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Neuerscheinung: „Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können“

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Die Journalistin und Kommunikationsberaterin Dana Buchzik hat ein Buch über den Umgang mit radikalisierten Verschwörungsgläubigen veröffentlicht:

Querdenken-Demos, gewaltbereite Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker – immer mehr Menschen driften auf der Suche nach Halt und Orientierung in radikale Ideen- und Vorstellungswelten ab, finden Antworten in Chat-Gruppen, Internetforen und auf fragwürdigen Webseiten.

Immer häufiger wissen Freunde und Angehörige sich im Umgang mit Betroffenen nicht mehr zu helfen, fehlen Strategien, um miteinander im Kontakt und Gespräch zu bleiben. Wie können wir diesen Entwicklungen begegnen?

Dana Buchzik erklärt die Psychologie hinter dieser Entfremdung, sie zeigt Strategien auf, wie jeder Einzelne den Kontakt zu Betroffenen aufrechterhalten und konfliktärmer gestalten kann und was darüber hinaus in der Bildungsarbeit, in Politik und Sozialwesen wichtig wird, wenn wir auch in Krisenzeiten als Gesellschaft bestehen wollen.

Konkrete Tipps gibt sie auch bei Twitter:

… und in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel:

Tagesspiegel: Sie beraten beruflich Angehörige von Verschwörungsanhängern und Sie haben vor Kurzem ein Buch veröffentlicht. Es heißt: „Warum wir Freunde und Familien an radikale Ideologien verlieren“. Woher kommen solche Einstellungen denn ursächlich?

Buchzik: Wer sich radikalisiert, will sich das eigene Leben als Heldengeschichte erzählen. Das ist die kurze Antwort. Das gilt für alle Ideologien, ob wir nun von Rechtsextremismus oder Islamismus sprechen, von Linksextremismus oder Verschwörungsglauben, von Impfgegnerschaft, von Sekten oder christlichem Fundamentalismus.

Aber natürlich sieht diese Heldengeschichte je nach Persönlichkeit sehr anders aus. Es gibt Idealisten, die anderen wirklich helfen wollen und die dann radikalen Missionaren auf den Leim gehen. Es gibt Menschen, die Zugehörigkeit und Geborgenheit suchen, die sie in ihrem Umfeld nicht fühlen können. Die laufen im Zweifelsfall überall mit, wo sie Anerkennung erleben, egal, wie die jeweilige Ideologie aussieht. Und es gibt Menschen, die nach Macht gieren, die andere unterwerfen und quälen wollen.

Wir haben also nur dann die Chance, wirklich zu verstehen, woher eine radikale Einstellung kommt, wenn wir die Lebensgeschichte und die Persönlichkeit unseres Gegenübers gut kennen.

Wie kann man dieses Wissen konkret nutzen, wenn man Anhängerinnen und Anhängern radikaler Ideologien im Freundeskreis oder in der Familie begegnet?

In meiner Beratung fragen mich immer wieder Menschen nach dem einen Argument, dem einen magischen Satz, der bitte alles richten soll. Aber diesen einen magischen Satz gibt es nicht.

Wir können mit guter Vorbereitung und deeskalierender Kommunikation eine Menge bewegen, und wir sehen dabei auch schnelle Erfolge. Aber wir werden eine radikale Person nicht mit einem Satz von allem abbringen, woran sie glaubt – und das sollte auch nicht das Ziel sein […]

Die Person ist nämlich deswegen so aufdringlich und aggressiv, weil sie unter Druck steht. Eine Heldengeschichte funktioniert ja nur, wenn man tatsächlich Heldentaten begeht – aber die radikale Person erlebt ja jeden Tag, dass sie die Welt eben nicht rettet. Dass sich andere eben nicht von ihr überzeugen lassen.

Sobald wir aufhören, mit Faktenchecks und Argumenten dagegen zu halten, und der Person signalisieren, dass sie eine Missionierungspause machen darf, beruhigt sich das Miteinander oft und das schafft Raum für mehr Verbindung und Offenheit.

Zum Weiterlesen:

  • Dana Buchzik: Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können. Rowohlt 2022, 256 Seiten, 18 €
  • Umgang mit Radikalisierung: Warum Faktenbingo nicht weiterhilft, Deutschlandfunk Kultur am 25. Januar 2021
  • Von Querdenken bis Putin-Propaganda: „Im Gespräch mit radikalen Menschen gelten andere Regeln“, utopia.de am 10. März 2022
  • Kampf gegen Radikalisierung: „Familie und enge Freunde sind die mächtigste Allianz“, FAZ am 25. Januar 2022
  • „Es geht nicht um Fakten, sondern um Gefühle” – Interview mit Radikalisierungsexpertin Dana Buchzik, qiio.de am 21. Februar 2022
  • Expertin zur Corona-Krise: Wenn sich Freunde radikalisiert haben, solltest du DIESEN Fehler nicht machen, derwesten am 10. Februar 2022
  • „Wie erreicht man Esoteriker, Verschwörungsgläubige und Wissenschaftsfeinde?“ neu im Nachgefragt-Podcast, GWUP-Blog am 15. Februar 2022

2 Kommentare

  1. Habe alle Möglichkeiten zum Dialog und zum Hilfe von außen suchen ausgeschöpft, eine Missionierungspause konnte mein Mann nicht aushalten, der Drang dazu war einfach zu groß, fast manisch. Die ganze Phase hat ca. 8 Jahre gedauert, mit ständig steigendem Druck von ihm.Die Pandemie war dabei ein Brandbeschleuniger.

    Trennung vor 1 1/2 Jahren war die einzige Lösung, nachdem auch Drohungen gegen Familienmitglieder dazukamen. Eine derartige Persönlichkeitsveränderung habe ich nicht für möglich gehalten.

    Das ist auch der einzige „Trost“(sofern man das so nennen kann), dass er nicht mehr der Mann ist, den ich geheiratet habe.

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