Homöopathie – Alles Lüge?“
titelt heute sogar Bild-Online.
In dem Artikel geht es um das neue Buch „Die Homöopathie-Lüge“ – und um die lahme Gegenrede der Low Potentials.
Dass „WissHom“ (Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie) sich leider nur zufällig auf „wisdom“ (Weisheit) reimt, stellt WissHom-Funktionär Curt Kösters eindrucksvoll unter Beweis:
Er bemängelt auch, dass die Autoren die Erforschung von Heilmethoden unter alltäglichen Praxisbedingungen grundsätzlich für unwissenschaftlich halten. Gerade bei chronischen Krankheiten würden diese Erfahrungen aber die Wirksamkeit der Homöopathie belegen.“
Ach wirklich?
Hier rächt es sich, dass Herr Kösters Bücher bespricht, ohne sie gelesen zu haben.
Anscheinend hat er das immer noch nicht, denn in „Die Homöopathie-Lüge“ (Seite 149/150) legen die Autoren dar, weshalb die Versorgungsforschung kein adäquater Ansatz ist:
Versorgungsforschung kann hilfreich sein, um eine bereits etablierte Therapie noch einmal unter Alltagsbedindungen zu testen.
Sie ist aber kaum geeignet, um die Wirksamkeit von Arzneimitteln zu untermauern.
In Freilandstudien hat man kaum Kontrolle darüber, was die beobachteten Patienten sonst noch so treiben: Der eine raucht, der andere nicht. Der eine ist dick, der andere dünn. Der eine eine nimmt mehrere Homöopathika und konventionelle Medikamente bunt durcheinander, der andere hat sämtliche Medikamente im Klo runtergespült.
Daher ist Versorgungsforschung extrem anfällig für alle möglichen Zufallsefekte.
Möglicherweise sind Zufälle und Placebo-Effekte die wichtigsten Gründe, weshalb Homöopathie im Freiland tendenziell besser abschneidet als unter streng standardisierten Bedingungen. Das macht Versorgungsforschung für Homöopathen attraktiv.
Allerdings lässt sich aus diesen Studien nur ableiten, dass das Gesamtpaket „Arzt plus Gespräche plus Kügelchen plus alles Mögliche“ wirkt. Eine Wirksamkeit der Globuli jedoch nicht.“
Das sagt übrigens auch Claudia Witt in einer angeblichen Pro-Homöopathie-Studie, auf die bild.de verlinkt:
One limitation of our study is that the observed effects cannot be categorized with respect to specificity, i.e. we cannot draw conclusions as to the beneficial mechanisms. Furthermore patients were allowed to use conventional therapies during the study period in addition to homeopathic treatment. Thus, the observed improvement cannot be attributed to homeopathic treatment alone.“
Hätte Herr Kösters „Die Homöopathie-Lüge“ gelesen, bevor er Bild gegenüber eine Stellungnahme dazu abgibt, wüsste er auch, dass die besagte Studie aus der Versorgungsforschung von den beiden Autoren bereits gewürdigt wird (S.74):
Neben der liebevollen und umfangreichen homöopathischen Rundumbetreuung durften die Kranken während der Studie parallel auch noch andere Ärzte aufsuchen und zusätzlich konventionelle Medikamente einnehmen.
In einem solchen wissenschaftlichen Heuhaufen ist es praktisch unmöglich, noch die Nadel zu finden, die hier eigentlich gewirkt haben soll. Nichtsdestotrotz wird die Studie gern als Beleg angeführt, um eine angebliche Wirksamkeit von Homöopathie zu untermauern.“
Überflüssig zu erwähnen, dass Kösters auch die „normale“ Studienlage zur Homöopathie ins Rosarote überzeichnet:
Die Autoren ignorieren [zudem] eine ganze Reihe vorliegender positiver Studien zur Homöopathie, die dem sogenannten Goldstandard entsprechen – also doppelblind und placebokontrolliert durchgeführt wurden.“
Auch diese alte Platte hat einen Sprung, nachzulesen hier.
Wie heißt es in der „Homöopathie-Lüge“ so schön:
Das hindert homöopathische Ärzte allerdings nicht daran, einzelne positive Studienergebnisse mit Inbrunst zu zitieren und aussagekräftige Studien mit enttäuschenden Ergebnissen für die Homöopathie immer wieder methodisch in Zweifel zu ziehen oder gar nicht erst zu erwähnen.“
Zum Weiterlesen:
- Christian Weymayr/Nicole Heißmann: Die Homöopathie-Lüge. Piper-Verlag, München 2012
- Buchrezension bei Astrodicticum simplex am 13. November 2012
- Ist Wissenschaft dogmatisch? Astrodicticum simplex am 9. November 2012
- Versorgungsforschung – Bitte nicht stören! Gesundheits-Check am 9. November 2012
- Fehlschluss Nr. 24: Der Bestätigungsfehler, RatioBlog am 8. November 2012
- Abrechnung mit den weißen Kügelchen, Der Westen am 30. Oktober 2012
- Was hat die GWUP gegen Homöopathie? GWUP-Blog am 1. Februar 2011
- Pseudomedizin: Ach so, die Leute wollen das halt …, GWUP-Blog am 29. Oktober 2012
- Aids heilen mit Homöopathie? Telepolis am 10. November 2012
- Danke, Homöopathie! Runkensuppe am 30. Oktober 2012
- 10 Questions To Distinguish Real From Fake Science, Forbes am 8. November 2012
12. November 2012 um 13:59
Ich habe die klassische Homöopathie als Patient erprobt – falsche Mittel hatten keine Wirkung, das richtige Mittel hatte eine Erstverschlimmerung und danach wird es allmählich besser. Alles wie von Homöopathen behauptet.
Leider wurden 5 falsche Mittel verschrieben und bei einer Zeit von 3 Monaten, die benötigt wird, um das herauszufinden – pro Verschreibung – vergeht einen lange Zeit, bis man etwas für sein Geld bekommt. Aber es funktioniert.
Lüge ist nach meinem Heilpraktiker, dass man homöopathisch auch impfen kann und so empfehle ich alle zu meiden, die sowas anbieten und lieber die Impfung der Schulmedizin zu nutzen.
12. November 2012 um 14:04
@Rene:
Was Sie schildern, ist ein klassischer Fall von Placebo-Konditionierung plus Selbstheilung:
a) „Falsche Mittel hatten keine Wirkung“:
Klar, wo nix ist, kann auch nichts wirken – kein Homöopathika hat irgendeine spezifische Wirkung.
b) „Das richtige Mittel hatte eine Erstverschlimmerung“:
Die Verschlimmerung ist eine Folge der Nicht-Behandlung, nicht des Mittels, das ebenso unwirksam ist wie die vorherigen.
c) „Danach wird es allmählich besser“:
Auch klar – nach drei Monaten geht so ziemlich jede Erkrankung von alleine wieder weg, außer sie ist chronisch oder tödlich.
Das, was Sie schildern, hat nicht das Geringste mit „Homöopathie“ zu tun.
13. November 2012 um 05:58
@Rene
Ich habe wohl fast alle „großen“ Mittel wie Sulphur, Belladonna, Mercurius, Lachesis, Sepia, Bryonia, (und dazu noch ein paar wirklich grottendämliche, wie z.B. Pel talpae) eingenommen – zum Test sowie spaßeshalber – um Homöopathie-Fans zu ärgern. In wechselnder Dosierung, von Flaschen- bis Stückweise, und in verschiedensten Potenzen, aber immer die „hochwirksamen Hochpotenzen“; bevorzugt allerdings D 30, weil Hahnemann angeblich damit seine Arzneimittelversuche durchführte.
Da ich zum Zeitpunkt der Einnahme nach menschlichem Ermessen gesund im Hinblick auf die Symptombilder der Arznei war, hätten sich bei mir – gemäß dem Simile-Prinzip – die Symptombilder der Arzneien einstellen müssen, wenigstens das eine oder andere Mal. Aber nichts, de nada, null, in keinem einzigen Fall ein Effekt.
Wie auch? Bei Wirkstofffreiheit.
Weiterhin, ich gestehe es gern, habe ich in einem Akt heiterer Anarchie, während eines gemeinsamen Urlaubs einer ehemaligen guten Freundin die homöopathische Reiseapotheke ein wenig neu geordnet: Globuli aus Fläschchen Nr. 1 gegen die aus Nr. 2, die aus Nr. 2 gegen die aus Nr. 3, Nr. 3 gegen Nr. 4, Nr. X dann zum guten Schluss wieder in die leere Nr. 1. Trotzdem gab´s keine Beschwerden, sämtliche Globuli die nach der Aktion zu Einsatz kamen „wirkten“ tadellos und wurde auch weiterhin jedem offeriert, der nicht schnell genug auf dem Baum war.
Als ich das schändliche Verhalten nach ein paar Monaten interessiertem Zuschauen gestanden haben, gesellte sich zur „guten Freundin“ das zweite oben aufgeführte Adjektiv. Aber die Erfahrung war es wert. Bestätigt sie doch den Hinweis profunder Kritiker, dass niemand in der Lage ist, ohne Etikett auf dem Fläschchen Globuli A von Globuli B zu unterscheiden.
Wie auch? Bei Wirkstofffreiheit.
Aufgeklärte Zeitgenossen weisen deshalb darauf hin, dass die angebliche Wirksamkeit der Homöopathie nichts, aber auch nicht das Geringste mit den homöopathischen „Arzneien“ zu tun hat, sondern das homöopathische Mittel nicht mehr waren, sind und seien werden, als durch das Ritual der homöopathischen „Anamnese“ optimierte Placebos.
Eine Erkenntnis, die sich – so schmerzhaft sie für Claudia,Cornelia, Claus oder auch Curt sein mag – über kurz oder lang durchsetzen wird. Genauso wie die Einsicht, dass die Ostereier nicht vom Hasen stammen.
14. November 2012 um 22:00
Danke der Aufklärung aber ein Placebo fühlt sich bei Wiederholung nicht so schlecht an. Jetzt muss ich nachfragen, wie ich die Arzneimittelprüfung wieder beenden kann.
14. November 2012 um 22:05
@Rene:
Nun ja, es gibt auch einen Gegenspieler des Placebo-Effekts, der allerlei negative Effekte entfalten kann:
https://blog.gwup.net/2012/07/07/kopfschmerzen-durch-schokolade-der-nocebo-effekt/
18. Dezember 2013 um 12:12
Eine Bekannte hat gegen Kopfschmerzen einmal ein homöopathisches Mittelchen zu sich genommen. Leider völlig erfolglos. DANN hat sie eine Aspirin genommen – und die Kopfschmerzen sind nach kurzer Zeit verschwunden!
Diese Anekdote erzähle ich immer sehr gerne als Erwiderung auf die Erfolgsgeschichtchen der Homöopathie-Befürworter….