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Angriff auf den Staat: Die Reichsbürger-Akte im „Stern“

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Der Stern zeichnet in seiner aktuellen Ausgabe (5/2024) die bisherigen Erkenntnisse zur Reuß-Gruppe (oder „Patriotische Union“) nach.

Ein Reporterteam hat Ermittlungsunterlagen eingesehen, darunter abgehörte Telefonate, verschlüsselte Kommunikation, Observierungsprotokolle, insgesamt Tausende Dokumente und Dateien. Der Anklage zufolge hatte die Gruppe gut eine halbe Million Euro Spenden eigesammelt. Die Ermittler haben bei ihren Razzien fast 400 Schusswaffen und 148 000 Munitionsteile gefunden.

Nach diesen Recherchen erfolgte die (laut Bundesanwaltschaft) „Gründung einer terroristischen Vereinigung“ am 29. Juli 2021 in Buch am Wald bei Nürnberg. Spätestens dort hätten sich die Beteiligten darauf geeinigt, „mit einem bewaffneten Angriff die staatliche Ordnung der Bundesrepublik zu beseitigen“. Als Gründer sind Maximilian Eder, Rüdiger von Pescatore und Peter Wörner als „Chef des Militärs“ angeklagt.

Heinrich XIII. Prinz Reuß kam am 24. November 2021 dazu, bei einem konspirativen Treffen in einem Landgasthof bei Helmbrechts (Oberfranken):

Ein Adliger, der mit Helfern einen sogenannten Rat formierte, eine Art Übergangsregierung für die Zeit nach dem Coup. Ab diesem Treffen planten und handelten sie gemeinsam.

Sie arbeiteten daran, im ganzen Land Stützpunkte für 286 Heimatschutzkompanien ihrer „Neuen Deutschen Armee“ zu schaffen. Nach dem Sturz der Regierung sollten sie Landräte, Bürgermeister, Richter, Staatsanwälte und Polizisten festnehmen, um sie vor ein Kriegsgericht zu stellen oder zu exekutieren. So jedenfalls sieht es der Generalbundesanwalt.

Natürlich stellt sich auch in diesem Beitrag am Ende die Frage, ob es dieser Truppe tatsächlich gelungen wäre, die Bundesregierung zu stürzen und sich an die Macht zu putschen.

Sehr wahrscheinlich nicht, allerdings habe der Sturm auf das Kapitol in Washington gezeigt, wie Größenwahn und Wut einen aufgebrachten Mob entfesseln können:

„Wir haben erlebt, dass aus solchen Spinnereien ganz schnell Gewalttaten werden können“, sagte der Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen schon vor einiger Zeit.

Der Generalbundesanwalt, schließt der Stern, halte die Gruppe um die drei Veteranen und Prinz Reuß auch deshalb für hochgefährlich, weil einige ihrer mutmaßlichen Anführer seit vielen Monaten zumindest ahnen mussten, dass sie überwacht und beschattet werden:

Und dennoch weitermachten.

Zum Weiterlesen:

  • Sorge nach stern-Enthüllung: „Müssen alles tun, um das Parlament zu schützen“, stern.de am 26. Januar 2024
  • BKA setzte gegen mutmaßliche Terrorgruppe mindestens drei verdeckte Ermittler ein, stern.de am 25. Januar 2024
  • Drei Ex-Soldaten waren zentrale Akteure der mutmaßlichen Reichsbürger-Terroristen um Prinz Reuß, stern.de am 25. Januar 2024
  • Einst kochte er für Michael Jackson, jetzt steht er unter Terrorverdacht, stern.de am 3. Januar 2024
  • So bereitete sich AfD-Frau Malsack-Winkemann auf den angeblichen Tag X vor, stern.de am 25. Januar 2024
  • „Hoffentlich dauert es nicht mehr lange“: Wie eine AfD-Politikerin ein mutmaßliches Spähkommando ins Parlament einschleuste, stern.de am 25. Januar 2024
  • Reichsbürger-Experte Jan Rathje über Bedrohungslage: „Stufe das Gefahrenpotenzial als hoch ein“, stern.de am 26. Januar 2024
  • Angriff auf den Staat: Wie sich Rechtsradikale mit einer Armee an die Macht putschen wollten, stern.de am 25. Januar 2024
  • „Grüße an dich und dein Seelentier“: Wie das BKA drei verdeckte Ermittler in die Reichsbürger-Gruppe einschleuste, stern.de am 25. Januar 2024
  • AfD-Bundespolitiker besuchten die terrorverdächtige Birgit Malsack-Winkemann in Haft, stern.de am 25. Januar 2024
  • Die Schauplätze des Komplotts: An diesen Orten planten die mutmaßlichen Terroristen ihren Angriff, stern.de am 25. Januar 2024
  • Geheimtreffen, Umsturzpläne, Spähtrupps: So formierte sich die mutmaßliche Terrorgruppe, stern.de am 26. Januar 2024
  • Anklage gegen den inneren Zirkel der Reuß-Gruppe erhoben, GWUP-Blog am 11. Dezember 2023
  • „Putsch, Monarchie, Diktatur – Was wollen Reichsbürger?“ GWUP-Blog am 3. Dezember 2023
  • Ärztin, Esoterikerin – und Putschistin? Neues aus der Gruppe um Prinz Reuß, GWUP-Blog am 18. November 2023

10 Kommentare

  1. Positioniert sich da etwa die Tagesschau gegen obskure Thesen?

    ——
    Mutmaßliche „Reichsbürger“-Terroristen
    Die Wahnwelt der Verschwörer

    Bei seinem ehemaligen Mitstreiter Fritsch habe er aber bereits vorher festgestellt, dass dieser sich mit „bestimmten Themen intensiver beschäftigt“ habe. „Das sieht man auch an bestimmten Meldungen, die er mir zugeschickt hat über Telegram“, so der Ex-Polizist. Da sei es oft um rituelle Gewalt an Kindern gegangen oder um „satanistische Gewalt“.

    Zumindest in Teilen der Vereinigung war offenbar der Glaube an unterirdische Militäranlagen verbreitet, in denen es zu organisierter Kindesmisshandlung durch staatliche Stellen komme. Das stellten auch die Ermittler fest, als sie Telefone abhörten und Datenträger der Gruppenmitglieder auswerteten. In einem Tunnelsystem dieser „Deep Underground Military Bases“, kurz DUMBs, würden die „Reptiloiden“ Kinder quälen und ermorden – so die obskure Theorie.
    ——

    https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/reichsbuerger-prinz-reuss-102.html

  2. Ganz unabhängig davon, dass ich im falschen Beitrag gepostet habe:

    Aber die Tagesschau … und die Opfer … das geht doch nicht!

    Vielleicht sollte sich die Aufarbeitungskommission erneut für eine Depublizierung einsetzen.

  3. „Natürlich stellt sich auch in diesem Beitrag am Ende die Frage, ob es dieser Truppe tatsächlich gelungen wäre, die Bundesregierung zu stürzen und sich an die Macht zu putschen.

    Sehr wahrscheinlich nicht…“

    Nun, ich halte diese Einschätzung und diese Art der „Selbstberuhigung“ für fatal.

    Wenn man sich nur mal vor Augen führt, wieviele Hassposts täglich in die „sozialen Medien“ gestellt und geteilt werden, Drohungen und Mordaufrufe gegen Politiker, Journalisten und Leute mit einer Weltsicht, die von diesen aufgehetzten Menschen nicht geteilt wird, jüngst all diese „Aufhänge- und Galgensymboliken“ bei sogenannten „Bauernprotesten“, dann sollte man endlich realisieren, dass da mittlerweile ein enormes ideologisch aufgeladenes Gewaltpotenzial in unserer Gesellschaft vorhanden ist, von dem man nicht annehmen sollte, dass es sich „bei Gelegenheit“ nicht auch entladen könnte.

    Und eine solche „Gelegenheit“ bzw. Initialzündung könnte durchaus so eine Art „Putschversuch“ sein.

    Es ist allerhöchste Zeit, dass nicht nur der Generalbundesanwalt diese Gruppe Reuss für hochgefährlich hält (Gott sei Dank realisiert wenigstens er es), sondern dass endlich ein breites Bewußtsein darüber entsteht, wie wenig selbstverständlich ein demokratisches Staatswesen ist und wie gefährdet und zerbrechlich es ist (immerhin sind derzeit diverse Akteure intensiv daran, dieses Staatswesen zu stürzen), und wie sehr es notwendig ist, Demokratie zu schützen und für sie einzustehen.

    Und natürlich, selbstverständlich nutzen diese Gruppe-Reuss-„Möchtegern-Putschisten“ auch diese Narrative der“Satanic Panic“, da diese doch eins der „probatesten Mittel“ sind, um eine Delegitimierung des Staates und eine „Notwendigkeit“ eines Umsturzes zu rechtfertigen.

  4. @Chusa More:

    Ich denke, das Gewaltpotenzial bestreitet auch niemand – und haben wir auch immer wieder darauf hingewiesen.

    Da aber in diesem Zusammenhang von einem „Putsch“ die Rede ist, stellt sich m.E. die Frage nach der Fähigkeit, „die Macht im Staat zu übernehmen“.

    Das würde ich trotz allem bestreiten wollen.

  5. @Bernd Harder

    Wenn man vom klassischen Begriff „Putsch“ ausgeht, kann ich nachvollziehen, dass man zu der Einschätzung kommt, dass ein solcher der „Gruppe Reuss“ wohl eher nicht gelungen wäre.

    Wo ich persönlich eine sehr große Gefahr sehe, ist, dass sich Personenkreise mit Gewaltpotential potentiellen Putschisten anschliessen, wenn die mal losschlagen würden. Ich finde, dass man diese Gefahr auf keinen Fall unterschätzen sollte und dass durch ein solches „Zusammenwirken“ tatsächlich die Gefahr besteht, dass radikale Gruppen mit totalitären Staatsphantasien die Macht im Staat übernehmen könnten.

  6. Aus dem SWR-Artikel geht das leider nicht hervor, deshalb als kleine Ergänzung:

    Anklagen gegen die „Gruppe Reuss“ wurden an drei Gerichten erhoben, in Stuttgart, Frankfurt und München.

    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/generalbundesanwalt-reichsbuerger-netzwerk-prinz-reuss-anklage-100.html

    Offenbar sind die Ermittlungen im Fall der neun in Stuttgart Angeklabten nun so weit, dass das Oberlandesgericht die Anklagen zugelassen hat und der Prozess in Stuttgart beginnt.

    Die anderen beiden Oberlandesgerichte brauchen offenbar noch Zeit (bzw. dort sind offenbar die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen), um zu entscheiden, ob sie die Anklagen gegen die neun in Frankfurt Angeklagten (darunter Prinz Reuss) und die acht in München zulassen und damit, falls sie die Anklagen zulassen, auch dort die Prozesse starten könnten.

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