gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

„Science-Fiction und magisches Denken“: ein Psychiater über die Verschwörungsideologie vom satanisch-rituellen Missbrauch

| 37 Kommentare

Von kritischer Selbstreflexion keine Spur:

Angela Marquardt, Mitglied im „Betroffenerat“ bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), hält den Spiegel-Artikel über die Satanic Panic einfach bloß für „unterirdisch“:

Eine sachlich-rationale Auseinandersetzung mit dem Thema betrachtet Marquardt als „unwürdigen diffamierenden Diskurs“, lässt die Politikerin via Twitter wissen.

Ihre Kollegin Sonja Howard setzt noch eins drauf und empfiehlt bei Instagram die „tolle Aufklärungsarbeit zu dem Thema“ von einer jungen Frau namens „Hajar“, die sich in einem Youtube-Video selbst der mehrfachen Tötung von Kindern bezichtigt:

Marvel Stella hat sich das Video mal näher angesehen.

Die ehemalige Leiterin der Fachstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bistum Münster und Gründerin der dortigen „Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt“, Brigitte Hahn, findet einfach alles nur „schrecklich“ und „absolut daneben“ – sowohl den Spiegel-Artikel als auch die Schließung der Münsteraner Beratungsstelle.

Und natürlich ist auch die selbsterklärte „Überlebende“ Luni vom Youtube-Kanal DIS-obey mit einem Video am Start, in dem sie den Spiegel-Beitrag kurzerhand zu „Desinformation“ und „Fake News“ erklärt.

Ihnen allen sei ein aktuelles Vortragsvideo von Thomas Maier, ärztlicher Direktor der Psychiatrie St. Gallen Nord und Gutachter im „Satanic Panic“-Skandal am Psychiatriezentrum Münsingen, empfohlen.

Sonderlich schmeichelhaft ist das allerdings nicht, was Maier (in einem Begleitinterview mit dem Beobachter) zum Glauben an die Verschwörungsideologie vom „satanistisch-rituellen Missbrauch“ sagt:

Die Vorstellung, dass es so komplexe psychologische Beeinflussungstechniken geben könnte, erinnert fast an magisches Denken, Kinderglauben oder Science-Fiction. Aber auch gewisse Sekten oder andere geschlossene Zirkel von Verschwörungstheoretikern haben als Teil ihrer Ideologie einen Glauben an raffinierte psychologische Beeinflussungstechniken.

So etwas scheint also viele Menschen zu faszinieren. Das Denken dieser Menschen ähnelt den Ideen von Spiritisten oder Parapsychologen.

In dem Vortrag selbst (zirka 75 Minuten) beantwortet der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie eine Reihe der rhetorischen Fragen, die Hahn, Luni und andere immer wieder als Nebelkerzen vorbringen.

So fällt Brigitte Hahn in dem WDR-Interview „nichts dazu ein“, warum Therapeuten denn ihren Patientinnen „solche Geschichten, solche Verschwörungsmythen einreden“ sollten (fragt die Reporterin). Und auch Luni will so gar nicht einleuchten, „wie Therapeuten davon profitieren sollten“, Patientinnen „eine Missbrauchsgeschichte einzureden, die nie stattgefunden hat“.

Erstens behauptet niemand, dass der Missbrauch „nie stattgefunden“ hat. Das stellt auch Marvel Stella in ihrer Analyse des Hajar-Videos zum wiederholten Male klar.

Sondern es geht um ein ganz bestimmtes Narrativ, das wohl am treffendsten mit dem Begriff „Rituelle Gewalt-Mind-Control-Theorie“ (RG-MC-Theorie) umschrieben wird. Das heißt, neben „einer Missbrauchsgeschichte“ kommen als unverzichtbare Bestandteile hinzu: verdrängte beziehungsweise abgespaltene Erinnerungen, Dissoziative Identitätsstörung (DIS) und „Mind Control“.

Und zweitens scheint diese verschwörungsideologische Mixtur für einen kleinen, sehr speziellen Kreis von „Traumatherapeuten“ überaus attraktiv zu sein. Die persönlichen Benefits dieser Überzeugung haben wir hier schon ausgeleuchtet: Komplexitätsreduktion, Selbstaufwertung, Entlastung und Selbstwirksamkeit.

Thomas Maier sagt in seinem Vortrag dazu:

Diese Verschwörungstheorie ist ein brauchbares Muster, das dem Therapeuten hilft, die eigene Ohnmacht abzuwehren.

Wenn ich dieser Verschwörungstheorie anhänge, habe ich plötzlich glasklare Erklärungen, und unerklärliche Dinge fügen sich plötzlich für mich total erklärbar zusammen, Alles macht Sinn. Die ganze Ambivalenz reduziert sich auf einen Schlag, und es ist alles klar, es leuchtet mir alles sofort ein.

Außerdem hat der Anhänger dieser Verschwörungstheorie ein spezielles Wissen, das ihm ermöglicht, die Dinge zu durchschauen, die der andere nicht durchschaut. Und das gibt ein Erhabenheitsgefühl: Ich habe ein spezielles Wissen, das es mir ermöglicht, diesen Patientinnen zu helfen, denen alle anderen nicht helfen können.

Im Weiteren stellt Maier auch Lunis Wunschvorstellung, der Spiegel-Artikel rekurriere doch lediglich auf einen unglücklichen Einzelfall einer therapeutischen Fehlbehandlung, die Realität gegenüber:

Auch Lunis Behauptung, „die Skeptiker-Szene“ würde versuchen, „die Diagnose der Dissoziativen Identitätsstörung in Frage zu stellen und behaupten, diese Diagnose sei nicht ausreichend erforscht oder von einer angeblich verschwörerischen Lobby von Therapeuten herbeifantasiert worden“, ist wenig mehr als blanker Unsinn.

Maier erklärt den Sachverhalt sowohl in seinem Vortrag:

Die Dissoziative Identitätsstörung ist eine ernste, schwerwiegende Diagnose, die man nicht leichtfertig vergeben soll, und nicht jeder, der ein bisschen unterschiedlich sich manchmal fühlt und sich verhält, sollte diese Diagnose bekommen.

Als auch in dem Beobachter-Interview:

Die [Dissoziative Identitäts-] Störung manifestiert sich typischerweise im Rahmen von längeren, intensiven Therapien. Das gibt einen Hinweis darauf, dass sie – wie viele andere psychische Adaptationsmechanismen auch – in einen interpersonellen Kontext eingebettet ist.

Die Störung tritt also nicht losgelöst im stillen Kämmerlein oder auf der einsamen Insel auf, sondern dort, wo bestimmte Verhaltensweisen und Symptome von der Umgebung und von den engen Bezugspersonen positiv verstärkt werden.

Und dann kommt Maier auf die Mythen rund um die DIS im Kontext der „Satanic Panic“ zu sprechen – also die Storys, in denen behauptet wird, „Täter“ aus irgendwelchen „Kult“-Gruppen könnten bei ihren Opfern schon in der Kindheit oder Jugend eine DIS absichtlich herbeiführen und die Betroffenen dann über einzelne Persönlichkeitsanteile mittels „Mind Control“ steuern:

Die Störung ist zwar in gewisser Weise man-made, aber auf keinen Fall so, wie sich das die Protagonisten dieser Ideologie vorstellen. Die Störung ist viel zu komplex und auch individuell, als dass sie gezielt induziert werden könnte, erst recht nicht bei Kleinkindern oder gar Säuglingen.

Dass man so etwas annehmen kann, entspringt meiner Meinung nach einem naiven Irrglauben. Es gibt jedenfalls keinerlei Belege oder Beweise, dass so etwas möglich ist.

Auch weitere Elemente der „Satanic Panic“-Verschwörungsideologie verweist Maier ins Reich der Fabel. So zum Beispiel, dass die Tätergruppen über ein umfangreiches Spezialwissen in Sachen Psychotraumatologie verfügten – das allerdings der Fachwelt völlig unbekannt ist.

Maiers gelegentliche Konfrontation mit angeblichen Beweisen für die große Verschwörung deckt sich kurioserweise genau mit dem, was Luni in ihrer „Stellungnahme“ zum Spiegel-Artikel als Beleg für ihre Behauptungen verkaufen will:

Was uns betrifft, gab es immer mal wieder, besonders in Kliniken, Zeugen dafür, dass Täter versucht haben, Zugriff auf uns zu nehmen. So musste zum Beispiel ein Auto, dass Nachts unter unserem Zimmerfenster stand und triggernde Musik abspielte, (ich werde das aus Sicherheitsgründen für uns jetzt an dieser Stelle nicht näher benennen), von der Security, die in diesem Areal Nachts unterwegs war, des Platzes verwiesen werden.

Diese „Kliniken“ würden wir gerne mal sehen, wo man nächtens einfach so mit dem Auto reinfahren kann, bis zum Patiententrakt, und dort genau vorm richtigen Fenster laute Musik abspielen kann.

Auch Klinikdirektor Thomas Maier hält das für Phantastereien. In seinem Vortrag ironisiert er:

Die [Täter] sind total anonym, man findet die nie, man findet nie heraus, wer das ist. Manchmal ist man nahe dran, aber dann verschwinden sie gerade um die Ecke. Wenn man glaubt, man hat jetzt jemanden erwischt, dann ist der gerade weg und der Schwefelgeruch hängt noch in der Luft.

So ist es mir vorgekommen in diese Berichten. Die Therapeuten fantasieren, dass die Täter um die Klinik herumkurven, mit Autos. Und wenn man das Kennzeichen aufschreiben möchte, sind sie schon weg, ganz knapp entwischt.

Ebenso ins Leere geht Lunis Versuch, die Aufklärung über die Satanic-Panic-Verschwörungsideologie selbst zur Verschwörungstheorie zu erklären. Denn angeblich würden wir Skeptiker behaupten,

… dass all die Therapeuten, Forscher (weltweit!), ja sogar die Deutsche Bundesregierung mit ihrer Kampagne „unter einer Decke stecken“ und den Klienten ihre Erlebnisse einreden.

Niemand behauptet das. Was tatsächlich Sache ist, erklärt Maier so:

Es entstehen Kreise mit starkem Zusammenschluss, in sich geschlossenen Supervisionsketten, Weiterbildungsveranstaltungen und eigenen Begrifflichkeiten. Da treffen sich Leute, die sich gegenseitig bestärken.

Soweit zum Vortrag von Thomas Maier am Montagabend in St. Gallen.

Auch ganz unabhängig von dieser Veranstaltung könnte man noch seitenweise auf die sonderbare „Stellungnahme“ von „Luni“ zum Spiegel-Artikel eingehen.

  • Zum Beispiel, dass die Autoren Beate Lakotta und Christopher Piltz mitnichten „belegen möchten, dass es rituelle Gewalt nicht gibt“ (Zitat Luni).

Worum es in dem Artikel geht, ist die besagte RG-MC-Theorie mit ihren ganz besonderen Merkmalen:

  • Oder dass „die These von falschen und suggerierten Erinnerungen zum Großteil widerlegt“ sei, weil „eine andere Studie Fehler in der Originalstudie [von Elizabeth Loftus] aufdeckte“ (Zitat Luni).

Und? Es gibt zahlreiche Nachfolge-Experimente, die Loftus bestätigten. Aktuelle Übersichtsarbeiten finden sich zum Beispiel hier und hier. Auch dass Gedächtnisforschung völlig unabhängig von einer wie auch immer gearteten „False Memory-Bewegung“ existiert, scheint Luni nicht zu verstehen.

In der neuen Zeit (14/2023) wird Loftus daher ohne jeden Zusammenhang mit False Memory schlicht als „eine Koryphäe ihres Faches, eine weltweit führende Gedächtnisforscherin“ beschrieben:

Elizabeth Loftus’ oberstes Ziel ist die Wahrheit. Auch wenn die manchmal wehtut.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie erklärt:

Es gibt umfassende etablierte Forschungsergebnisse zur Entstehung von Pseudoerinnerungen durch suggestive Prozesse.

  • Wir könnten auch noch darüber reden, dass es völlig egal ist, ob es sich bei den angeblichen Tätergruppen um „Satansorden mit Weltherrschaftsallüren“ handelt (Zitat Luni) oder um die neuerdings behaupteten „germano-faschistischen Kulte“ (z.B in der taz).

Auch dann gilt nämlich, dass die Mitglieder keine übermenschlichen Fähigkeiten besitzen und sich jeder Strafverfolgung entziehen können. Und dass die einzelnen Elemente der RG-MC-Theorie dabei die gleichen bleiben – und gleichermaßen unmöglich sind.

Richtigzustellen ist aber vor allem Lunis Versuch, den „geschilderten Fall von Frau Weber“ als „irgendwie fragwürdig“ erscheinen zu lassen, und zwar aufgrund dieser Passage im Spiegel:

Luni schreibt dazu:

Sie war aber erst seit 2018 in Behandlung bei der beschuldigten Therapeutin. Wie also soll die Therapeutin ihr das also schon 2010 suggeriert haben?

Es ist ganz einfach andersrum: Die Therapeutin legte in der Therapie den angeblichen Beginn des Ausstiegs ihrer Patientin aus dem angeblichen Satanskult selbst auf das Jahr 2010 fest, weil zu diesem Zeitpunkt einige wichtige Veränderungen im Leben von Frau Weber stattgefunden hatten.

Und zudem kann Der Spiegel eben doch die von Luni geforderten „Beweise vorlegen […], dass dieser Fall tatsächlich so war, wie von Frau Weber beschrieben“ (Zitat Luni).

Es gibt nämlich Akten des Jugendamtes, verschiedene Gutachten und ein Gerichtsverfahren.

Also all das, was „die lunis“, wie sie sich selbst nennt, seit Jahrzehnten nicht vorlegen können.

Und deshalb geht das Debunking der RG-MC-Theorie weiter.

Die Berner Gesundheitsdirektion führt derzeit „wegen Hinweisen auf seine Nähe zu Mind Control“ ein administratives Verfahren gegen den Psychiater Jan Gysi, der laut watson als „Koryphäe bei den Verfechtern der rituellen Gewalt gilt“.

Schrecklich, gaaanz schrecklich.

Oder auch nicht.

Zum Weiterlesen:

  • WDR-Interview mit Brigitte Hahn, dissoziationen am 27. März 2023
  • Betroffene(nrat) empfiehlt, dissoziationen am 26. März 2023
  • Administratives Verfahren gegen Psychiater Jan Gysi eingeleitet, beobachter am 27. März 2023
  • Interview mit Psychiater Thomas Maier über Mind Control: „Das erinnert an magisches Denken, Kinderglauben, Science-Fiction“, beobachter am 27. März 2023
  • Nicht wiedergutzumachender Schaden: Unser Gespräch mit dem Opfer einer „Satanic Panic“-Fehlbehandlung aus der aktuellen Spiegel-Story, GWUP-Blog am 12. März 2023
  • „Keine Evidenz“: Der Spiegel widerlegt die Narrative der Verschwörungstheorie vom satanistisch-rituellen Missbrauch, GWUP-Blog am 10. März 2023
  • Unfassbar: Drei Suizide von Patientinnen an psychiatrischer Klinik wegen „Satanic Panic“? GWUP-Blog am 24. November 2022
  • Erinnerung und Trauma: Was war da? Die Zeit 14/2023

37 Kommentare

  1. Aber auch gewisse Sekten oder andere geschlossene Zirkel von Verschwörungstheoretikern haben als Teil ihrer Ideologie einen Glauben an raffinierte psychologische Beeinflussungstechniken.

    Diesen Satz empfinde ich als Erklärung dafür, das Handeln und Wirken der sog. Therapeuten zu verstehen.

    Sie sind die Anführer einer Quasi-Sekte und wollen unbedingt die Kontrolle über die erzählerischen Narrative sowie der Personen, die diesen Narrativen anhängen, behalten. Kritik ist unerwünscht und wird ausgeblendet, Härektiker werden energisch bekämpft.

  2. Nähern wir uns hier tatsächlich in bestimmten, gar mit öffentlicher Glaubwürdigkeit ausgestatteten Strukturen einem gefährlichen Wahn, der die Grenze zum Pathologischen streift?

    Natürlich erkennen wir hier Mechanismen, die in mancher verbreiteten Pseudowissenschaft, insbesondere Pseudomedizin, auch am Werke sind. Womöglich aber ist das noch einmal eine ganz andere Qualität von Kaninchenlochmentalität.

  3. Diese „Kliniken“ würden wir gerne mal sehen, wo man nächtens einfach so mit dem Auto reinfahren kann, bis zum Patiententrakt, und dort genau vorm richtigen Fenster laute Musik abspielen kann.

    Ich würde diese Möglichkeit nicht so leichtfertig abtun. In den zwei psychosomatischen Kliniken, in denen ich bisher war, war es bei bei einer ganz sicher möglich, daß ein Auto unter die Fenster von Patient_innenzimmern hätte fahren können (allein weil diese teilweise an einer öffentlichen Straße lagen!), bei der zweiten halte ich nach einer Gedächtnisauffrischung durch Satellitenbilder ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für hoch, daß dies möglich wäre.

  4. @Jan:

    Es steht „Luni“ frei, die Beweise dafür zu erbringen, z.B. die Aussagen/Protokolle der „Security“ etc.

  5. Moin zusammen,

    ich arbeite als Psychiater in einer Rehaklinik (in der leider von der Vorvorvorgängerin der aktuellen Chefärztin vor 20 Jahren, also glücklicherweise weit vor meiner Zeit in dieser Klinik, auch die MindControl-Theorie vertreten wurde…) und habe vorher an einer psychiatrischen Akutabteilung gearbeitet.

    Ich möchte daher Jan zustimmen, dass nicht alle psychiatrischen Kliniken und schon gar nicht die psychosomatischen Rehakliniken dem Klischee von weitläufigen und ggf. sogar eingezäunten Gebäudekomplexen mit Mauern, vergitterten Fenstern, Security etc. entsprechen. Vielmehr handelt es sich häufig um normale Krankenhausbauten.

    Gerade Rehakliniken, in denen auch Traumatherapie stattfindet, haben sogar eher Hotelcharakter.

    Was aber natürlich nichts daran ändert, dass die RG-MC-Narrative (Theorie möchte ich es noch nicht einmal nennen) eindeutig in den Bereich der Verschwörungserzählungen einzuordnen sind.

    Viele Grüße

  6. „In erster Linie sind es therapeutische Fachpersonen, etwa Psychologinnen, Ärztinnen, Pflegefachpersonen, die meist ohne explizite Absicht dissoziatives Verhalten mit Aufmerksamkeit und Interesse beantworten und diese Mechanismen damit verstärken. Da diese Vorgänge den Therapeutinnen selbst unbewusst sind, haben sie nicht den Eindruck, dass sie die Störung hervorrufen, sondern dass diese von selbst entsteht.“

    Teil aus dem Beobachter Interview.

    Diesen Teil finde ich – anders als der Rest des Interviews und des Berichts über das PZM – schwierig.

    Ich denke nicht, dass eine vermehrte Aufmerksamkeit die DIS auslösen kann, was er hier mit dieser Aussage aber definitiv andeutet.

    Auch in der Traumaforschung ist die DIS immer mal wieder etwas schräg angeschaut worden, aber mittlerweile ist sie relativ gut beschrieben worden – und wird auch an der Uni gezeigt.

    In der CH ist es für tatsächlich Betroffene von KPTBS und DIS gerade unglaublich schwer, noch Therapieplätze zu finden, weil eben alle sofort in diese Kiste gesteckt werden, und dass Maier dies so unsauber formuliert, wird das sicherlich nicht verbessern, weil sich die Therapeut:innen, die NICHT an Rituelle Gewalt glauben nun noch mehr distanzieren, obwohl die Therapie bei komplex Traumatisierten extrem wichtig ist – und zwar von Menschen, die nicht an RG und MC glauben…

    Oder bin ich da falsch? Gibt es Quellen zum nachlesen, die diese Vorgänge beschreiben?

  7. @ Grace:

    Ich denke nicht, dass eine vermehrte Aufmerksamkeit die DIS auslösen kann, was er hier mit dieser Aussage aber definitiv andeutet.

    Oh doch, aber natürlich nicht aus dem Nichts heraus.

    Bedingung ist, dass die Patienten bereits eine Identitätsstörung (Inkohärenz) haben, wie es bei der Borderlinestörung zum Beispiel der Fall ist.

    In dem Fall ist es nicht nur leicht, eine "DIS" zu erzeugen, sondern – wenn man zum falschen Therapeuten kommt, der bei jeder Ambivalenz oder Extralaune an DIS-Persönlichkeitsanteile denkt – sogar Standard.

    Das Vorgehen, die Fachliteratur und die Therapie in Trauma-Therapeuten-Kreisen ist eine extreme(!) Gefahr für fast alle Borderlinepatienten, die sich ohnehin bereits als fragmentiert erleben.

    Genau dieser Personenkreis, der gar nicht so klein ist, riskiert, in den entsprechenden Therapien eine handfeste Dissoziative Identitätsstörung zu entwickeln.

    Allen gemeinsam ist den Patienten, dass sie einen Sender dafür haben, intuitiv zu erspüren, was Therapeuten (meist unbewusst) erwarten, wünschen, erhoffen. Dem kommen sie nach, weil sie damit eine Form der Nachbeelterung, Aufmerksamkeit und Wertschätzung bekommen.

    Ja, sogar den Status der Besonderheit.

    Siehe zu diesem gesamten Komplex auch die Merkmale einer Hysterie… (die DIS gehört zum hysterischen Spektrum)

  8. Sorry, Marvel Stella, aber ich muss dir hier klar widersprechen.

    Ich will nicht vom Hauptthema ablenken. Verschwörungstheorien, die in eine Psychotherapie einfliessen, sind ein ernstes Problem. Ich stimme aber Grace zu, dass beim pauschalisierenden Verbannen von DIS in die iatrogene Ecke viel Schaden entsteht.

    In der CH gibt es ja teilweise Aufnahmestopps für DIS Patienten, und in einem kleinen Land mit wenigen Traumastationen merkt man die verstärkte Knappheit sehr schnell. Die Therapie muss auf jeden Fall verbessert und solchen Therapeuten gekündet oder entsprechende Weiterbildungen absolviert werden.

    Aber zu schnell leiden auch die Betroffenen unter den Konsequenzen.

    Die Wahl zwischen gar nicht oder unseriös behandelt werden zu haben ist wirklich keine befriedigende Lösung. Hilft auch nicht, dass das meiste was viele Therapeuten in der Ausbildung zu DIS hörten war „ist umstritten, ist selten“ und fertig.

    Da ist das Feld für den Einzug irgendwelcher sich verbreitenden Verschwörungsmythen in die Psychotherapie aufgrund mangelndem Fachwissen extrem gross.

    Ich glaube, du weisst selbst, dass es ja mittlweile viel Forschung zum Thema iatrogen entwickelt versus von Trauma verursachte DIS gibt. Und während noch viele Fragen ungeklärt sind, gibt es zumindest keine empirischen Ergebnisse darüber, dass es tatsächlich möglich sein soll, eine DIS in einer Therapie zu erzeugen.

    Abgesehen von irgendwelchen Anekdoten und Meinungsartikeln. Dagegen eine einigermassen gute (wenn auch noch lückenhafte) Beweislage zur Trauma-Theorie.

    Klar gibt es imitierte DIS und falsch-positive Diagnosen, wo die Therapeuten zu lange auf die Richtigkeit dieser beharren und dies die Patienten z. T. auch als Erklärungsmodell für ihre Probleme übernehmen.

    Laut einer älteren, mM nach aber immer noch sehr lesenswerten Studie (leider auch mit sehr kleiner Fallnummer und hauptsächlich auf klinische Erfahrung gestützt) sogar auch häufiger bei PatientInnen mit Borderline- oder histrionischer PS (Draijer et al, 1999).

    Daraus entsteht aber keine DIS. Das ist dann ne Fehldiagnose, es entstehen resp. verstärken sich ja gerade andere, von einer DIS abgrenzbare Symptome. Leider gibt es ja auf Social Media unter eher Jüngeren auch den Trend, DIS zu imitieren, was auch nicht hilft.

    Und das mit Borderline entwickelt sich in der Therapie zur DIS stimmt halt so auch nicht. Die Schematherapie zB ist auch ein Verfahren, das mit inneren Anteilen arbeitet (wie viele andere Therapieverfahren auch).

    Die Wirksamkeit zur Behandlung von Borderline wurde nachgewiesen. Auch bei Borderline löst die Arbeit mit Anteilen keine DIS aus.

    Es gibt immer schlechte Therapeuten, aber sogar eine schlechte Therapie löst zwar potenziell ganz viele andere Probleme und Symptome, aber halt nicht das Vollbild einer DIS aus.

    Seriöse Diagnostik wäre hier wichtig, das benötigt seriöse Schulung und Ausbildung von Therapeuten. Ohne irgendwelche Mythen dass eine DIS erst vom Therapeuten „hervorgelockt“ werden muss oder durch Mind Control Leute ferngesteuert werden können.

    Aber auch ohne den Mythos das nur schon das Abfragen von typischen Symptomen diese Störung im Patienten verursachen könnte.

    Die von Grace erwähnte Aussage von Maier im Interview finde ich daher ebenfalls problematisch. Muss mir das Video noch anschauen, wenn ich die Zeit habe, evtl kontextualisiert er seine Aussage ja dort noch etwas.

  9. @MarvelStella

    Vielen Dank für deine Ausführungen

    Bedingung ist, dass die Patienten bereits eine Identitätsstörung (Inkohärenz) haben, wie es bei der Borderlinestörung zum Beispiel der Fall ist.

    Wir haben in der Uni Borderline – KPTBS – DIS als Differenzialdiagnostik angeschaut.

    Ich dachte bisher, dass die Störungen zwar gemeinsam auftreten können bzw. eine DIS nach einer der beiden anderen Diagnosen manchmal diagnostiziert wird, aber meines Wissens nach gibt es schon klare Unterschiede zwischen den Störungsbildern.

    Vgl die ICD 11 Beschreibungen und Diagnostik dazu.

    Wieso ist die Fachliteratur eine Gefahr ? Ist sie deiner Meinung nach nur eine Gefahr für Patient:innen oder auch für Fachpersonen?

    Mir ist klar, dass es auch Fachliteratur gibt, die kritisch zu betrachten ist (Jan Gysi z.B. hat auch mehrere Bücher zur Thematik geschrieben, die wurden uns aber beispielsweise im Studium nicht empfohlen; van der Haart; Nijenhuis und Janet hingegen schon) Aber wie sollen sich beispielsweise Psycholog:innen dann informieren?

    Denn ehrlich gesagt, möchte ich mich nicht auf Kommentare aus einem Blog beziehen, wenn ich beispielsweise im beruflichen Kontext dann mit diesen Diagnosen in Berührung komme.

    Und in der CH ist es nach wie vor so, dass nicht ganz öffentlich kommuniziert wird, welche Gruppen/Kliniken/Praxen die Mindcontrol und Rituelle Gewalt Verschwörungserzählung glauben und vertreten.

    Ja, sogar den Status der Besonderheit.

    Ist das nicht oft Teil der Psychotherapie per se? Es wird ja während den Sitzungen ausschliesslich über den Patienten/ die Patientin und seine/ihre Probleme gesprochen.

    Die Hysterie ist meines Wissens nach (aus dem Studium) kein anerkannter bzw. aktueller Begriff mehr.

  10. @Grace

    Mische mich mal ungefragt ein.

    Die Diagnose-Systeme (DSM und ICD) stellen „nur“ einen aktuellen Konsens dar, welcher nicht zwangsläufig mit einer Evaluierung einhergeht.

    In Deutschland gibt es Behandlungsleitlinien, S1 bis S3, wovon lediglich S3 komplett evaluiert ist. Doch auch zu diesen gibt es Kritik.

    Zusätzlich kann man schauen ob die eigenen Methoden für ein bestimmtes Krankheitsbild geeignet und zugelassen sind. Doch auch bei positivem Ergebnis muss Individualität von Menschen berücksichtigt werden.

    Auf allen Ebenen lassen sich Auswirkungen von Interessensgruppen finden, was Ergebnisse verfälschen kann, wodurch es in meinen Augen wichtig ist die Basis zu prüfen.

    Den größten Grad an Sicherheit kann man vielleicht nur durch das persönliche Sichten und Bewerten von Studien erhalten, vorzugsweise auf Meta-Ebene.

    Im Alltag wird das im therapeutischen Bereich vermutlich nur schwer umsetzbar sein.

  11. Was ich mich schon die ganze Zeit frage (und ich hoffe, es ist ok, diese Fragen hier zu stellen) ist:

    Wie kann man wissenschaftlich belegen, dass die Möglichkeit der „Programmierung“ definitiv ausgeschlossen werden kann?

    Es wird, so wie ich es bisher gelesen habe, immer damit argumentiert, dass, wenn diese Möglichkeit bestünde, diese schon längst von Militär, FBI, CIA etc. genutzt werden würde. Ok, aber die angeblichen „Programmierungen“ werden ja nach Aussagen der Betroffenen im Kleinkindalter „gesetzt“. In dieser Zeit ist das Hirn ja noch anders strukturiert als im Erwachsenenalter.

    Da ja mit Sicherheit keine derartigen Versuche an Kleinstkindern vorgenommen werden, wie kann es also wirklich zu 100% ausgeschlossen werden?

    Weiter habe ich mich gefragt, wieso, bzw. auf welcher Grundlage gesagt werden kann, dass eine von Tätern geschaffene DIS nicht möglich ist?

    Sofern Täter etwas über die Entstehung der DIS wissen, so wissen sie doch in dem Moment auch, dass extreme Traumatisierungen genau dazu führen können. So ist es doch, nach meiner Logik, sehr wohl möglich eine DIS absichtlich hervorzurufen.

    Gibt es zu diesen beiden Fragen Quellen bei denen ich mich einlesen könnte?

  12. Wenn wir von demselben Videoabschnitt sprechen stellt Hr. Doc Maier mehr die Therapieform als die Diagnose selbst in Zweifel.

    Plakativ gesagt: Wer als eins in Therapie geht und ein Jahr später als hundert Personen herauskommt ist vielleicht in der falschen Therapie.

    Die Schematherapie ist eine Therapie, die versucht innere Anteile zu visualisieren, aber auch sie zielt nicht auf Spaltung ab, im Gegenteil, da geht es darum eine innere Landkarte seiner (ambivalenten) Gefühle und Identitäten herzustellen und diese auf eine gewisse Art und Weise zusammenzuführen.

    Es geht auch hier nicht darum eine Person in 100 Anteile zu spalten und dann gewissermassen einfach auf diesen Anteilen „sitzen zu lassen“ .

    Ich denke das wird in dem Video kritisiert: Es gibt eine pathologische Form der Beziehung zu seinem Therapeuten, ein Abhängigkeitsverhältnis, wobei jeder Versuch von Klientinnenseite unternommen um dieses zu unterhalten, auf der anderen Seite ein sehr fraktioniertes Identitätsgefühl , welches, falls der Therapeut einschlägig ausgebildet ist, im Rahmen der „aufdeckenden“ Therapie in eine weitere Fraktionierung führen kann.

    Das Ziel der Therapie ist hierbei auch nicht mehr ein Identitätsgefühl herzustellen, vielmehr wird die Aufspaltung weiterhin gefördert. Von vielen „Betroffenen“ liest man auch, dass sie aus tausenden Personen bestehen und bei ihnen Therapie eigentlich gar nicht mehr möglich ist und wenn, dann nur wenn in dieser Hinsicht ausgebildeten, sprich mit der einseitigen Fachliteratur bekannen, Therapeuten. Das ist traurig.

    Und ich denke noch nicht mal, dasss es bestimmte Gruppen oder Kliniken gibt, die dieser Theorie nachhängen, das Problem ist viel subtiler: da werden wohlmeinende Therapeuten geschult und supervidiert, die diese Theorie unhinterfragt weitergeben wobei sich Wissenschaft, „seriöse“ Traumatherapie und VErschwörungselemente mischen. Ich bin bei Doc Maier wenn er sagt es müsse keine Hexenjagd sondern eine Bewusstwerdung geben.

    Therapeuten müssen sich hinterfragen (dürfen) und von Institutionen, u.A. vom UBSKM unterstützt werden, anstatt der Pauschalunterstellung „man würde Opfern ja nicht glauben wie damals vor 30 Jahren“, das hat nichts damit zu tun. Man muss Opfern sexuellen Missbrauchs glauben, das ist etwas grundsätzliches, man sollte auch Einzelheiten der Narrative der Klientinnen hinterfragen dürfen, das kann Teil der therapeutischen Prozesses sein.

    Vor allem aber sollte man sich selbst und die eigenen Anteile an der Therapie und in der Beziehung zu Therapierten hinterfragen.

  13. Zum Thema der eingeredeten DIS möchte ich nun auch mal meinen Senf abgeben. Ich denke, dass es Krankheitsbilder gibt die zur Verwechslung führen können und Patienten denen DIS eine Erklärung für ihre Symptome zu sein scheint. Hier sind gute Therapeuten gefragt, ganz klar.

    Es sieht alles danach aus, dass es Therapeuten gibt, die ihren Patienten eine DIS einreden und ich begrüße die Aufklärung und Auseinandersetzung hierzu sehr.

    Ich möchte aber mal darauf hinweisen, dass es umgekehrt genauso laufen kann. Es ist ebenso unschön mit ner DIS als psychotisch diagnostiziert und gnadenlos fehlbehandelt zu werden.

    Es gibt halt auch Therapeuten die das Krankheitsbild nicht auf dem Schirm haben oder es nicht diagnostizieren möchten. Das ist was ich erlebt habe und lustig ist anders.

    So richtig und wichtig ich die Aufklärung über Satanic Panic finde, so wichtig finde ich, dass man dabei nicht aus dem Blick verliert, dass es andersrum auch ziemlich viel Schaden erzeugt und ich würde dringend bitten mit Überlegungen zu eingeredeter DIS etc sensibler umzugehen.

    Wie bereits erwähnt scheinen echte DIS Patienten zumindest in der Schweiz nun neue Probleme zu bekommen und es kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein, dass sich an dieser Erkrankung am Ende keiner mehr die Finger verbrennen will.

  14. @Yvonne:

    So richtig und wichtig ich die Aufklärung über Satanic Panic finde, so wichtig finde ich, dass man dabei nicht aus dem Blick verliert, dass es andersrum auch ziemlich viel Schaden erzeugt und ich würde dringend bitten mit Überlegungen zu eingeredeter DIS etc sensibler umzugehen.

    Das ist völlig richtig und eine bedauerliche Übersprungshandlung in die andere Richtung – aber letzten Ende ist auch das eine Folge der „Satanic Panic“ und der jahrzehntelangen Falschbehauptungen und Phantastereien eines sehr speziellen „Therapeuten“-Kreises.

    Genau da wollen wir mit der Aufklärung ja hin: dass Patienten sinnvolle und fachlich hochwertige Hilfe bekommen, ohne Mythen in die eine oder andere Richtung.

  15. @Carla Columna

    Wir können weder eine Programmierung noch eine von Täterinnen und Tätern erzeugte psychische Erkrankung 100 prozentig ausschließen. Das müssen wir auch nicht. Jene, die so etwas behaupten, müssen zeigen, dass es so ist. Die „Belege“, die jene liefern, bestätigen die Behauptung nicht.

    Der traditionelle Verweis bezieht sich auf Okhams Rasiermesser. Wenn Du Humor hast, funktioniert es auch mit dem Fliegenden Spaghettimonster oder Russels Teekanne.

  16. Hallo Carla,

    Es wird sicherlich schwer fallen eine Quelle zu finden, die beweist dass X „hundert prozentig nicht existiert“, so funktionieren Studien nicht.

    Psychische Manipulation gibt es sicherlich.

    Zum Thema DIS: es wird oft so dargestellt, als wäre der automatische Vorgang: schweres Trauma im Kindesalter –> DIS.

    Dabei wird vergessen: DIS ist eine extrem seltene Traumafolgestörung.

    Viel wahrscheinlicher ist, dass die Person andere Folgestörungen (Depressionen, Angststörungen, PTBS, Persönlichkeitssstörungen, Psychosen, andere Arten dissoziativer Störungen etc etc) entwickelt (oder auch gar keine Symptome..auch das ist möglich).

    Ein hypothetischer Täter hätte also eine schwindend geringe Chance, irgendein Ergebnis zu bekommen, geschweige denn eines, dass auf Kommando programmiert ist.

    Oder auch wiederholt „programmiert wird“, denn bei jedem einzelnen Trauma müsste ja dieselbe Aufspaltung erreicht werden, was aber nicht automatisch der Fall ist. Oft hört man die DIS sei unterdiagnostiziert, das mag so sein, bleibt auch unterdiagnostiziert jedoch eine seltene Erkrankung.

    https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/lookinside/10.1055/b-0034-9093

    Hier ist von Prävalenzen 0,4 bis 2,6 % die Rede, die Schwierigkeit der Varation ist oben beschrieben.

    Die „Chance „also, gezielt eine DIS erzeugen zu können mit dem erwünschtem Ergebnis einer komplexen Programmierung nach jeder einzelnen Traumatisierung, ist demnach sehr gering.

  17. @Sarah

    Vielen Dank für deine Ausführungen. Ich glaube eben auch, dass richtige Bildung in diesem Bereich unglaublich wichtig ist, damit Betroffene auch passende Hilfe bekommen und nicht einfach im Regen stehen gelassen werden.

    @Bernd Harder

    Ich finde, dass das fast schon etwas zynisch klingt, wenn man das als Folge der Satanic Panic ansieht und sich damit zurechtfindet. Irgendwie müssten wir doch mittlerweile dafür sorgen, dass wir die Patient:innen auffangen können – bzw. die wenigen korrekt diagnostizierten Betroffenen mit DIS dann nicht aufgrund dieser Aufklärung ihr Leben lang unter dem Stigma leiden müssen – denn Maier sagt in seinem Vortrag ja eindeutig, dass er die Störung nur für wahrscheinlich hält. Dies finde ich etwas unpassend. Lydia Benecke löst dies mMn viel besser, indem sie sich eben sehr differenziert aber klar ausdrückt.

    @Bröselulme
    Nein, er spricht in seinem Vortrag eindeutig aus, dass er die Diagnose nicht für wirklich sicher bzw. unumstritten hält. Er nutzt mehrfach den Konjunktiv und ich persönlich finde es etwas schwierig, gerade weil die Diagnose im ICD 11 klar umschrieben und diagnostizierbar ist – anders als bei Forschungsdiagnosen ist sie im Hauptbereich des ICD und damit eigentlich angesehen.

    Natürlich muss die Satanic Panic gestoppt werden. Aber wir sollten dabei Betroffene nicht ausser Acht lassen, denn ein neues Stigma können sie sicherlich nicht auch noch gebrauchen und wie Sarah auch gesagt hat, ist es momentan für DIS Patient:innen in der CH fast unmöglich einen Therapieplatz bei einem Therapeuten/ bei einer Therapeutin zu finden, die NICHT an Rituelle Gewalt glaubt. Mit diesem Verhalten verstärken wir das aufkommen solcher Therapien nur noch – indem sie dann einfach nicht mehr offiziell so genannt werden sondern hinter geschlossenen Türen stattfinden.

    Aber generell bin ich wirklich froh, tut sich etwas.

  18. @bernd harder

    Alles richtig. Ich möchte trotzdem daran erinnern, dass es nichts bringt sich im Ton den Schwurblern anzunähern. Vor 2 oder 3 Jahren gab es eine ausgesprochen gelungene WildMics Folge zum Thema. Damals war die Intention der Skeptiker sehr deutlich wahrnehmbar.

    Mittlerweile finde ich den Ton recht gereizt und auch das führt zu der von mir angesprochenen Problematik. Finde ich zumindest.

  19. @Grace:

    denn Maier sagt in seinem Vortrag ja eindeutig, dass er die Störung nur für wahrscheinlich hält.

    Dr. Maier sagt in dem Vortrag:

    Die Dissoziative Identitätsstörung ist eine ernste, schwerwiegende Diagnose.

    Und in dem Interview:

    Die dissoziative Identitätsstörung, kurz DIS, ist eine relativ seltene psychische Erkrankung. Sie kann auf der Grundlage von schweren, zumeist länger anhaltenden Traumatisierungen mit Beginn in der Kindheit entstehen. Die Existenz der Störung ist umstritten und wird immer wieder generell in Frage gestellt. Ohne hier den Stand der wissenschaftlichen Debatte aufzurollen, würde ich sagen, dass es diese Störung sicherlich gibt.

    M.E. ist das deutlich mehr als nur „wahrscheinlich“.

    Nein, er spricht in seinem Vortrag eindeutig aus, dass er die Diagnose nicht für wirklich sicher bzw. unumstritten hält.

    Damit gibt er aber eine Außeneinschätzung wieder, nicht seine eigene.

    Ich finde, dass das fast schon etwas zynisch klingt, wenn man das als Folge der Satanic Panic ansieht und sich damit zurechtfindet. Irgendwie müssten wir doch mittlerweile dafür sorgen, dass wir die Patient:innen auffangen können – bzw. die wenigen korrekt diagnostizierten Betroffenen mit DIS dann nicht aufgrund dieser Aufklärung ihr Leben lang unter dem Stigma leiden müssen.

    Ich wüsste jetzt nicht, wo ich dem widersprochen hätte?

    Ich wollte auf die Problematik hinaus, dass die „Satanic-Panic“-Szene die DIS jahrzehntelang praktisch als Modediagnose verwendet hat und damit eine seriöse Beschäftigung mit diesem Krankheitsbild verhindert oder zumindest sehr erschwert hat.

    Und deswegen müssen wir dahin kommen, dass das Bewusstsein für diese seltene, aber existierende Erkrankung im normalen Therapiebereich ankommt bzw. gestärkt wird.

  20. „Der SPIEGEL hat über Therapeutinnen berichtet, die ihren Klienten offenbar satanistische Gewalterfahrungen suggerieren. Ein Sektenexperte erklärt, welche gefährlichen Verschwörungsmythen dahinterstecken und warum das Thema so heikel ist.“

    https://www.spiegel.de/panorama/sektenbeauftragter-ueber-vermeintlichen-rituellen-missbrauch-es-ist-die-projektion-des-absolut-boesen-a-d2d040f6-3475-42a7-9837-b762a7861315

  21. Hallo Sarah,

    niemand hat die DIS pauschal(!) in die iatrogene Ecke gedrängt.

    Ich selbst tat es nicht und konnte es auch bei keinem anderen sehen. Fakt ist aber aus meiner Perspektive, dass die meisten DIS Betroffenen im Therapiekontext ihre Anteile „ausbilden“. Durch eigene, aber auch Fremdmotivation.

    Es gibt die Dissoziative Identitätsstörung. Aber sie ist extrem selten und m.E. ganz anders, als sie von einigen Traumatherapeut:Innen skizziert wurde.

    Ich spreche hier im Weiteren auch nicht von Schematherapien, ich rede von einem ganz bestimmten traumatherapeutischen Kreis, der die Persönlichkeitsanteile bei Patient:Innen dominant und kreativ fördert.

    Das gefährdet – ich wiederhole mich – besonders die Betroffenen einer Borderlineproblematik. Diese sind dafür buchstäblich prädestiniert, da sie keine kohärente Identität besitzen.

    Du schreibst:

    Auch bei Borderline löst die Arbeit mit Anteilen keine DIS aus.

    Die Arbeit mit den Anteilen im Sinne einer Schematherapie nicht, jedoch die Traumatherapie, wenn eine Dissoziative Identitätsstörung suggeriert wird, wenn man in die Patienten buchstäblich hinein spricht, damit innere Anteile nach außen kommen, obwohl noch gar keine längerfristige Differenzialdiagnostik erfolgte, wenn Namen während der Therapie vergeben werden, wenn regressive „Zustände „Nachbeelterungen“ erfahren und sich in Folge maligne Regressionen entwickeln,
    wenn…
    wenn…

    Die Liste ist inzwischen sehr lang.

    Damals schon in den 90er Jahren bedankten sich Multiple bei ihren Therapeuten öffentlich auf Veranstaltungen dafür, von diesen als Anteil/e identifiziert worden zu sein.

    Im Laufe der letzten 30 Jahre hat sich dieser Prozess verselbstständigt

  22. Grace:

    Du meinst, die Hysterie sei deines Wissens nach (aus dem Studium) kein anerkannter bzw. aktueller Begriff mehr.

    Ist die Hysterie damit verschwunden? Man löschte den Namen und die Krankheit, die Jahrhunderte grassierte, verschwand ins Nirwana?

    Manchmal sollte man sich nicht nur auf die neue Literatur konzentrieren, sondern einen Gesamtüberblick schaffen, um die Zusammenhänge in der Psychologie-Entwicklung zu begreifen.

    Die Hysterie hat nur neue Kleider anbekommen, aber es gibt sie nach wie vor. Alle Arten der Dissoziation gehören u.a. dazu. (aber auch vieles mehr.)

    Wer sich über die Dissoziative Identität ohne Verschwörungskram, Mystik und Esoterik-Geschwafel (unterschiedliche Augenfarben ect) ein Bild machen möchte – auch ohne iatrogenen Einfluss – sollte 100 Jahre zurück gehen.

    Kann ich jedem Student ans Herz legen ;-)

  23. @ Carsten Ramsel

    Wir können weder eine Programmierung noch eine von Täterinnen und Tätern erzeugte psychische Erkrankung 100 prozentig ausschließen.

    Doch, kann man!

    Nicht mal im geheimen Forschungsprogramm MKULTRA hat es funktioniert. Es gilt als erwiesen, dass sich Kinder nicht durch Mind Control spalten und durch Programmierung „gestalten“ lassen.

    Wenn du anderer Meinung bist, solltest du sie belegen.

    Allgemein, weil so gerne Begriffe verwässert werden:

    Ich bitte darum, Begriffe sauber zu benutzen. Ne simple Konditionierung ist keine Programmierung, genauso wenig ist eine lapidare Manipulation gleichzusetzen mit Mind Control oder mit Gehirnwäsche.

    @ Grace, zu dir noch mal ein paar Worte:

    Ich finde, dass das fast schon etwas zynisch klingt, wenn man das als Folge der Satanic Panic ansieht und sich damit zurechtfindet.

    Diese Verschwörung hat einen extremen Einfluss auf die Behandlung der Betroffenen, so auch auf die „Gestaltung“ der Dissoziativen Identitätsstörung.

    Wenn es heute Probleme gibt, die Betroffenen souverän und professionell behandeln zu können, dann muss man sich in der Tat zu 100% bei den Verschwörungs-Gläubigern bedanken.

    Für mich ist das der Hauptgrund, umfangreich aufzuklären!

    Im Moment mag es schwer(er) sein, Therapeuten für das Krankheitsbild DIS positiv zu sensibilisieren. In absehbarer Zeit aber wird es dann wohl hoffentlich endlich Mal kompetent vonstatten gehen!

    Nämlich dann, wenn die Verschwörung endgültig von dem Krankheitsbild abgekoppelt wurde.

  24. @Carla Columna:

    Gibt es zu diesen beiden Fragen Quellen bei denen ich mich einlesen könnte?

    Hier im zweiten Teil („Fachliche Einordnung“):

    https://sekten-info-nrw.de/information/artikel/esoterik/zersplitterung-nach-therapie—bedenkliche-auswirkungen-der-%E2%80%9Erituelle-gewalt-mind-control%E2%80%9C-theorie

  25. @MarvelStella

    Ich kenne die Hysterie aus der historischen Psychologie, finde es aber etwas problematisch diese Begriffe heute noch zu verwenden, wenn sie nicht mehr dem Forschungsstand entsprechen – bzw. denke ich, dass dadurch wieder ein Argument für die Gegenseite erschaffen wird, wenn nicht ganz klar ist, welche Begriffe noch genutzt werden und auch empirisch valide sind. Verstehst du, wie ich das meine? Ich tue mich gerade schwer das zu umschreiben.

    Und ja, ich glaube, dass wir das ähnlich sehen. Ich fand einfach, dass es etwas zynisch klang, als ob das ein notwendiges Übel ist, was ich so nicht stehen lassen wollte. Ich sehe einfach, wie die Situation in der CH gerade ist – wenn selbst an der Uni nicht allzu genau auf die Thematik eingegangen werden will, weil sie sich damit angreifbar machen – finde ich das problematisch.

    Aber hoffen wir, dass die Bewegung, die von Robin und seiner Kollegin ausgelöst wurde, irgendwann alle erreicht hat und dann endlich gute Therapien wieder angeboten werden können.

    @Bernd Harder

    Er sagt im gleichen Interview aber auch das:

    „Die Störung tritt also nicht losgelöst «im stillen Kämmerlein» oder auf «der einsamen Insel» auf, sondern dort, wo bestimmte Verhaltensweisen und Symptome von der Umgebung und von den engen Bezugspersonen positiv verstärkt werden.
    Also in der Familie?
    Nein. In erster Linie sind es therapeutische Fachpersonen, etwa Psychologinnen, Ärztinnen, Pflegefachpersonen, die meist ohne explizite Absicht dissoziatives Verhalten mit Aufmerksamkeit und Interesse beantworten und diese Mechanismen damit verstärken. Da diese Vorgänge den Therapeutinnen selbst unbewusst sind, haben sie nicht den Eindruck, dass sie die Störung hervorrufen, sondern dass diese von selbst entsteht.“

    Damit sagt er ja aus, dass erst die Therapie die Störung auslöst und er differenziert nicht, dass die Störung auch ohne Therapie vorhanden sein kann – was meines Wissens nach aber mehrfach schon geprüft wurde?

    Vielleicht vertue ich mich auch dabei oder bin sprachlich sehr sensibel. Was mir aber bei seinem Vortrag (auf Youtube) wie gesagt auffällt, ist seine auffällige Nutzung des Konjunktivs und von Wörtern wie „angeblich“.

    Er scheint sich von der Diagnose zu distanzieren – ob das nun seine Meinung oder eine Aussenmeinung ist, kann ich nicht eindeutig bestimmen. Das finde ich problematisch, weil auch hier ein Fragezeichen mitgesprochen wird, welches bei den Menschen sicherlich nicht unbemerkt geblieben ist.

    Dies ist ja auch anders, als in den Reportagen von Robin Rehmann bei SRF, dort wird ja klar differenziert zwischen der realen Störung und der DIS verbunden mit MC/ RG usw., was mMn eben wichtig wäre.

    Stimmt, da hast du nicht widersprochen und ich stimme dir zu. Und ich glaube, dass es einige Student:innen in meinem Jahrgang gibt, die das ähnlich sehen und nun versuchen, an reliable Infos zu kommen.

    Gibt es eigentlich eine Literaturliste, die man sich ansehen kann? (ich weiss, dass Lydia einige Bücher erwähnt hat in ihrem Vortrag auf Youtube https://www.youtube.com/watch?v=DcVFRNG3PLs)

  26. @Grace:

    Damit sagt er ja aus, dass erst die Therapie die Störung auslöst

    Er sagt eigentlich zweimal „verstärkt“, nicht „auslöst“.

    Erst in dem Nachsatz spricht er dann einmal von „hervorrufen“ – dabei würde ich aber berücksichtigen wollen, dass das ein freier Vortrag ist, kein abgelesenes Skript oder Fachaufsatz, und dass dabei nicht jedes Wort an jeder Stelle hundertprozentig passt.

  27. Ich habe heute versucht, auf die Fragen von Carla Columna einzugehen. Siehe:

    https://dissoziationen.de/news/wie-kann-man-programmierung-ausschliessen/

  28. Hallo Grace,

    Zitat:

    Ich kenne die Hysterie aus der historischen Psychologie, finde es aber etwas problematisch diese Begriffe heute noch zu verwenden, wenn sie nicht mehr dem Forschungsstand entsprechen – bzw. denke ich, dass dadurch wieder ein Argument für die Gegenseite erschaffen wird, wenn nicht ganz klar ist, welche Begriffe noch genutzt werden und auch empirisch valide sind. Verstehst du, wie ich das meine? Ich tue mich gerade schwer das zu umschreiben.

    Ich verstehe durchaus, was Du meinst. Aber ich sehe es ein bisschen differenzierter.

    Ja, der Begriff „Hysterie“ ist veraltet. Er wurde in den 80ern abgeschafft und ersetzt, weil er primär in einem sehr abwertenden Kontext genutzt wurde.

    Allerdings glaube ich, dass in genau dem Moment die psychologische Wissenschaft ins Schleudern kam, als dieser Begriff durch viele andere Begriffe ersetzt wurde.

    Die Dissoziative Identitätsstörung entstand in den 80er Jahren. Sie fand – damals noch als Multiple Persönlichkeit – den Einzug in das Klassifikationssystem (DSM III) u.a. durch das Wirken von Cornelia Wilbur die gemeinsam mit F. R. Schreiber die „Fakelektüre“ Sybil auf den Markt gebracht hat.

    In genau dem Moment, wo dieser Begriff anstelle der Hysterie genutzt wurde, begann man die Störung extrem zu verfälschen. Seit den 80ern baut sich dieses Krankheitsbild auf Esoterik und Mythen, auf Verschwörungen und therapeutischen Fantasien auf.

    Wer sich für die Dissoziative Identitätsstörung interessiert, dem lege ich nahe, sich dringend mit Cornelia Wilbur zu befassen, mit dem Beginn der Satanic Panic, mit dem Wechsel der Begrifflichkeiten bzw. der Aufteilung aller Dissoziationsarten und vor allem mit dem, was man über die Störung Dissoziative Identitätsstörung vor 100 Jahren bereits wusste, als man darin noch kein mystisches – ganz besonderes – Phänomen sah.

    In dem Zusammenhang kommt man an der Hysterie einfach nicht vorbei.

    Es bringt auch nichts, historisch konkret nach dieser Störung zu recherchieren. NUR wenn man sich mit der gesamten wissenschaftlichen Literatur der Hysterie auseinandersetzt, findet man automatisch auch Schritt für Schritt den realistischen Zugang zu dem Krankheitsbild der DIS.

    Die identitäre Spaltung bei der Dissoziativen Identitätsstörung ist nur ein simples Symptom aus einem riesigen Krankheitskomplex.
    Heutzutage macht man das aber zum Hauptmerkmal. Damit wird die Störung automatisch verzerrt.

    UND:
    Der Focus richtet sich in Folge nur noch auf die Persönlichkeitsanteile, was wiederrum für die Förderung und Manifestation in der heutigen Traumatherapie verantwortlich ist.

    Vielleicht schreibe ich zu diesem gesamten Komplex noch einmal einen Skeptiker-Artikel.

    LG Marvel

    PS: Schreibfehler bitte ich zu entschuldigen. Ich liege gerade völlig flach.

  29. @Marvel Stella

    Die Hysterie hat, soweit ich das weiß, unglaublich viel umfasst. Nicht alles hat da wirklich zusammen gehört und insofern halte ich die vorgenommenen Differenzierungen nicht grundsätzlich für falsch. Borderline hat sich doch auch als eigenständiges Symptombild etabliert und war auch mal Hysterie. Falls ich falsch liege berichtige mich gerne.

    Ich stimme dir allerdings zu, dass die multiple Persönlichkeit ziemlich, sagen wir mal phantasievoll beschrieben wurde irgendwann. Das wiederum hat zur Folge, dass man leicht fehldiagnostiziert wird und viele weitere Folgen.

    Durch die Identitätsunklarheit, die man ja hat, ist man leider sehr anfällig für Suggestionen und Interpretationen und ich vermute hier liegt so ein Kernproblem, durch das sich das so eng mit RG und MC verwickeln konnte. Dazu hab ich auf deinem Blog schon was geschrieben. Manche Symptome dienen der Beweisführung von Verschwörungsideologen und werden daher so umkämpft und ad absurdum geführt.

  30. Teilweise finde ich die Diskussionen hier sehr schwierig, da es in meinen Augen selbst Menschen vom Fach an Basisverständnis zu fehlen scheint und die Art der Argumentation mich sehr an die erinnert, wie sie Vertreter der Rituellen Gewalt These selbst anwenden.

    Es ist nahezu unmöglich die Nichtexistenz von etwas zu beweisen. Deshalb liegt die Beweislast (burden of proof) bei den Leuten, die eine These aufstellen.

    ICD und DSM haben nichts mit Evaluation zu tun. Es sind Klassifikationssysteme, mehr nicht. Natürlich kann es sein, dass dort aufgeführte Krankheitsbilder dennoch evaluiert sind. Es ist ein Wissensstand, der sich stetig weiterentwickelt.

    Deutlich kann man es beim Wechsel von ICD-10 nach ICD-11 sehen, bei dem der Bereich Persönlichkeitsstörungen umfangreich überarbeitet wurde.

    Ja, die Situation für Therapiebedürftige hat sich in der Schweiz verschlechtert. Selbst diese Kritik, wie die von „Littendrin“, machen sich RG Anhänger zu Nutze, um ihre eigene Sache voranzubringen.

    Und wieder sind es die Opfer auf die man sein Augenmerk richten soll … diese Art Aufmerksamkeit kommt mir sehr bekannt vor, denn diese nutzen die UBSKM und rituelle Gewalt-Anhänger sehr gerne. Komplett vergessen werden anscheinend die Folgen, die durch die RG-Therapie selbst entstehen.

    Selbst die Menschen, die sich in den sozialen Medien mit ihrer DIS in Szene setzen, sind oft nicht arbeitsfähig. Die Reportage von Y Kollektiv „Hölle im Kopf“ hat es ebenfalls gezeigt, dass ehemalige Therapierte Probleme haben, ein normales Leben zu führen und teils nicht mehr belastbar sind.

    Wenn eine Therapie zu weiteren Traumatisierungen führt, kann man diese kaum als notwendig oder hilfreich ansehen.

    Ich denke die Frage ist berechtigt: von wem darf man welches Opfer verlangen?

    Aus moralisch und ethischer Sicht vermutlich überhaupt keins. Aus herzloser und pragmatischer Sicht könnte man jetzt versuchen Statistiken zu erstellen, Leiden und damit verbundene Kosten zu ermitteln, abwägen, was das kleinere Übel ist. Rein auf Zahlen und Prioritäten.

    Aus meiner Sicht muss man deutlich aufpassen, nicht in die gleiche Rhetorik abzurutschen wie Vertreter der RG.

  31. @Bernd Harder

    Stimmt, aber ich glaube, dass das Wording im Moment ziemlich relevant ist. Aber natürlich hast du Recht damit.

    @MarvelStella

    Vielen Dank, von ihr wusste ich noch nicht so viel. Werde ich mir mal ansehen. Ich würde einen Artikel sehr spannend finden :)

    @Sebastian

    Was genau findest du schwierig?

    Das mit der Beweislast sehe ich gleich. Solange es keinen Beweis für etwas gibt, muss man davon ausgehen, dass es nicht da ist bzw. zumindest anzweifeln.

    Die Klassifikationssysteme sind mMn wichtig, wenn es darum geht, ob eine Störung als empirisch haltbar oder eben nicht angesehen wird. Und da die DIS darin enthalten ist, finde ich es wichtig, dies auch so anzunehmen. Natürlich sind diese Diagnosen nicht in Stein gemeißelt, aber zumindest sind sie als momentaner Konsens zu sehen.

    Littendrin kannte ich bisher nicht, danke für den Hinweis.

    Bzgl. der Therapie und insbesondere der Fehltherapie gehe ich mit dir mit. Es ist besser keine als eine falsche Therapie (mit MC und RG Fokus) zu bekommen.

    Bzgl. Reportagen: ich fand bisher kaum eine der Reportagen wirklich gut, vor allem weil Menschen wie Bonnie immer wieder interviewt werden, obwohl doch mittlerweile zumindest in Teilen aufgedeckt wurde, dass RG und MC als Konzept/Tatbestand nicht wirklich haltbar sind.

    Gerade heute ist auf Terra X ein neuer Beitrag mit Bonnie erschienen und da frage ich mich halt echt – wer recherchiert da wie gründlich bei euch in DE?

  32. @Grace

    Wer recherchiert da wie gründlich bei Euch in DE?

    Diejenigen, die am lautesten schreien, bereitwillig jederzeit Auskunft geben, eine tolle Geschichte erzählen können und am nächsten dran sind, werden am ehesten zitiert. Wenn die Erzählung dann noch zur Klientel passt, um so besser.

    Das ist aber in A oder CH nicht anders.

  33. In der aktuellen Diskussion geht es meiner Meinung nach nicht um das Anzweifeln einer Diagnose oder ihr Auftauchen im ICD10/ICD11, diese Kriterien und Krankheitsbilder werden von dementsprechenden Fachkreisen immer wieder weiterentwickelt und hinterfragt und das ist auch gut so.

    Immerhin ist Psychiatrie eine medizinische Sparte, die mehr als andere Bereiche von sozialen Kontexten abhängt und auf dem auch neue wissenschaftliche Hintergründe auftauchen.

    In meinem Verständnis geht es hier weniger um eine fachpsychiatrische Diskussion (diese wäre wünschenswert natürlich), sondern um die Frage nach einer bestimmten Auslegung dieses Krankheitsbild vor einem fragwürdigen Hintergrund. Also vor dem Hintergrund „global umspannender Organisationen undefinierter Herkunft“ und der Möglichkeit einer programmierten Dissoziation im Sinne von Mind Control, davon ist im ICD 10 und ICD 11 natürlich nichts zu finden.

    Es wird in dem Kontext oft proklamiert, dass jemand durch Konditionierung durch Traumata in viele, manchmal auch hunderte Innenpersonen aufgespalten wird, und das gezielt. Und dass diese auf Stimuli ähnlich dem Pawlowschen Hund abgerichtet werden und direkte und absolut unbewusste automatische Verhaltensreaktionen ausgelöst werden.

    Genau da verlässt man meiner Meinung nach das medizinisch plausible Terrain.

    Neben, wie schon gesagt, der fixierten Annahme, dass ein Trauma immer nur die eine, höchst seltene, psychische Erkrankung auslösen soll (und das hundertfach wiederholbar, je nach Anzahl der genannten Innenpersonen), spiegelt das auch ein simplifiziertes Bild des menschlichen Verhaltens dar.

    Seit Pawlow sind Jahrzehnte von Verhaltensforschung vergangen, die klassische Konditionierung ist für bestimmte Phobien relevant, weniger jedoch für komplexe Traumafolgestörungen (wer sich einen sehr kurzen überblick verschaffen will: https://www.therapie-huette.de/therapie-wissen/zur-geschichte-der-verhaltenstherapie/ ).

    Klar kann man nicht befürworten, wenn Traumaopfer keine Therapie mehr bekommen, dafür sind die Kliniken in der Verantwortung, aber das erspart aber niemandem eine Diskussion über die grundlegenden und weit propagierten Annahmen einer zweifelhaften Therapierichtung, die offensichtlich sehr viel Schaden anrichten kann.

    In der deutschen Medienlandschaft gibt es aktuell keine entsprechende Sensibilisierung, diese sollte sich jedoch entwickeln und tut es offensichtlich teilweise auch, dies kommt natürlich auch immer auf das Format und den „Recherchewillen“ an.

    Kurzfristig gesehen wirken pseudomedizinische Beiträge natürlich empathisch, langfristig tragen sie jedoch nicht zum Erkenntnisgewinn bei und restriktionieren die Diskussion über psychische Erkrankungen und deren Therapie und das nützt in erster Linie den Patientinnen nichts und kann auch gesellschaftlich zu verzerrten, klischeehaften Annahmen über diese Personen führen.

  34. Pingback: DIS obey und die rituelle Gewalt - Debunking SRA

  35. Es kommt zusammen, was zusammen gehört:

    „Michaela Huber im Gespräch mit Prof. Dr. Ulrike Guérot“:

    https://www.youtube.com/watch?v=IH1o-8vPqHE

  36. Frau Tick hat heute ein Reaktionsvideo zum Vortrag von Herrn Maier veröffentlicht.

    Zitat ziemlich zu Anfang „Adolf würde sich über dieses Wort freuen“. Sie meint säubern.

    Ernsthaft? NS-Vergleiche zu dem Vortrag ziehen?

    https://youtu.be/sM-8_UlUYRk

    @Bernd Harder, hast du gesehen, du wirst erwähnt: https://lunisdisobey.wordpress.com/2023/04/14/faq/

  37. @Yvonne:

    Bernd Harder, hast du gesehen, du wirst erwähnt

    Ja gewiss, ich habe hier kurz daraus zitiert:

    https://blog.gwup.net/2023/04/14/satanistisch-ritueller-missbrauch-die-beweisfrage-wird-einfach-weggelaechelt/

    Kurz zusammengefasst:

    „Natürlich könnte ich meine Geschichte beweisen – aber ich will nicht, hihi.“

    Der Dame ist nicht mehr zu helfen. Bezeichnend ist auch ihr Disclaimer:

    Wichtig: Verwendungszweck unbedingt nur: Spende ohne Gegenleistung

    Das trifft es genau. Als „Gegenleistung“ bekommen ihre Anhänger nur Falschbehauptungen und schlechtes Schauspiel.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.