Der GWUP-Wissenschaftsrat hat einen Offenen Brief an „Jugend forscht“ verfasst.
Anlass ist die Arbeit einer Schülerin, die von der Stiftung unter dem Titel „Mit Homöopathie zur Turbobiene? Geht das?“ publiziert wurde.
In einer Pressemitteilung der TU Clausthal, wo die Landessieger Niedersachsens prämiert wurden, hieß es allerdings klipp und klar:
Im Zuge ihrer Arbeit konnte sie nachweisen, dass die Gabe von homöopathischen Präparaten die Überlebenschance der Honigproduzenten erhöht.“
Das Skeptiker-Gremium schreibt dazu:
Sollte dieser Schluss sich als wahr erweisen, so wäre das eine wissenschaftliche Sensation, die die Grundfeste des bestehenden Wissens erheblich erschüttern würde und mit einem Nobelpreis nur unzureichend gewürdigt wäre.
Bei dem homöopathischen Präparat T100 muss angenommen werden, dass es den Prinzipien der Homöopathie folgt. Aufgrund der hochgradigen Verdünnung wird keine Materie enthalten sein, was durch Reiben und Schütteln gegen den Erdmittelpunkt ersetzt wird.
Dies widerspricht in mehrfacher Hinsicht gut bestätigten Erkenntnissen der Wissenschaft.
Die junge Forscherin versucht mit ihrer Arbeit einen statistischen Beleg für die Homöopathie zu erbringen, obwohl von deren Anhängern in Ermangelung wissenschaftlicher Belege über deren Wirksamkeit regelmäßig behauptet wird, dass solche Belege gar nicht nötig wären.
Mit dem beschriebenen Versuchsansatz ist das auch definitiv nicht möglich.
Die Struktur der dargestellten Ergebnisse lässt das Auftreten einiger weitverbreiteter Fehler in der statistischen Auswertung vermuten. Ohne das Vorliegen der vollständigen Versuchsdokumentation kann darüber allerdings nur spekuliert werden.
Um dies kritisch prüfen zu können, wiederholen wir die am 17. Juni bereits erhobene Bitte, uns die ausführliche Versuchsdokumentation zugänglich zu machen.“
Jetzt wird’s spannend.
Zum Weiterlesen:
- Weltsensation bei Jugend forscht: Homöopathie hilft kranken Bienen, GWUP-Blog am 3. Juni 2015
- Offener Brief an „Jugend forscht“, GWUP-News am 20. Juli 2015
- Prof. Frass nimmt Stellung zu meiner Studienkritik, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 18. Juli 2015
20. Juli 2015 um 19:07
„Mit Homöopathie zur Turbobine? Geht das?“
http://www.jugend-forscht.de/projektdatenbank/mit-homoeopathie-zur-turbobiene-geht-das-auswertung-der-versuche.html
Ich muß gestehen, daß ich mehr von „Jugend forscht“ gehalten habe, aber wenn man das liest, dann bewegt man sich dort sprachlich auf „Bravo-Niveau“.
Mir tut nur die junge Frau etwas leid, die vielleicht die „Angriffe“ persönlich nimmt – richtigerweise sollte man aber nur „Jugend forscht“ kritisieren.
21. Juli 2015 um 01:59
Naja, ein bisschen Kritik wird sie sich schon gefallen lassen müssen. Der offene Brief wurde ja auch ohne Polemik sauber formuliert.
Ist nur die Frage, ob sie überhaupt anfängt, darüber nachzudenken. Denn dann müßte sie auch drüber nachdenken, was ihr Onkel da so zusammenmischt …
Ich hör jedenfalls vor meinem geistigen Ohr schon die Stimme von Fr. Bajic bei der nächsten Homöopathiediskussion in Radio oder Fernsehen mit Freude verkünden, dass es einen Nachweis für die Wirksamkeit bei Bienen gibt und dass man da ja wohl weder einen Placebo- noch einen therapeutischen Effekt haben könne und und und …
Wasserlinsen, Bienen – warum nicht mal unbelebte Materie? Vielleicht kann man ja mit potenzierten Kieselsteinen zersprungene Autofrontscheiben reparieren. Oder man verdünnt Moltofil stärker als auf der Verpackung angegeben, dann springt der alte Putz von selbst von der Wand.
Es ist spät. Ich sollte ins Bett gehen.
21. Juli 2015 um 07:31
Allein die Überschrift ist meines Erachtens völliger Unsinn. Es geht nicht um Turbobienen, es geht darum, die Bienen gegen einen gefährlichen Parasiten abzuhärten. Mit Turbo würde ich eher eine Art Bienendoping verbinden.
Wie auch immer, eigentlich ist der Versuchsansatz des Mädchens doch gar nicht mal schlecht.
3 Verum- (falls man das so sagen kann), 3 Kontrollgruppen. Die Stärke des Befalls mithilfe des Auszählens der Milben zu bestimmen, ist ebenfalls, so meine Wikirecherche, gängige Praxis – wobei aus dem Artikel bei Wikipedia allerdings nicht hervorgeht, ob es einen irgendwie gearteten quantitativen Zusammehang zwischen Zahl der Milben am Boden und dem Befall des Volkes gibt (abgesehen von nicht befallen und befallen und vielleicht noch stark befallen).
Eine weitere Recherche in der Wiki ergibt als Alternative (ha!) zum Auszählen der toten Milben die sogenannte Bienenprobe, bei der einige hundert Bienen entnommen werden, samt den Milben abgetötet und die Milben dann ausgezählt werden. Diese Methode scheint sehr genau zu sein, ist allerdings mit dem Tod der Bienen verknüpft.
Daneben gibt es noch die Puderzuckermethode, bei der die Bienen mit Puderzucker eingestaubt werden, wodurch die Milben abfallen. Auch das Resultat dieser Probe scheint sehr genau zu sein und die Bienen bleiben am Leben.
Vor diesem Hintergrund ist es also schon einmal fraglich, ob die gezählten Milben im JF-Projekt irgendeine Aussage erlauben. Natürlich sagt einem der gesunde Menschenverstand™, dass, wenn mehr tote Milben am Boden liegen, auch der Befall stärker sein muss. Das ist allerdings nicht wissenschaftlich und scheint zudem ja auch in der Imkerei schon bekannt zu sein.
Die Größe der Bienenvölker sollte auch eine Rolle spielen, denn je mehr Bienen, desto mehr Milben können das Volk befallen, ohne ihm zu schaden – das spräche dann sogar dafür, dass die Placebobienen gesünder wären (was auch wiederum im Sinne der Homöopathiekritik nicht ideal wäre, denn es spräche für eine, wenn auch negative, Wirkung – vielleicht war es einfach nicht das richtige Mittel).
Weitere Probleme sind: fehlende Verblindung, familiäre Verbindung zum Hersteller, Stichprobenumfang.
Außerdem wäre natürlich gut zu wissen, was T100 eigentlich sein soll. Wenn das eine Niedrigpotenz (z.B. D2) eines wirksamen Mittels ist, dann sollte man einen gewissen Effekt erwarten dürfen.
Auch wären die Studiendaten mal interessant – obwohl, eigentlich nicht, da wie oben beschrieben die Zahl der toten Milben ja kein prädiktiver Surrogatparameter für den Befall des Volkes ist.
Aber nun noch ein bisschen Kritik an der Kritik:
Der Hinweis, dass Homöopathika keinen Wirkstoff enthalten, ist einfach falsch und liefert den Homöopathieanhängern einen Ansatz für Kritik. Oft werden, insbesondere in Komplexhomöopathika, Potenzen im Bereich D2 – D4 verwendet und D6 ist bei den traditionellen Homöopathika (was bei Globuli und mathematisch korrekt denkenden Menschen allerdings D8 entspricht) häufig.
Diese Potenzen enthalten also durchaus noch etwas Stoff. Die Frage ist und bleibt, ob die Dosierung aussreicht, einen Effekt hervorzurufen. Allerdings könnte man auch einige allopathischen Mittel durchaus mit D6 etc. beschriften, da ihr Wirkstoffgehalt äußerst gering ist. Die Pille enthält Hormone im µg-Bereich, ebenso Schilddrüsenmedikamente wie L-Thyroxin,Digitalispräparate bei Herzinsuffizienz oder Botulinumtoxin.
Das sind natürlich Extrembeispiele – Aspirin und viele Antibiotika werden ja eher im Grammmaßstab verabreicht. Aber je nach Wirkstärke werden enthalten eben auch nicht homöopathische Arzneimittel wenig Wirkstoff.
22. Juli 2015 um 18:40
@Christian Becker
Es geht ja nicht allein um die Wirksamkeit der „Potenzen“, sondern vor allem um das magisch-sympathetische Weltbild, welches der „Homöopathie“ zugrunde liegt:
„Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden“, das Simsalabim-Prinzip ;-)
Bei den „schulmedizinisch“ bekannten Arzneimitteln, werden bestimmet Wirkmechanismen angesprochen, bei Analgetika zb, werden bestimmte Rezeptoren blockiert, da wird nichts mit ähnlichem geheilt, aber das wissen Sie bestimmt besser als ich.
23. Juli 2015 um 08:43
Das mit dem Mechanismus ist zwar richtig, aber das interessiert Patienten wahrscheinlich eher am Rande. Solange ein Mittel nachweislich heilt, ist der Mechanismus eher von akademischem Interesse. Nur mangelt es bei der Homöopathie halt schon bei „nachweislich“.
Es gibt auch bei den allopathischen Mitteln welche, deren Mechanismus nicht oder nicht vollständig geklärt ist. Paracetamol ist so ein Beispiel. Es funktioniert weder wie Aspirin und Co. durch COX-Hemmung, noch durch Angriff an Opioidrezeptoren wie Morphin etc.. Es gibt einige mögliche und sinnvoll erscheinende Hypothesen (noch ein Unterschied zur Homöopathie), aber genau bekannt ist es immernoch nicht.
Was ich mit der Kritik an der Kritik oben einfach ausdrücken wollte ist, dass man nicht pauschal sagen sollte, dass in Homöopathie kein (Wirk)stoff enthalten ist.Es gibt ja noch genügend anderen Mumpitz (z.B. dass die „Arznei“ potenter wird, wenn man sie weiter verdünnt, das magische Simileprinzip – aus dem sich dann die absurdesten Substanzen, die zu Homöopathika verarbeitet werden, ableiten).
Wenn man aber immer wieder mit dem Nichtvorhandensein von Wirkstoff ankommt und dann mal jemand nachrechnet, dass in Arnika D4 mehr Wirkstoff enthalten ist als in z.N. der Pille, dann könnte die Person auch auf die Idee kommen, dass es mit den anderen Gegenargumenten nicht so weit her ist.
23. Juli 2015 um 18:36
Eine Frage:
Warum habt ihr Monate gebraucht, um diesen Brief zu schreiben? Die ganze Sache ist doch schon längst durch die Presse gegangen und wieder vergessen. (Nur nicht bei den Zuckerfreaks, die das jetzt wieder als ganz dolles Beispiel nehmen werden).
23. Juli 2015 um 18:51
@der eine Andreas:
Wie aus dem Brief hervorgeht, lief bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine Anfrage an JF, die bislang unbeantwortet blieb.
Deshalb jetzt die Nachfrage.
Klar versucht JF die Sache einfach auszusitzen, bis sie wieder vergessen ist.
25. Juli 2015 um 08:46
@Bernd Harder:
Danke, den 17.06. hatte ich glatt überlesen.
Obwohl ich der Meinung bin, dass ein früheres „Einschreiten“ – als Antwort auf die Jubelarie in der Presse – evtl. doch besser gewesen wäre.
Selbst wenn JF jetzt noch antworten und die Studie offenlegen würde, das zu erwartende Ergebnis (Homöopathie war es nicht – oder Methodik falsch oder zu wenig Daten), wird nur in „interessierten“ Kreisen – sprich gwub und Co. wahrgenommen werden. Der Rest wird weiter wissen: Homöopathie hilft Bienen.
25. Juli 2015 um 08:51
o.T.
hier – die Masterarbeit ist nicht öffentlich, wurde im nur gegen Zahlung lesbaren „British Food Journal“ veröffentlicht:
http://www.unimedizin-mainz.de/presse/pressemitteilungen/aktuelle-mitteilungen/rss-newsdeatails/article/leben-vegetarier-vorurteilsfreier.html
http://www.emeraldinsight.com/doi/10.1108/BFJ-12-2014-0409
„Menschen, die Fleisch und andere tierische Produkte essen, neigen eher zu Vorurteilen als „Gemüseliebhaber“. Außerdem befürworten sie innerhalb von Gruppen eher autoritäre Strukturen und Hierarchien.“
tut sich – wiedereinmal – eine Frage auf:
Noch wissenschaftlich?
„Die Wissenschaftler haben für die Studie Daten von rund 1400 Personen im Alter von 12 bis 86 Jahren hinsichtlich deren Ernährungsgewohnheiten und sozialen Einstellungen erhoben. Die von den Studienteilnehmern angegebene Ernährungsweise wurde einer der drei Ernährungsformen zugeordnet: omnivor, vegetarisch, vegan. Jeweils ein Drittel der Befragten ernährte sich omnivor (35 Prozent), vegetarisch (31 Prozent) beziehungsweise vegan (34 Prozent).“
Ich mache mal eine Vorhersage:
Wenn die Studie hier mal im Volltext einsehbar ist, ergibt sich folgendes Ergebnis:
weiblich, jung und vegan ist vorurteilsfreier als männlich, alt und omnivor.
:-)
25. Juli 2015 um 18:24
Naja, wenn Jugendforscht denkt das aussitzen zu können..ich würde mal sagen einer der Favoriten für das Goldene Brett 2015 steht schon fest ;-) Mal ehrlich. Es geht doch darum, dass Jugendforscht das Interesse und Verständnis für Wissenschaft/Naturwissenschaft/Forschung fördern möchte und dann im Jubiläumsjahr gerade mit solch einer Pseudowissenschaft aufwartet. Das ist doch das Peinliche. Ein Experiment mit einem Pertuum Mobile mit positivem Ergebnis hätten die doch niemals durchgehenlassen.
25. Juli 2015 um 18:26
zum o.T.
Und BINGO!
Wer Tiere isst, hat mehr Vorurteile
http://www.spektrum.de/news/wer-tiere-isst-hat-mehr-vorurteile/1357415
27. Juli 2015 um 19:39
Zitat Christian Becker
Ja, das habe ich schon verstanden und das ist auch richtig, aber es kommt doch darauf an, wie potent der Wirkstoff „per se“ ist.
Digitalis ist ein hochpotentes Gift, aber in geringer Wirkdosis kann es bei Herzinsuffizienz helfen; deshalb brachte ich auch das homöopathische „Wirkprinzip“ ins Spiel.
Ich glaube, man vergleicht hier Äpfel mit Birnen, wenn ein Homöopath darauf pocht, daß noch Wirkstoff vorhanden ist (der eventuell „wirkt“), dann müßte das Resultat „giftig“ sein, deshalb arbeitet man in der Homöopathie gerne mit Hochpotenzen, da dort eine Wirkung ausgeschlossen werden kann…und dann kommen wir zu dem Esoterischen, der „spukhaften Fernwirkung“ (den Begriff den Einstein in einem anderen Zusammenhang gebrauchte), die irgendwelche „Informationen“ überträgt, die dann eine Heilung bewirken…das ist mMn Esoterik.
27. Juli 2015 um 20:14
btw…warum erfährt man nichts von dem geheimnisvollen „T100″…erhofft man sich eine kommerzielle Vermarktung dessen?
Ich kenne einen esoterisch angehauchten Imker, der das bestimmt kaufen und ausprobieren würde…
3. August 2015 um 20:28
Gab’s mal irgendeine Reaktion auf den Offenen Brief?