – sehe ich gerade – sowieso gar nicht.
17. April 2011 um 23:04
Freue mich schon riesig auf den Film. Ich hoffe, dass ich befreiend lachen kann, wenn die Parade der Spinner auffährt (auch wenn die Leute nicht vorgeführt werden sollen).
Aber wenn ich an den Kommentaren zu diversen Youtube-„Aufklärungs“-Videos sehe, wie leicht Menschen auch dem allergrößten Unsinn (Jo Conrad, Kawi Schneider etc.) auf den Leim gehen, brauche ich das einfach.
mit gehirngewaschenen Grüßen,
Marc
18. April 2011 um 11:17
@ Bei amazon:
http://www.amazon.de/deckname-dennis-DVD-Blu-ray/s?ie=UTF8&keywords=Deckname%20Dennis&rh=n%3A284266%2Ck%3ADeckname%20Dennis&page=1
18. April 2011 um 17:39
@ Bernd: danke!
18. April 2011 um 17:40
Hmmm, P.S. das ist doch eine… Videokassette? WTF? Da war doch mal was, stimmt ;)
18. April 2011 um 17:41
@ Ja, tut mir Leid, aber ich kann mal den Regisseur anfragen.
19. April 2011 um 06:28
Eine Reportagereise durch ein Deutschland das nicht mehr alle Tassen im Schrank hat….Die Dokusatire von Thomas Frickel Deckname Dennis gewhrt amsante bis verstrende Einblicke in die wirre Geisteswelt einheimischer Esoteriker….Als Chefreporter des deutschsprachigen US-Senders DDCTV hat Dennis R.
19. April 2011 um 13:19
Kostenpflichtig downloaden kann man „Deckname Dennis“ hier:
https://shop.culturebase.org/de_DE/1/movie/21529/ofi_popup
19. April 2011 um 22:34
Danke, Bernd!
20. April 2011 um 11:52
Klingt wirklich sehenswert… Schade, dass der Film zwar in Göppingen, Witzenhausen und Erlenbach gezeigt wird, das Ruhrgebiet aber komplett außen vor gelassen wird…
21. April 2011 um 08:41
Ich kenne Thomas Frickel noch aus gemeinsamen Schulzeiten, und von Dennis‘ Sofa aus haben wir das Gras in den Blumenkästen wachsen sehen – den Film muss ich also gesehen haben. Ehrensache.
22. April 2011 um 11:06
Schade, dass er in meiner Stadt erstam 19.5 läuft ….
1. Mai 2011 um 10:29
Hallo zusammen: Ich sah mir „Die Mondverschwörung“ zwei Tage nach dem Kinostart an, und wie bekannt, geht es um Mondgläubigkeit im weitesten Sinne, von esoterischer Mondgymnastik über den Herrn, dessen Vorfahre den Mond von Friedrich II. geschenkt bekam, bis zu Spinnereien um Nazi-UFOs.
Daneben werden auch Schwarze Sonne und Chemtrails abgehakt. Inhaltlicher Höhepunkt ist die Kritik der These von reichsdeutschen UFO-Basen am Südpol.
Der Film startet mit einem Treffen des Moderators mit Pinguinen in freier Wildbahn und kehrt am Ende zu ihnen zurück, und man hat sich wohl eine Reise zur antarktischen Küste geleistet. Es gibt aber auch Aufnahmen von einem Neuschwabenland-Zirkel in Berlin.
„Die Mondverschwörung“ ist nicht schlecht, aber etwas angestaubt, d.h. gefilmt wurde allem Anschein nach um 2005 herum. Ein Beleg dafür ist z.B. dieser „Panorama“-Clip mit dem dicken Herrn im gelben Anzug, der ebenso dick und gelb in der „Mondverschwörung“ auftritt: http://www.archive.org/details/2005-ARD-NSL-Stammtisch-in-Berlin.
Der Neuschwabenland-Diskurs ist inzwischen erheblich weiter, siehe http://www.ironsky.net oder die Haunebu-Kunst ( http://www.peenemuende.de/index.php?id=106 ). Als Sittenbild der Nuller-Jahre in Deutschland ist „Die Mondverschwörung“ aber unbedingt zu empfehlen.
5. Mai 2011 um 00:07
Guter Film, vielleicht macht er den nächste ja mal über die Skeptikerszene ;-))