Der ZDF-Fernsehrat knickt vor der Satanic-Panic-Fraktion ein:
Bei der heutigen Tagung dieses Gremiums entschied sich eine knappe Mehrheit der 60 Mitglieder für die Annahme einer Programmbeschwerde gegen die Magazin Royale-Sendung vom 8. September zum Thema „rituelle Gewalt“.
Wenig später wurde die Folge aus der Mediathek entfernt.
Zu den Beschwerdeführern gehörte unter anderem die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die behauptet hatte, die Böhmermann-Sendung würde „eine Stimmung“ befördern, die „Betroffene sexualisierter Gewalt […] als nicht weiter ernstzunehmende Personen darstellt“.
Was schlicht blanker Unsinn ist.
Tatsächlich fokussierte der Beitrag auf die Umtriebe der Psychotherapeutin Michaela Huber, die sich gerade wieder eines Auftritts in dem Podcast Aktenzeichen XY … Unvergessene Verbrechen rühmen kann, obwohl fundierte Kritik zu ihrer Person sogar schon bei Wikipedia zu finden ist.
Bereits vor der Magazin Royale-Ausstrahlung am 8. September berichtete Clap („Das People-Magazin der Kommunikationsbranche“) über einen
… anonymen Hinweis an die Behörde [den Kölner Staatsschutz], dass heute Abend in der ZDF-Sendung „Magazin Royale“ Inhalte ausgestrahlt werden sollen, die möglicherweise auf strafrechtlich relevante Weise erlangt wurden.
Dabei ging es um den Vorwurf, ein Redakteur der Böhmermann-Sendung hätte sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in ein Seminar Hubers eingeschlichen.
Blöd nur, dass der Autor dieses Clap-Artikels (und eines Folgebeitrags sechs Wochen später) zusammen mit Michaela Huber ein Buch geschrieben hat – und deshalb einer journalistischen Gegengefälligkeit wohl nicht ganz abgeneigt gewesen sein könnte, deutet spiegel.de heute an:
In dem Clap-Artikel heißt es, ein Journalist, der für Böhmermann arbeite, soll „kurz vor der Sendung dem Vernehmen nach kalte Füße bekommen und sich dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen anvertraut“ haben.
Diese „anonyme Anzeige des angeblichen Insiders“ liegt den beiden Spiegel-Autoren vor. Die Behauptungen darin lesen sich nach Spiegel-Einschätzung jedoch „geradezu grotesk“. Jedenfalls klinge der Anzeigenschreiber mitnichten wie ein besorgter Redakteur, sondern nach jemandem, „der Hubers Ruf verteidigen will“.
Böhmermann und seine Produktionsfirma, liest man in dem Spiegel-Artikel weiter, haben mittlerweile Strafanzeige erstattet, „unter anderem wegen Vortäuschens einer Straftat, Verleumdung, falscher Verdächtigung und Fälschung beweiserheblicher Daten“.
Die Spiegel-Redakteure formulieren sogar den Verdacht, dass Huber selbst hinter der anonymen Anzeige stecken könnte – wie auch hinter einer seltsamen Beschwerde an den deutschen Presserat gegen den Spiegel und seine Berichterstattung über die Satanic Panic:
Huber selbst „bestreitet das entschieden“.
Trotzdem sähen Böhmermanns Anwälte
… zumindest Indizien dafür, dass der Verfasser oder die Verfasserin aus dem Umfeld von Huber stammen könnte, mit Sicherheit feststellen können sie es nicht.
Strafanzeige könne daher „zunächst“ nur gegen Unbekannt erstattet werden.
Zum Weiterlesen:
- Böhmermann-Sendung zu ritueller Gewalt: ZDF schmeißt Ausgabe von „ZDF Magazin Royale“ aus dem Netz, tagesspiegel am 8. Dezember 2023
- ZDF muss Böhmermann-Sendung aus Mediathek löschen, spiegel.de am 8. Dezember 2023
- Jan Böhmermann, die „Satanisten“ – und eine seltsame Anzeige, spiegel.de am 8. Dezember 2023
- Video „So ein Bullshit“ – Jan Böhmermann im Magazin Royale über die Satanic Panic, GWUP-Blog am 8. September 2023
- „Eine teuflisch gute Sendung“: Magazin Royale, dissoziationen am 10. September 2023
- War alles gar nicht so gemeint: Renommierte Fachleute treten von der Satanic-Panic-Ideologie zurück – aber nur halbherzig, GWUP-Blog am 19. November 2023
- Aus der Mediathek entfernte Böhmermann-Sendung: Was ist nur mit dem ZDF-Fernsehrat los? spiegel.de am 13. Dezember 2023
- Offener Brief an den Fernsehrat, dissoziationen am 13. Dezember 2023
8. Dezember 2023 um 21:44
Oh, schnell mal noch gesichert für die Zukunft.
Es ist unglaublich, dass das möglich ist in einem Rechtsstaat, in dem freie Meinungsäußerung (mit begründeten Einschränkungen) herrscht.
8. Dezember 2023 um 22:05
@Christian Becker:
https://www.youtube.com/@randomdudinski/videos
9. Dezember 2023 um 07:04
@Bernd Harder
Ja, danke.
Ich sichere es mir lieber selbst. Wer weiß, ob nicht auch bei Youtube gesperrt wird.
Mal abgesehen davon hatte ich auch überlegt, es bei YT hochzuladen, weiß aber nicht, ob ich das überhaupt darf.
9. Dezember 2023 um 07:12
Lohnt es sich, sich über diese Entscheidung zu beschweren?
9. Dezember 2023 um 08:09
Eine traurige Entwicklung. Weiter möchte ich doch bezweifeln, dass als Mitglied Lisa Paus im Fernsehrat die Neutralität eingehalten werden kann.
„Unabhängigkeit der Mitglieder
Die Mitglieder dürfen weder für einen privaten oder öffentlich-rechtlichen Konkurrenten noch für eine der Landesmedienanstalten tätig sein. Sie dürfen auch keine wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen vertreten, die der Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Fernsehrat entgegenstehen (Interessenkollision). Unvereinbarkeiten mit der Mitgliedschaft im Fernsehrat sind in § 19a des ZDF-Staatsvertrags festgelegt.“
In meinen Augen purer Lobbyismus.
9. Dezember 2023 um 08:29
Dem Spiegel zufolge war es auch ein Vertreter der kath. Kirche, der sich für die Depublikation der Sendung aussprach, weil „das Thema sexualisierte Gewalt für Satire nicht geeignet“ sei.
Ganz abgesehen davon, dass so einer in den Fernsehräten überhaupt was zu sagen hat: Wenn sich jemand mit sexualisierter Gewalt auskennt, dann ja wohl die katholische Kirche!
9. Dezember 2023 um 10:10
@2x
Dieser Vertreter der katholischen Kirche hält sich an die Devise „I know it when I see it“:
https://en.m.wikipedia.org/wiki/I_know_it_when_I_see_it
„I shall not today attempt further to define the kinds of material I understand to be embraced within that shorthand description [„hard-core pornography“], and perhaps I could never succeed in intelligibly doing so. But I know it when I see it, and the motion picture involved in this case is not that.“
9. Dezember 2023 um 12:05
hier sagt Huber ja, dass sie die Anzeige erstattet hat .
https://youtu.be/eIAp6Fgog-U?si=5-D9Tm5kAEhN1VSC
bei 1.01.37
9. Dezember 2023 um 12:18
@Icke:
hier sagt Huber ja, dass sie die Anzeige erstattet hat.
Das kann man so nicht interpretieren.
Auf diese Video-Passage wird auch in dem Spiegel-Artikel eingegangen.
Auf die Frage, ob die anonyme Anzeige im Vorfeld der Sendung von ihr ist, sagt sie „Nein. Wir brauchen nichts anonym. Wir haben immer offen und transparent angezeigt.“
9. Dezember 2023 um 22:02
Neben den offensichtlichen Kritikpunkten am Konzept „Rituelle Gewalt“ sehe ich noch ein weiteres Problem.
Diese Idee hinter ritueller Gewalt hat etwas schockierendes, gruseliges. Es ist nicht „normale“ Gewalt, es ist etwas besonderes oder soll etwas besonderes sein. Das erzeugt Aufmerksamkeit und setzt Ressourcen frei. Und es erzeugt Bilder im Kopf von Täter:innen (überwiegend Täter), die etwas diabolisches an sich haben.
Irgendwie ist klar, solche Menschen können nicht sympathisch sein. Und solche Menschen können weder lieben noch geliebt werden. Die angeblichen Taten und die Täter:innen sind besonders abstoßend, nicht alltäglich.
All das lenkt von der wahren Gewalt wie sie stattfindet ab. (Sexualisierte) Gewalt wird von „ganz normalen“ Menschen verübt, oft im engsten Umfeld. Aber sie ist, im Vergleich zur Erzählung von ritueller Gewalt, unspektakulär (ich meine als Medienereignis, nicht für die Menschen, die Opfer dieser Gewalttaten werden).
Wenn die Fälle öffentlich werden, kann sich das Umfeld oft nicht vorstellen, dass DER SOWAS gemacht haben könnte.
Auch wird durch die Splatterdarstellungen eine Erwartung erzeugt, wie Gewalt auszusehen hat. Also „echte“ Gewalt. Dass Schäden, die lebenslang Probleme machen können durch viel subtilere Formen von Gewalt entstehen können, dass Vernachlässigung schon reichen kann Kindern schwere Hypotheken aufzubürden, wirkt fast lachhaft, wenn man das mit den Folterfantasien Frau Hubers vergleicht.
Ein weiterer Punkt ist die geradezu diabolische Darstellung der Täter:innen. Wie soll es mit solchen Menschen Wiedergutmachung geben? Eine Dauerhafte Trennung von Täter:innen oder gar Strafverfolgung ist nicht immer im Sinne des Kindeswohls.
Das ertragen viele Menschen nur schwer, gehört aber zu einer differenzierten Betrachtung dazu.
Diese Gruselversion von etwas, was alltäglich in der Gesellschaft mit Kindern passiert, schadet dem Ziel Kinder ohne Gewalt aufwachsen zu lassen, weil dann versucht wird, etwas zu suchen, was es nicht und zu etwas zu verhindern was nicht passiert.
Ich will mir gar nicht vorstellen, wieviel Ressourcen in diese ganze Geschichte reingehen, weil sie so emotional aufwühlend dargestellt wird. Im Gegensatz zum ganz alltäglichen Missbrauch.
Pingback: ZDF-Fernsehrat: Rückschlag für die Aufklärung - Debunking SRA
10. Dezember 2023 um 09:20
@Diaphanoskopie
das ist tatsächlich ein sehr großes Problem, was auch mir schon lange durch den Kopf geht.
Leider ist diese „Besonderheit“ einer der Gründe, wieso es gewisse Traumatherapeuten mit Leichtigkeit geschafft haben, Betroffene als Komplizen in das verschwörungstheoretische (riesige) Netzwerk hinein zu ziehen.
Diese „Komplizen“ sind es, die jetzt bewusst vermittelt haben, sie werden in ihren Gefühlen verletzt: Der wesentliche Punkt dafür, dass man die Sendung vom Netz nahm.
10. Dezember 2023 um 11:56
Vielen Dank für diesen Kommentar und die vielen Informationen. nach langer Google Recherche ist der Blogbeitrag hier der einzige, den ich finden konnte, der sich mit der Entscheidung des zdf-fernseherates umfassend und kritisch beschäftigt.
10. Dezember 2023 um 14:35
Das YouTube-Video wurde auf Archive-Org gesichert. Wird also weiterhin abrufbar sein.
https://archive.org/details/youtube-xowyVw7dSR4
10. Dezember 2023 um 19:42
Lunis ist aus der Sommerpause zurückgekehrt und zieht kräftig vom Leder. Insbesondere ab 10:00.
10. Dezember 2023 um 19:53
@Christine:
Zwei Sekunden reingehört, absurden Vergleich mit den „Kindersoldaten“ vernommen, Kopf geschüttelt, wieder ausgeschaltet.
Noch immer versteht die Dame nicht den Unterschied zwischen Konditionierung und Programmierung.
Hoffnungsloser Fall.
11. Dezember 2023 um 06:55
@Bernd Harder
Die Dame wurde von der DGVT als sehenswerter YouTube Kanal empfohlen und lieferte sich im Chat mit Aileen Oeberst einen Schlagabtausch, dass Studien sie nicht interessieren, weil ihr persönliches Erleben halt anders sei.
11. Dezember 2023 um 08:17
Auch beim Thema Corona ist Michaela Huber einschlägig unterwegs. In einem Linkedin-Kommentar fordert sie mit Blick auf BioNTech und Bhakdis Einlassungen dazu beispielsweise: „Mögen alle Verantwortlichen bald ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.“
https://de.linkedin.com/posts/thomas-roeske-jr001_im-gespr%C3%A4ch-sucharit-bhakdi-der-weg-der-activity-7114343262986878976-jsl4?trk=public_profile_like_view
Womit nicht gesagt sein soll, dass es beim Thema Corona-Impfung nichts zu kritisieren gäbe, aber Bhakdi & Co. haben bekanntlich ihre eigene Agenda.
11. Dezember 2023 um 11:34
@Rainer Meyer: Übermedien hat heute auch eine m.E. angenehm kritische und differenzierte Einordnung veröffentlicht. Ist aktuell noch hinter der Abo-Wall, aber erfahrungsgemäß schalten sie solche Beiträge nach einer gewissen Zeit auch für alle frei.
https://uebermedien.de/90514/rituelle-gewalt-wer-ist-hier-im-wahn/
11. Dezember 2023 um 17:54
Ad: Lohnt es sich, sich über diese Entscheidung zu beschweren?
Es scheint mir geradezu eine Pflicht bzw. ein Gebot der Redlichkeit, dass sich die GWUP beschwert bzw. dass eine kritische Öffentlichkeit es nicht hinnimmt, dass eine solche eklatante Fehlentscheidung des ZDF-Fernsehrates „ohne „Aufschrei“ hingenommen wird.
Zu Problematisieren wäre auch die unrühmliche Rolle der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“. Ggf. könnte es Aufgabe der GWUP sein, verschiedene Institutionen (Ärztekammer, Psychotherapeutenkammer, Berufsverbände, usw.) zu einer Stellungnahme hinsichtlich „DIS im Entstehungskontext von ritueller Gewalt“ aufzufordern, und diese Stellungnahme dem ZDF-Fernsehrat und der oben gen. Kommission zukommen zu lassen.
Ganz sicher gibt es noch weitere (bessere) Optionen, dieser Gegenaufklärung „Paroli“ zu bieten … !!!
By the way? Kennt jemand das Gerichtsurteil (AG? LG?) auf welches sich Jan Böhmermann in seinem Beitrag bezieht ?! Wäre über einen Hinweis dankbar.
11. Dezember 2023 um 20:18
Nachruf auf „die Nickis“:
https://einblogvonvielen.org/die-nickis-ein-lichtstrahl/
11. Dezember 2023 um 20:21
Alle Anliegen an den Fernsehrat …
https://www.zdf.de/zdfunternehmen/kontakt-zum-zdf-fernsehrat-100.html
Gebeten wird allerdings an den Zuschauerservice zu schreiben …
https://www.zdf.de/zdfunternehmen/zdf-fernsehrat-foermliche-programmbeschwerde-100.html
Habe es mir nicht nehmen lassen, einfach drei mal an unterschiedliche Adressen abzuschicken.
11. Dezember 2023 um 21:39
@Marvel Stella
Zu der Sendung muss ich sagen, dass ich sie inhaltlich etwas schwach fand.
Insgesamt habe ich bei Böhmermann öfter mal das Gefühl, er kratzt zu sehr an der Oberfläche und setzt auf Kalauer. Da könnte der Sendung in diesem Fall zum Verhängnis geworden sein (das ist keine Zustimmung zu der Entscheidung).
Auch diese Teufelseffekte fand ich ein wenig „drüber“. Ich hatte da schon eigentlich wenig Lus, mir das noch anzuschauen, obwohl mich das Thema interessiert.
Vielleicht spielt Böhmermann auch 3D-Schach und hat auf diese Art das Thema nochmal in die Öffentlichkeit gebracht und ich bin einfach nicht genug Medienprofi, um das zu beurteilen.
11. Dezember 2023 um 23:31
@Diaphanoskopie
jjjaaein… ;)
ich war beinahe beindruck, wie viel man in 25 Minuten an Informationen transportieren kann. Natürlich ging es eher nicht weiterführend in die Tiefe, kann er aber auch nicht, dafür ist das Thema einfach ZU komplex.
Auch die Aufführung mit dem Teufel – die Effekte…. ich fand es gut, weil damit auch mal zum Ausdruck gebracht wurde, wie albern das Ganze ist, wenn man das Thema sex. Missbrauch beiseite schiebt.
So wie Hubers Beschreibung einer Zeremonie: (siehe die drei Screens, die ich eingefügt habe)
>>> https://twitter.com/marv_stella/status/1733910965349994985
Die Traumatherapeuten haben daraus eine spektakuläre Show gemacht und er hat entsprechend reagiert.
Mich hats beeindruckt, ich verstehe aber auch, was du meinst.
11. Dezember 2023 um 23:38
Sebastian,
dass die Nickis tot sind, macht natürlich was mit mir. Ich kenne sie schon fast 15/20 Jahre. Trotzdem darf man nicht vergessen, sie war als „Betroffene“ die Vorreiterin der Verschwörung.
https://www.berliner-zeitung.de/satanisten-toeten-in-deutschland-kinder-sagen-therapeuten-sektenbeauftragte-und-journalisten-doch-kriminalisten-finden-dafuer-keine-beweise-schwarze-geschichten-li.17623
11. Dezember 2023 um 23:40
Noch mal @Sebastian
Nora und ich arbeiten an einem langen Brief an den ZDF Fernsehrat.
Man DARF das so nicht stehen lassen. Lass uns dazu mal per PN mailen.
12. Dezember 2023 um 18:13
Was ist nur mit dem ZDF-Fernsehrat los?
Ein Kommentar von Christopher Piltz
Jan Böhmermann musste eine Sendung zu angeblicher ritueller Gewalt löschen. Es ist der Tiefpunkt einer Diskussion, in der das Leid von Opfern gegeneinander ausgespielt wird.
14. Dezember 2023 um 21:38
„Ist die Beschwerde gegen den Böhmermann-Beitrag unbegründet?“
https://www.meedia.de/medien/zdf-fernsehrat-ist-die-beschwerde-gegen-den-boehmermann-beitrag-unbegruendet-06715c59211475d6c265ec836c74733f
15. Dezember 2023 um 10:25
https://www.sueddeutsche.de/medien/boehmermann-zdf-rituelle-gewalt-fernsehrat-1.6318934/
Im Fernsehrat des ZDF sind 60 Männer und Frauen versammelt, von A wie Hans Ulrich Anke, Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, bis W wie Frank Werneke, Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi. Die Vielfalt der Gesellschaft soll in dem öffentlich-rechtlichen Gremium abgebildet werden, was man bei einer Überblickansicht der Mitglieder für mittelgut gelungen halten darf. Kirchen, Verbände, Politiker sind vertreten, aber eine Gesellschaft mit einem 23-prozentigen Anteil allein an Staatssekretären und Ministern (14 von 60 Fernsehratsmitgliedern) möchte man sich eigentlich nicht vorstellen.
Am vergangenen Freitag hat der Fernsehrat, wie üblich, über aktuelle Programmbeschwerden an das ZDF beraten. Und dabei eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen, sie nämlich nicht nur diskutiert, sondern eine von ihnen zugelassen, was selten geschieht. Es ging um eine Ausgabe von Jan Böhmermanns ZDF Magazin Royale aus dem September. Das Thema: „rituelle Gewalt“. Sie beleuchtete missbräuchliche Therapieformen, in denen Patienten eingeredet werden könnte, sie seien Opfer von „organisierter ritueller Gewalt“, kultischen Ritualen oder gar Satanismus geworden. In den Fokus nahm die Sendung eine einzelne Psychotherapeutin, Michaela Huber, die sich mit Büchern und Seminaren als Expertin für sogenannte rituelle Gewalt hervortut.
Rechtsstreitigkeiten der Redaktion mit Huber begannen noch vor Veröffentlichung der Sendung. Die Polizei Köln nahm Ermittlungen auf, weil ihr ein anonymer Hinweis vorliege, nach denen in der Sendung „Informationen und Aufnahmen ausgestrahlt werden sollten, die möglicherweise auf strafrechtlich relevante Weise erlangt wurden“, wie sie damals der SZ bestätigte. Böhmermann und seine Produktionsfirma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld haben inzwischen ihrerseits Strafanzeige gegen unbekannt erstattet, unter anderem wegen Vortäuschens einer Straftat, Verleumdung, falscher Verdächtigung und Fälschung beweiserheblicher Daten, wie der Spiegel berichtete.
Die juristischen Streitigkeiten waren es allerdings nicht, die dazu führten, dass die Sendung nun aus der ZDF-Mediathek verschwunden ist. Dies sei Folge der Entscheidung des Fernsehrats, erklärt das ZDF: Das Gremium habe sich „nach eingehender Diskussion“ mehrheitlich gegen die Zurückweisung einer Programmbeschwerde ausgesprochen. „Als Konsequenz hat das ZDF entschieden, die Sendung zu depublizieren.“
Beschwerdeführer ist die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie untersucht seit 2016 Ausmaß und Folgen sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Deutschland und der DDR. Zu den Tatkontexten, die sie untersuche, falle „auch organisierte Gewalt sowie rituelle Gewalt, bei der es sich allerdings – bezogen auf das gesamtgesellschaftliche Phänomen der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen – um einen kleinen Bereich handelt“. Hierbei bestünden „Übergänge zwischen organisierter Gewalt (Täterringe) und ritueller Gewalt, die nicht auf ,satanistische‘ Narrative reduziert werden darf“. Die Sendung habe eine „verhetzende Wirkung“ und betreibe „gezielte Stimmungsmache gegen alle Betroffenen sexualisierter Gewalt“.
Im Fernsehrat wurde das „kontrovers diskutiert“, wie es danach hieß, der Beschwerde nur mit knapper Mehrheit stattgegeben. Die Grünen-Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte dort laut Katholischer Nachrichtenagentur: Das Thema sei „besonders sensibel, besonders heikel und besonders schwierig“. Insgesamt sei die Sendung nicht ausgewogen und die Betroffenenperspektive nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ein anderes Gremienmitglied, der Jesuitenpater Hans Langendörfer, meinte, es gebe Themen, die für Satire nicht geeignet seien, dazu gehöre sexualisierte Gewalt.
Nun konnte man die Satire in der gelöschten Sendung eigentlich nur schwer so verstehen, dass sie sich gegen Opfer von sexualisierter Gewalt richtete. Zielscheibe war insbesondere Michaela Huber, die mit anderen Therapeuten auch in einer diesjährigen Spiegel-Recherche schwer angegriffen wurde, außerdem die aus den Neunzigerjahren in den USA bekannte „Satanic Panic“, in der Medien eine Furcht vor Satanisten anheizten – mit üblen Auswirkungen in der Strafverfolgung. Die deutsche Gesellschaft für Psychologie kritisierte im März, dass auch hierzulande „rituelle sexuelle Gewalt und damit assoziierte Phänomene in den Stand von Tatsachen“ erhoben würden, sie plädierte für eine stärkere Evidenzbasierung in der Berichterstattung. Böhmermanns Redaktion kritisiert die Entscheidung des Fernsehrats im Branchenportal Meedia: Offen geblieben sei, „ob der Fernsehrat überhaupt einen Verstoß gegen die Programmgrundsätze festgestellt hat“, ob es sachliche oder rechtlichen Gründe für die Stattgabe der Programmbeschwerde gab. Stattdessen habe das Gremium diskutiert, „welche Themen sich per se für eine Satiresendung eigneten“. Man sei „überrascht, dass zum Tätigkeitsbereich des ZDF-Fernsehrats offenbar die Auswahl von redaktionellen Themen gehört“.
Das ZDF geht auf eine Frage der SZ, ob aus einer erfolgreichen Programmbeschwerde automatisch eine Depublikation einer Sendung folgen müsse, nicht ein. Im Fernsehrat hatte der Intendant Norbert Himmler seinen Sender noch verteidigt. Das ZDF und Jan Böhmermann würden ihre Verantwortung wahrnehmen und Themen sehr sensibel auswählen und behandeln. Man wäge ab, welche möglichen Folgen die Darstellung einer Recherche haben könne, sei aber auch dazu verpflichtet, Missstände aufzudecken. Böhmermann habe ernst und empathisch über Betroffene gesprochen. So auch der Programmausschuss Programmdirektion des Fernsehrats, der eine Zurückweisung der Beschwerde empfohlen hatte.
Der Rat entschied anders. Ein eigenes Bild von der Sendung kann man sich nun nicht mehr machen.
Aurelie von Blazekovic
16. Dezember 2023 um 00:55
Was für ein unwürdiger Zirkus.
„Beschwerdeführer ist die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.“ Eine Sendung aus dem Programm zu zensieren, weil man Ziel einer berechtigten Kritik geworden ist, ist doch wirklich würdelos und auf eine Art finde ich diese Art der Bevormundung auch erschreckend.
Der Zuschauer ist erwachsen und mündig und kann sich selbst ein Bild machen ob dieses Thema in einer Satiresendung gut aufgehoben ist, zumal keinerlei abwertenden Kommentare gegenüber Opfern sexueller Gewalt fielen.
Wünschenswert wäre natürlich eine unsatirische Aufarbeitung des Themas ähnlich wie in der Schweiz, aber davon sind wir in Deutschland leider noch meilenweit entfernt und das liegt, ich formuliere das jetzt ganz ehrlich, unter anderem sicher auch an dem übermässigen Betonen der entsprechenden Stellen, Therapeuten und Kommissionen des „Einbezugs der Betroffenenperspektive“.
Diese ist allerdings schon aus diversen Formaten bekannt und viel Neues lässt sich vermutlich nicht sagen, sodass es mittlerweile schon eher den Beigeschmack hat, dass die Verantwortung für die Interpretation des Narrativs von den entsprechenden Institutionen den „Betroffenen“ zugeschoben wird.
Die Diskussion sollte allerdings an anderen Stellen geführt werden: nicht mehr auf die Patientenebene abgewälzt werden, sondern psychologisch-psychiatrisch, also fachlich, wie auch auf Beratungsstellen und auch Kommissionsebene. Dass es nämlich unseriöse, manipulative und abhängigkeitsgenerierende Therapieangebote gibt, daran muss niemand mehr glauben oder nicht glauben, es sollte darüber diskutiert werden diese zu verbessern anstatt andauernd psychisch verletzte Menschen in die mediale Arena zu werfen und dann dem Zuschauer zu überlassen ob er nun zu den Glaubenden oder Nichtglaubenden zählt.
Der Zuschauer kann an dieser Stelle ohnehin nicht beurteilen ob diese Erzählung nun vollständig/in Teilen/ gar nicht der Realität entspricht und ist so auf einer moralischen Ebene quasi verpflichtet diese Einschätzung im Sinne des Betroffenen zu interpretieren, in dem SInne grenzt dies eigentlich schon an eine emotionale Manipulation meiner Meinung nach.
Eigentlich ist diese Interpretation eine journalistische oder eine therapeutische Aufgabe und ich finde es bezeichnend wenn sich einige Journalisten in vorauseilendem Gehorsam bereits im eigenen Artikel von ihrer Sorgfaltspflicht befreien.
Es geht hier nicht darum ob man Böhmermann, seinen Stil oder Satire generell gut findet, es geht in meinen Augen darum, dass die mediale Aufarbeitung wenn irgend möglich im Keim erstickt wird und dass die betreffenenden Kommissionen anstatt eine fachliche Diskussion zu führen die Verantwortung an die psychisch labilen, im Grossteil wohl wirklich traumatisierten Menschen abschiebt.
16. Dezember 2023 um 14:28
Ich hatte mir noch ein eigenes Bild gemacht und empfand die Sendung zwiespältig.
Begeistert und angetan war ich zumindest keine Sekunde.
Ich denke, das Thema ist für so ein Satireformat grundsätzlich ungeeignet.
Auch nicht zur Aufklärung. Denn seien wir ehrlich, darum geht es Böhmermann nicht vorrangig. Er ist Entertainer und kein Aufklärer.
Egal, wie sehr er darauf achtet, die Opfer sexuellen Missbrauchs und auch deren Angehörige nicht zu „erwischen“, es bleibt halt einfach…. naja ein grenzwertiges Projekt.
Mal ein flotter Spruch über Katholen und kleine Kinder im passenden Kontext geht immer. Aber eine ganze Sendung?
Wer mit dem Thema überhaupt nicht vertraut ist, sondern eher Zaungast (oder Böhmermann-Fan), wird kaum die Zusammenhänge verstehen.
Ich bin recht vertraut mit dem Thema, für mich war die spezielle Rolle der Frau Huber aber auch neu und verstanden habe ich das nicht durch Böhmermanns „Aufklärung“, sondern weil ich hier schon zuvor aufgeklärt worden war.
Es ist jetzt gelaufen und wenn überhaupt, sollte in Zukunft vorher überlegt werden, so einem (an sich auch wichtigen) Thema vielleicht doch einen anderen Rahmen zu geben als ausgerechnet der auf viele unsympathisch bis widerlich wirkende Böhmermann.
Das spielt glaube ich auch eine Rolle für ’sensible‘ Themen – wer sie verkündet. Ein Unsympath wie Böhmermann ist da eher für unsympathische Themen wie Schlaf-NEMs geeignet ;)
ist natürlich nur meine Meinung, ich respektiere auch andere Perspektiven.
18. Dezember 2023 um 15:25
@zimtspinne
„Wer mit dem Thema überhaupt nicht vertraut ist, sondern eher Zaungast (oder Böhmermann-Fan), wird kaum die Zusammenhänge verstehen.
Ich bin recht vertraut mit dem Thema, für mich war die spezielle Rolle der Frau Huber aber auch neu und verstanden habe ich das nicht durch Böhmermanns „Aufklärung“, sondern weil ich hier schon zuvor aufgeklärt worden war.“
Bißchen wirr formuliert, oder? Erst die eigene Selbstüberhöhung mit 3-stufiger Abwertung der Zuschauer vorneweg schicken, die denen das Verständnis abspricht. Anschließend sich selbst positionieren („Ich bin recht vertraut mit dem Thema[…]“) und dann selbst den Nachweis liefern, dass das nicht sein kann, wenn man Frau Hubers spezielle Rolle als neue Erkenntnis feststellt.
Schnell noch hinterhergeschoben, dass es selbstverständlich nicht die Sendung gewesen sein kann, sondern die vorherige Aufklärung durch den GWUP-Blog.
Aber dann wäre doch Frau Hubers Rolle mehr als klar benannt und bekannt gewesen?
Wie wäre es mit der Selbstreflexion, dass die Sendung allein schon für Leser der Blogbeiträge des Bernd Harder keine neuen Erkenntnisse bereithält und eben genau für den (sehr großen) Personenkreis gemacht war, der davon noch keinen blassen Schimmer hatte? Aufgrund der Reaktionen (Anzeige, Depublikation etc.) hat sie gezündet – gut so.
18. Dezember 2023 um 18:34
@ Sebastian Taege
Ich meinte nicht, dass ich speziell mit Satanic Panic vertraut bin, sondern mit dem Meta-Thema sexueller Kindesmissbrauch.
Auf den Rest gehe ich nicht ein, da du dir darin besonders zu gefallen scheinst, maximal persönlich, abwertend-gönnerhaft und distanzlos zu werden.
Welche Sendung ich wie finde, ist meine Sache. Dort hast du mir keine Belehrungen von oben herab zu geben.
Du darfst gerne Böhmermann, sein Format und speziell diese Folge so wunderbar finden, wie du magst. Das lasse ich so stehen, denn es ist dein Geschmack und deine Bewertung.
Versuch es nächstes Mal mit wohlwollender Interpretation.
18. Dezember 2023 um 20:58
@zimtspinne
„Versuch es nächstes Mal mit wohlwollender Interpretation.“
Das habe ich auch schon beim ersten Mal getan, aber es hat nicht gereicht.
Ungenauigkeiten in der Formulierung des Senders können doch vom Empfänger nicht durch wohlwollendes Interpretieren dem Ursprungssinn gemäß korrigiert werden.
„Ich meinte nicht, dass ich speziell mit Satanic Panic vertraut bin, sondern mit dem Meta-Thema sexueller Kindesmissbrauch.“
Wie soll man das interpretieren, wenn sie in ihrem Kommentar 4x das Wort Thema verwenden und der Blogeintrag „Satanic Panic: Ominöses rund um die Böhmermann-Sendung zum Thema rituelle Gewalt“ heißt?
„Auf den Rest gehe ich nicht ein, da du dir darin besonders zu gefallen scheinst, maximal persönlich, abwertend-gönnerhaft und distanzlos zu werden.“
Nun, da zimtspinne den Kommentar verfasst hat, darf man sich doch auch an zimtspinne wenden, oder? Ich scheine mir darin zu gefallen? Ist das so? Ich erwidere lediglich meine Sicht der Dinge auf eine Aussage.
„Welche Sendung ich wie finde, ist meine Sache. Dort hast du mir keine Belehrungen von oben herab zu geben.“ Ich habe sie diesbezüglich nicht belehrt, sondern ihren Kommentar ohne Wohlwollen interpretiert. Kann es sein, dass ihre von mir eingeforderte Distanz bei ihnen nicht verfügbar ist? Du darfst mich ruhig siezen – möchte man erwidern.
„Du darfst gerne Böhmermann, sein Format und speziell diese Folge so wunderbar finden, wie du magst. Das lasse ich so stehen, denn es ist dein Geschmack und deine Bewertung.“ Sehr großzügig, vielen Dank. Geradezu (abwertend-)gönnerhaft.
Liebe Zimtspinne, behalten sie bitte ihren Beißreflex im Auge.
19. Dezember 2023 um 06:15
Ich möchte Zweifel anmelden, dass Personendiskussionen sinnvoll sind und zu einer Auseinandersetzung mit einem Thema führen.
Böhmermann und seine Sendungen sind sehr polarisierend. Der Effekt, das Thema in die allgemeine Öffentlichkeit zu tragen, scheint mir jedoch relativ groß zu sein. Das kann eventuell zur Sensibilisierung der Bevölkerung beitragen und Menschen die Hilfe suchen schauen genauer hin, wie diese Hilfe aussieht.
In der Fachwelt sieht es bisher nicht so eindeutig aus und es ist vermutlich gut, wenn man als Normalo gewisse Begriffe zumindest mal gehört hat.
Was ich bemerkenswert finde, dass auch hier in den Beiträgen eine Vermischung mit sexuellem Missbrauch erfolgt. Eigentlich geht es um Verschwörungstheorien im psychologischen Umfeld (und angrenzenden Berufszweigen).
Ebenso möchte ich auf das bisherige Ausmaß der Verschwörungstheorie hinweisen: betroffene Bereiche sind Politik, Bildung, Medien und Justiz. Willkür im großem Ausmaß wurde Tür und Tor geöffnet. Ein weiterer Aspekt: es wird versucht demokratische Grundrechte auszuhebeln, mit Erfolg wie man sieht.
Da ist es mir lieber ein polarisierender Böhmermann berichtet darüber öffentlich, anstatt kritische Artikel hinter Paywalls oder Debatten auf Tagungen, für die sich die wenigsten interessieren werden.
21. Dezember 2023 um 15:10
Mitglieder des ZDF-Fernsehrats kritisieren Löschung von Böhmermann-Sendung
https://www.spiegel.de/kultur/tv/loeschung-von-boehmermann-sendung-mitglieder-des-zdf-fernsehrats-kritisieren-entscheidung-a-c9f89ee1-54ba-4873-9d82-04f254daa0c2
27. Januar 2024 um 22:11
Spiegelartikel von Christopher Piltz im Interview mit dem Vorsitzenden der größten deutschen psychiatrischen Fachgesellschaft DGPPN vom 27.01.24:
Der Fernsehrat entfernte 2023 eine Folge des »ZDF Magazin Royale« aus der Mediathek. Darin ging es um windige Therapeuten, Satanskulte und rituelle Gewalt. Die größte psychiatrische Fachgesellschaft kritisiert nun die Löschung.