In der Psiram-Auflistung der „Hochschulen mit pseudowissenschaftlichen Lehr- und Forschungsinhalten“ im deutschsprachigen Raum finden sich die Medizinische Universität Wien, die Veterinärmedizinische Universität Wien und die Universität für Bodenkultur Wien.
Was in der Liste fehlt, ist das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie (KSA) an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.
Darauf hat Dr. Krista Federspiel vom GWUP-Wissenschaftsrat vergangene Woche aufmerksam gemacht, und zwar in einem Gastkommentar bei derStandard.at:
Mit Geisterforschung zum Doktortitel“
Unschöne Assoziationen zu unserem „Hogwarts an der Oder“ drängen sich auf, wenn die Kulturwissenschaftlerin von Diplomarbeiten zu Themen wie „Das Unsichtbare im Schamanismus“ oder „Land der Berge – Land des Wassers“ berichtet, deren Verfasser sich ernsthaft auf Honks wie Masaru Emoto berufen oder aber die Welt der Geister für real halten und über „kosmischen Beistand“ schwadronieren.
„Esoterischer Nonsens“ sei dies und „intellektuelle Umweltverschmutzung“ obendrein, beschloss Federspiel ihren Artikel.
Natürlich ließ die Replik nicht lange auf sich warten.
Igor Eberhard, Lektor am KSA, möchte Federspiel am liebsten für das „Goldene Brett vorm Kopf“ nominieren (womit er sich allerdings selbst wärmstens als Kandidat empfiehlt), und da es ihm an Argumenten gebricht, köchelt er rührend hilflos das online kursierende Skeptiker-Bashing auf.
Nur unwesentlich besser ziehen sich Eberhards Professoren aus der Affäre, die uns Skeptiker des „Ultra-Rationalismus“ und des „selbstgerechten Positivismus“ zeihen.
Hierauf hat nun wiederum Prof. Ulrich Berger vom GWUP-Wissenschaftsrat reagiert.
In seinem Kommentar fragt sich Berger, ob etwa der schlichte …
Gebrauch der Vernunft als eurozentrischer Ultra-Rationalismus“
anzuprangern sei?
Berger macht darauf aufmerksam, dass sich am KSA eine Gruppe von Studierenden gebildet habe, die …
… die Esoterik und Mystik nicht nur erforschen, sondern in völligem Gegensatz zur guten wissenschaftlichen Praxis selbst esoterische Methoden anwenden und esoterisch-mystische Vorstellungen der von ihnen untersuchten Kulturen kritiklos übernehmen und propagieren.“
Das Fazit des Mathematikers:
Die KSA-Leitung scheint in ihrer relativistischen Defensivrhetorik einem fundamentalen Irrtum zu unterliegen. Während es nämlich viele Weltbilder gibt, gibt es dennoch nur eine Welt.
Das bedeutet, dass sich in Mariazell die Wassermoleküle nicht anders verhalten als in Favoriten, dass HIV auch in Afrika zu AIDS führt, dass auch im Amazonas-Gebiet durch intensives Meditieren keine Materie entsteht, und dass auch in Tibet aus Quecksilber kein Gold wird.
Die angemessene Reaktion des KSA wäre es gewesen, Humbug ehrlich als Humbug zu deklarieren und Besserung zu geloben. Stattdessen verteidigt man den Humbug mit dem trotzigen Verweis darauf, die Wissenschaft und ihre Lehre sei frei. Mitunter auch frei von Kritikfähigkeit, möchte man ergänzen.“
Und wir möchten ergänzen, dass diese akademischen Blindflüge an staatlichen Universitäten langsam besorgniserregende Ausmaße annehmen.
Zum Weiterlesen:
- KSA-leaks: die Kontroverse, Kritisch gedacht am 29. Juni 2013
- Mit Geisterforschung zum Doktortitel: Esoterik an der Wiener Universität, derStandard.at am 24. Juni 2013
- Das Goldene Brett für pseudokritisches Denken, derStandard.at am 25. Juni 2013
- Braucht die Universität Wien Exorzismen? derStandard.at am 25. Juni 2013
- Gebrauch der Vernunft als eurozentrischer Ultra-Rationalismus? derStandard.at am 28. Juni 2013
- Esoterik, Wissenschaft und Kritik, derStandard.at am 2. Juli 2013
- Gestatten, Diplom-Astrologe: Über den Vormarsch der Esoterik in der Wissenschaft, uni.de am 8. Juli 2011
- Der akademische Geist, Die Zeit am 31. Mai 2011
- 3sat: Esoterik an Hochschulen, GWUP-Blog am 24. Januar 2012
- Liberale Hochschulgruppen in NRW gegen Pseudowissenschaften, GWUP-Blog am 15. April 2013
1. Juli 2013 um 09:42
„…und da es ihm an Argumenten gebricht, köchelt er rührend hilflos das online kursierende Skeptiker-Bashing auf.“
Herrlich!
made my day
1. Juli 2013 um 22:05
Peinliche Rückzugsgefechte.
Bleibt die Frage: was ist nicht „Ultra-rational“?
irrational? Esoterisch?