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Bayerisches Fernsehen und Homöopathie – die dritte

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Wenn es um Homöopathie geht, lässt der Bayerische Rundfunk bekanntermaßen keine Peinlichkeit aus.

So fiel zum Beispiel die redaktionelle Stellungnahme zur Desaster-Sendung “Homöopathie: Medizin oder Mogelpackung?” noch dumpfer aus als der TV-Beitrag selbst – das haben wir hier ausführlich kommentiert.

Eine Antwort auf unsere rein faktenbezogene Replik haben wir nicht bekommen.

Dafür aber Dr. Norbert Aust, der seit Kurzem den Blog „Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie“ betreibt.

Er hatte in einem Schreiben an die BR-Intendanz insbesondere die unkritische Darstellung der angeblichen Wirksamkeit homöopathischer Mittel bei ADHS beklagt und eine „dezidierte Gegendarstellung“ verlangt.

Die Antwort des stellvertretenden Indendanten Prof. Dr. Albrecht Hesse ist heute online gegangen.

Erschreckenderweise argumentiert auch Hesse auf einem Niveau, das tief blicken lässt – in die Untiefen der akademischen Ignoranz und des Wissenschaftsanalphabetismus.

Eine damals in der Sendung zitierte Homöopathie-Studie zur Anwendung individueller homöopathischer Medikamente bei ADHS bezeichnet der professorale BR-Vizechef in seinem Brief als …

… Beleg, dass auch eine Nichtwirksamkeit der Homöopathie nicht eindeutig nachweisbar ist.“

Nä, wirklich??

Wo es keine Beweise für die Wirksamkeit gibt, genügt dem BR also schon der vermeintliche Nichtnachweis der Nichtwirksamkeit?

Geht’s eigentlich noch?

Fast ebenso spaßig (oder traurig, je nachdem) ist die folgende Einlassung des Lehrbeauftragten der Juristischen Fakultät der LMU München:

Einen Beleg für einen sehr stark ausgeprägten Placeboeffekt kann aus unserer Sicht aus der Studie nicht abgeleitet werden.

Dagegen spricht unter anderem, dass bei vielen Patienten erst das dritte oder vierte homöopathische Arzneimittel Wirkung gezeigt hat, obwohl sämtliche Rahmenbedingungen auch schon bei der Gabe des ersten Mittels identisch waren.“

Ach so.

Dr. Norbert Aust kommentiert dies in seiner aktuellen Antwort wie folgt:

[…] Ist es ein Beweis, dass man mit Beschwörungstänzen Regen machen kann, wenn es nach wiederholten Versuchen tatsächlich irgendwann einmal regnet?“

Nichtsdestotrotz ist für den Bayerischen Rundfunk damit die Sache wohl erledigt.

Für Aust hingegen nicht:

Ich möchte meine Frage aus meinem Schreiben vom 8.5. wiederholen, ob es nicht angezeigt wäre, dass der BR prüft, ob eine Gegendarstellung zumindest zu dem Teil der Fernsehsendung notwendig ist, der Informationen zur homöopathischen Therapie von ADHS enthält, die für den Zuschauer nur sehr schwer – eigentlich gar nicht – als unzutreffend erkennbar sind.

Ansonsten könnte der BR für gesundheitliche Schäden an Kindern, die auch in das Erwachsenenalter hineinreichen können, und dem Unglück ganzer Familien zumindest moralisch mitverantwortlich sein.“

Zum Weiterlesen:

  • Antwort des BR zu meinem Brief über die ADHS-Untersuchung Freis, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 28. Mai 2013
  • Homöopathie im BR: Peinlichkeit kennt keine Grenzen, GWUP-Blog am 24. April 2013
  • Bayerisches Fernsehen: Nur noch PR für Pseudomedizin? GWUP-Blog am 3. Mai 2013
  • Gefühllose Küchenschaben und Typhus: Homöopathie zwischen Komödie und Tragödie, GWUP-Blog am 27. Mai 2013
  • Homöopathie im deutschen Museum, GWUP-Blog am 5. Mai 2013
  • Skepkon: Parawissenschaften als gesellschaftlich akzeptierte Parallelwissenschaften, GWUP-Blog am 19. Mai 2013
  • Skepkon: Globuli und Pharmazie – eine Liebesgeschichte? GWUP-Blog am 19. Mai 2013
  • Die Homöopathie-Lüge oder Wie wirksam ist ein Buch? GWUP-Blog am 18. Mai 2013

 

 

 

 

11 Kommentare

  1. „Oder ist es ein Beweis, dass man mit Beschwörungstänzen Regen machen kann, wenn es nach wiederholten Versuchen tatsächlich irgendwann einmal regnet?“

    Traurig, dass der engagierte Herr Dr. Aust dem Verantwortlichen vom BR gegenüber solche Fragen stellen muss, die man eigentlich eher im Kindergarten erwarten würde.

    Wie voreingenommen ist eigentlich der Verantwortliche des Bayerischen Fernsehen?

  2. Na da haben wir wieder das „Pilatus-Prinzip“:

    …Ansonsten könnte der BR für gesundheitliche Schäden an Kindern, die auch in das Erwachsenenalter hineinreichen können, und dem Unglück ganzer Familien zumindest moralisch mitverantwortlich sein….”

    …oder…wie „Wasche ich meine Hände in Unschuld“…leider das erste Lernziel aller Jura-Studenten…

  3. Das ZDF ist auch nicht viel besser.

    Am Wochenende hatte ich das Vergnügen bei einem Besuch bei Muttern, eine Folge „Unser Charly“, „Fahrerflucht“ zu sehen. Einem Sterbenskranken Esel oder Muli wurde durch Globuli mit weißem Arsen geholfen.

    Der Doc sinngemäß „wenn die Schulmedizin versagt muss man zu unkonventionellen Mitteln greifen“ Nach dem Globuli ginge dem Tier plötzlich blendend.

  4. Mir fiel an der Stelle nur sofort der Caltech-Vortrag von James Randi zum Thema „You can’t prove a negative“ ein (zu finden u.a. bei DuRöhre, einfach suchen nach ‚randi prove negative‘).

    Dort erklärt er sehr unterhaltsam am Beispiel vom Weihnachtsmann und seinen Rentieren, dass ein Negativbeweis zu einer Behauptung oftmals schlicht logisch unmöglich ist, und daher die hier ebenfalls von Herrn Hesse wiederholte Aussage „man kann nicht beweisen, dass es nicht wirkt“ zwar vielleicht logisch korrekt, aber eben eine Null-Aussage ist.

  5. Albrecht Hesse argumentiert in seinem Schreiben in einer Weise über Studiendesigns, die nahelegt, dass diese Argumentation nicht aus seiner Feder stammt, er ist Jurist. Ob er sich wissenschaftlich am Ende auf Ernst August Dölle stützt?

  6. @Herr Kuhn:

    Fein beobachtet.

    Wir können wohl davon ausgehen, dass die Redaktion ihm dieses Schreiben aufgesetzt hat.

  7. Ich weiß nicht mehr, wo ich das gelesen habe, aber der Tipp war, bei dieser Argumentation mal mit „Ich habe den Beweis der Nichtwirksamkeit und jetzt beweise mal, daß ich den nicht habe“ zu antworten..

  8. „Einen Beleg […] kann […] nicht abgeleitet werden.“

    Uh… Nicht nur wissenschafts-, sondern auch in jeder anderen Hinsicht analphabet.

  9. @Adromir: Das ist gut, den muß ich mir merken!

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