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Zaubermedizin: Homöopathen sind keine High Potentials

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Coole Szene gestern Abend in der MDR-Reportage „Die Wunderhändler“ (hier in der Mediathek):

Der sonst gar nicht so öffentlichkeitsscheue Professor Walach verweigert dem TV-Team trotz Drehgenehmigung Aufnahmen in der Europa-Universität Viadrina und ein Interview.

Kein Problem, denn einen interessanten Einblick in seine Zauberwelt bietet ein aktueller Artikel bei Kritisch gedacht: „Zirkuläre Medizin an der Viadrina“.

Nun ja, vielleicht lag es daran, dass der fragwürdige Ehrentitel „Hogwarts an der Oder“ sogar schon von dem Off-Sprecher des MDR-Beitrags adaptiert wird (bei Minute 5.25). Und eigentlich sollte man vermuten, dass der nachhaltig ruinierte Ruf des „Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften” der Viadrina, Frankfurt/Oder, andere Hochschulen von Eso-Quark abhält.

Ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil.

Die Schlagzeile „Hogwarts ist überall“ (Kritisch gedacht am 2. Februar 2009) bewahrheitet sich zusehends.

Homöopathie-Hochschule: Über Traunstein lacht die Republik“

schreibt der Blog Chiemgau Gemseneier.

Auch Die Zeit berichtet über die Traunsteiner „Globuli-Akademie“ und verbindet diesen Beitrag mit der alarmierenden Feststellung:

Über die Gründung privater Hochschulen erlangen Pseudowissenschaften höhere Weihen.

Diese Tatsache stößt auch der Welt sauer auf:

Mit einem finanziell potenten Sponsor im Rücken gelingt es Esoterikern immer wieder, ihre Lehren an Universitäten zu verbreiten.

Fazit des Artikels:

Im Jahr 2011 ging eine Welle der Entrüstung durch die Republik weil Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und einige andere Politiker bei ihren Doktorarbeiten geschummelt hatten. Dass bald ganze Universitäten Humbug statt Wissenschaft lehren, müsste eigentlich zu noch größerer Empörung führen. Wir sind gespannt.

Wir auch.

Einen lesenswerten …

… Versuch, zu ergründen, wie es möglich ist, dass dieser unwissenschaftliche Humbug, der seit mehr als 200 Jahren künstlich und gegen alle Widerstände am Leben erhalten wird, im Jahr 2012 an deutschen Universitäten Nachwuchsmedizinern und -pharmazeuten als ernstzunehmendes Fach präsentiert wird, und warum sich geschütteltes Wasser in Apotheken so überaus gut verkauft …“

unternimmt Claudia Graneis im Science-Blog BlooDNAcid.

Die Pharmazie-Studentin schreibt unter anderem:

All das: die Arzneibücher, der Gegenstandskatalog, die Prüfungsfragen und Vorlesungsinhalte sind ein Skandal, der sich, fast unbeachtet von der Öffentlichkeit, weiter ausbreitet. Dass in unserer aufgeklärten Zeit, in welcher klinische Studien das Bewerten von Behandlungsmethoden so viel einfacher gemacht haben, eine „Arzneiform“, die ihren Wirksamkeitsnachweis seit 200 Jahren schuldig bleibt und reine Phantasie ist, solchen Raum bekommt, ist unfassbar und traurig.

Das finden auch Dr. Christian Weymayr und Nicole Heißmann, die Autoren des gerade erschienenen Buches „Die Homöopathie-Lüge“ (hier im GWUP-Shop).

Eine Leseprobe gibt’s auf den Seiten des Piper-Verlags und im aktuellen Stern (42/2012) findet sich der mehrseitige Bericht „Der Siegeszug der Globuli“.

Als Kritiker kommen unter anderem Professor Martin Hermann und IQWiG-Chef Professor Jürgen Windeler zu Wort.

Zum Weiterlesen:

  • Über den Sinn des Pluralismus in der Medizin am Beispiel der Homöopathie, Kritisch gedacht am 11. Oktober 2012
  • Die „dogmatischen“ Skeptiker, GWUP-Blog am 2. Juni 2012
  • Abrechnung mit den weißen Kügelchen, Der Westen am 30. Oktober 2012

5 Kommentare

  1. Das wundert mich alles nicht. Es gibt einfach zu viel Geld in privater Hand, weit mehr als das deutsche BIP. Und die wissen eben nicht, wohin damit. Also investiert man in seine ganz privaten Überzeugungen und Träume. Man kauft sich seine Welt zurecht.

  2. @rene

    Und warum sind die GWUPs et. al. nicht erfolgreich genug, sich im Gegenzug IHRE Welt zurecht zu kaufen?

    Man könnte hier doch glatt mit dem Neid-„Argument“ angestuhlt kommen, so wie es diverse „Skeptiker“ gerne gegenüber dem nicht gerade erfolgsverwöhnten Eso-Fußvolk praktizieren…

  3. vielen Dank für die Erwähnung.
    Im Traunsteiner Kreisrat kommt wohl offensichtlich hinzu, daß man von Traunstein als Uni-Standort träumt…
    Gleichzeitig ist die Alt-und-Naiv-Branche ziemlich präsent und leider allgemein akzeptiert. So akzeptiert, daß die lokale Politik auf Tauchstation geht.
    Die lokale Presse schreibt sowieso nichts kritisches gegen Alternativmedizin, schon allein wegen der Werbeeinnahmen.
    Fatale Situation, die eigentlich nur durch die lokalen Blogger gebrochen wurde, beispielsweise von „Bad Medicine“ (http://www.nachtmeister.eu/), „die ausrufer“ (http://dieausrufer.wordpress.com/)und vielen anderen Bloggern die das dann solidarisch aufgenommen und verbreitet haben.
    LG, Jemseneier

  4. Das Glaubenskonstrukt „Homöopathie“ wird in dem Buch „Die Homöopathie-Lüge“ (hier bereits von Hr. Harder angeführt), mit allen mächtigen Vernetzungen in unserer Gesellschaft, klar dargestellt. Wer für diese Mechanismen ein Interesse zeigt, ist mit diesem Sachbuch gut beraten.

    Mir persönlich stellt sich die Frage: „Was kann wirklich getan werden gegen diesen professionellen Lobbyismus? Warum wird eine vor ca. 200 Jahren erdachte, nicht wirklich weiterentwickelte bzw.
    als wissenschaftlich unwirksame Therapieform (bis auf den Placeboeffekt) noch heute von Akademikern und Wissenschaftler so unwissenschaftlich vertreten? Wie sind Patienten mit Erfolg aufzuklären?

  5. Mein Hausarzt, den ich eigentlich sehr schätze und den ich als relativ bodenständigen Menschen kennengelernt habe, bietet seit neuestem Magnetfeldtherapie und Homöopathie als Zusatzleisteung an.

    Ich hab ihn mal gefragt, ob er wirklich glaube, daß der Quatsch wirke, woraufhin er augenzwinkernd sagte: „Na ja, bei ihnen jedenfalls nicht.“

    In gewisser Weise verstehe ich ihn ja. Er jeden Tag Patienten, die entweder keiner Behandlung bedürfen, oder nicht behandelt werden können. Sagt er ihnen das aber, ziehen diese beleidigt zum nächsten Quacksalber vom Dienst ab und evtl. ernsthafte Krankheiten bleiben unbehandelt.

    Andererseits erweist er seiner Profession einen Bärendienst, weil er der Quacksalberei quasi den Anschein der „Wissenschaftlichkeit“ gibt.

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