gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Wahlen: Bhakdi, Basis und MFG

| 18 Kommentare

Ganz interessant, wie ein eher jugendliches Youtube-Format (nämlich Siggmann) sich der Causa Bhakdi annimmt:

Man mag über Sprache und Darstellungsform geteilter Meinung sein – andererseits hat Bhakdi mit dieser Wahlkampfrede am Freitag in Kiel auch den allerletzten Rest von Dignität verspielt:

Wann immer nochmal ein Kommentator hier im Blog mit dem „Herrn Professor Bhakdi“ ankommen sollte, möge der- oder diejenige sich erstmal das Video von diesem Auftritt ansehen.

[Bei dem Twitter-Posting von Tzerberus handelt es sich nicht um ein wörtliches Zitat Bhakdis, sondern um die Kurzzusammenfassung eines Zuhörers. Der Wortlaut findet sich unter anderem bei Psiram.]

Was hat sein Politengagement eigentlich gebracht?

In Kiel erreichte „dieBasis“ 1,25 Prozent der Zweitstimmen, bundesweit 1,4 Prozent. Das reicht allerdings für die staatliche Parteienfinanzierung, die ab einem Stimmenanteil von 0,5 Prozent greift:

1,05 Euro pro Zweitstimme gibt es nun, plus 45 Cent für jeden Euro, den die Partei als Mitgliedsbeitrag oder Spende erhalten hat.

Das dürften geschätzt etwa 768.000 € sein.

Ihr bestes Ergebnis holte die „Querdenker“-Partei in Herdwangen-Schönach (Wahlkreis 293/Bodensee) mit 7,7 Prozent. Die dortige Kandidatin Johanna Findeisen gibt als Beruf „Coach“ an und engagiert sich im Landeselternrat der Freien Waldorfschulen:

In deren Umfeld war nicht nur im westlichen Bodenseekreis eine kritische Masse gegen den vermeintlichen Mainstream herangewachsen,

schreibt der Südkurier.

In Österreich hat die Impfgegner-Partei „MFG“ („Menschen-Freiheit-Grundrechte“) einen überraschenden Wahlerfolg in Oberösterreich eingefahren. Mit 6,2 Prozent zog sie in den Linzer Landtag ein. Der weitaus größte Stimmenanteil kam von ehemaligen Wählern der rechtsnationalen FPÖ, die vergleichbar ist mit der AfD in Deutschland:

Aber es ging den Wählern der MFG nicht nur alleine um Corona. Die neue Partei hat es offenbar geschafft, nicht nur als Anti-Corona-Partei wahrgenommen zu werden, sondern als „Protestpartei“, die die Möglichkeit biete, das „Anti-Establishment“ zu wählen, sagte die renommierte Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle dem Sender ORF. Dabei habe die MFG „weniger schrille Töne, nicht so radikal wie (FPÖ-Chef) Kickl“ angewendet, erklärte die Expertin.

Nach einer Analyse der Welt könnte das ein „entscheidender Punkt“ sein:

Während die Basis ein diffuses Sammelsurium von Enttäuschten ist, das sogar den Holocaust relativiert, hat die MFG womöglich das Potenzial, eine neue konservative, bürgerliche Kraft in der Alpenrepublik zu werden – ein Anspruch, den auch die FPÖ immer hatte, aber […] niemals einlösen konnte.

Die österreichische Publizistin und Skeptiker-Interviewpartnerin Ingrid Brodnig bezweifelt dagegen, dass die MFG eine Zukunft hat – es sei denn, es gelinge ihr, sich nach Corona neu zu erfinden und ein anderes Aufregerthema zu besetzen:

Aber wir sehen: Überraschungen sind immer möglich.

Auch solche:

„Fragen“ kann man sich das mal zwei Sekunden lang – aber ist natürlich keine Option.

Zu seinem aktuellen Buch „Fakt und Vorurteil – Kommunikation mit Esoterikern, Fanatikern und Verschwörungsgläubigen“ erklärt Holm Hümmler im Skeptiker:

Oft kommt es gar nicht darauf an, wie man widerspricht, sondern dass es überhaupt Widerspruch gibt. Unsinn darf nicht komplett unwidersprochen bleiben. Jeder, der eine irrationale Meinung verbreitet, verdient Widerspruch.

Es muss jemand dagegenhalten, nicht zuletzt für die Mitleser oder Zuhörer, aber auch die Person selbst braucht die Chance, sich an einem kritischen Denkanstoß reiben zu können.

Zum Weiterlesen:

  • 1,35 Prozent für „die Basis“: „Ich befürchte, dass man den Zahlen tatsächlich trauen kann“, tagesspiegel am 27. September 2021
  • „Querdenker“-Partei profitiert jetzt von Staatsgeldern, Welt-Online am 28. September 2021
  • Rechtsalternative Internetwelt zur Bundestagswahl: Von Ermutigungsparolen bis Endzeitstimmung, Belltower News am 27. September 2021
  • Nach Erfolg in Oberösterreich: Impfskeptiker-Partei will bei weiteren Wahlen antreten, Spiegel-Online am 27. September 2021
  • So amüsant weinen Querdenker & AfD-Fans über das Wahlergebnis, volksverpetzer am 27. September 2021
  • „Die Basis“: Regierung – zur Not auch Opposition, GWUP-Blog am 20. September 2021
  • Bhakdi debunked: Janos Hegedüs über die Falschbehauptungen des Corona-Verharmlosers, GWUP-Blog am 11. August 2021
  • Interview mit Holm Hümmler: „Unsinn verdient Widerspruch“, Skeptiker 3/2021

18 Kommentare

  1. Offensichtlich haben die jungen Leute mehr Medienkompetenz, als einige Mitbürger des älteren Semesters mit denen ich zu kämpfen hatte, es gibt da interessante Untersuchungen dazu….

    Die Jüngeren sind sich der Echokammern bewusst und können diese auch wechseln und sie haben auch gutes Bull-Shit Radar.

    Wohingegen die älteren Semester sich endlich als, mündige Internet-

    (dazu gehört auch der ganze Telegramm und alternativer Social Media Kram und auch so ewig gestrige neoliberale YT-ber die mit Whiskey die Welt schön einfach erklären)

    -User

    fühlen, es aber weiterhin nicht sind!

  2. „Die Basis“ hat bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen zwei Wochen zuvor landesweit 41 Sitze in Gemeinderäten, Samtgemeinderäten, Kreistagen und Stadträten erreicht.

    Rechtsanwalt „Füllmich die Taschen“ hat wohl auch angekündigt, dass die staatlichen Gelder für die Bundestagswahlen dafür genutzt werden sollen, die Rechtmäßigkeit der Wahlen zu überprüfen.
    Wir können ja mal raten, welche Rechtsanwälte (natürlich gegen Gebühren) an dieser Überprüfung beteiligt sein werden…

  3. Das Zitat, welches Herrn Bhakdi von Tzerberus zugeschrieben wird, stimmt nicht wörtlich mit der Rede von Bhakdi überein. Dieser Blogartikel sollte an diesem Punkt korrigiert werden. Die tatsächlichen Worte finden sich im Blog transgallaxys und finden sich auch auf der Errata-Seite (ganz unten) von Psiram wieder. Auch wenn die tatsächlichen Worte von Bhakdi genauso erschreckend und abstoßend sind, sollte man ihm keine falsche Zitate nachsagen.

    Link1: http://www.transgallaxys.com/~kanzlerzwo/index.php?topic=12227.msg32181#msg32181

    Links2: https://www.psiram.com/de/index.php/Errata

  4. @Peter Euler:

    Danke, ich werde es gerne präzisieren – ging aber davon aus, dass das eigentlich klar sei, denn es steht ja nur „… so die Aussage Sucharit Bhakdis“ ohne An- und Abführungszeichen da.

  5. Ich finde die Art der Kommunikation, wie sie in diesem Video verwendet wird, absolut abstoßend. Ungeziefer? Habt ihr eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Das Stilmittel der Überspitzung ist eine Zutat, die wohldosiert wohltuend wirkt. in diesen Mengen aber toxisch ist. Hört auf diese Leute zu Opfern zu machen, ihr bietet nur unnötige Angriffsflächen. Da heißt es dann nicht XY hat beleidigt und herabgewürdigt, das sogenannte ‚Skeptiker-Milieu‘ war das. Herzlichen Glückwunsch.
    Das geht viel besser.

  6. @Arthur Dent:

    Danke, ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass das Video sicherlich kontrovers empfunden wird, und bin an Meinungen dazu interessiert.

  7. @Arthur Dent

    Wir können einserseits ein Verständnis aufbringen für die kognitiven Verzerrungen und den Hass von verschwörungsideologisch und rechtsextrem getriebenen Menschen.

    Bei all dem bleiben wir allerdings samt und sonders menschliche Affentiere, die zu über 80% vom limbischen System beherrscht sind und auf die eine oder andere Weise auf Irrwitz und Hass in der Horde mit unserem Innenleben reagieren.

    Wenn wir nun den Hassgefühlen der Irrwitzigen humanitär Verständnis und Akzeptation entgegenzubringen versuchen (versuchen kann bedeuten: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach) einfach, weil diese Hassgefühle nun mal da sind, dürfen wir doch auch unsere eigenen Mißempfindungen gnädig akzeptieren und ihnen beizeiten Ausdruck verleihen.

    Ich erinnere mich an ein Praktikum, das ich mal in einem renommierten Krankenhaus in katholischer Trägerschaft machte. In der Pause saßen wir in einem großem Raum mit vielen Therapeuten, Pflegern, Krankenschwestern etc. zusammen. Der gallebittere Zynismus, mit dem man hier manche Patienten überzog, die man eben noch feinfühlig behandelt hatte, verstörte mich anfangs, wurde mir aber bald verständlicher.

    Vielleicht war das Personal auch gerade deswegen so gut, weil es ein Ventil gefunden hatte für den Druck seines eigenen Innenlebens.

  8. @Bernd Harder

    Ja, ich habe den Hinweis gesehen. Meine Kritik richtet sich auch ausschließlich an die oder den Macher des Videos.

    @Peter Friedrich

    Schön, wir sind also moderne Primaten, die nicht anders können als ihren primitivsten Instinkten zu gehorchen. Und was ist mit dem vernunftbegabten Menschen, dem kategorischen Imperativ oder der goldenen Regel? Wollen wir denn jetzt alles über Bord werfen, weil wir nicht anders können?

    Ich verstehe ja, dass man im Privaten auch mal Dampf ablassen möchte. Der YouTube-Kanal erreicht aber tausende andere junge Leute. Wenn das der Ton ist, mit dem wir alle miteinander umgehen wollen, werden die Gräben tiefer und breiter.

    Wenn der Macher des Videos glaubt auf der ‚richtigen‘ Seite zu sein, wieso verhält er sich dann nicht so? Das Thumbnail mit dem Pfeil und dem Hinweis ‚Depp‘ ist das erste, das weichen sollte.

    Was ist denn das Ziel? Coolness durch Respektlosigkeit und Herabwürdigung? Das geht klar in die falsche Richtung.

  9. Wichtig ist, dass Widerspruch kommt. Von daher finde ich es super, dass so ein junger You-Tuber überhaupt so etwas macht.

    Dass es sich noch nicht um Comedy in höchster Perfektion handelt – geschenkt, auch ein Jan Böhmermann ist schließlich nicht vom Himmel gefallen.

    Wenn es bei der Community ankommt…für so alte Säcke wie mich war es wohl eh nicht gedacht.

    Und am kategorischen Imperativ muß man sich in dem Alter auch noch nicht abarbeiten.

    P.S.: Arthur Dent, bei Dir ist’s aber auch schon lange her, dass Du jung warst!?

  10. @Arthur Dent

    Ich respektiere Ihr Anliegen als durchaus nobel.

    Es hat allerdings nichts mit dem Gehorchen auf die niedrigsten Instinkte zu tun, wenn wir uns aus Gnade mit unserer Gefühlsnatur ganzheitlich akzeptieren und gerade deshalb freier werden können zu einem humanitären Verständnis für andere.

    Ich bin übrigens überzeugt davon, dass die großen Ideen von uns Trockennasenaffen – wie etwa das Christliche – wesentlich deshalb so blutig gescheitert sind, weil man im überstürzen Ausgriff auf ein höheres Prinzip oder ein ethisches Ideal über seine „negativen/niedrigen“ Gefühle hinweggetrampelt ist.

    Selbige kommen totsicher durch die Hintertür wieder herein, oft in potenzierter Form, und lassen dann etwa „für Gott“ Menschen abschlachten, ohne dass der Mörder in seiner Selbstwahrnehmung vom Weg seines Ideals abgekommen wäre. Hätte er mal früh und heilsam lernen dürfen, dass kein Gott ihn für sein Onanieren oder seine Hassgefühle gegen seine Eltern bestrafen wird und dass er damit kein ethisches Ideal verletzt hat.

    Um nochmal auf den Umgang mit den oft schwer erträglichen Verschwörungsgläubigen zu kommen: Mir scheint es hilfreicher zu sein, ihnen authentisch unseren mächtigen Ärger offen anzusagen, als allzuviel in uns hinein zu fressen.

    Nach meinen Erfahrungen können sie durchaus eine Sympathie zu demjenigen entwickeln, der ihnen in aller Entschiedenheit sagt, dass Quatsch nunmal Quatsch ist. Es scheint ihnen auch ein verlorengegangenes Stück Orientierung zurück zu geben.

  11. @Peter Friedrich

    Ich sage ja nicht man soll nicht widersprechen, im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass Schweigen keine Option ist. Ich denke nur, dass wir aufpassen müssen, dass der Widerspruch nicht zu völlig hirnlosem Gebashe wird.

    Ich habe nichts gegen Satire und die Qualität muss auch nicht unbedingt auf Extra3-Niveau sein, warum auch? Bei ‚Ungeziefer‘ hört aber der Spaß auf, egal wie lustig man meint zu sein. Das ist geschmacklos und ekelhaft. Es schadet sicher nicht wenn der eine oder andere seinen moralischen Kompass mal neu justiert.

    Es kann nicht sein, dass das sogenannte aufgeklärte Lager anfängt, sich gegenseitig mit immer herabwürdigenderen Herabwürdigungen zu übertrumpfen. Man sollte sich – vor allem wenn einen Kanal mit tausenden Followern hat – schon überlegen, welche Signale man senden möchte und dass Handlungen und Worte immer Konsequenzen haben.

    Ich kann ihnen nur raten im Privaten weniger auf Zorn und dafür mehr auf Empathie zu setzen, vorausgesetzt sie möchten etwas bewirken. Das sagen nämlich viele Experten auf dem entsprechenden Gebiet. Mit der Brechstange erreicht man gar nichts.

    Jedenfalls gibt es solche, die nicht mehr zu erreichen sind. Da bräuchte es irgendeine Art Aha-Erlebnis, die können sich nur selbst aus dem Verschwörungssumpf ziehen. Es gibt aber auch solche, die im Grunde durch Angst und Verunsicherung in diesen Sumpf geschlittert und durchaus noch einigermaßen offen für Gespräche und Argumente sind. Was glauben sie wird passieren, wenn so jemand dann im Telegram-Kanal seines Vertrauens ein solches Video ansieht?

    Wir müssen uns überlegen, ob wir die Gräben in unserer Gesellschaft wieder etwas schließen oder noch ein wenig tiefer schaufeln wollen.

  12. @ Arthur Dent

    Ganz bestimmt brauchen wir in unserer Gesellschaft dringend Menschen wie Sie, die als erstes das menschlich Verbindende sehen und Brücken bauen.

    Vielleicht kann man daneben auch dem Wirken etwa des jungen Youtubers Siggmann seinen Stellenwert einräumen, der doch offensichtlich jugendlich-überspitzt deftige, unflätige Begriffe in den Ring wirft, ohne dass seine Attitüde als solche Verachtung oder Gehässigkeit ausdrücken würde.

  13. @Peter Friedrich

    So, wie sie das ausdrücken liest sich das fast ironisch. Vielleicht geht es auch mehr darum bestehende Brücken nicht vollständig abzufackeln.

    Das Stilmittel der Überspitzung ist selbstverständlich absolut legitim, ich mag das sogar sehr. Es gibt aber Grenzen des Sagbaren, auch für Jugendliche. Bernd Harder hat im Blog ebenfalls darauf hingewiesen, also scheint es doch nicht ganz so koscher zu sein.

    Die Grenzen zwischen jugendlich-überspitzten, deftigen und unflätigen Begriffen und Überheblichkeit, Gehässigkeit und Verachtung sind da fließend.

    Sie mögen vielleicht denken meine Kritik sei völlig überzogen, aber ich denke es schadet nicht sich auch mal selbst zu hinterfragen und zu überlegen was denn die Botschaft und vor allem die Wirkung sein soll.

  14. @ Arthur Dent

    Nein, war nicht ironisch gemeint.

    Ich selber verliere meinen klaren Kopf und muss erstmal sehr lange tief durchschnaufen, wenn ich esoterische Blümchenfrauen liebesfriedenschwurbelnd neben Fleischmonstern mit Reichskriegsflagge holocaustrelativierend daherlaufen sehe oder dergleichen.

    Ich bin dann wirklich froh, dass es andere gibt, die trotz allem im Gespräch bleiben können.

    Über das Siggmann-Video kann man selbstverständlich streiten. Grundsätzlich meine ich, dass wir einen Raum des Unflätigen, Durchgeknallten, Ausgeflippten brauchen. Gehässigkeit kann ich wie gesagt bei Siggmann nicht erkennen, mir klingt doch eher seine Besorgnis durch.

    Man spricht ja auch von „konstruktiver Aggression“, wenn jemand auf weniger nette Art aufrütteln will. Auch in guten Beziehungen und Freundschaften kann es schon mal fürchterliche Schimpfwörter hageln.

  15. Pingback: Alles auf den Tisch? – Gesundheits-Check

  16. „Die Basis: Wie geht es nach der Wahl weiter?“

    https://www.belltower.news/die-basis-wie-geht-es-nach-der-wahl-weiter-121977/

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.