Über Wahrsager und Hellseher, die angeblich der Polizei bei der Verbrechensbekämpfung helfen, haben wir schon öfter berichtet.
Ebenso über Wahrsager, die den Aberglauben ihrer Klienten ausnutzen und sich damit in bestimmten Fällen strafbar machen.
Aber eine „Wahrsagerin“, die den Aberglauben eines Klienten ausnutzt, um ihn des Mordes an seiner Frau zu überführen, noch dazu im Auftrag der Polizei – hat man so etwas schon mal gehört?
Ja – und zwar neulich in der Schweiz.
Es ging dabei um nichts weniger als …
… um die wohl längste und außergewöhnlichste verdeckte Ermittlung, die es in der Schweizer Kriminalgeschichte je gegeben hat – und um die Frage, wie weit die Polizei gehen darf, um einen Mörder zu überführen,
fasst NZZ am Sonntag die unglaubliche Story zusammen:
Der Kriminalfall, der diese Woche vor dem Bezirksgericht Zürich verhandelt wurde, birgt mehrere Geschichten. Für die Polizei ist es der Supercoup. Ein Fall, in dem sie jahrelang ermittelte und mit kreativer List, mit viel Hokuspokus und großer Ausdauer schließlich doch noch zu einem Geständnis gelangte.
Für die Verteidigung zeugt der Fall von einem „skandalösen Vorgehen“ und von „widerrechtlichen Tricksereien“, die Polizei habe „hinterhältig und absolut illegal“ einen unschuldigen Mann in ein falsches Geständnis hineinmanipuliert.
In Kürze:
Seit 2010 stand Humayun R. unter dem dringenden Verdacht, seine Ehefrau Nasrin R. erschossen zu haben. Nach sieben Monaten musste er jedoch mangels Beweisen aus der Untersuchungshaft entlassen werden.
In der Folgezeit bot die Polizei alles auf, was die Schweizerische Strafprozessordnung unter dem Kapitel „Geheime Überwachungsmaßnahmen“ hergibt.
Dazu gehörten nicht nur Beschattungen und Abhörgeräte – sondern auch ein falscher Freund namens „Orhan“, der den chronisch geistergläubigen und horoskophörigen Humayun R. schließlich mit der „Wahrsagerin Susan“ zusammenbringt.
Was Humayun R. nicht weiß: Beide – „Orhan“ und „Susan“ – sind verkleidete Polizeibeamte.
Als Susan ihrem verängstigten Klienten mit der Zeit immer größere Probleme prophezeit und bei einer Séance sogar den Geist der toten Ehefrau Nasrin sprechen lässt, packt Humayun R. bei Orhan aus. Er gesteht den Mord und bringt seinen Vertrauten sogar an den Ort, wo er 2009 die Waffe hatte verschwinden lassen.
Neun Jahre nach der Tat, im August 2018, kommt es zum Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich. Humayun R. wird wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.
Welchen Anteil der polizeiliche Mummenschanz daran hat, bleibt letztendlich unklar:
Das Geständnis, das Humayun R. gegenüber dem verdeckten Ermittler Orhan abgelegt hat, sei unverwertbar, entscheidet das Gericht. Es werde für das Urteil nicht berücksichtigt. Das Vorgehen der verdeckten Ermittler habe das Gebot des fairen Verfahrens verletzt. Auf Humayun R. sei unzulässiger Druck ausgeübt worden, man habe seine Angst vor bösen Geistern ausgenutzt.
Aber:
Einen Freispruch gibt es trotzdem nicht. Das Gericht kommt aufgrund all der anderen Indizien zum Schluss, dass Humayun R. der Täter war.
Der Anwalt von Humayun R. nennt das Vorgehen der Untersuchungsbehörden „skandalös“ und hat Rekurs [Einspruch] gegen das Urteil angemeldet:
Das letzte Kapitel in dieser Geschichte ist noch nicht geschrieben.
Möglicherweise wird es von einem Drehbuchautor fürs Fernsehen verfasst.
Zum Weiterlesen:
- Wahrsager, Knoblauchdampf und mysteriöse Zeichen: Die kuriose Jagd der Polizei auf einen Mordverdächtigen, NZZ am Sonntag am 25. August 2018
- „Vermisstenhellseher“: Wie die Betrüger ticken, GWUP-Blog am 28. Oktober 2017
- Zwangsprostitution, Voodoo-Zauber und das Strafrecht, GWUP-Blog am 17. August 2017
- Die „Hellseherin“ Maria Duval und eine der größten Betrugsmaschen der Geschichte, GWUP-Blog am 5. August 2018
3. September 2018 um 18:11
Also die Vorgesetzten,die das ganze absegneten wären eine Betrachtung wert..
Vielleicht schreibt ja einer dieser „Geistreichen“
eine erhellende Biografie oder taucht/traut sich
wg des grossen Erfolgs bei einer rechtskräftigen Verurteilung im TV auf ;-)!