gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

„Kritik an der Anthroposophie“: André Sebastiani im WDR

| 16 Kommentare

André Sebastiani war in der „Redezeit“ bei WDR 5 zu Gast:

Was die Recherchen zu seinem Buch ergeben haben und warum es ihm wichtig ist, Eltern für das Thema zu sensibilisieren, erzählt André Sebastiani in der Redezeit.

Hier geht’s zum Podcast (zirka 25 Minuten).

Zum Weiterlesen:

  • Wieviel Anthroposophie steckt in den neuen Corona-Protest-Parteien? Anthroposophie.blog am 7. Mai 2021
  • „Von Demeter bis Waldorfschule: Eine kritische Betrachtung der Anthroposophie“ jetzt online, GWUP-Blog am 28. November 2020
  • André Sebastiani: Anthroposophie. Eine kurze Kritik. Alibri 2019, 168 Seiten, 10 €

16 Kommentare

  1. Ich tu mich mit dieser Kritik z.T. etwas schwer, aber ich bin vielleicht auch biased, weil ich die Waldorfschule komplett durchgezogen habe.

    Es gibt enorm viel zu kritisieren, vorallem das anthroposophische Fundament und die Person Rudolf Steiner. Ich vermisse da besonders eine interne Kritik und eine klare Distanzierung von Steiner. Im Grunde wäre es vermutlich besser Steiner über Bord zu werfen (heißt ja eh nicht mehr „Steiner-Schule“) und sich auf die zahlreichen positiven Aspekte zu fokussieren.

    Wie auch immer: Ich habe einfach viele Sachen die da kritisiert werden so nicht erlebt. Ich weiß auch, dass meine Waldorfschule (Leipzig) eventuell nicht repräsentativ für alle Anderen ist, aber hier mal meine Erfahrung: Eine anthroposophische Indoktrinierung gab es weder passiv noch aktiv (wenn auch durchaus weirde Rituale). Wir hatten definitiv spirituelle Lehrer*innen, aber da gab es nie Versuche uns daran teilhaben zu lassen. Wissenschaftlichkeit wurde bei uns genau so respektiert wie an Staatsschulen auch. Den Aspekt der „verschworenen Gemeinschaft“ schätze ich eigentlich sehr.

    Es gab leider durchaus Mobbing bei uns, aber quasi alle Lehrer haben entschlossen dagegen angekämpft und uns nicht nur einmal deswegen zur Schnecke gemacht. Insgesamt ist auffällig, das zahlreiche meine ehemaligen Mitschüler*innen in der „linken Szene“ recht aktiv waren/sind. Ich habe Demos gegen Nazis gerne liebevoll als „Klassentreffen“ bezeichnet. Das dritte Reich wurde immer wieder thematisiert und aufgearbeitet.

    In dem Zusammenhang vielleicht noch eine kleine Anekdote: Als noch sehr junger Antifaschist wurde ich eines Tages in Lehrerzimmer zitiert, der Grund: Ich hatte ein durchgestrichenes Hakenkreuz auf ein Schulheft gemalt. Dort wurde mir von einer Lehrerin sehr eindringlich erklärt für welche schrecklichen Verbrechen dieses Zeichen steht und „da nützt es auch nichts, dass ich es hinterher noch durchgestrichen hätte“. Sie hat mir tatsächlich nicht geglaubt, dass ich schon in so einem jungen Alter mit Nazis nix anfangen kann. Aber doch irgendwie niedlich…

  2. @ Baumschüler

    bezieht sich das, Zitat Baumschüler, „Wissenschaftlichkeit wurde bei uns genau so respektiert wie an Staatsschulen auch“ auch auf den Unterricht in den unteren Klassen? Und falls ja: wie schaffst du es, dich daran zu erinnern? Meine Erinnerung an eine öffentliche Grundschule ist sehr undeutlich …

    Hier schildert eine ehemalige Waldorflehrkraft ihre Erfahrungen (was sagst du dazu?):

    “Ich würde mein Kind nie an einer Waldorfschule anmelden“, https://www.ruhrbarone.de/ich-wurde-mein-kind-nie-an-einer-waldorfschule-anmelden“/1952

  3. @Baumhütte:

    Daran kann ich mich in der Tat nicht erinnern. Ich kann mich aber auch nicht daran erinnern, dass uns die Natur mit Spiritualität erklärt wurde. Ich mag zwar nur eine Fallstudie sein, aber zumindest habe ich es immerhin zu einem Master in einer Naturwissenschaft gebracht, also wenn, dann ging die Indoktrinierung spurlos an mir vorbei :)

    Ich muss auf der anderen Seite aber auch zugeben, dass ich in der Schule wichtigere Dinge im Kopf hatte als Schule. Kann also durchaus sein, dass ich manchen Schwurbel echt nicht mitbekommen habe…

  4. @ Baumschüler

    hast du noch alte Schulhefte? In der Waldorfschule wird von der Tafel abgeschrieben, so könntest du feststellen, was wirklich unterrichtet wurde: vielleicht „Atlantis“? Oder, wenn das aus PC-Gründen weggelassen wurde, zumindest anthroposophische Geschichte?

    „Bildungserfolg“ ist meines Erachtens nur zum Teil auf die Schule zurückzuführen, wichtiger ist beispielsweise das Elternhaus. Jedenfalls würde ich ausschliessen, dass die Waldorfschule besonders gut für ein naturwissenschaftliches Studium qualifiziert (denk dir ein smilie …)

  5. @Baumhütte:

    Das mit den alten Heften ist eine gute Idee, da liegen noch eine Menge bei meinen Eltern, wo sie sich immer beschweren, dass die Platz verschwenden :) Ich werde da mal wieder reinschauen.

    Bezüglich deiner Frage was ich von dem Artikel denke. Ich nehm es mal stückchenweise auseinander, auch wenn das vllt bissel ausufert. Aber eines Vorweg: Ich habe nur die Perspektive als Schüler. Zu dem was G. da als Lehrerin erlebt habt kann ich nix sagen, nur dass wir von solchem Schwurbel halt nix mitbekommen haben. Also:

    „Klassen mit fast 40 Kindern, da ist ein vernünftiger Unterricht kaum möglich.“

    Kann ich bestätigen. Waren gut 30. Die Nachfrage war halt höher als das Angebot, aber das ändert nix an der Problematik.

    „vor allem die Schulen der antroprosophischen Bewegung“

    Nur um das zu klären: Vermutlich fließt das in die Erziehung methodisch ein, aber uns wird keine Anthroposophie gelehrt.

    „In über 90 Prozent der Zeit fand bei uns an der schule klassischer Frontalunterricht statt.“

    Kann man im Großen und Ganzen so sagen, ja. Spätestens ab der Mittelstufe.

    „Die Waldorfschulen seien aus Prinzip intransparent“

    Kann ich zwar nix zu sagen, da ich keine Kinder an einer FWS habe, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass da vieles unkonkret bleibt. Könnte ich eventuell erfragen.

    „Haben die Kinder einen guten Lehrer, haben sie Glück, haben sie einen schlechten Lehrer, Pech“

    Ich behaupte das gilt für alle Schulen.

    „Atlantis und Sagen waren Stoff im Fach Geschichte“

    An Atlantis kann ich mich absolut nicht erinnern. Uns wurde im Grundschulalter aber viel so Zeuch erzählt, hauptsächlich germanische Mythologie. Aber ich weiß nicht ob das jetzt „Geschichte“ war. Ich persönlich fand es spannend und hatte da eher den Eindruck, dass es darum ging uns Kinder noch ein bissel Fantasie zu belassen, als das mir was beigebracht wurde. Hab das auch alles vergessen…aber Integralrechnung auch…

    „Bis in die achte Klasse hinein unterrichtete der Klassenlehrer bei uns alle Fächer – niemand kann so etwas qualifiziert leisten.“

    Würde ich so nicht sagen. Wie André schon sagt, ist gerade in den Klassen 1-8 das Niveau eher gering. Außerdem hatten wir auch in der Zeit sehr wohl Fachlehrer*innen. Warum sich das wie aufteilt weiß ich aber nicht.

    „Wer seinen Namen tanzen kann muss nicht zwingend Ahnung von Mathematik haben“

    Das ist irgendwie eine alberne Polemik und macht mir G. etwas unsympathisch.

    „Aber den Kindern tut es gut, mehr Zeit zum Lernen zu haben“

    Absolut! Ich bin ein ziemlicher Spätentwickler, ich hätte an der Staatsschule nie mein Abi geschafft, bzw. es überhaupt erst aufs Gymnasium.

    „Ich habe Kinder erlebt, die nach acht Jahren Fremdsprachenunterricht kaum Russisch oder Englisch sprachen“

    Russisch ist eine Schande bei mir, Englisch kann ich recht gut. In meiner Klasse war die Leistung in Englisch so ziemlich exakt ein Abbild dessen, was ich draußen auf der Straße erlebe. Aber Englisch lernst du auch nicht in der Schule, sondern in Computerspielen!

    „Es wird viel gemalt, getanzt und geschauspielert an den Waldorfschulen.“

    Getanzt zum Glück nicht, dafür leider viel gesungen. Aber ja: Die zahlreichen handwerklichen und kreativen Fächer sind für mich das hauptsächliche pro Argument der Waldorfschulen. Ich habe wirklich viel machen können und auch das Gefühl, dass es mir im Nachhinein sehr viel gebracht hat. Hab noch immer zwei linke Hände, aber es war trotzdem viel wert!

    „Zwar hätten die Schüler nur wenig Mitspracherechte, wenn es um die Inhalte geht“

    korrekt

    „dass die Waldorflehrer den Kindern Angst vor den normalen Schulen machen.“

    Das habe ich nie gehört oder erlebt.

    „Jede Waldorfschule ist anders“

    Das ist vielleicht der entscheidende Punkt und möchte ich nochmal betonen: Ich habe auf meiner FWS viel bedenkliches erlebt, aber auch viel gutes und bin unterm Strich froh, dass ich da war. Aber unsere Schule ist kurz nach der Wende unter maßgeblicher Mithilfe und am Ende auch Mitsprache von Eltern entstanden.

    Vielleicht war bei uns vieles auch nur etwas anders. Ich habe unheimliche Dinge von anderen FWS gehört (irgendwo durfte wohl mal ein NPD Mitglied sprechen). Letztes Jahr wurde mein Neffe an meiner alten FWS eingeschult (Eltern beide nicht an einer FWS gewesen), da habe ich auch erstmal ein Gespräch mit meinem Bruder geführt und ihm auch einen sehr kritischen Vortrag dazu geschickt.

    Kritik an der Waldorfschule ist richtig und wichtig, ich würde mir nur manchmal wünschen, dass die Kritik etwas differenzierter ausfällt.

  6. @ Baumschüler

    noch ein kurzes 1,2,3 …:

    1. – „Das mit den alten Heften ist eine gute Idee“: schwierig ist dabei die richtige Einordnung der Inhalte

    In deinem ersten Kommentar schreibst du: „weirde Rituale“. Ich gehe davon aus, dass die „Rituale“ nicht einfach nur „weird“ – „schräg“ – waren, sondern Anthroposophie. So ist es es auch bei den Heften. Zur besseren Einordnung hatte ich dir in meinem zweiten Kommentar einen link angegeben: wo ist der? Weißt du es?

    2. – die Einordnung des Erlebten ist grundsätzlich schwierig, das ist sehr gut bei einem Bericht eines ehemaligen Waldorfschülers und späteren Waldorflehrers (an 3 Waldorfschulen!) in der Süddeutschen Zeitung zu erkennen: „Waldorf hat den Charakter einer Sekte“, https://www.sueddeutsche.de/bildung/100-jahre-waldorfschule-erfahrung-kritik-1.4588339

    3. – wo sind die Experten der GWUP, die deine Fragen, Anmerkungen kommentieren? Was macht André Sebastiani, über den du sagst: „Ich tu mich mit dieser Kritik z.T. etwas schwer …“

  7. Ich verstehe nicht ganz, wieso Du (@Baumhütte) so darauf drängst, dass @Baumschüler die gleichen Beobachtungen gemacht haben muss, wie der Waldorfschüler/Walddorflehrer und Frau G. Es handelt sich bei allen dreien um Einzelfallbeobachtungen, die keinen Anspruch – in diesem Fall – auf Verallgemeinerung haben. Ich finde, dass @Baumschüler seine Beoachtungen sehr sachlich und rational vorgetragen hat. Und ich kann der Annahme nur zustimmen, dass in Einzelfällen Ausnahmen von den allgemeinen Beobachtungen möglich sind. Außerdem geht @Baumschüler durchaus kritisch mit den Themen um, schließt eben einige andere Themen aus. Das finde ich durchaus berechtigt.
    Kann es sein, dass du (@Baumhütte) hier deinen eigenen Bias bestätigt sehen möchtest?

  8. @ Baumpsychologe

    Ich habe in meinen Kommentaren darauf hingewiesen, worauf man achten sollte, wenn man versucht, sich ein Bild der Waldorfschule zu machen, wenn man versucht, die eigenen Erfahrungen einzuordnen:

    der Vorschlag, sich die eigenen Schulhefte anzuschauen, ist ein Schritt hin zu „Objektivität“: da kann man nachlesen, was wirklich unterrichtet wurde – das ist das Gegenteil von „Bias“, „Vorurteil“, „Voreingenommenheit“.

    In meinem letzten Kommentar habe ich (bei Punkt „3.“) nach den Experten der GWUP gefragt, speziell nach André Sebastiani: ich finde nämlich, dass „Baumschüler“ Antworten verdient.

    Du gehst überhaupt nicht auf „Baumschüler“ ein, du sagst eigentlich nur: „Lassen wir es dabei.“ Kann man machen, aber dabei lernt keiner was.

  9. @ Baumschüler

    Deinen Kommentar – https://blog.gwup.net/2021/07/27/kritik-an-der-anthroposophie-andre-sebastiani-im-wdr/#comment-144115188075947623 – habe ich gelesen, aber bisher nicht direkt darauf geantwortet, weil ich davon ausging, dass die Experten der GWUP das tun. Es ist nämlich interessant, wie du die Aussagen der Waldorflehrkraft interpretierst. Ich gebe ein Beispiel:

    Waldorflehrkraft: „Klassen mit fast 40 Kindern, da ist ein vernünftiger Unterricht kaum möglich.“

    Baumschüler: „Kann ich bestätigen. Waren gut 30. Die Nachfrage war halt höher als das Angebot, aber das ändert nix an der Problematik.“

    Mit der „Nachfrage“ hat das nichts zu tun. Es ist beabsichtigt, dass die Klassen so groß sind. Bei der Selbstdarstellung zweier Waldorfschulen wird das deutlich:

    1.: https://www.waldorfschule-hall.de/waldorfschule/unterricht-paedagogisches-angebot/groesse-der-lerngruppen

    „Größe der Lerngruppen

    Im Hauptunterricht werden die Klassen ungeteilt unterrichtet. Die normale Klassengröße ist 36. In den Fachunterrichten werden die Klassen halbiert oder – in den handwerklichen Unterrichten – gedrittelt. Es sind dann also 18 oder 12 Schülerinnen und Schüler in einer Lerngruppe. Insgesamt ergibt sich dadurch ein auch zahlenmäßig günstiges Lehrer-Schüler-Verhältnis und wir erleben die Arbeit in der großen Gruppe im Hauptunterricht ebenso wie den Wechsel der Lerngruppengröße im Laufe des Schultages als sehr fruchtbar.“

    2.: https://www.waldorfschule-remscheid.de/waldorfpaedagogik/paedagogisches-konzept/

    „Wichtig für den sozialen Rahmen ist auch die Klassengröße, denn eine Waldorfklasse mit ca. 35 Kindern bietet eine große soziale Vielfalt.“

    Falls es an anderen Waldorfschulen kleinere Klassen gäbe, wäre das ein Zugeständnis an die Wünsche der heutigen Waldorfklientel. Diese Waldorfschulen würden damit vom ursprünglichen pädagogischen Konzept abweichen: Ich gehe davon aus, dass Rudolf Steiner – wie zu allem anderen, was in der Waldorfschule geschieht – auch zur Klassengröße Vorgaben gemacht hat. Das könnte man online recherchieren, vermutlich in den „Konferenzen mit den Lehrern“ (der Waldorfschule), siehe (den link habe ich gecheckt, er ist o.k. – dort kann man die Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA) gratis online lesen):

    http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=section&id=11&Itemid=14

    – GA 300a Konferenzen mit den Lehrern
    – GA 300b Konferenzen mit den Lehrern II
    – GA 300c Konferenzen mit den Lehrern III

    André Sebastiani sollte wissen, was Rudolf Steiner zur Klassengröße gesagt hat.

  10. @Baumhütte sei mir nicht böse, aber ich habe langsam auch den Eindruck wie Baumpsychologe, dass du alles zwingend schlecht an der Waldorfschule sehen möchtest :(

    Was die Klassengröße angeht stellst du doch auch nur Vermutungen auf und meinst „könnte man sicher recherchieren“. Warum versuchst du es denn nicht?

    Ich z.B. lese die Zitate von dir ganz anders: Die beiden zitierten FWS wissen um das Problem der zu großen Klassen (es sollen halt möglichst viele Schülerinnen angenommen werden) und versuchen lediglich auf ihrer Webseite aus der Not eine Tugend zu machen und dem Problem einen positiven Anstrich zu geben. Böse gesagt: Scheiße als Gold verkaufen. Ist zwar auch blöd, aber ich sehe das pädagogische Grundkonzept nicht.

  11. @ Baumschüler

    Du liest die Selbstdarstellungen der Waldorfschulen falsch. Waldorfschulen hatten von Beginn an große Klassen, das ist Absicht, zeichnet Waldorfschulen aus – und kein „Unfall“, wie du es darzustellen versuchst.

    Lass dir das – und deine anderen falschen Annahmen – von André Sebastiani erklären.

    @ gwup

    bei euch gibt es schon jemanden, der sich mit Waldorfschule auskennt? Und hier mal Rede und Antwort stehen könnte? Die Fragen, die sich ergeben haben, lassen sich verallgemeinern, und sind deshalb interessant, über die aktuelle Diskussion hinaus.

  12. „Waldorfschulen hatten von Beginn an große Klassen, das ist Absicht, zeichnet Waldorfschulen aus“

    Ich bin stets offen für Quellen :)

  13. Die Kommentare hier sind ja nun schon einige Tage als, ich hoffe es liest noch jemand mit. Zum einen finde ich es etwas merkwürdig, um es einmal zurückhaltend zu formulieren, von @Baumhütte zu Kommentaren gedrängelt zu werden.

    Zu den großen Waldorfschulklassen findet sich im Standardwerk von Helmut Zander „Anthroposophie in Deutschland“ (S. 1377 f.) folgendes:

    Unterrichtet wurde in hohen Klassenstärken, durchschnittlich mit 32 Schülern. 1924 gab es in den Grundschulklassen aber jeweils 60 Schüler, und das auch nur, weil die Schülerzahl »behördlich beschränkt« worden war – mit Ausnahmen nach oben. In den höheren Klassen galt diese Verfügung nicht, so daß die Zahlen durchwegs höher lagen und eine Klasse in einem Fall mehr als 120 Schüler zählte.

    Diese hohen Klassenfrequenzen mit jahrgangsübergreifenden Schülergruppen waren aber nicht nur der Notsituation geschuldet, sondern konnten durchaus unter Berufung auf programmatische Äußerungen Steiners begründet werden, der keinen großen Unterschied zwischen Klassen mit 25 oder 125 Schülern machen wollte:

    „Was dabei an individueller Behandlung verloren gehe, das werde wiedergewonnen durch das Zusammenarbeiten unter den Schülern.“

    Offenbar dachte Steiner daran, die gesamte Schule – Molt habe mit gut 150 Schülern gerechnet – in einer Gemeinschaft zu erziehen. Steiner machte aus dem, was ein Waldorflehrer damals als »Überfüllung« bezeichnete,eine Tugend, so daß Waldorfklassen mit 40 Schülern als normal galten.

    In einer der Fußnoten findet sich die Aussage eines der Lehrer an der ersten Waldorfschule, Herbert Hahn, der in seinem Buch „Der Weg“ berichtet, Steiner habe die Auffassung vertreten: „Ein guter Lehrer muß hundert Kinder zugleich unterrichten können“ (S 658).

    An Waldorfschulen gelten große Klassen bis heute als Tugend, was mit Steiners Haltung dazu zusammenhängt, aber sicherlich auch damit, dass große Klassen Kosten sparen. Immer wieder gibt es Bestrebungen, Klassenstärken zu reduzieren, was in der Regel mit Verweis auf die Finanzierbarkeit zurückgewiesen wird.

    Dass das Personal der größte Kostenfaktor an einer Schule ist, sollte man im Hinterkopf haben, wenn sich Waldorfschulen darüber beschweren, dass sie je nach Bundesland pro Schüler 80-90% der Kosten für einen Regelschulplatz vom Staat bekommen.

    In Bremen, wo ich wohne, liegt die durchschnittliche Klassenfrequenz in der Grundschule zwischen 23 und 24 Schülern. Wenn an Waldorfschulen 35 Schüler und mehr in eine Klasse aufgenommen werden, stehen sie finanziell gut da, insbesondere wenn man die Schulgebühren noch hinzurechnet.

  14. Hallo André,

    vielen Dank für die Aufklärung. Das klingt für mich dann schon eher wie ich (du ja eigentlich auch) sagte, aus der Not eine „Tugend“ zu machen. Mit der Idee Steiners hat das wohl sehr wenig zu tun, zumal es wie gesagt auch dieses „Zusammenarbeiten unter den Schülern“ nicht übermäßig gibt und in der Regel Frontalunterricht stattfindet. Würde man die Tradition so fortsetzen wollen (wenn das überhaupt erlaubt ist), würden die Schulen ja nicht reihenweise Schüler*innen ablehnen.

    Man muss sich ja jetzt auch nicht an den Klassengrößen aufhängen, ich hatte ja wie gesagt auch andere Aspekte unterschiedlich erlebt, aber betone es nochmal für alle Mitlesenden: Was ich erlebt hab muss sich nicht verallgemeinern lassen. Mir ist wie schon gesagt durchaus bewusst, dass an vielen FWS sicher übelster Schwurbel passiert, ganz so wie es Steiner sich gewünscht hätte…

  15. Hallo Baumschüler,

    wie oben geschrieben gibt es schon entsprechende programmatische Äußerungen auf die eine Tradition großer Klassen fußt.

    Dass du einiges anders erlebt hast, glaube ich dir gerne. Das kann verschiedene Gründe haben. Im Podcast „Ich schaue in die Welt“ berichten zwei ehemalige Waldorfschüler von ihren Erfahrungen. Auch sie haben vieles an ihrer Schulzeit positiv erlebt.

    Justus hat dann sogar ein Sutdium in Norwegen begonnen, um Waldorflehrer zu werden. Bei der Gelegenheit ist ihm erst vieles aus seiner eigenen Schulzeit klargeworden.

    Die Waldorfschulen unterscheiden sich in der Tat. Eine schwurbelfreie Waldorfschule, wie du sie nennst, ist mir aber nicht bekannt. Der Bund der freien Waldorfschulen achtet letzten Endes schon darauf, dass Anthroposophie drin ist, wo Waldorfschule draufsteht.

  16. Naja, von „schwurbelfreier Waldorfschule“ habe ich nicht geschrieben.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.