Heute Abend um 22.10 Uhr tritt Dr. Holm Hümmler, Physiker und Mitglied in der gemeinnützigen Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), in „Galileo Mystery“ gegen einen Kampf-Mönch der Shaolin an! Nein, nicht in Kung Fu – das ginge vermutlich schief. Vielmehr versucht der Physiker, allein mit Skepsis und kritischem Denken hinter das Geheimnis der übermenschlichen Kräfte zu kommen, die die Shaolin angeblich besitzen.
ProSieben kündigt die Sendung so an:
„Die Shaolin erklären ihre Fähigkeiten damit, dass sie die Lebensenergie Chi auf besondere Weise nutzen. Der Physiker Dr. Holm Hümmler zweifelt allerdings an der Existenz der Chi-Energie. Er behauptet, dass hinter den Fähigkeiten der Mönche nichts als gewöhnliche Showeffekte und Zaubertricks stecken.
In spektakulären Experimenten will das Team von ‚Galileo Mystery‘ herausfinden, wer Recht hat: der Zweifler oder die Shaolin. Dazu trifft die Reporterin Insa Müller die Mönche in Berlin. In einer Materialprüfanstalt lässt sie die Eisenstangen untersuchen, mit denen die Mönche ihre Unverwundbarkeit demonstrieren. So will sie ausschließen, dass die Stangen manipuliert sind.“
In der aktuellen Ausgabe des SKEPTIKER hat Holm bereits ausführlich über die Dreharbeiten und seine Rolle vor und hinter der Kamera berichtet; seinen Artikel „Shaolin-Kräfte im TV-Test“ gibt es hier als PDF.
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Der SKEPTIKER, die Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken, wird herausgegeben von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Die GWUP ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein, dessen fast 900 Mitglieder sich für Wissenschaft und kritisches Denken engagieren. Gegründet wurde die GWUP 1987. Damit ist sie die älteste und größte Skeptiker-Organisation im deutschsprachigen Raum.
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Wachsende Liste mit guter populärwissenschaftlicher Literatur
4. April 2009 um 08:21
Wer gestern die Sendung gesehen hat, der wird zugeben, dass sich die Auffassungen des Physikers Herrn Dr. Holm Hümmler bestätigt haben. Es wurden Versuche gezeigt, die zum einen deutlich machten, dass die Showveranstaltungen von Shaolin-Mönchen durchaus vergleichbaren „Magieshows“ ähnlich und dort auch mit entsprechenden Tricks gearbeitet werden könnte.
Ferner wurde versucht, hinter das angebliche „Chi-Energie-Geheimnis“ zu kommen, was den Shaolin-Mönchen dazu verhelfen soll, solche Leistungen zu vollbringen, die für den normalen Menschen schier unmöglich erscheinen.
Man muss natürlich diesen Shaolin-Mönchen attestieren, dass ihre körperlichen Fähigkeiten sehr eindrucksvoll sind und Respekt als auch Anerkennung verdienen. Dies hat aber mit „übersinnlichen“ oder etwa „höheren Mächten“, die vor allem von Seiten der Esoteriker immer wieder als Begründung des „Chi“ angeführt werden, nun rein gar nichts zu tun.
Bei den Fähigkeiten der Shaolin-Mönchen handelt es sich um sportliche Höchstleistungen, die durch Selbstdisziplin, extreme Konzentrationsfähigkeit, eisenhartes und vorallem jahrelanges Training erreicht werden können. Auch beginnt das Training und Lernen der Mönche sehr früh und fast immer im Kindesalter; auch die entsprechende Lebensweise/Lebensführung spielt m.E. eine sehr wichtige Rolle.
Es stellte sich am Ende der Sendung als Fazit heraus, dass dem Grunde nach jeder Mensch in der Lage sein kann, diese bemerkenswerten Fähigkeiten erbringen zu können. Dies wird zwar nicht jedem Menschen gelingen – das ist klar -, aber es ist grundsätzlich nicht unmöglich.
Insofern bestätigte sich die Auffassung von Herrn Dr. Hümmler eindeutig, dass es keine „übersinnliche Chi-Energie“ gibt, sondern es unter anderem mit der recht außergewöhnlichen Konzentrationsfähigkeit dieser Mönche zu tun hat. Zu ähnlichen Leistungen können aber auch durchaus andere „Spitzen- und Hochleistungssportler“ in der Lage sein.
Nochmals: Respekt vor den Leistungen der Shaolin-Mönche, aber mit esoterischem Mumpitz wie „übersinnlichen Kräften“ oder „höheren Mächten“ hat dies wirklich nichts zu tun!
5. April 2009 um 22:53
Danke für das Lob.
Leider ist bei der begrenzten Länge der Sendung einiges dem Schnitt zum Opfer gefallen, was das Ergebnis noch wesentlich deutlicher gemacht hätte. Im SKEPTIKER-Artikel (PDF) habe ich versucht, auch diese Dinge, wie den genauen Verlauf des Nadelwurf-Tests, noch ein bisschen zu verdeutlichen.
6. April 2009 um 10:09
@ Dr. Holm Hümmler,
Aha, ich habe mir soeben Ihre lesenswerte und überaus aufschlußreiche PDF-Datei durchgelesen. Zu dem „Nadelwurf-Test“ ergeben sich daraus ja völlig neue Erkenntnisse, die in der Sendung von „Galileo Mystery“ weder zu sehen, noch irgendwie erwähnt wurden. Das ist ja sehr interessant!
Man muss sich fragen, was sich die Macher der Sendung eigentlich davon versprechen, wenn sie sehr wichtige Einzelheiten dieses „Nadelwurf-Tests“ einfach weglassen, anstatt sie dem Zuschauer offen und ehrlich zu zeigen. Wie Sie, geehrter Herr Dr. Hümmler, in Ihrem PDF-Bericht zur Sendung schreiben, hat der Shaolin-Mönch mehrere Versuche (3 mal) unternommen, mit der Nadel ein Loch in die Glasscheibe zu werfen – und ist jedesmal gescheitert. Erst als man eine kleinere Scheibe – die ferner stärkeren Befestigungshalt hatte – installierte, konnte der Mönch mit seiner Nadel ein kleines Loch in die Scheibe werfen. Auch die weiteren Ausführungen in Ihrem Bericht sind hierzu sehr informativ.
Ich halte es aber für eine Zumutung, wenn tatsächliche Abläufe in einer angeblich aufklärenden Fernsehsendung einfach weggeschnitten werden. Hier handelte es sich um wichtige Einzelheiten für den Zuschauer, der sich zu diesem Thema ein umfassendes Bild machen will/soll, diese dürfen nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden. Das verfälscht das wahre Ergebnis der durchgeführten Test und ist für mich zumindest inakzeptabel sowie ein echtes Ärgernis.
Ich hege den Verdacht, dass diese Sendung lediglich dazu dient, um etwaige Zuschauer an die Fernsehgeräte zu locken. Mit tatsächlicher Objektivität im Sinne des Zuschauers hat das in diesem zusammengeschnittenen und dann ausgestrahlten Sendeformat nicht viel gemein, ganz im Gegenteil. Sofern man einer solchen Sendung eine Art wissenschaftlichen Anstrich – welchen ich jedoch sehr bezweifele – vergeben will, müssen auch die durchgeführten Testversuche der Teilnehmer – ob sie gescheitert oder gelungen sind – gezeigt werden. Nur so werden die anschließend präsentierten Ergebnisse nachvollziehbar und für die Zuschauer auch glaubhaft wiedergegeben. Alles andere hat jedenfalls für mich wenig bzw. keinen Sinn.
Es bleibt die Frage offen, warum die Verantwortlichen der Sendung „Galileo Mystery“ dies anscheinend anders sehen?
7. April 2009 um 16:49
Man muss bedenken, dass Galileo Mystery eine völlig andere Zielgruppe hat als z.B. Abenteuer Forschung oder Quarks & Co. Die meisten Episoden von Galileo Mystery sind zumindest esoterisch „angehaucht“. So auch diese. Das zentrale Thema war die „geheimnisvolle Chi-Kraft“. Wenn dann aber alle Experimente, die man macht, auf nichts geheimnisvolles, sondern lediglich auf eine sportliche Leistung hindeuten (wenn auch auf eine herausragende), dann muss man eben durch geschickte Schnitte, Auslassungen und Hervorhebung zumindest den Eindruck erwecken, dass etwas geheimnisvolles dem Ganzen zumindest zugrunde liegen könnte.
Das war in dieser Folge besonders gut zu sehen: statt also zu zeigen, dass der Shaolin die Nadel nur unter bestimmten Bedingungen durch das Glas jagen kann, kürzte man das Experiment so massiv, dass der Eindruck erweckt wurde, es wäre sein erster Versuch gewesen, statt dessen streckte man die nun wirklich bedeutungslosen Wärmebilder und suggerierte, dass dies zumindest ein Hinweis auf die geheimnisvolle Chi-Kraft wäre.
Dabei ist wohl nichts trivialer, als dass ein arbeitender Muskel mehr Energie erzeugt als ein entspannter. Deswegen zeigte das Wärmebild bei der Speerwerferin ja auch eine ähnliche Entwicklung. Statt aber das Triviale beim Namen zu nennen, suggerierte man, dass die Speerwerferin möglicherweise die Chi-Kraft unbewusst nutzen würde. Eine klare Verwechslung von Ursache und Wirkung.
Schlussfolgerungen dieser Art empfand ich dann als doch sehr befremdlich, angesichts der klaren Experimentsverlaufe. Wenn dann ungewünschte Ereignisse, wie das mehrfache Scheitern des Shaolin an der Scheibe, auch noch verschwiegen werden, ist das in einem Maße tendenziös, dass einem die Worte dafür fehlen.
8. April 2009 um 06:54
@ Jörg Heléne,
Ihren Ausführungen stimme ich ausdrücklich zu.
„Die meisten Episoden von Galileo Mystery sind zumindest esoterisch ‚angehaucht‘.“
Darin sehe ich eine besondere Problematik. Insofern bin ich der Meinung, das man diesen vermeintlichen „esoterischen Hauch“ dem Zuschauer vorab mitteilen muss, das heißt, ich sehe eine Verpflichtung des Fernseh-Senders Pro Sieben als auch den Verantwortlichen der Sendung „Galileo Mystery“, dies den Zuschauern auch deutlich zu sagen.
Man muss bedenken, dass auch Kinder und Jugendliche diese Sendung (ggf. regelmäßig) anschauen, die das „Gebotene“ eventuell aus reiner Unkenntnis heraus für sich als Tatsache ansehen. Damit gaukelt man unbedarften Personen doch etwas vor und es besteht die Gefahr, dass man den „esoterischen Hokuspokus“ auch noch fördert und sozusagen „hoffähig“ macht. Peinlich!
In einer Zeit, wo alles lauthals nach mehr Bildung kreischt, halte ich demnach solche Sendungen für mehr als bedenklich, die dem Zuschauer am Ende suggerieren, an „übermenschlichen Kräften“ oder „übersinnlichen Phänomenen“ könne trotz eindeutiger wissenschaftlicher Widersprüche vielleicht doch etwas dran sein. Und „Galileo Mystery“ hat das mit dieser fragwürdigen Sendung – unter Berücksichtigung der PDF-Datei-Ausführungen von Herrn Dr. Hümmler – eindrucksvoll offenbart.
8. April 2009 um 17:07
@Udo:
Naja, man kann einem Fernsehsender nicht vorschreiben, wie er seine Sendung zu machen hat. Ich empfehle Galileo Mystery immer wieder gerne als (wenn auch unfreiwillige) Parodie auf Wissenschaftssendungen, man wird dadurch auch etwas skeptischer bei scheinbar seriösen Programmen.
Und wenn man sich mal anschaut, welche Themen die Sendung bisher hatte, sollte einem schon recht klar sein, in welche Richtung die Sendung geht: Telepathie, Bermuda-Dreieck, König Artus, Prophezeiungen, Roswell, Wunderheilungen, der Da-Vinci-Code, Hellseher, Zombies, Exorzismus, der Bibelcode, Bigfoot, die Kraft des Geistes… das sind ein paar Themen, die laut der Pro7-Homepage bisher in der Sendung behandelt wurden. Da braucht man keinen extra Hinweis, um zu wissen, in welche Richtung es geht. ;-)
Frankenstein war auch mal Thema, da übernahmen sie 1:1 die Thesen von Walter Scheele, obwohl schon mit minimaler Recherche herauszufinden ist, dass der alles frei erfunden hat.
Und am Freitag ist Thema: „die Jesus-Verschwörung: Hat Jesus die Kreuzigung überlebt?“ – braucht man da wirklich einen Hinweis, um zu wissen, welches Zielpublikum man hat?
9. April 2009 um 10:14
@ Jörg Heléne,
auch diesen Ausführungen von Ihnen stimme ich zu und insbesondere zu den von Ihnen erwähnten Sendungen von „Galileo-Mystery“. Diese halte ich für mehr als nur fragwürdig.
Jedoch möchte ich einem Fernsehsender keinesfalls vorschreiben, was er dem Zuschauer ins heimische Wohnzimmer sendet. Letztendlich tragen die Zuschauer mit ihren Einschaltquoten für die dauerhafte Übertragung von solchen Sendungen entscheidend mit bei. Wenn es sich keiner oder nur wenige anschauen würden, dürften sich solche Fernsehsendungen wohl nicht lange halten.
Es geht aber nach meiner Auffassung darum, entsprechende Signale zu setzen, will heißen, es wäre aus meiner Sicht sehr sinnvoll, wenn die in den Gremien sitzenden Verantwortlichen einmal aufhorchen und erkennen würden, in welche befremdliche Richtung so viele Sendungen zum Teil gehen.
Ich betone, dass ich gegen reine Unterhaltungssendungen wie beispielsweise eine Magieshow etc. nichts einzuwenden habe, halte es aber ausdrücklich für erforderlich, den Zuschauer vorweg klar zu informieren und deutlich zu sagen, dass die gezeigten Inhalte nichts mit Wissenschaft zu tun, bzw. nicht mit dieser vereinbar ist.
Es stimmt mich daher sehr bedenklich, wenn diverse Fernsehsendungen sich als eine Art Werkzeug zur etwaigen Anerkennung als auch Verbreitung des hanebüchenen „esoterischen Mumpitz“ herablassen. Dazu nochmals mein Hinweis, dass vor den Fernsehbildschirmen nicht immer nur aufgeklärte Erwachsene sitzen, die zwischen Hokuspokus und Realität unterscheiden können.
9. April 2009 um 14:19
Ich würde das alles nicht so negativ sehen.
Ganz realistisch muss man sagen, jede Fernsehsendung (ob werbe- oder gebührenfinanziert) dient dazu, Zuschauer an die Fernsehgeräte zu locken. Okay, mal abgesehen vielleicht von ein paar von den Landesmedienanstalten erzwungenen dctp-Alibisendungen wie „News and Stories“, die aber für die meisten Zuschauer auch nur mit Mühe zu ertragen sind. Ansonsten unterscheiden sich die Sendungen eben in der Zielgruppe und in dem Interesse, das bei der Zielgruppe angesprochen wird.
Die Zielgruppe von Galileo Mystery, nämlich Leute, die esoterischen Themen aufgeschlossen sind, sich aber auch für (wie auch immer geartete) „Tests“ interessieren, ist aber für die Aufklärungsarbeit der GWUP besonders interessant. Und wenn man diese Zielgruppe erreichen will, muss man eben mit den Formaten arbeiten, die von diesen Leuten gesehen werden. Bei Quarks&Co schalten viele aus dieser Gruppe schon ab, wenn sie den Namen der Sendung hören. Die Zielgruppe von Quarks&Co ist für die GWUP natürlich auch interessant, aber eher für die Mitgliederwerbung. Deswegen stört es mich bei Galileo Mystery auch weniger, wenn wir dort nicht als GWUP in Erscheinung treten, sondern als Bernd Harder, Klaus Schmeh, Mark Benecke… Bei der Zielgruppe, in der wir Mitglieder suchen, ist es viel wichtiger, auch als Organisation genannt zu werden.
Übrigens habe ich gerade bei Galileo Mystery den Eindruck, dass die Tendenz der einzelnen Sendung deutlich davon abhängt, wer zu den Inhalten beiträgt (in einem anderen Fall war das offenbar vor allem Herr Scheele), und der größte Beitrag zu dieser Sendung kam nun einmal vom Shaolin-Tempel Berlin. Da war nicht unbedingt zu erwarten, dass die Shaolin am Ende der Sendung vollkommen demontiert werden. Zur Stockschlag-Nummer mit der Melone hingegen kam der Input fast ausschließlich von mir, und da war die Darstellung in der Sendung auch ganz in unserem Sinne. Den versteckten Vorwärtsschritt darin habe ich noch nirgends so gut enttarnt gesehen, auch nicht, wenn ich es selbst erklärt habe. Auch da muss man aber sagen, dass man an der Validität des Melonen-Demonstrationsmodells vom wissenschaftlichen Standpunkt durchaus hätte herummäkeln können (vor allem, wenn in der Sendung mehr Details zu sehen gewesen wären), was dann gar nicht in unserem Sinne gewesen wäre. Deswegen ist es meines Erachtens auch wichtig für uns, in solchen Formaten vor der Kamera oder einfach als Informationslieferant präsent zu sein. Das ist ja gerade das Problem in den Parawissenschaften, dass sich viele Wissenschaftler zu schade sind, da Stellung zu beziehen, wo nun mal die Meinung breiter Kreise geprägt wird.
Zur Nadelwurfszene hätte ich natürlich dem Hintergrundsprecher einen anderen Text verpasst (oder stattdessen herausgeschnittene Interviewpassagen von mir selbst verwendet ;-) ), aber die Bilder hätte ich auch nicht viel anders geschnitten. (Okay, vielleicht hätte ich das peinliche gefakete Loch in der großen Scheibe nicht in Großaufnahme gezeigt.) Die Aufnahmen mit den diversen Fehlversuchen zogen sich über rund 10 Stunden, und in der Sendung musste das in ein paar Minuten passen. Dafür, dass die von den Technikern aufgehängte Scheibe zu frei schwingen konnte, konnte Shi Yan Yao ja nichts, der hat es auch nicht verstanden und ist beim Werfen fast verzweifelt. Eine neue Aufhängung zu bauen, war keine Zeit, und die von den Chinesen war wirklich nicht präsentabel. Außerdem hätte Linda Stahl große Schwierigkeiten gehabt, das kleine Ding zu treffen, und ihr fast-Durchschlag mit ihrer völlig ungeeigneten Technik war ja eigentlich der beste Beweis, dass auch die Shaolin nur mit Wasser kochen. Ja, wenn auch noch erklärt worden wäre, dass beim Schussapparat nur deshalb die ganze Scheibe zerbrochen ist, weil der Lauf zu dick für eine vergleichbar dünne und spitze Nadel war und deshalb eine Art Nagel verwendet werden musste, wäre es besser gewesen. Aber das Problem war bei den Aufnahmen nicht mehr zu korrigieren, und wer gibt schon gerne zu, dass er selbst beim „Experiment“ gepfuscht hat? Die Spitze der Nadel ist übrigens ganz entscheidend: Die Shaolin verwenden jede Nadel nur ein Mal, dann ist die Spitze stumpf (und zum Teil sichtbar verbogen).
Übrigens sind dem Schnitt nicht nur skeptische Sichtweisen zum Opfer gefallen, sondern auch der gesamte letzte Drehtag, mit einer weiteren Vorführung eines Shaolin-Darstellers, der dafür nebst Geschäftsführerin des dortigen Tempels extra aus Bielefeld angereist war…
Vor der Notwendigkeit, zu kürzen und zu vereinfachen, stand natürlich nicht nur der Schnitt der Sendung, sondern auch mein Skeptiker-Artikel. So ist auch da ein Detail nur ganz am Rande erwähnt, weil ich einfach keinen relevanten Effekt davon finden konnte: Die Shaolin haben zwei Arten von Nadeln. Neben den auf Seite 46 beschriebenen Stahlstiften (mit so einem wurde der erfolgreiche Wurf ausgeführt) gibt es noch tatsächliche Nähnadeln mit Öhr, die ähnlich lang und dick, ähnlich spitz und, soweit ich das nachprüfen konnte, auch ähnlich schwer sind. Das wurde von den Shaolin sehr bereitwillig gezeigt, beide Arten kamen in den Wurfversuchen zum Einsatz, und angeblich funktionieren beide ähnlich gut. Lindas quasi-erfolgreicher Wurf war meine ich mit einer Nähnadel. Ich kann natürlich spekulieren, dass die Nähnadeln vor allem für das Publikum alltäglicher aussehen und die anderen möglicherweise geringfügig mehr Gewicht (also Durchschlagskraft) haben, aber da ich das zumindest in der Sendung als systematische Manipulation ausschließen kann, reite ich nicht darauf herum.
Insgesamt sollte es denke ich auch nicht das Ziel sein, die Leistung der Shaolin herabzuwürdigen. Sportlich sind viele Übungen schon ziemlich herausragend; auch ein brüchiges Eisenstück muss man sich erst mal über die Rübe hauen, und bei allen Tricks, um das ganze auf der Bühne gut aussehen zu lassen, denke ich schon, dass z.B. Shi Yan Yao selbst daran glaubt, bei seinen Vorführungen besonderes Chi einzusetzen. Das ist eben die Vorstellung eines einfach gebildeten Chinesen davon, wie ein Körper funktioniert. Und sich auf diese Vorstellungen einzulassen (selbst wenn man weiß, dass sie physiologisch nicht haltbar sind), hilft einem (auch mir!) durchaus, in der Kampfkunst gewisse Techniken richtig einzusetzen. Übrigens hilft diese Vorstellung auch einem meiner Kampfkunst-Lehrer, besser mit einer chronischen Krankheit klarzukommen.
Dass dabei der Anspruch paranormaler Fähigkeiten erhoben und zur Demonstration dessen auch noch fleißig getrickst wird, würden viele Chinesen wahrscheinlich als völlig normales Marketing wahrnehmen. Dort wird eben auch mit Religion und deren Vermarktung viel pragmatischer umgegangen. Mich ärgert dieses Marketing als Skeptiker, weil es zur Verbreitung irrationaler Vorstellungen beiträgt, und es ärgert mich als Kampfkünstler, weil es die Kampfkunst insgesamt in die Nähe der Esoterik rückt.
An der Sendung könnte ich mich also über den Off-Kommentar ärgern, aber ist es das wirklich wert? Wer sich für die Tests wirklich interessiert hat, hat jedesmal die Erklärung, wie es funktioniert, geliefert bekommen. Ich wage mal zu behaupten, da haben wir bei Fliege, bei Maischberger oder in ernst gemeinten Dokumentationen der ARD schon ganz anderes erlebt …
10. April 2009 um 13:02
Man kann auch gar keine klaren Grenze zwischen wissenschaftlicher Sendung, populärwissenschaftlicher Sendung, wissenschaftlicher Unterhaltungssendung (im Sinne von: eine reine Unterhaltungssendung mit einem wissenschaftlichen Thema) und pseudowissenschaftliche/esoterische Sendung ziehen – und auch wenn Galileo da zum untersten Niveau gehört, so manches, was zum Beispiel unter der ZDF-Marke „Terra X“ läuft, ist auch alles, aber nicht wissenschaftlich. Jetzt im Jubiläumsjahr lief sowohl im ZDF als auch auf ARTE eine Dokumentation über die Varusschlacht, in der die These verbreitet wurde, Arminius sei das Vorbild für Siegfried, dem Drachentöter gewesen, mit derart absurden Argumenten, dass man – je nach Stimmung – herzlich darüber lachen konnte oder wütend im Dreieck sprang, dass so ein Schmarrn mit Gebührengeldern finanziert wird.
Wo die Grenze zwischen Wissenschaft, populärwissenschaftlich und pseudowissenschaftlich zu ziehen ist, ist dabei kaum zu definieren – nebenbei: gerade im Privatfernsehen gab es im Laufe der 1990er Jahre Sendungen, die weitaus schlimmer und esoterischer waren als Galileo Mystery. Wenn also Galileo heute das „Aushängeschild“ der Pseudowissenschaft ist, könnte man das fast als Fortschritt werten ;-).
Formal orientiert sich Galileo Mystery an einem einfachen stilistischen Trick: sie nehmen immer eine weit verbreitete, gern auch esoterische These, widerlegen sie durch Experimente und schaffen so beim Zuschauer den Eindruck einer kritischen Grundhaltung. Dadurch wirkt die Schlussfolgerung am Ende, so unsinnig und/oder esoterisch auch diese manchmal sein mag (man denke z.B. nur an die Episode mit den Geistern, die letztendlich zur reinen Cross-Promotion für Geller und Lucadou ausartete), weitaus fundierter, nach dem Motto: wir glauben ja nicht jeden Scheiß, wir sind skeptisch… nur das, das können wir uns – trotz unserer kritischen Experimente – nicht anders erklären.
Dass der Shaolin nichts für die zu frei schwingende Scheibe konnte, ist genauso klar, wie dass man die 10 Stunden an Fehlversuchen nicht zeigen konnte. Aber die offenbare und sehr interessante Erkenntnis, dass die Art und Weise, wie die Scheibe aufgehängt wird, entscheidend ist, hätte erwähnt werden MÜSSEN. Da hat man einfach eine Information bzw. sogar eine experimentell gewonnene Erkenntnis schlicht unterschlagen, weil sie nicht ins Konzept der Sendung gepasst hat. Das ist dann in der Tat pseudowissenschaftlich.
Und ja, es ist natürlich auch entscheidend, wen man zu den Sendungen einlädt: ob das nun Geller und Lucadou sind, Walter Scheele oder auch Geoffrey Ashe, oder ob man eher Leute von der GWUP oder vergleichbares eingeladen hat, hat immer entscheidend dazu beigetragen, wie der Grundtenor der Sendung war.
10. April 2009 um 22:45
Es geht nicht nur ums eingeladen werden; das kann man ja nur begrenzt beeinflussen. Es geht vor allem um die Frage, gehen wir da hin. Und da würde ich sagen, damit kann man bei „Galileo Mystery“ wirklich was bewegen.
Der Vergleich mit „Terra X“ ist übrigens nicht so weit hergeholt. Die Sendung kommt nämlich ebenso wie „Galileo Mystery“ (aber nicht „Galileo“) von der gleichen Produktionsfirma, Storyhouse Productions. Das sind im Wesentlichen die gleichen Leute.
27. August 2010 um 11:09
Hallo Allerseits,
generell finde ich kritische und wissenschaftliche Herangehensweisen als sehr wichtige Mittel zur Aufklärung dievrser Themen.
In diesem Fall distanziere ich mich von der Darstellung des Chi als übersinnliches Phänomen.Kein ernsthafter Kampfkünstler wird Chi als übersinnlich bezeichnen. Der Hintergrund dieser Auffassung von nicht praktizierenden Laien stammt eher vom Eindruck einer metaphysischen Kraft, welche in solchen Vorführungen zum Ausdruck kommt.
Diese Auffassung ist jedoch von vorneherein falsch.Die vitale Energie des Chi ist eine natürliche und eine in jedem Menschen immanente Manifestation, welche Mehr oder Weniger in einem ungehinderten oder gehemmten Fluss im Körper fliesst.Der Laie und ‚Skeptiker‘, welcher nur theorisiert selbst jedoch nie die direkte Erfahrung dieser Energie erfahren hat wird darüber nur milde lächeln.Ich empfehle ein langjähriges und diszipliniertes Training unter einer kompetenten Aufsicht und dann höre ich mir gerne noch ein mal die hochqualifizierten Meinungen der Kritiker an.
Es grenzt an einer allgemeingültig scheinenden Ignoranz und Arroganz vieler Wissenschaftler u. Menschen generell, welche meinen über eine pure Beobachtung einen faktischen Schluss ziehen zu können.
Themen wie diese erfordern eine unmittelbare Erfahrung um sich ein vollständiges Bild kreiiren zu können.Ohne diese sind Ihre Betrachtungsweisen nichts als reine Theoreme,Meinungen, fernab von der Realität und ohne den Hintergrund einer fundierten Wissenbasis, vorgefasste subjektive Spekulationen.
Die Sendung Galileo ist in sich nicht bekannt für eine ausführliche und saubere Recherche, sondern eher als für eine stümperhafte und sensationslüsterne unterhaltsam angedachte Familiensendung eines Privatsenders bekannt.Angebliche’wissenschaftliche‘ Untersuchungen in einer derartigen unprofessionellen Umgebung als validiert zu bezeichnen grenzt sehr an exorbitanter Ignoranz und einem Narzismus wie ihn nur realitätsferne,dogmatisch durchtränkte Geister praktizieren können.
Nichts für ungut, eine gewisse Subjektivität konnte ich mir nicht verkneifen.Ich bitte nur darum saubere, wissenschaftlich standhafte Untersuchungen anzustellen, welche von Personen praktiziert werden, die zu dieser Thematik einen aus Erfahrung stammenden Kompetenzgrad aufweisen können. Das ist in diesem Fall nicht zu bestätigen gewesen.
27. August 2010 um 11:21
@Satori:
Hallo!
In gewisser Weise ergötze ich mich zwar an Ihren etwas gestanzten Formulierungen wie „Angebliche’wissenschaftliche‘ Untersuchungen in einer derartigen unprofessionellen Umgebung als validiert zu bezeichnen grenzt sehr an exorbitanter Ignoranz und einem Narzismus wie ihn nur realitätsferne,dogmatisch durchtränkte Geister praktizieren können. “
Dennoch weiß ich offen gesagt nicht, wovon genau Sie reden?
Der Beitrag, auf den Sie Bezug nehmen, ist die kurze Ankündigung einer TV-Sendung, nichts weiter. Der Text dieser Ankündung ist wörtlich so vom Sender zitiert, wie auch deutlich kenntlich ist, und gibt nicht die Meinung der GWUP wieder.
An keiner Stelle behaupten die GWUP oder die Skeptiker, dass „Chi“ etwas Übersinnliches sei. In der besagten Sendung übrigens auch nicht, die Sie vermutlich gar nicht gesehen haben?
Unser diesbezüglicher Experte Dr. Holm Hümmler ist auch mitnichten ein „Theoretiker“, wie kommen Sie darauf? Haben Sie auch diesen Beitrag übersehen?
https://blog.gwup.net/2010/06/10/chi-wunder-krafte-kung-fu-humbug/