Auftakt zum zweiten Tag der XVII. GWUP-Konferenz in Darmstadt. Dieses Jahr widmen sich die Skeptiker schwerpunktmäßig dem Thema „Psychotechniken“. Im ersten Vortrag heute spricht Ingo Heinemann, Jurist und Verbraucherschützer, über den aktuellen Psycho-Markt und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung.
Was verbigt sich hinter dem Begriff „Psycho-Markt“? Gemeint sind Dienstleistungen mit psychologischem Einschlag, also Beeinflussungmethoden (vulgo: „Gehirnwäsche“), die als Ergebnis die Verbesserung von Fähigkeiten und Eigenschaften aller Art versprechen, auch die Diagnose und Abwehr von Krankheiten. Gesundheit, so Ingo Heinemann, ist das wichtigste Marktsegment des Psycho-Markts. Einigkeit besteht darüber, dass reguläre Heilmethoden nicht zum Psycho-Markt gerechnet werden – die unterliegen nämlich einer gewissen Überwachung.
Nicht so der Psycho-Markt: Hier gibt es keine unabhängige Qualitätssicherung, kritisiert Heinemann. Für die Angebote werden meist Phantasie-Bezeichnungen benutzt, die so vielversprechend wie nichtssagend sind. Verbraucher- und Rechtsschutz finden nicht statt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Geistheiler-Entscheidung Handauflegen als zulassungsfreies Gewerbe eingestuft, wenn keine Heilung angeboten wird.
Klingt kurios? Ist es auch. Heinemann kann die Argumentation des Gerichts nicht nachvollziehen: „Ein Heiler, der keine Heilung anbietet – das ist doch eine verrückte Geschichte!“ Folglich hat das Gericht auf die Überwachung durch die Gewerbeaufsicht verwiesen. Die haben aber keine Psycho-Markt-Abteilung. Heinemann: „Das erscheint mir doch gewaltig lebensfremd und in der Praxis überhaupt nicht durchführbar, wo doch heute schon die Lebensmittelüberwachung notorisch unterbesetzt ist!“
Wie könnte man die Gesetzgebung ändern? Durch die Abgrenzung von Glaube und Geschäft: Zum Schutz der Bürger vor Übervorteilung und gesundheitlichen Schäden käme z.B. die Ergänzung des Strafrechts in Frage, empfiehlt Heinemann, oder ein Vertragsgesetz analog dem Reisevertragsrecht. In solchen Gesetzen werden die Mindestinhalte von Verträgen festgelegt und bei Bedarf ein Widerrufsrecht. Ein solches Psycho-Vertragsgesetz befand sich bereits im Bundestag, konnte aber vermutlich aus Zeitmangel am Ende der Legislaturperiode nicht mehr behandelt werden.
Eine gesetzliche Regelung, schließt Heinemann, ist daher unverändert nötig. „Ein Vertragsgesetz verbietet oder regelt keine Methoden, sondern sorgt für den erforderlichen Verbraucherschutz. Das ist nicht nur eine Gesetzeslücke, sondern eine Gerechtigkeitslücke, die früher oder später geschlossen wird“, meint der Jurist, aber: „Bis dahin ist und bleibt der Psycho-Markt ein Tummelplatz für Betrüger.“
Mehr kritische Informationen zum Thema auf den Seiten von Ingo Heinemann und der Aktion für Geistige und Psychische Freiheit (AGPF).
18. Mai 2007 um 15:43
Die Geistheiler-Entscheidung Bundesverfassungsgericht 1 BvR 784/03 vom 02.03.2004: Ein „Geistheiler“, der keine Heilung verspricht und keine Diagnosen stellt, benötigt auch keine Zulassung als Heilpraktiker.
25. November 2009 um 22:22
Ich denke auch, dass man am Gesetz auf jeden Fall in diesem Punkt etwas ändern sollte. Was da einige Leute machen ist wirklich nicht mehr schön. Vielen Dank, toller Artikel. Gruss Bernd