Die neue Ausgabe der MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit) aus dem Alibri-Verlag hat einen genuin skeptischen Schwerpunkt: Verschwörungstheorien.
Im Editorial schreibt der Politikwissenschaftler Christoph Lammers über „Dichtung und Wahrheit“:
Jede Krise verlangt nach einer Erklärung, die transparent und nachvollziehbar und auf die Krisenbewältigung hin ausgerichtet ist. Die Geschichte zeigt, dass in Krisenzeiten weniger die gesellschaftlichen Veränderungen im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der Erhalt von Macht und Einfluss.
Dies kann dadurch gewährleistet werden, indem Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien formuliert werden. Somit sollte klar sein, dass Krisenzeiten immer eine der Grundvoraussetzungen für den Zuspruch für Verschwörungsideologien bilden.“
Ich selbst darf den Aufsatz „Und was haben die Illuminaten damit zu tun? Alles!“ beisteuern:
Verschwörungstheorien sind ein Ego-Booster. Verschwörungsgläubige halten sich für eine Wissens-Elite, die hinter die Kulissen schaut und besser informiert ist als andere.
Eine wichtige Rolle bei diesem Versuch der Selbstaufwertung spielt auch das Gefühl, aus der Opferrolle ausbrechen zu können. In der Vorstellungswelt von Verschwörungstheoretikern gibt es keine Zufälle und die Dinge geschehen nicht einfach, sondern müssen von jemandem verursacht worden sein. Man kann also „sie“ – Illuminaten, Aliens, Reptilienmenschen, Satanisten etc. – für alles verantwortlich machen, woran man leidet: von Arbeitslosigkeit und Krankheit bis hin zu den Benzinpreisen.
Das verspricht seelische Entlastung. Oder wenigstens die Illusion davon.“
Ein Interview mit dem Arzt und Skeptiker-Autor Dr. Thomas Grüter rundet das MIZ-Titelthema ab.
Darüber hinaus gibt’s noch einen Artikel von Sebastian Bartoschek und Alexa Waschkau zu ihrem „Ghosthunting“-Buch:
Der hat keinen Geist, der den Geist sucht!“ Diesen Ausspruch von Friedrich Nietzsche schießen sie in den Wind: die Ghosthunter. Diese modernen Geisterjäger versuchen, vermeintlichem Spuk auf den Grund zu gehen, mit viel Engagement, aber wenig Vermögen. Was aber passiert auf der Geisterpirsch – und wer macht sowas?“
Die gedruckte MIZ 4/2013 kann hier bestellt werden.
Zum Weiterlesen:
- Christoph Lammers: Dichtung und Wahrheit, MIZ 4/2013
- Bernd Harder: Und was haben die Illuminaten damit zu tun? Alles! MIZ 4/2013
- Sebastian Bartoschek/Alexa Waschkau: Auf die Geister, fertig, los! MIZ 4/2013
7. Februar 2014 um 21:52
Ergänzung: Die Frage nach der Existenz der Geistern – also der Seelen von Verstorbenen – ist ein uraltes Streitthema in der sogenannten „Philosophie des Geistes“. Ich muss mich da mal erkundigen, ob sich auch in der Philosophie der Materialismus letztendlich durchgesetzt hat.
Aber nur als kleiner Gedanke mit auf dem Weg: Seid Ihr Skeptiker absolut sicher, dass es nichts Immaterielles gibt? Klar, wir Menschen sind rund um die Uhr mit Materie konfrontiert und man könnte daher denken, dass es nichts darüber hinaus gibt…
… allerdings es schwierig, wenn man sich überlegt, dass es ja auch sowas wie Zahlen gibt – und die muss es ja geben, sonst könnten wir ja nicht addieren, subtrahieren usw. Bloß: Zahlen existieren zwar, sind aber alles andere als materiell.
11. Februar 2014 um 18:11
@Tim S.
Das Beispiel mit den Zahlen ist aber nicht ganz „wasserdicht“…
ich kann jeder Zahl etwas „Reales“ zuordnen, d.h. 1 entspricht einem Apfel, 2 entspricht zwei Äpfel usw.
Eigentlich zeigen die (natur)wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte, daß alles an Materie gekoppelt ist.
In der Physik gibt es den Welle-Teilchen-Dualismus und auch das alle Kräfte durch ein Teilchen kommuniziert werden, das berühmteste Teilchen ist da wohl das Higgs-Teilchen.
Die Neurophysiologie zeigt auch, daß alle Gedanken/Gefühle im Gehirn eine materielle Basis haben – deshalb ist für so etwas wie eine Seele kein Platz mehr und das im wahrsten Sinne des Wortes.
11. Februar 2014 um 18:14
Ralf, siehe hierzu auch die Diskussion im Blogeintrag „Kartenlegen bei Petra“.
11. Februar 2014 um 18:22
…um noch kurz mein Beispiel mit den Äpfeln etwas zu erklären:
Zuerst habe ich die Äpfel, dann zähle ich die Äpfel und kann jedem Apfel eine Zahl zuordnen.
Wenn ich jetzt die Äpfel aus der Menge streiche, habe ich eine reine Zahlenmenge, dies ist aber nur eine Abstraktion, so wie die Mathematik eine Abstraktion ist.
Wenn man Mathematik auf die reale Ebene wieder zurückbringt, dann hat man die (berechenbare) Physik.
Nun scheiden sich die Geister, ob alle Mathematik zu – ich nenne es jetzt einmal so – einer „Physik“ führen kann.
11. Februar 2014 um 18:51
Richtig, Sie nehmen eine Abstraktion vor, wie Sie auch richtig erkennen und das schildern. Aber wenn Sie die Abstraktion vornehmen, muss diese ja auch existieren, wenn sie vorgenommen wird, darin werden Sie mir zustimmen, richtig? Alles, was aber existiert, braucht aber einen Raum, um zu existieren – und diesen „Raum“ nenne ich Seele.
War jetzt auf die Schnelle ein kurzer Seelenbeweis von mir, den man natürlich gern hinterfragen darf.
Was den Begriff „Menge“ angeht, den sie erwähnen, so zitiere ich hier meinen Logik-Professor sinngemäß:
„Philosophen gehen heute mehrheitlich davon aus, dass Mengen zwar keine raum-zeitlichen Objekte sind, aber dennoch existieren“. Wenn also in unserem materiellen Raum und in unserer Zeit nicht existieren, wo sollen sie dann noch existieren? In einer anderen Art von „Raum“, die eben die Seele ist.
Ich versuche hier übrigens meine These nicht esoterisch zu begründen, sondern eher durch gedankliche Abstraktion etc. Von Esoterik halte ich selbst ja auch nix.
11. Februar 2014 um 19:26
@Tim S.
Der „Raum“ in dem es existiert, ist unser (materielles) Gehirn oder auch – wenn Sie so wollen – unser kollektives Unterbewusstsein, das sich auch materiell in unseren, durch die Kultur „vernetzten“ Gehirnen äußert.
Der „Raum“ ist virtuell, er ist von unserem Geist, unserer Kreativität geschaffen…eine der grandiosesten Eigenschaften unseres Großhirns.
11. Februar 2014 um 19:37
…aber um nochmal auf meinen eigentlichen Gedanken zurückzukommen…
Mein Beispiel mit den Äpfeln sollte zeigen, daß die „Zahlenmenge“ eine reale materialistische Grundlage hat.
Die Existenz der „Zahlenmenge“ beruht auf den realen Raum der abzählbaren Dinge. Die Abstraktion an sich benötigt keinen Raum, da sie Raum im Gehirn hat, dort durch neuronale Verknüpfung und Netze abgespeichert ist.
P.S. Unser „Bewußtsein“ benötigt auch keinen Extra-Raum, sondern es entsteht aus der Vernetzung der Neuronen im Gehirn…
um Aristoteles zu zitieren:
P.S. im obigen Kommentar meinte ich „kollektives Bewußtsein“….
11. Februar 2014 um 19:57
Die Zahlenmenge hat zwar eine ganz materielle Grundlage, das stimmt. Aber es gibt z.B. auch die sogenannte „Nullmenge“, die überhaupt keine Elemente besitzt.
Die Abstraktion als solche ist ja ein Vorgang, aber sie ist ja nicht materiell, deswegen kann sie keinen Raum im Gehirn haben. Nervenzellen haben Raum im Gehirn, aber nicht etwas, was immateriell ist. Abstraktionen sind immateriell. Sie existieren aber, weil wir sie vornehmen, sind also geistige Vorgänge. Wenn Existenz notwendig einen Raum voraussetzt – und diese Prämisse halte ich für gar nicht mal so schlecht -, dann benötigt auch die Abstraktion als etwas Immaterielles einen Raum, innerhalb dessen sie existieren kann.
Ich kann das leider nicht noch ausführlicher erklären, weil wir uns hier auf der Ebene der Ontologie befinden, die sich mit der Frage des Seins beschäftigt. Und dafür ist unsere Alltagssprache, die sich an den konkreten Einzeldingen orientiert, nicht geschaffen, um auf so hoher abstrakter Ebene zu sprechen.
11. Februar 2014 um 20:10
@Tim S.
Flucht auf den Elfenbeinturm? ;-)
Wer behauptet denn, daß eine „Nullmenge“ keine Elemente besitzt? – Diese kann sogar unendlich viele Elemente besitzen…;-)
11. Februar 2014 um 20:21
„Flucht auf den Elfenbeinturm? ;-)“ …
Nö, gesundes Maß an Skepsis und immer interessiert an dem Austausch mit Andersdenkenden.
Aber Sie haben natürlich recht. Richtig müsste man sagen: Leere Menge. Danke für den Hinweis.
11. Februar 2014 um 20:54
Auch eine „Leere Menge“ hat eine Existenz…zwar mag die NULL zuerst – ontologisch ;-) – kein „Sein“ zugeschrieben werden, so ist sie doch die Abstraktion der Menge „keine Äpfel“ und diese kennt jeder ;-)
Was ich verstehen könnte, wäre die Abstraktion von unendlichen Mengen, diese haben aber auch ihre (reale) Berechtigung, da am Anfang die Gleichung: 1/0= ∞ und auch in der Riemannsche Zahlenebene
11. Februar 2014 um 20:56
…uppz…HTML-Code went wrong ;-)
Test:
∞
&infin
∞
∞
11. Februar 2014 um 20:57
Aha, alles klar…
das war gerade „Debugging with GWUP“ :-) :-) :-)