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Nasenwurzel-Orakel für Manager

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Bärbel Schwertfeger, Diplom-Psychologin, Autorin und Chefredakteurin von Wirtschaftspsychologie aktuell, referiert über die Suche nach einfachen Rezepten bei Personalauswahl und Weiterbildung. Dabei geht sie der Frage nach, warum Manager oftmals auf fragwürdige Psycho-Angebote setzen.

Warum soll man aufwändige Interviews oder teure Assessment-Center durchführen, wenn man doch innerhalb von Sekunden an der Nasenform erkennt, ob der Bewerber der Richtige für den Job ist? Das behauptet zumindest der Fahrzeug-Lackierer Dirk Schneemann. Ein fachmännischer Blick auf Kopfform, Nase, Stirn („Psycho-Physiognomie“) genügt. Demnach gelten angeblich ein breites Jochbein für Durchsetzungsfähigkeit, ein spitzes Kinn für Perfektionismus und eine schmale Lippe für Kontaktarmut. Das sei eine moderne Weiterentwicklung der chinesischen Gesichtslehre, behauptet der Erfinder des sogenannten Schneemann-Systems.

Bärbel Schwertfeger rief ihn an. Der Fahrzeug-Lackierer behauptete, seine Methode sei wissenschaftlich überprüft, und außerdem sei er „Zauberer“ und mache seit seinem dritten Lebensjahr eine Ausbildung in Menschenkenntnis, da er „auf einer Cola-Kise in der Kneipe“ (O-Ton laut Schwertfeger) großgeworden sei … Schwertfeger: „Da fehlen einem dann doch die Worte, oder?“ Den TÜV Rheinland hat das Schneemann-System trotzdem überzeugt. Und das so sehr, dass der er die Methode zertifiziert hat. Mit Esoterik, versicherte man beim TÜV, habe das natürlich nichts zu tun …

Das Grundproblem: Menschen wollen einfache Lösungen. Auch Manager. Interviews und Assessment-Center kosten viel Zeit und Geld. Nasenwurzel-Orakel versprechen dagegen schnelle Erfolge und stellen daher für viele eine zu große Verlockung dar. So schätzt der Psychologie-Professor Thomas Lang-von Wins, dass inzwischen bis zu 30 Prozent der mittelständischen Betriebe in Deutschland auf Recruiting per Sternzeichen vertrauen.

Mehr Literatur zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

Ein Kommentar

  1. hier noch eine interessante Studie von Deller und Sarges, die Schneemanns Ideen widerlegen

    http://tinyurl.com/6jg22k5

    Psycho-Physiognomik und NEO-FFI Konstruktvalidität der Urteile nach dem System der Schneemann System GmbH1

    1. Ziele
    Die im folgenden beschriebene Untersuchung diente der Überprüfung der Konstruktvalidität von – auf der Grundlage des psycho-physiognomischen Systems der Schneemann System GmbH – von Herrn Schneemann (Beurteiler) persönlich abgegebenen Urteile über die Persönlichkeit von Testpersonen. Von Interesse war die Fragestellung, ob der Beurteiler zu Ergebnissen kommt, die mit wissenschaftlich abgesicherten Maßen der Persönlichkeit übereinstimmen und das psycho-physiognomische Verfahren damit für die Einschätzung der Persönlichkeit im breiten Sinne geeignet ist.

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