Guter Artikel in der Süddeutschen zum Urteil gegen den „Guru von Lonnerstadt“.
Der Mann ist ein Vollesoteriker, der sich „Lehrer der zeitlosen Weisheit“ nennt und den schwerkranken Sohn seiner Lebensgefährtin mit „alternativen“ Heilverfahren „quälte“, so der Vorsitzende Richter.
https://www.youtube.com/watch?v=_Vh9T1YFqlI
Der Junge überlebte, weil er zu seinem leiblichen Vater floh.
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwarf gestern die Revision der Angeklagten gegen die Verurteilung des Landgerichts Nürnberg-Fürth aus dem Jahr 2014 wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen.
Der Guru und seine Frau müssen drei Jahre in Haft.
Dazu schreibt die Medizinjournalistin Christina Berndt:
Wie häufig solche fatalen Fehlbehandlungen sind, lässt sich statistisch kaum erfassen. Schulmediziner müssen auf Nebenwirkungen hinweisen, doch diese Information findet bei alternativen Therapien gemeinhin nicht statt. So sind es vor allem Einzelfälle, die durch Juristen oder Journalisten bekannt werden […]
Doch es sind nicht nur die extremen Fälle der unterlassenen Behandlung, die alternative Medizinmethoden gefährlich machen können.
„Die Therapien haben zum Teil auch direkte Nebenwirkungen“, betont Edzard Ernst. Das gilt besonders für pflanzliche Arzneimittel, die im Körper mit anderen Mitteln auf oft unerwartete Weise wechselwirken. Dass Patienten dies meist nicht ahnen, verstärkt die Probleme. Denn sie lassen ihre Ärzte im Unklaren über die zusätzlichen Mittel, die sie auf eigene Faust einnehmen […]
Dabei ist es weniger das Problem, dass die Medizin abseits der Schulmedizin an sich gefährlich ist […] „Viele Alternativbehandlungen sind harmlos“, so Ernst. „Aber leider sind die Behandler nicht immer harmlos.“
Dann nämlich, wenn sie ihre Kompetenzen überschreiten, Diagnosen verkennen oder lebensrettende schulmedizinische Behandlungen unterlassen.“
Zum Weiterlesen:
- Naturheilunde: Wenn Eltern ihre Kinder gefährden, Süddeutsche am 4. August 2015
- BGH bestätigt Haftstrafe für Esoterik-Paar, Ärztezeitung am 4. August 2015
- „Guru von Lonnerstadt“ muss drei Jahre in Haft, Welt-Online am 4. August 2015
- „Another unnecessary death in the making, thanks to cancer quackery, Respectful Insolence am 28. Juli 2015
- Alternativmedizin“ und der Krebstod der „Wellness Warrior“, GWUP-Blog am 10. März 2015
- Steve Jobs und die Pseudomedizin, GWUP-Blog am 22. Oktober 2011
- Kinder oder Religion? Vikas am 4. August 2015
5. August 2015 um 13:39
Sollte man die Rubrik Homöopathie nicht vielleicht in „Alternativmedizin“ umbennen oder eine solche erschaffen?
Der Artikel hat mit Homöopathie ja nun gar nichts zu tun.
Ansonsten aber inhaltlich begrüßenswert. Was sich Leute antun lassen oder anderen antun (oder dann wieder nicht → Verweigerung nichtalternativer dafür belegt wirksamer Methoden) ist schon erstaunlich. Gut, dass hier durchgegriffen wird und halt nicht jeder irgendeine Unsinnsbehandlung propagieren darf und hinterher sagen kann „Nunja, manchmal wirkt es halt nicht. Ist bei andern Methoden ja auch so.“
5. August 2015 um 13:41
@Christian Becker:
Es gibt ja bereits eine Rubrik „Paramedizin“.
Der Beitrag ist in beiden Kategorien gelistet, weil Homöopathie in dem SZ-Artikel explizit erwähnt wird.
6. August 2015 um 05:16
Warum spricht man immer noch mit der Sprache Hahnemanns von der „Schulmedizin“, wenn man von der universitären Medizin reden will?
„Schulmedizin“ war des großen Homöopathie – Guru Kampfbegriff gegen die Medizin.
Auch Vertreter der akademischen Medizin sind sich dieser Tatsache heute zunehmend nicht mehr bewusst, wenn sie dieses trojanische Sprachpferd reiten. Schade!
7. August 2015 um 06:49
Ich habe das bei anderen Beiträgen schon einmal gesagt.
Schulmedizin könnte man durchaus auch als Qualitätsmerkmal benutzen.
So ähnlich wie hier:
Wenn man sich aber dauernd selbst den Schuh anzieht, dass Schulmedizin ein abwertender Begriff sei, dann kann sich daran auch nichts ändern.
Eine gute Einstellung wäre doch „Jawoll, wir sind Schulmediziner. Wir haben das gelernt, auf Grundlage harter Wissenschaft mit erheblichem Einsatz von Gehirnschmalz!“
https://de.wikipedia.org/wiki/Made_in_Germany
7. August 2015 um 12:08
Mal eine Frage an die juristisch Gebildeten: In verschiedenen Artikeln wurde gesagt, dass die Lebensgefährtin das Sorgerecht für den Sohn hatte. Von daher verstehe ich, dass sie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt wurde. Aber wieso kann der „Guru“ dafür verurteilt werden?
7. August 2015 um 14:35
Vielleicht sollten wir Skeptiker versuchen, statt des Begriffs „Schulmedizin“ wenigstens den Begriff „Hochschulmedizin“ zu verwenden.
Das Gegenteil davon wäre dann die Volkshochschulmedizin….
8. August 2015 um 08:30
Da brauche ich kein Fachwissen ;)
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Misshandlung_von_Schutzbefohlenen
Es ist ja nicht so, dass man jeden quälen darf, der bei einem wohnt, aber nicht das Sorgerecht hat