Heute beginnt in Bielefeld der Grünen-Parteitag.
Um die Homöopathie wird es dabei erst einmal nicht gehen, schreibt tagesschau.de:
Ein Thema, was durchaus das Zeug für einen echten Zoff und eine spannende Debatte bei den Grünen gehabt hätte, wurde frühzeitig abgeräumt: die Homöopathie. Ein Antrag, der die Kostenübernahme durch die Krankenkassen infrage gestellt hatte, hatte schon im Vorfeld des Parteitags heftige Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern der Homöopathie ausgelöst. Die Parteispitze erklärte den Parteitag zu einem unpassenden Ort, um diese Grundsatzfragen zu klären, und hat eine Kommission eingesetzt, die das nun übernehmen soll.
Nichtsdestotrotz porträtiert Zeit Campus (beziehungsweise Zeit+) heute den jungen Grünen-Politiker Tim Demisch, der den besagten Antrag eingebracht hatte:
Am 9. September 2019 geht auf einer Website der Partei Bündnis 90/Die Grünen, auf der Mitglieder Anträge für den Parteitag am 15. November stellen können, ein Antrag von Tim Demisch ein. Gemeinsam mit acht Mitstreiterinnen hat er wochenlang daran getüftelt. Es geht um Homöopathie. Dieser Antrag soll zum Streitthema der kommenden Wochen werden. Dutzende Medien werden darüber berichten, manche werden munkeln, das sei Stoff für eine Spaltung der Partei […] Ein paar Stunden später hat der Antrag Hunderte Unterschriften und Tim Demisch einen Shitstorm am Hals.
Im Folgenden beschreibt die Autorin Sara Tomšić den Konflikt der Partei zwischen „altgrünen Argumenten“ (die man auch „antiwissenschaftliche Reflexe“ nennen könnte) und der Forderung „Unite behind the science“ einer „neuen Generation Grüne“.
Als Mitstreiterin der grünen Jugend wird explizit die 32-jährige Ärztin Paula Piechotta aus Leipzig genannt:
Seit vielen Jahren kämpft Piechotta für eine deutlichere Positionierung der Grünen zur Wissenschaft und evidenzbasierten Ergebnissen. „Esoterik hat in einer großen Partei, die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernimmt, nichts zu suchen“, sagt sie. Sie benutzt Worte wie Inkonsistenz und Unglaubwürdigkeit und meint den oftmals widersprüchlichen Bezug ihrer Partei zur Wissenschaft.
Beim Klimawandel würden sich die Grünen klar positionieren, sagt Piechotta, sie stünden hinter den Ergebnissen der Wissenschaft und liefen beim March for Science in den vorderen Reihen mit. „Wer politische Entscheidungen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einfordert, der muss diesen Anspruch in allen Themenfeldern vertreten.“
Und welch Überraschung: Den Homöopathie-Fans bei den Grünen – darunter die seltsame Birgit Raab – fällt dazu wenig mehr als Verschwörungstheorien ein:
Die Gegner von Homöopathie sagen: Hokuspokus, die Befürworter entgegnen ihnen: Lobbyismus. Das wurde auch schon Tim Demisch vorgeworfen. Er sei brainwashed von den Homöopathie-Skeptikern. Wie viele Jobangebote er denn von der Pharmaindustrie schon bekommen hätte, wurde er auch mal gefragt. Oder ihm wurde vorgeworfen: Er wolle die Partei spalten, den grünen Urgeist angreifen.
Demisch zuckt nur mit den Schultern, wenn er von der Häme erzählt, die ihn im Netz trifft. „Ist ja absurd, also berührt es mich nicht“, sagt er.
Fazit des Artikels: Es ist noch lange nicht vorbei.
In jedem Fall hat Tim Demisch eines erreicht: Am Thema Homöopathie kommt bei den Grünen niemand mehr vorbei […]
Jetzt stellt sich die Frage, für wen die Partei attraktiv bleiben will. Für Stammwähler, denen Homöopathie wichtig ist, oder für die Neuankömmlinge wie Tim Demisch, denen es ums Prinzip geht. Diesen Konflikt wird die Partei lösen müssen. Denn was passieren kann, wenn innere Widersprüche ungelöst bleiben, zeigt der Niedergang der SPD eindrücklich.
Auch der Tagesspiegel stellt heute nochmal die Frage:
Die Grünen berufen sich auf Erkenntnisse der Wissenschaft, wenn es ums Klima geht. Warum lehnen sie deren Ergebnisse aber bei Gentechnik oder Kernkraft ab?
Dabei stellt die Zeitung klar:
In elf großen Metastudien fanden Forscher keine Belege dafür, dass Homöopathie bei irgendeinem Leiden eine Wirkung hat. Für einige Analysen, zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2017, die im Fachmagazin „Systematic Reviews“ erschien, schlossen Wissenschaftler sogar nur doppelt verblindete Studien ein, bei denen also weder Arzt noch Patient wusste, ob ein Wirkstoff verabreicht wird oder nicht. Das Ergebnis war dasselbe: Für keine Krankheit konnte eine Wirkung nachgewiesen werden.
Zum Weiterlesen:
- Ein Kügelchen Sprengstoff, Zeit+ am 15. November 2019
- Die doppelten Maßstäbe der Grünen bei der Wissenschaft, tagesspiegel am 15. November 2019
- Die Grünen und ihr Globuli-Streit, GWUP-Blog am 4. November 2019
- „Alles auf Zucker“, GWUP-Blog am 6. November 2019
- Homöopathie: „Gift für die Grünen“ in der taz, GWUP-Blog am 14. Oktober 2019
- Homöopathie und ein „Kernproblem grüner Politik“, GWUP-Blog am 12. Oktober 2019
- Die Homöopathie-Lobby souffliert grüne Delegiertenanträge, Gesundheits-Check am 5. Oktober 2019
- Grundsatz-Diskussion bei den Grünen: Spaltpilz Homöopathie, moz am 15. November 2019
- Dichotomous thinking and uncertainty in medicine and science, Science-Based Medicine am 11. November 2019
- Kulturkampf bei den Grünen: Wissenschaft oder Gefühligkeit, Plazeboalarm am 1. Oktober 2019
15. November 2019 um 15:03
Birgit Raab – nominiert für das Goldene Brett:
https://2019.goldenesbrett.guru/category/nominiert-2019/
16. November 2019 um 15:03
Homöopathie bei den Grünen: „Ich schäme mich und finde das schade“
https://www.bento.de/politik/homoeopathie-bei-den-gruenen-ich-schaeme-mich-und-finde-das-schade-a-acf3bd7c-e8d1-4933-85dc-585abf0a40bc
20. November 2019 um 20:29
Grüne übergeben Entscheidung zur Homöopathie an Fachkommission
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107484/Gruene-uebergeben-Entscheidung-zur-Homoeopathie-an-Fachkommission
20. November 2019 um 23:41
@ crazyfrog:
Und sie knicken doch noch ein. Traurig!
22. November 2019 um 11:54
Und die taz fährt weiter auf der Esoschiene, indem sie sich an der Relativierung der EBM und der sog. Komplementärmedizin versucht.
https://taz.de/Homoeopathie-als-Kassenleistung/!5634415/
Fazit: Die taz versucht weiter krampfhaft eine sog. ausgewogenes Bild zu zeigen. Auf jeden kritischen Artikel zur „Alternativ“medizin folgt garantiert einer, der die geschundene Seele der Anhänger solcher Methoden streichelt.
22. November 2019 um 12:38
@RPGNo1:
Arm.
22. November 2019 um 23:19
War auch gerade eben Thema in der „heute-show“ :-)
Langsam ist Homöopathie-Kritik so was von „Mainstream“, daß es fast schon keinen Spaß mehr macht ;-)
23. November 2019 um 17:55
Nach den Junggrünen nun die Jungen Liberalen (Brandenburg)
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107630/Junge-Liberale-wollen-ein-Ende-der-Sonderbehandlung-von-Homoeopathie
5. Januar 2020 um 23:01
Dank Tim Demisch und seinen Anhängern werde ich die Grünen nie wieder wählen, die ich seit ihren Anfängen unterstützt habe. Ohne Menschen wie mich, wäre sie nie zu dem geworden, was sie heute ist. Und nun kommen so kleine Klugscheißer daher, die meinen sie hätten die Weisheit mit dem Löffel gefressen und wollen das Rad neu erfinden. Eure Arroganz der Homöopathie gegenüber ist unerträglich und zwischen Wissenschaft und Esoterik gibt es noch so viel mehr, genauso wie zwischen Schwarz und Weiß. Es ist schon ziemlich gruselig, sich vorzustellen, wo diese Partei mit solchen engstirnigen, selbstverliebten Besserwissern, denen noch so einiges an Lebenserfahrung fehlt, enden wird. Es tut mir leid für alle tollen Menschen, die mit soviel Energie und Enthusiasmus diese Partei groß gemacht haben.
5. Januar 2020 um 23:10
@Edith Hartmann:
Und nun kommen so kleine Klugscheißer daher, die meinen sie hätten die Weisheit mit dem Löffel gefressen und wollen das Rad neu erfinden.
Also sich von längst überholten Dogmen, altem Aberglauben und widerlegtem Unsinn zu verabschieden, heißt für Sie, „das Rad neu zu erfinden“?
Interessante Einstellung. Für viele Menschen im 21. Jahrhundert würde genau das die Grünen überhaupt erst wählbar machen.
eure Arroganz der Homöopathie gegenüber ist unerträglich
Auf die Faktenlage hinzuweisen, ist für Sie „Arroganz“? Interessante Einstellung.
… und zwischen Wissenschaft und Esoterik gibt es noch so viel mehr, genauso wie zwischen Schwarz und Weiß.
Nebulöses Gerede ohne Sinn. Es gibt in der Homöopathie nichts „Unerforschtes“ mehr, nichts, was in irgendeiner Weise noch nicht bekannt oder nicht erklärbar wäre.
Die Fakten sind eindeutig, die Diskussion darüber ist längst abgeschlossen – und hoffentlich endlich auch bei den Grünen.
denen noch so einiges an Lebenserfahrung fehlt,
Auch Ihre „Lebenserfahrung“ macht Homöopathie nicht wirksam.
6. Januar 2020 um 08:05
@ Edith Hartmann:
Nicht wir sind arrogant oder Tim Demisch, sondern Du mit Deiner überheblichen „die sollen erstmal so alt werden wie ich“-Mentalität. Du hast Dich dem Establishment inzwischen weitaus mehr angepasst, als Dir wahrscheinlich lieb sein kann. Eben typische Altgrüne.
6. Januar 2020 um 11:21
@Edith Hartmann
Mit Arroganz hat das nichts zu tun.
Es gibt halt tatsächlich Leute, die sich mit den Dingen in der Tiefe beschäftigen und nicht nur bildungsfaul und dümmlich realitätsfern, aber wichtigtuerisch in der Gegend rumschwafeln, wie das z.B. Altgrüne stets taten und dies bis heute tun.
Und diese Leute fanden und finden heraus, das Homöopathie gefährlicher Schwachsinn ist, daran wird sich nichts mehr ändern, das ist ein Fakt.
Verteidiger der Homöpathie sind verständlicherweise die Profiteure wie Pharamaindustrie, Heilpraktiker und Konsorten sowie seltsamerweise die Opfer oder leider deren Eltern.
6. Januar 2020 um 12:31
@ Edith Hartmann
Meine Güte, klingen Sie verbittert!
Wieso eigentlich? Sind Sie der Meinung, nichts mehr lernen zu müssen? Sind Sie gegen Fortschritt?
„Ohne Menschen wie mich, wäre sie nie zu dem geworden, was sie heute ist!“
Ganz schön überheblich.
Tim Demisch tut das Richtige. Was hingegen tun Sie? Sie poltern auf Gossenniveau!
6. Januar 2020 um 16:51
Obwohl die Aussage „Ohne Menschen wie mich, wäre sie nie zu dem geworden, was sie heute ist.“ gar nicht so falsch ist. Menschen wie Edith ist es zu verdanken, dass die Grünen in Fragen wie der Homöopathie heute so festgefahren sind und die Altvorderen bei jeglicher Kritik der jungen Hüpfer ganz schnell ihre Felle davonschwimmen sehen.
Vielleicht wird es Zeit für Menschen wie Edith, die Zukunft der Grünen auch der Zukunft der Gesellschaft, nämlich den Jungen, zu überlassen, anstatt weiterhin im Hühnerstall Motorrad zu fahren und sich zu wundern, warum das die Jugend stört.
6. Januar 2020 um 18:10
Leute wie Tim Demisch machen für mich die Grünen wählbar. Leute wie Edith Hartmann haben mich bisher davon abgehalten.
6. Januar 2020 um 18:40
Man darf gespannt sein, wie Leute wie Herr Demisch reagieren, wenn die Kommission eine Wirkung der Homöopathie über Placebo entgegen der Faktenlage beschließt, oder zumindest weiteren „Forschungsbedarf“ unter fadenscheinigen Begründungen sieht.
Ich tippe auf Kuschen und der Parteiräson unterwerfen, schließlich will man ja auch höchsteigene Ziele verfolgen und vorankommen.
6. Januar 2020 um 18:52
@Edith Hartmann
Tim Demisch und alle anderen Grünen, die gegen Pseudowissenschaft und Esoterik und für Erkenntnis und Aufklärung stehen, sind die Zukunft der Partei.
Sie hingegen vertreten das Motto: „Früher war alles besser.“ Das war schon immer falsch und wird durch ständiges Wiederholen auch nicht korrekter.
6. Januar 2020 um 19:40
Also meine Lebenserfahrung sagt, dass es klug sein kann, althergebrachte Ansichten aufzugeben, wenn sie nicht mehr haltbar sind. Dabei können einem junge Leute manchmal helfen.
Davon abgesehen sind die Grünen nicht zuletzt dadurch groß geworden, dass viele junge Leute etwas anders machen wollten als die alten Leute mit der vielen Lebenserfahrung.
6. Januar 2020 um 20:13
Nur dass das „etwas anders“ auf Realitätsflucht, Wissenschaftsfeindlichkeit, Fortschrittsfeindlichkeit, Querulantentum, naivem Idealismus und dergleichen basierte.
Und die einst jungen Menschen sind nun die alten, verrannt in ihren absurden Weltbildern und unfähig und unwillig zur Einsicht. Die Parteiführung wird es tunlichst vermeiden, der Mehrheit der Mitglieder und Anhänger vor den Kopf zu stossen indem sie Dinge wie Homöopathie zu Recht als Schwachsinn bezeichnet. Da ist es günstiger, die paar vernünftigenund wissenschaftsbasierten Stimmen über die Klinge springen zu lassen oder auszusitzen.
Um esoterischen Nachwuchs brauchen sich die Grünen nicht sorgen, Bildungsniveau und Sozialisierung machen das möglich.
6. Januar 2020 um 23:37
@Edith Hartmann
Lebenserfahrung sollte im besten Falle, eher den Skeptizismus fördern…so war es jedenfalls bei mir…
„Das Rad neu erfinden“…was wollen Sie damit sagen? Kann man wirklich „Homöopathie“ mit der Erfindung des Rads vergleichen? – Nein, würde ich sagen, denn das Rad beweist täglich seine „Wirksamkeit“, da es uns täglich von ‚A‘ nach ‚B‘ befördert, wohingegen es keine Studie gibt, die die Wirksamkeit der „Homöopathie“ beweist (nicht über den Placebo-Effekt hinaus).
…und, seien Sie doch froh, daß Ihre Partei sich von einer „Einhorn-Partei“ zu einer „Volkspartei“ entwickelt, denn nur so hat sie wirklich die Chance ein*e Kanzler*in zu stellen ;-)
7. Januar 2020 um 08:45
Meine Tochter meinte gestern, dass dieser Tim Demisch ein schnuckeliges attraktives Kerlchen sei.
„Gutes Aussehen alleine bringt zwar nicht viel. Aber ein kluges Köpfchen in Kombination mit einer gewissen Attraktivität allerdings schon. Es schafft oft eher Sympathie und trägt leichter zur Verständigung bei!“
Könnte stimmen, oder?
14. Januar 2020 um 15:15
Bumm! Die Kommission der Grünen zur Homöopathie ist geplatzt. Grund: Informationen aus einem internen Vorgespräch seien an Zeitungen durchgestochen worden.
https://taz.de/Gruene-und-Homoeopathie/!5655403/
14. Januar 2020 um 16:14
Was für ein billiges, durchschaubares Theater.
Bin gespannt, was die grünen Homöopathie-Kritiker zu diesem Mummenschanz sagen.
14. Januar 2020 um 16:16
@RainerO:
Sie finden’s gut:
https://blog.gwup.net/2020/01/14/gruene-und-homoeopathie-die-kommission-ist-abgesagt-jetzt-soll-der-vorstand-ran/
30. Januar 2020 um 05:17
Interessant :warum Teile der Grünen Wissenschaft kritisch sehen und so auf Homöopathie stehen
„Historikerin über den Homöopathie-Streit
Warum glauben immer noch viele Grüne an Alternativmedizin?
Silke Mende hat die Geschichte der Grünen erforscht. Hier erklärt sie das ambivalente Verhältnis der Partei zur Wissenschaft.“
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/historikerin-silke-mende-ueber-die-gruenen-wie-haelt-es-die-partei-mit-der-wissenschaft-a-22a6c20d-9299-454b-87de-20eeee6b1764
Und
Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“
Eine Geschichte der Gründungsgrünen
https://www.degruyter.com/view/product/224898