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„Die berühmte bulgarische Seherin Baba Wanga“

| 33 Kommentare

Wieder mal trenden zum Jahreswechsel volkstümliche „Seher“ wie der bayerische Mühlhiasl (vermutlich 18. Jahrhundert), Alois Irlmaier (20. Jahrhundert) und die Bulgarin Baba Wanga, die 1996 im Alter von 85 Jahren starb.

Warum, ist nicht so ganz klar.

Zum Irlmaier und dem „Mühlhiasl“ haben wir hier schon alles gesagt.

Und was „Baba Wanga“ angeht, so schreiben soufflierende Medien wie merkur, RTL oder OE24 voneiander ab und geben nie eine Quelle an, wo diese „Prophezeiungen“ eigentlich herkommen – was auf reines Hörensagen schließen lässt.

Wiederholen wir deshalb noch einmal unseren Blogpost vom März 2020, zu Beginn der Corona-Krise:

Nach einem Bericht der englischen Boulevardzeitung Daily Star behauptet die bulgarische Sportlerin und Trainerin Neshka Stefanova Robeva, Baba Wanga habe ihr bereits vor Jahrzehnten von dem Coronavirus erzählt:

Im Jahre 1996 soll es zu einem Treffen zwischen der bulgarischen Weltmeister-Trainerin und der Wahrsagerin gekommen sein. Baba Wanga habe ihr während des Gespräches prophezeit: „Corona wird über uns kommen.“

Die Trainerin nahm die Vorhersage eigenen Angabe zufolge zunächst als politische Warnung auf. Im bulgarischen bedeutet das Wort Corona nämlich „Vormundschaft“. Angesichts der aktuellen Geschehnisse ist sich Robeva nun allerdings sicher: Baba Wanga sah schon damals die Epidemie kommen!

Nachprüfbar ist das natürlich nicht.

Bislang gibt es nur die Berichte und Zeugenaussagen in dem Buch

Wanga – Das Phänomen: Die Seherin von Petritsch

Und das stammt von ihrer Nichte Krasimira Stojanowa, ist also mit größter Vorsicht zu genießen.

Die Autorin Daniela Mattes weist in ihren Recherchen „Baba Wanga: Auf den Spuren der blinden Prophetin“ darauf hin, dass …

… viele Vorhersagen und Informationen, die mit Baba Wanga in Verbindung gebracht werden, nachträglich erfunden und teilweise mit falschen Beweisen unterlegt wurden.

Sogar die Fan-Seite Babavanga.de wiegelt ab:

Viele Leser fragen sich sicherlich, inwiefern die Prophezeiungen der Seherin Baba Vanga der Wahrheit entsprechen und was dem Bereich der urbanen Legenden entstammt.

Nun, das muss jeder für sich beurteilen, denn trotz sorgfältiger Recherche möchten und können wir die Voraussagen der Seherin nicht als Fakten präsentieren.

Der bulgarische Journalist Todor Ovtcharov erklärt unverblümt:

Ich kann mich an Baba Vanga schon in meiner Kindheit erinnern. Sie war oft im Fernsehen zu sehen.

Sie sprach in schwammigen Metaphern und mit einem sehr starken Dialekt und ich verstand kaum, was sie sagte. Aber als ihr blindes Gesicht im Fernsehen erschien, hörten ihr alle zu. Alle warteten auf die nächste Prophezeiung. Sie wollten wissen, wann der Übergang vom Sozialismus in den Kapitalismus vollendet sein wird, wann die Strompreise erhöht werden und ob die bulgarische Fußballnationalmannschaft das nächste Spiel gewinnen wird.

Die Erwachsenen deuteten ihre Worte immer anders und immer ihren eigenen Wünschen nach. Doch der Glaube, dass alles vorgeschrieben ist, dass eine unsichtbare Kraft unser Leben leitet, schien den Menschen zu helfen.

Damit verkörperte Baba Wanga in Bulgarien wohl das, was hierzulande die „Volksseher“ à la Mühlhiasl und Irlmaier waren – nämlich einfache Deutler, die ihr Unbehagen an Fortschritt und Veränderung in düsterem Geraune artikulierten:

Passt zu jeder Krisenzeit.

Zum Weiterlesen:

  • Mühlhiasl, Irlmaier und Co: Die Angstmacher sind wieder da, GWUP-Blog am 11. Juni 2016
  • Baba Wanga: Hat diese Wahrsagerin den IS vorausgesagt? Wahrsagerchecks-Blog am 8. Dezember 2015
  • Prognosen: Wenn Astrologen gar nichts mehr einfällt, kommt eben die Zombie-Apokalypse, GWUP-Blog am 15. Dezember 2021
  • Entschlüsselt: Die prophetische Visitenkarte des Nostradamus – der Turniertod von Heinrich II., GWUP-Blog am 2. Juli 2016
  • Nostradamus entschlüsselt: Ein Berg ist kein Heißluftballon und ein Mausoleum kein Papst, GWUP-Blog am 15. Juni 2016
  • Nostradamus: Das „Wesen, halb Schwein, halb Mensch“ – ein Soldat mit Gasmaske im Ersten Weltkrieg? GWUP-Blog am 2. Juli 2016
  • Hoaxilla/WildMics Special #15 – „Prophezeiungen“ vom 9. August 2020
  • Spuk, Nahtod, Ouija-Brett, Blicke, Telekinese: „13 unheimliche Phänomene“ – wirklich? GWUP-Blog am 30. Dezember 2021

33 Kommentare

  1. Meine Erfahrungen mit einer Wahrsagerin aus Bonn mit dem klangvollen Namen „Cara“ waren eine reine Katastrophe. Leere Aussagen und inhaltsloses BlaBla. Allgemeingeschwätz, was auch auf jede andere Person hätte zutreffen können.

  2. @ Helena

    Allgemeingeschwätz, was auch auf jede andere Person hätte zutreffen können.

    Das ist das Grundrezept bei diesen Herrschaften, wissenschaftlich auch Barnum-Effekt genannt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Barnum-Effekt

  3. @ RainerO:

    Der Glaube an Vorhersagen hat vermutlich viele Quellen und Verstärkungsmechanismen. Die Bestätigung eigener Erwartungen scheint essentiell zu sein.

    Dazu eignen sich in alle Richtungen auslegbare Vorhersagen, aber auch solche, die ganz konkret sind. Sie müssen nur dem folgen, was man hören will, dann dürfen sie sogar evident falsch sein:

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2021/05/16/sucharit-bhakdi-als-hellseher/

  4. @ Joseph Kuhn

    aber auch solche, die ganz konkret sind…

    Es gibt ganz aktuell ein Beispiel eines erfolgreichen Hellsehers. Derjenige hat drei konkrete Vorhersagen getroffen und alle drei sind eingetroffen.

    Es geht um Peter Wright (Darts). Letzten Juni hat er geweissagt, dass er das World Match Play gewinnen wird, Michael van Gerwen (ein langjähriger Dominator dieser Sportart) in dieser Saison keinen Major Title gewinnen wird und er selber auch noch Weltmeister werden würde.

    Mit gestern Nacht, als er tatsächlich Weltmeister wurde, traf die letzte seiner Vorhersagen ein. Ich glaube, so erfolgreich war bisher noch keiner der „echten“ Hellseher.

  5. „Handlesen und Tarotkartenlegen – wer nutzt so etwas und warum?“

    https://www.youtube.com/watch?v=SxUPBPoiAqk

    Meine Güte, was für ein Geschwafel!

  6. „Das Medium – Eine Frau zwischen zwei Welten“

    Ein Film über Ira Wolff!

    https://www.youtube.com/watch?v=UfdMK9fJBy4

    Wenn es nicht so traurig wäre, müsste ich lauthals lachen. Gesendet von „TLC“. Habe zuvor noch nie etwas von diesem Sender gehört.

  7. Ich habe gerade auf der Diskussionsseite des Wikipedia-Artikels zu Baba Wanga einen Link zu einem Welt-Artikel gefunden, in dem sich folgende (euphemistisch ausgedrückt) bemerkenswerte Aussage findet:

    „Baba Wanga – „Großmutter Wanga“ – hat bemerkenswerte Dinge gesagt, die darauf hindeuten, dass sie über besondere Fähigkeiten verfügt haben könnte.“

    https://www.welt.de/vermischtes/article159438533/Wird-Donald-Trump-womoeglich-doch-nicht-Praesident.html

  8. @Bluesmaker:

    Und dann auch noch von einer „Redakteurin“ und nicht von der freiberuflichen Horoskop-Dichterin der Welt.

    Hier zeigt sich wieder die Schizophrenie dieses Blattes, das zum Teil exzellente Wissenschafts-Artikel bringt und dann wieder blanken Unsinn.

  9. @Otto bzw. zum Thema Handlesen:

    Ein GWUP-Artikel über die sogenannte Chiromantie, bzw. die psychologische Chiromantie wäre interessant, die dem Handlesen einen mehr oder minder wissenschaftlichen Anstrich zu geben scheint.

    Einige Protagonisten und Protagonistinnen, wie Julius Spier und Charlotte Wolff, werden sowohl für ihre wissenschaftliche Arbeiten zum Thema geehrt (obwohl beide auch praktizierende Handleser waren) als auch von Heilpraktikern und Esoterikern als Beweis für das Funktionieren des Handlesens ins Feld geführt.

    Zudem finden sich auch immer wieder mal Zeitungsartikel, die berichten, dass Wissenschaftler herausgefunden haben wollen, dass bestimmte Merkmale der Hand Rückschlüsse auf menschliche Eigenschaften zulassen – z.B. dass Männer mit kürzeren Fingern eher zu Gewalt neigen.

    Mir persönlich erscheint dies alles überaus fragwürdig, zumal Physiognomik auch in die Rassenideologie der Nationalsozialisten eingeflossen ist. Aber ein fundierter Artikel zum Thema wäre schon interessant.

  10. @Bluesmaker:

    Wir haben das bisher nicht getan, weil im Prinzip alle solche „Deute“-Praktiken auf demselben Prinzip der Interpretation beruhen, egal welches „Hilfsmittel“ (Hand, Glaskugel, Kaffeesatz, Karten, Palmblätter etc.) dafür benutzt wird.

    Wenn in diesem Bereich aber tatsächlich spezifische Behauptungen zum „Handlesen“ aufgestellt werden, sollten wir uns das mal ansehen.

  11. @ Bernd Harder

    Behauptungen von Handleser:innen gibt es in zahlreicher Form, meistens pauschalisiert auf diese Worte: „Wissenschaftlich belegt.“

    Konkrete Quellen werden aber nie genannt!

  12. @Bernd Harder

    Ich kenne die vier Bücher nicht, die Charlotte Wolff zum Thema Hände geschrieben hat und will ihr auch nicht absprechen, mit wissenschaftlichen Methoden geforscht zu haben und dass sie für diese Arbeiten zur Handanalyse zu Recht geehrt wird – auch wenn z.B. die Handuntersuchungen von Jugendlichen Strafgefangenen nach heutigen Maßstäben fragwürdig erscheint.

    Es wird Wolff jedenfalls nachgesagt, dass sie zwar nicht meinte, dann man Zukunft und Schicksal aus der Hand lesen kann, wohl aber die Persönlichkeit die Handlinien prägt und man daraus Rückschlüsse ziehen könne.

    Auf mich mutet das wie die heute ausschließlich von Heilpraktikern praktizierte psychologische Handanalyse an. Die sei angeblich bei Kindern sinnvoll, um so deren Stärken zu erkennen und sie beim Bildungs- und Berufsweg besser unterstützen zu können. Erwachsenen wird diese Analyse u.a. angeraten, wenn sie berufliche Veränderungen anstreben.

    Forschungen zur Aussagekraft von Händen finden jedenfalls bis heute statt und anhand dieser Forschungen meinen wiederum Handlesegläubige Rückschlüsse aufs Handlesen ziehen zu können, wie auch das Ende dieses Artikels nahelegt.

    https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/148300423

    Vielleicht wäre das ja auch was für ein Ferngespräch, weil die Wissenschaft ja mitunter schon bis an die Grenzen des Handlesens und auch der Physiognomik zu stoßen scheint.

  13. Ich wundere mich immer wieder, an welchen Unfug so manche Menschen glauben.

  14. Wenn ich mir die heutigen Kommentare durchlese, freue ich mich darauf, dass 2xhinschauen oder Joseph Kuhn vorbeischauen und (zurecht) verlangen, dass wir schon in der Schule lehren müssen, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet.

    1. Quellen: Welche Wissenschaftler, haben wo veröffentlicht, mit welchen Methoden untersucht und welche Ergebnisse präsentiert?

    2. Einheitliche Begriffsverwendung: Welche Teile der Hand werden untersucht, um welche Merkmale (z.B. Charakter, Deliquenz, kognitive Fähigkeiten) zu beschreiben oder zu erklären?

    3. Überprüfbarkeit: Sind die Behauptungen grundsätzlich überprüfbar?

    4. Falsifizierbarkeit: Unter welchen Bedingungen sind die Behauptungen falsch?

    5. Logische Widerspruchsfreiheit: Wird etwas behauptet und gleichzeitig davon das Gegenteil, damit es auf jeden Fall passt?

    6. Plausibilität: Selbst wenn ich die Länge der Finger einer repräsentativen Stichprobe von Gefägnisinsassen sowie die Länge einer repräsentativen nicht-deliquenten Stichprobe der Bevölkerung messe und ich dort einen signifikanten, statistischen Zusammenhang nachweisen könnte, muss ich doch immer noch erklären, will es nicht bloße Spekulation sein, wie die Deliquenz mit der Länge der Finger zusammenhängt.

    Bluesmakers Meinungsäußerungen und seine Andeutungen erfüllen diese Ansprüche in keinster Weise.

  15. @Otto

    „Konkrete Quellen werden aber nie genannt!“

    Das stimmt so nicht. In einem Anflug von Zweifel, ob ich Charlotte Wolff aufgrund fehlerhafter Erinnerungen mit meinem Kommentar womöglich Unrecht getan habe, habe ich mal ein bisschen im Netz gestöbert. Ich will hier keine Schwurbel-Links posten, deshalb nur mal ein einige Beispiele:

    Der (von wem auch immer) „geprüfte Astrologe“ und Handleser Manfred Magg führt auf seiner Seite zur Geschichte des Handlesens die von mir genannten Spier (Psychoanalytiker) und Wolff (Ärztin, Sexualwissenschaftlerin) an.

    Ein schweizerisches Institut für psychologische Handanalysen (deren Hauptverantwortliche auch Lehrgänge mit Diplom anbieten) haben eine ellenlange Geschichte des Handlesens zusammengestellt, die dem Ganzen Glaubhaftigkeit verleihen soll. Auch darin tauchen Wolff und Spier auf.

    Die Internetseite Vistano, auf der „Lebensberater“ Horoskope, Handlesen, Kartenlegen usw. anbieten, schreibt: „Chiromantie und Chirologie (von griechisch chiro: Hand; logie: Wissenschaft) sind uralte, aber auch heute noch lebendige Lehren, die bis ins 18. Jahrhundert hinein an europäischen Universitäten unterrichtet wurden“ und führt in einem kurzen Abriss der Geschichte des Handlesens Charlotte Wolff und Noel Jaquin (Psychologe) an.

    Die englischsprachige Seite „Palmistry Expert – find a palmist!“ führt in einer kurzen Erklärung zum deutschen Handlesen ebenfalls Wolff an.

    Und ein Artikel oder wohl eher eine Buchbesprechung (Ulrich Sonnemann: „Graphologie“.) in der FAZ meint:

    „Geht man zur Deutung der Handlinien, stößt man auf Ursula von Mangoldt, die Nichte Walther Rathenaus, der man eines der maßgeblichen Bücher zur Chirognomik dankt, und auf Charlotte Wolff, die auf medizinischer Grundlage versuchte, das Handlesen zu verwissenschaftlichen. Auch hier kann man, wenn man Gershom Scholem folgt, eine jüdische Tradition annehmen; bedienten sich doch, wie seine Forschungen ergaben, die Meister der Kabbala dieser Kunst, wenn sie darüber zu entscheiden hatten, wen sie als Schüler aufnehmen wollten: Sie schauten auf Gesichts- und Handlinien.“

    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/seelendeutung-im-takt-des-krakelns-1214869.html

    Möglich also, dass sich nicht nur heutige Handleser auf frühe Psychologen und Wissenschaftler berufen, sondern diese Wissenschaftler sich wiederum auf das traditionelle Handlesen bezogen.

  16. @Carsten Ramsel:

    Bluesmakers Meinungsäußerungen und seine Andeutungen erfüllen diese Ansprüche in keinster Weise.

    Nun ja, soweit ich es verstehe, hat er/sie nur angeregt, dass wir uns das Thema mal näher ansehen, und das an Infos dazu gegeben, was er/sie kennt.

  17. @Bernd Harder

    „Vielleicht wäre es ja auch was für ein Ferngespräch, weil die Wissenschaft mitunter schon bis an die Grenzen des Handlesens und auch der Physiognomik heranzustoßen scheint.“

    Mir will scheinen, bluesmaker, möchte hier ein Thema platzieren, das vor 80 Jahren an die Wissenschaft heranstieß, weil ja doch etwas dran sein könnte, vielleicht, aber unter Skeptikern ist es nicht sinnvoll, das Thema offensiv zu bewerben.

    Vielleicht habe ich ihn auch falsch verstanden, und ihm geht es wirklich um Aufklärung.

  18. Julius Spier scheint überhaupt keine wissenschaftliche Ausbildung gehabt zu haben und dass Charlotte Wolff damals vergleichende Studien mit geeigneten psychometrischen Instrumenten und statistisch ausreichenden Fallzahlen durchgeführt hat, darf man unbesehen bezweifeln.

    Insofern wird es da keine nach heutigen Maßstäben brauchbaren „wissenschaftlichen“ Grundlagen geben.

    Aber sich das einmal näher anzusehen, z.B. was Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Phrenologie, Kraniometrie, Reflexzonenkonzepten, Irisdiagnostik oder Chakrenlehren angeht, wäre sicher trotzdem interessant und aufschlussreich. Vielleicht gibt es dazu ja auch schon irgendwo was.

  19. @Carsten Ramsel

    Ich maße mir selbst nicht an, zu behaupten, wissenschaftliche Arbeiten immer richtig einordnen zu können – schon gar nicht welche, mit denen ich mich bislang kaum bis gar nicht beschäftigt habe.

    Im Falle von Charlotte Wolff ist es so, dass ich vor vielen Jahren ein Kolleg besucht habe, das in jener Zeit durch die Initiative einer queer-feministischen Gruppe nach Wolff benannt wurde und in diesem Zuge auch (in Broschüren und später auf der Internetseite) Wolffs Arbeiten zur menschlichen Hand gleichberechtigt neben ihren anderen Arbeiten präsentierte.

    Dies sorgte unter Kollegiaten und Lehrern durchaus für Diskussionen, da Wolff einerseits eine Nähe zum traditionellen (unwissenschaftlichen) Handlesen unterstellt wurde und andererseits auch das Schließen von körperlichen Merkmalen auf Charaktereigenschaften kritisch betrachtet wurde.

    Seither bin ich immer wieder über folgende Dinge gestolpert:

    In feministischen Blogs und Publikationen werden Wolffs Arbeiten zur Hand oft als wissenschaftliche Leistung dargestellt.

    Offizielle Ehrungen, wie eine Gedenktafel in Berlin-Charlottenburg, tun dies ebenso (dort ist von Studien die Rede).
    Esoteriker, Handleser usw. nennen Wolff und einige Psychoanalytiker des frühen 20. Jahrhunderts als Quelle/Beleg.

    Es gibt immer wieder auch neue Forschungen zur Hand, die scheinbar Zusammenhänge zwischen Hand und Charakter herstellen, aber offensichtlich umstritten sind und bei denen sich auch die Forschenden selbst der möglichen Probleme bewusst zu sein scheinen.

    Dazu hatte ich hier zwei Artikel (Spiegel und FAZ) verlinkt.

    Ich selbst habe weder die Möglichkeit mir Wolffs Bücher zu kaufen, noch deren wissenschaftlichen Gehalt abzuschätzen, sondern erlebe bei mir seit Jahren eine kognitive Dissonanz: Einerseits offizielle Ehrungen, andererseits eine Nähe zum Handlesen (Charakterrückschlüsse aus Handlinien) und zur Physiognomik.

    Ich kann derzeit nicht beurteilen, in wie weit Wolffs Arbeiten tatsächlich damaligen wissenschaftlichen Standards entsprachen (was selbst dann ja nicht zwangsläufig hieße, dass diese auch heute noch Gültigkeit haben). Es ist immerhin von Studien die Rede, die Wolff damals wohl auch eine Ehrenmitgliedschaft bei der British Psychological Society einbrachten.

    Wie Bernd Harder richtig anmerkte, würde ich es begrüßen, wenn dieses Durcheinander von früher Wissenschaft und unwissenschaftlichem Handlesen mal von Fachleuten richtig eingeordnet werden würde.

    Nachdem ich im Internet selbst gezielt nach Informationen gesucht hatte und ich durch die hier verlinkten Artikel den Eindruck bekam, dass die Grenzen möglicherweise fließend sind oder für Laien wie mich zumindest so anmuten, schlug ich zudem ein Ferngespräch zum Thema vor, da dies eine umfangreichere Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen würde.

    Aber da Sie offensichtlich die Werke, bzw. die bei Ehrungen genannten Studien Wolffs kennen und auch die der im Spiegel-Artikel genannten Forschungen, tragen Sie doch bitte zu meiner Bildung bei und beantworten mir folgende Fragen:

    Waren Wolffs Forschungen zur Hand tatsächlich – wie es die FAZ nennt – der Versuch, dass zu ihrer Zeit offensichtlich populäre Handlesen zu verwissenschaftlichen oder folgten ihre angeblichen Studien damaligen wissenschaftlichen Standards und in wie weit sind diese inhaltlich heute noch haltbar, bzw. sind vielleicht gar Grundlage für weitere Forschungen (wie die im Spiegel-Artikel genannten)?

    In wie weit haben sich die ja umstrittenen wissenschaftlichen Untersuchungen zu Hand und menschlichen Eigenschaften und das mystischen Handlesen gegenseitig befruchtet, sei es, um etwas zu bestätigen oder zu widerlegen? Oder war Mystik zu jener Zeit gar noch so verbreitet, dass verschiedene esoterische Annahmen von der damaligen Wissenschaft als möglicherweise wahr angenommen wurden?

    Sind aktuelle Forschungen zu diesem Thema überhaupt als seriös zu betrachten oder schwingt in der bloßen Annahme, aus körperlichen Merkmalen irgendwas ableiten, ein veraltetes, ethisch bedenkliches Weltbild mit, das auch in der Esoterik heute noch erschreckend oft anzutreffen ist?

    Ich bedanke mich schon vorab für erhellende Antworten!

  20. @Carsten Ramsel

    Also, Sie hegen einen Verdacht und anstatt diesen zu äußern und mich direkt anzusprechen, führen Sie erst einmal ein verstecktes Ad Hominem ins Feld, indem Sie mir fehlende Bildung unterstellen.

    Kann ich auch: Alle Achtung, dafür, dass Sie sich im Internet selbst als „Skeptiker und Humanist aus Überzeugung, aufklärend und redlich in seiner beruflichen Gesinnung“ bezeichnen, ist Ihr Vorgehen aber nicht sonderlich aufklärend und redlich.

    „aber unter Skeptikern ist es nicht sinnvoll, das Thema offensiv zu bewerben.“

    Wie wäre es mit widerlegen oder zumindest kritisch aufarbeiten? Das würde der Bewerbung dieses Themas von diversen (teils von mir hier genannten) Internetseiten/Esoterikern besser entgegenwirken, als sich mit diesem Thema nicht auseinanderzusetzen.

    Zur kritischen Aufarbeitung gehört auch, die bedenklichen Fehlschlüsse der Wissenschaft zu benennen. Das war übrigens auch schon bei den Ferngesprächen Thema und war alles andere als Werbung für Esoterik & Co.

    Nebenbei: Mitunter hilft einfach nur gewissenhaftes Lesen. Ich schrieb alles andere als uneindeutig: „Mir persönlich erscheint dies alles überaus fragwürdig, zumal Physiognomik auch in die Rassenideologie der Nationalsozialisten eingeflossen ist. Aber ein fundierter Artikel zum Thema wäre schon interessant.“

    Und falls Sie dahinter eine false flag Aktion vermutet haben, wären Sie damit nicht allzu weit von sogenannten Querdenkern entfernt, die hinter allem, was in ihren Reihen genannt wird, aber nicht zu 100% ihrer Linie entspricht, ein „U-Boot“ mit unlauteren Absichten vermuten.

    Unfassbar!

  21. Noch ein kurzer Nachtrag, bevor ich mich in Zurückhaltung übe, weil solche Diskussionen eigentlich nur Zeit und Energie kosten, die alle Beteiligten sicherlich sinnvoller investieren könnten.

    Die Ehrungen von Wolff lassen mich vermuten, dass auch wissenschaftlich kompetentere Menschen auf Ihre Arbeiten aufmerksam geworden sind und zugleich konnte ich weder journalistischen noch wissenschaftlichen Widerspruch finden. Auch wenn ich sowohl alte als auch neuere wissenschaftliche Arbeiten als falsch und problematisch erachte, kann ich zumindest punktuelle Richtigkeit nicht völlig ausschließen und drücke mich hier entsprechend aus.

    Weiterhin war Wolff eine lesbische jüdische Frau, die sich möglicherweise (s. FAZ-Artikel) auch auf jüdische Mystik bezog und die von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Mich hier als deutscher Nicht-Jude und Laie hinzustellen und laut „Scharlatanin“ zu rufen, schien mir etwas problematisch.

    Deshalb meine Bekundung, dass mir das alles fragwürdig erscheint, bei gleichzeitiger Ergebnisoffenheit und der Hoffnung auf kompetente Einordnung.

  22. @bluesmaker

    Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen.

    Ich beschäftige mich inhaltlich nicht mit Behauptungen, die schon formal nicht gewissen oben genannten Standards entsprechen.

    Als Religionswissenschaftler interessiere ich mich allenfalls für die Menschen, die so etwas glauben, in ihren je eigenen sozialen und historischen Kontexten.

  23. @ Bluesmaker

    „„Konkrete Quellen werden aber nie genannt!“

    Ich korrigiere:

    Konkrete seriöse Quellen, die das bestätigen, werden aber nie genannt!

  24. @Bluesmaker:

    Ich kann es derzeit in der Tat nicht kompetent einordnen – damit müssen wir uns erst mal näher beschäftigen.

  25. @Carsten Ramsel

    „Ich beschäftige mich inhaltlich nicht mit Behauptungen, die schon formal nicht gewissen oben genannten Standards entsprechen.“

    Vielleicht verstehe ich als Laie ja Wissenschaft nicht richtig, aber sofern Sie keinen Einblick in Wolffs Arbeiten haben, wovon ich ausgehe, wie können Sie gesichert davon ausgehen, dass diese komplett den (damaligen) Standards widersprechen?

    Und bevor nun wieder ein Missverständnis aufkommt, sei gesagt, dass ich dies auch nicht annehme, es aber ohne gesicherte Faktenlage und jenseits von privatem Austausch oder Stammtischgesprächen auch nicht als unumstößlichen Fakt darstellen würde.

    „Als Religionswissenschaftler interessiere ich mich allenfalls für die Menschen, die so etwas glauben, in ihren je eigenen sozialen und historischen Kontexten.“

    Mit Blick auf den historischen Rahmen und dem im FAZ-Artikel genannten Kontext könnte Wolff womöglich genau in Ihren Bereich fallen. Aber nun gut, ich bin der Laie, der versucht hat, dazu zu recherchieren und seine Motivation transparent darzulegen und Sie der gebildete Fachmann, der das alles (und mich gleich dazu) ohne jegliche Auseinandersetzung und viele Worte beurteilt.

    @Bernd Harder

    Das hatte ich aufgrund der wenigen auf die Schnelle zugänglichen Informationen bereits vermutet. Aber vielleicht findest du ja mal irgendwas Fundiertes dazu oder das Thema (Irrwege der Wissenschaft, Pseudowissenschaft, etc.) findet sonst irgendwie direkt oder indirekt Erwähnung bei der GWUP oder den Ferngesprächen. Besten Dank jedenfalls für die sachliche Auseinandersetzung.

  26. Danke, Otto.

  27. Ich möchte nur dezent darauf hinweisen, daß es nicht sinnvoll ist aus dem Vorhandensein und der Göße von „Gedenktafeln“ , „Standbildern“, sogar „Gedenkhäusern“ auf die

    — Seriosität, Ehrlichkeit, moralische Kompetenz, wissenschaftliche Kompetenz, usw–

    zu schließen.

    Auch die Anzahl und das Gewicht der geschriebnen Bücher ist kein Merkmal von Wissenschaft – entscheident ist „immer“ der Inhalt.

  28. @diabetiker

    Das habe ich nicht. Ich schrieb:

    „Offizielle Ehrungen, wie eine Gedenktafel in Berlin-Charlottenburg, tun dies ebenso (dort ist von Studien die Rede).“

    Und:

    „Die Ehrungen von Wolff lassen mich vermuten, dass auch wissenschaftlich kompetentere Menschen auf Ihre Arbeiten aufmerksam geworden sind und zugleich konnte ich weder journalistischen noch wissenschaftlichen Widerspruch finden.“

    Das einzige was ich ohne konkrete Fakten nicht tue, ist Charlotte Wolff (im Kontext ihrer Zeit) jegliche Wissenschaftlichkeit abzusprechen.

    Wenn man nun nicht unbedingt geneigt ist, überall Schwurbler zu vermuten oder sein Ego damit aufzuwerten versucht, Schwurbler zu widerlegen und mangels Schwurbler extra einen zu konstruieren, könnte man dies im Kontext der gesamten Kommentare auch als Hinweis auf die mögliche Problematik dieser Gedenktafel verstehen:

    https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/persoenlichkeiten-und-gedenktafeln/artikel.549118.php

    Insbesondere, wenn dieser Gedenktafel durch Regionalpolitiker, einer Sozialwissenschaftlerin, der Senatskulturverwaltung und dem Aktiven Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. möglicherweise der Anschein von Glaubwürdigkeit verliehen wurde:

    https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/aktuelles/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung.516578.php

    Und obwohl es eigentlich zum Selbstverständnis sachlicher Debatten gehört: Süffisante Kommentare in den Raum stellen anstatt sie zu adressieren, obwohl für jeden ersichtlich ist, dass diese Bezug auf einen anderen Kommentar nehmen, ist so ziemlich das genaue Gegenteil von seriös. Das kannte ich bislang von Diskussionen mit Neu-Rechten, Esoterikern & Co.

    Da mir nicht bewusst war, dass eine bloße Themenanregung, samt zusammengetragener Infos ausgerechnet hier zu einer solch überflüssigen wie unangenehmen Angelegenheit führen würde, möchte ich die Leser bitten, meine Kommentare schlicht zu ignorieren oder, sollte dies nicht gelingen, Bernd bitten, meine Kommentare zu löschen, weil keine Lust habe, hier längerfristig die Troll-Nany für unausgelastete Wortverdreher zu spielen.

    Danke!

  29. @bluesmaker

    Ich habe Sie missverstanden und das räume ich als Möglichkeit in meinem Beitrag an Bernd Harder auch ein:

    „Vielleicht habe ich ihn auch falsch verstanden und ihm geht es wirklich um Aufklärung.“

    Warum Sie fälschlicherweise bei mir unter Verdacht geraten sind, darauf haben Otto und diabetiker bereits hingewiesen.

    In meinem ersten Beitrag habe ich zudem 6 Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens genannt, wovon 5 auch schon zur Zeiten Wolffs galten (Punkt 4, s. Popper, Logik der Forschung, 1935). Physiognomik und Handlesen erfüllte schon zu Wolffs Zeiten keine dieser 5 Kriterien.

    Es sei denn, man war Rassenforscher und hielt es für plausibel mit Hilfe der Physiognomik die „Minderwertigkeit der jüdischen Rasse“ zu beweisen – soviel zu meiner Redlichkeit.

    Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

  30. @Bluesmaker:

    Ich verstehe natürlich, dass diese Diskussion bisschen unerquicklich war, aber ich denke, es hat sich ja jetzt eingerenkt.

    Vielen Dank für Ihre Anregung und Infos, jetzt müssen wir mal schauen, wer sich konkret damit beschäftigen kann.

  31. Dass dazu die sexuelle Orientierung der Frau Wolff mit einfließt, hätte ich hier an dieser Stelle auch nicht erwartet.

  32. @Lisa-Marie:

    Ich kann Ihren Kommentar nachvollziehen, andererseits wird dieser Aspekt auch bei Wikipedia schon im zweiten Satz hervorgehoben und scheint – so kann man den Eintrag zumindest verstehen – auch mit ein Grund oder Vorwand für ihre Verfolgung durch die Nationalsozialisten gewesen zu sein.

    Vielleicht sollten wir es jetzt langsam dabei belassen.

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