Beim Humanistischen Pressedienst gibt’s heute ein Interview mit Dr. Martin Mahner zu seinem Buch
Naturalismus. Die Metaphysik der Wissenschaft
Ein Auszug:
hpd: Wenn man die naturalistische Annahme der Nichtexistenz von Supranaturalem voraussetzen muss, um überhaupt empirische Methoden sinnvoll anwenden zu können, erscheint es paradox, die Existenz von Übernatürlichem wissenschaftlich untersuchen zu wollen.
Mahner: Das ist es in der Tat. Aber nur auf den ersten Blick. Wie sich diese scheinbare Paradoxie auflöst, verrate ich hier aber nicht, denn das ist ein langer Argumentationsgang. Außerdem würde ich eine der Pointen im Buch vorwegnehmen. Und, um auf die Frage nach den Psi-Tests der GWUP zurückzukommen, so diskutiere ich unter anderem, ob dort wirklich Übernatürliches getestet wird und warum Übernatürliches nicht gleich Übernatürliches ist.
hpd: Die Realwissenschaften müssen also von einer naturalistischen Metaphysik ausgehen, um überhaupt empirische Erkenntnis gewinnen zu können. Wie stellt sich dann das vieldiskutierte Verhältnis von Wissenschaft und Religion dar?
Mahner: Das hängt davon ab, was man unter „Religion“ verstehen will. Insofern Religion an den Supranaturalismus gebunden ist – was für die meisten relevanten Religionen zutrifft –, kann man zeigen, dass beide sowohl metaphysisch inkompatibel sind als auch hinsichtlich ihrer normativ-erkenntnistheoretischen Grundannahmen, das heißt ihrer Methodologie. Man muss also letztlich sagen: Religiöse Wissenschaftler haben offenbar die metaphysischen und methodologischen Grundlagen beider Bereiche nicht konsequent durchdacht.
Im aktuellen Skeptiker (1/2019) rezensiert Amardeo Sarma Mahners Buch:
Im öffentlichen Wettstreit von philosophischen Positionen in Bezug auf die Wissenschaft hat Martin Mahner ein starkes Plädoyer für einen ontologischen Naturalismus in der materialistischen Tradition von Mario Bunge geliefert. Diese Konzepte sind wesentlich klarer und überzeugender als viele konkurrierende Vorstellungen, die gerade in Mode sind.
Zum Weiterlesen:
- Die Wissenschaft und das Übernatürliche, hpd am 25. März 2019
- Rezension: „Warum Naturalismus?“, Skeptiker 1/2019
- Video: „Die PSI-Tests der GWUP – 10.000 Euro für den Nachweis von Paranormalem“ bei Skeptics in the Pub Köln, GWUP-Blog am 3. März 2019
- Heinz W. Droste: Turn of the Tide – Gezeitenwechsel. Einführung in Mario Bunges exakte Philosophie. Alibri 2015, 196 Seiten, 14 €
- Martin Mahner: Naturalismus – Die Metayphysik der Wissenschaft. Alibri 2018, 237 Seiten, 18 €
25. März 2019 um 23:46
Ketzerische Frage: Ist die Untersuchung von Naturgesetzen nicht zwangsläufig die Untersuchung von etwas Übernatürlichem? Naturgesetze sind ja nicht selbst Teil der Natur. ;-)
26. März 2019 um 09:45
@ Joseph Kuhn: Die Frage ist weniger ketzerisch denn kurios.
Wie kommen Sie darauf, dass Naturgesetze nicht selbst Teil der Natur sind? Das gesetzmäßige Verhalten der Dinge wird durch in- oder kovariant verbundene Eigenschaften dieser Dinge bestimmt. Damit sind Naturgesetze zunächst selbst Eigenschaften der Dinge!
Und das, was man landläufig als Naturgesetze bezeichnet, sind eigentlich Naturgesetzesaussagen, also Hypothesen über das Bestehen von Naturgesetzen als Eigenschaften von Dingen.
Steht aber auch alles im Buch. ;)
26. März 2019 um 18:43
Der vor ein paar Jahren verstorbene theoretische Physiker Henning Genz hat ein ziemlich kernig zu lesendes Buch verfasst, dessen Tenor sogar so lautet:
Die Welt besteht aus Randbedingungen und Naturgesetzen – und Ziel von Wissenschaft ist es, den Bereich der Randbedingungen zu Gunsten gesetzmäßiger Zusammenhänge aufzulösen. Vergesst die Phänomene, Naturgesetze sind am Ende vermutlich das Einzige, woraus sich Wirklichkeit konstituiert!
26. März 2019 um 21:06
@ Martin Mahner:
Dass Naturgesetze „Eigenschaften der Dinge“ sind, könnte man aber auch als kuriose Antwort verstehen. Gibt es Naturgesetze unabhängig von „Naturgesetzaussagen“? Und ist ein „Gesetz“ nicht etwas Verallgemeinertes, ein „Ding“, was immer das sein mag, etwas Einzelnes? Aber vermutlich wollen Sie mich nur zum Kauf des Buches verführen? ;-)
Machen Sie zufällig mal eine Lesung in München?
28. März 2019 um 09:27
Für mich klingen Naturgesetze in den Dingen nach dispositionalen Eigenschaften oder „in- oder kovariant“ deutet dann doch wieder an, dass Strukturen real sind. Mir ist nicht klar, was diese sonst bedeuten sollten. Im Buch gibt es aber bestimmt eine Antwort ;)
28. März 2019 um 13:35
@Joseph Kuhn:
Natürlich gibt es Naturgesetzlichkeiten unabhängig von Naturgesetzesaussagen. Sonst würde das bedeuten, dass es auf der Welt erst naturgesetzlich zugeht, seit jemand Naturgesetze(saussagen) formuliert hat. Das wäre schon etwas magisch. Es ist auch richtig, dass eine Gesetzesaussage immer etwas Allgemeines ist.
Aber die Gesetzesaussage muss sich ja auf etwas beziehen, von etwas handeln. Und die Bezugsobjekte von Gesetzesausagen schließen auch einzelne Vorgänge ein, die unabhängig von uns gesetzmäßig verlaufen („Für jedes X gilt…“). Diese Antwort setzt aber einen Realismus voraus, den natürlich auch nicht alle teilen…
Ich werde sicher keine Lesungen machen. Lesungen aus Sachbüchern finde ich nicht so prickelnd.
28. März 2019 um 13:41
@libertador:
Vielleicht wird es aus der Antwort an Joseph Kuhn oben klarer?
Gesetzmäßigkeiten müssen ja real sein. Wir können den Dingen ja kaum durch unsere Aussagen über sie vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben…
28. März 2019 um 23:25
@ Martin Mahner:
Dass es „Naturgesetze“ unabhängig von Naturgesetzesaussagen geben müsse, weil es sonst ohne Menschen nicht naturgesetzlich zugehen könne, wäre eigentlich ein schönes Diskussionsthema. Ich ahne, was Sie meinen, aber ich möchte dem Schluss in der Form nicht folgen.
Viel Erfolg mit dem Buch, ich schau es mir mal an, wenn ich es sehe.
29. März 2019 um 00:08
Ja, der Begriff Naturgesetz impliziert schon fast etwas Supernaturales…
auch die Naturkonstanten sind immer wieder ein Argument für einen Schöpfer, der diese genau so fein-justiert hat, daß sie den Menschen ermöglichen.
Eine elegante, wenn auch hochspekulative Erklärung, sind unendlich viele Universen, die alle Möglichkeiten verwirklichen.
Das Multiversum bedarf auch keines Anfangs oder Ende, sondern ist schon immerdar und ewig, damit wäre es gleichsam eines Gottes, der auch diese edlen Eigenschaften sein eigen nennen darf.
Aber vielleicht ist unser Universum auch nur aus einer Laune des Nichts entstanden; dafür spricht, daß man annimmt, daß die Gesamtenergie im Universum gleich NULL ist.
Vielleicht eine Erklärung ist die Vakuumenergie
Am Anfang war es nur „Zufall“ und die Naturgesetze entstanden und sind an die Materie gekoppelt und somit nichts transzendentes.
Hier kann man das Buch „Nichts als das Nichts“, von dem auch schon von klauszwingenberger erwähnten Physikers Henning Genz, empfehlen ;-)
29. März 2019 um 08:05
@ Ralf im Vollrausch:
Damit es kein Missverständnis gibt: Ich argumentiere nicht, dass „Naturgesetze“ einen gesetzgebenden Schöpfer implizieren, oder genauer: einen Schöpfer der Natur. Ich will mich ja nicht um den Preis für den dümmsten Gottesbeweis bewerben (zumal ich gar nicht weiß, was genau da bewiesen würde: http://scienceblogs.de/gesundheits-check/2018/01/28/ueber-gott-sprechen/).
Martin Mahner hat den – aus meiner Sicht – springenden Punkt genannt, das Verhältnis zwischen „Naturgesetzen“ und „Naturgesetzaussagen“. Dass es in der Natur mit rechten Dingen zugeht, darin sind wir uns einig.
29. März 2019 um 09:49
@Ralf im Vollrausch:
Ich fürchte, das ist ein gutes Beispiel, wie stark die Auffassung von Gesetzesaussagen noch von Supranaturalismus bzw. Idealismus geprägt sind, indem sie getrennt von den Dingen selbst betrachtet werden, so also ob sie irgendwie über den Dingen schwebten und die Dinge zwängen, sich ihnen zu beugen.
Selbst die Rede von einer Kopplung macht m.E. wenig Sinn, denn auch das setzt eine vorausgehende Unabhängigkeit voraus. Siehe Brian Ellis:
„Scientific Essentialism defends the view that the fundamental laws of nature depend on the essential properties of the things on which they are said to operate, and are therefore not independent of them. These laws are not imposed upon the world by God, the forces of nature or anything else, but rather are immanent in the world.
Ellis argues that ours is a dynamic world consisting of more or less transient objects which are constantly interacting with each other, and whose identities depend on their roles in these processes. Natural objects must behave as they do, because to do otherwise would be contrary to their natures. The laws of nature are, therefore, metaphysically necessary, and consequently, there are necessary connections between events.“
29. März 2019 um 09:55
@alle (hier und bei jedem anderen Beitrag):
Absätze (zu erzeugen z.B. mit der Eingabe-Taste) erhöhen die Lesbarkeit ungemein.
Ansonsten muss ich das alles händisch selbst einfügen …