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Interview mit dem Schweizer Rapper Knackeboul: „Verschwörungstheorien haben nichts mit Skepsis zu tun“

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Bei Watson ist ein interessantes Interview mit dem Schweizer Rapper „Knackeboul“ (David Lukas Kohler) erschienen, der sich seit längerem gegen Verschwörungstheorien engagiert.

Ein Auszug:

Knackeboul, wann hört die gesunde Skepsis auf und wo beginnt der Glaube an eine Verschwörungstheorie?

Verschwörungstheorien haben nichts mit Skepsis zu tun. Ganz im Gegenteil: Es ist eine Überzeugung. Menschen, die sich Youtube-Videos zu 9/11 anschauen oder an einen Vortrag von Daniele Ganser gehen, wollen dort keine Relativierungen oder Kontextualisierungen hören. Sie wollen nicht etwas Neues lernen, was ihr Weltbild auf den Kopf stellen könnte. Sie wollen nur das hören, was sie sowieso schon glauben.

Künstler wie Prinz Pi oder Kool Savas arbeiteten früher viel mit Verschwörungstheorien als eine Art Stilmittel. Illuminaten-Stories oder Freimaurer-Fantasien dienten als eine Art Tableau für die Battle-Rap-Texte. Ist das in Ordnung oder werden dabei die Grenzen zwischen Realität und Wahnvorstellung verwischt?

Bei der ersten Betrachtung mag das unproblematisch wirken. Es funktionieren ja schließlich sehr viele Geschichten nach diesem Conspiracy-Prinzip. Nimm mal das Beispiel „Matrix“: Es gibt eine böse Macht, die die einfachen Leute unterjocht, es gibt einen Kampf zwischen Gut und Böse und es braucht hellsichtige Helden, die den Leuten die Augen öffnen. Das ist ein guter Stoff für einen Film, muss aber richtig eingeordnet werden. So habe ich auch die Songs und Videos von Kollegah früher anders betrachtet als heute: Damals fand ich sie abgespacet, verworren und irgendwie genial. Diese Flut an Zeichen, Symbolen und Geschichten hat mich fasziniert.

Erst als ich gemerkt habe, dass er selbst an diese verworrenen kreationistischen Theorien glaubt und sie seinen Hörern einimpfen möchte, habe ich meine Meinung geändert. Sobald aus so einer Geschichte eine Message wird, haben wir ein massives Problem. Schau dir mal Leute wie Xavier Naidoo an, die den Bezug zur Realität völlig verloren haben.

Knackeboul hatte im Februar 2017 in der TagesWoche Verschwörungstheoretiker wie Ken Jebsen und Daniele Ganser kritisiert:

Zum Glück mache ich aber auch den zweiten Schritt. Prüfe die Quelle. Checke den YouTube-Channel, recherchiere «RT – Russia Today» und erfahre so vom homophoben und paranoiden Gedankengut der Betreiber. Sehe da den Ken Jebsen – ein vermeintlicher Aufdecker, dessen Videos schon Dutzende meiner Freunde geteilt haben. Sehe auf dem Kanal von Ken Jebsen auch Videos von Daniele Ganser. Dr. Daniele Ganser – ein Schweizer Friedensforscher, der muss recht haben, sagen meine Freunde […]

Das Perfideste an diesem irrationalen Geschwurbel ist die behauptete Wissenschaftlichkeit. Ganser ist Friedensforscher mit Doktortitel, Jebsen ein kritischer Journalist. Und Breitbart? Wenigstens sagen die mal, was Sache ist. Ein bisschen jüdische Weltverschwörung muss man halt dafür in Kauf nehmen. Merkt euch die Namen in diesen Zeilen. Ich verscherze es mir gerade mit einer ganz neuen Zielgruppe. Das kann noch heiter werden.

Daraufhin brach ein „Shitstorm der Ganser-Gläubigen“ über ihn herein, auf den Kohler wiederum reagierte:

Aufgrund der Häufigkeit dieses Einwands [„Du kannst Ganser nicht in eine Ecke mit Holocaust-Leugnern und Spinnern stellen …“] bin ich der Sache noch einmal nachgegangen – mit folgendem Resultat: Ganser tritt nicht sporadisch, sondern immer wieder vor dubiosen Gesellschaften, bei AfD- und Pegida-nahen Organisationen sowie mit Verschwörungstheoretikern, Holocaust-Leugnern und Esoterikern auf.

Er leitet seine Aussagen gern ein mit Formulierungen wie «Wir Forscher…» oder «Wir Wissenschaftler…». Leider aber ist es so, dass die ernst zu nehmende Wissenschaft und Forschung den Doktor längst nicht mehr ernst nimmt und er somit fast gezwungen ist, vor braun-esoterisch-besorgtem Publikum aufzutreten.

Ganser weist auch seine Anhänger selten in die Schranken, wenn sie ins Irrationale driften oder rassistische Seiten und Blogs betreiben. Weil ein Grossteil seiner Anhänger eben so tickt.

Besser kann man’s eigentlich kaum beschreiben.

Zum Weiterlesen:

  • Knackeboul im Interview: „Die Hip-Hop-Szene ist ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien“, watson am 2. Januar 2019
  • Wenn alles Fake ist, ist alles möglich, tageswoche am 27. Januar 2017
  • Eine „Presstituierte“ im Shitstorm der Ganser-Gläubigen, tageswoche am 15. März 2017
  • Interview mit dem Rapper Knackeboul bei antisemitismus.ch
  • Über „vernünftige“ Verschwörungstheorien, misik.at am 2. Januar 2019
  • „Chemtrails“: Luxemburger Parlament muss sich erneut mit Verschwörungstheorien beschäftigen, tageblatt am 7. Januar 2019
  • Daniele Ganser – Esoteriker? GWUP-Blog am 18. Juli 2018
  • Kollegah und seine vorsintflutliche „Argumentation“ gegen die Evolutionstheorie, GWUP-Blog am 22. April 2018
  • Rapper, Echsenmenschen und ein Verschwörungs-Freestyle, GWUP-Blog am 7. Februar 2016
  • Video: Naidoos fortwährende antidemokratische und antisemitische Missverständnisse, GWUP-Blog am 11. Mai 2017
  • „Du bist kein Künstler, Xavier. Du bist ein wirrer Verschwörungstheoretiker“, GWUP-Blog am 5. Mai 2017
  • Bernd Harder: Verschwörungstheorien. Alibri 2018, 168 Seiten, 10 €

4 Kommentare

  1. Auf Konferenz der Flacherde-Anhänger: Die Erde ist eine Scheibe und alle Europäer sind Kommunisten:

    https://www.stern.de/lifestyle/jwd/die-flat-earth-society-weiss–die-erde-ist-eine-scheibe–8496658.html

  2. Schön auf den Punkt gebracht. Pseudoaufklärer und Möchtegern-Forscher die sich im braunen Sumpf mit AfD, Pegida und Co. suhlen und ihre krudes Weltbild nicht hinterfragen (können und wollen). Mit kritischem, rationalem und auf Fakten basierendem Denken, hat das wenig bis gar nichts zu tun. Man schütze die Demokratie vor solchen Rattenfängern, die populistisch agieren und gerade gegen die Aufklärung und ihre Prinzipien verstoßen.

  3. Interessantes Interview, vielleicht ein wenig kurz.

    Habt ihr euch aber mal den Kommentarbereich angesehen? „Der hat unrecht, weil er trägt eine doofe Brille…“ / „Ich bin zwar kein Antisemit,“ (fängt gleich gut an, gell?) „aber vieles stimmt auch…“. Nach den ersten zwanzig Kloppern dieser Art hab‘ ich weggeklickt.

    Ein guter Hinweis darauf, dass Verschwörungstheorien bei der jugendlichen Zielgruppe von Watson und Co. weit verbreitet sind. Gruselig.

  4. Zitat: „Schau dir mal Leute wie Xavier Naidoo an, die den Bezug zur Realität völlig verloren haben.“

    Mit dieser Aussage hat Knackeboul sofort meine Sympathie gewonnen. :)

    Es ist nur schade, dass nicht noch mehr deutschsprachige Künstler ähnlich kritisch gegenüber Xavier Naidoo auftreten.

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