gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

„Hokuspokus – Geld weg“: Spiegel-Titelgeschichte über esoterische Therapien und VHS

| 21 Kommentare

Spiegel-Titelgeschichte morgen (34/2018):

Mit dabei sind Dr. Natalie Grams, Prof. Edzard Ernst und weitere INH-Mitglieder.

Dazu gibt’s einen Beitrag über Esoterik und medizinischen Pseudo-Quark an unseren Volkshochschulen:

  • In jedem fünften Volkshochschulkurs im wichtigen Programm-Teilbereich Erkrankungen/ Heilmethoden, so ergab die Spiegel-Analyse, wird ein fragwürdiges alternativmedizinisches Verfahren gelehrt.
  • Mehr als jeder achte Kurs betrifft sogar eine Therapieform, die vollkommen unwirksam oder wissenschaftlich gar nicht erst untersucht ist.

Die VHS Erfurt war am Erhebungsdatum von allen untersuchten Volkshochschulen diejenige mit den meisten fragwürdigen alternativmedizinischen Angeboten, die VHS Leipzig bietet die wenigsten solcher Kurse an: Dort zählt nur jedes 23. Kursangebot dazu.

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VHS Erfurt, erklärt deren Leiter Torsten Haß, seien „offen für jedes Thema, welches fachlich-didaktisch unseren Qualitätsansprüchen und unserem kommunalen Bildungsauftrag entspricht und durch die Bürgerinnen und Bürger nachgefragt wird“.

Es sei absurd, wenn die VHS-Angebote „zur Volksverdummung beitragen“, beklagt Edzard Ernst. Es müsse klare Standards geben. „Sonst könnte man ja auch Kurse in Steuerhinterziehung oder Autoknacken anbieten, da wäre die Nachfrage sicherlich auch groß.“

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist entsetzt von den Ergebnissen der Spiegel-Analyse. Er erwarte „eine funktionierende Qualitätskontrolle durch die Volkshochschulen, die auf wissenschaftlichen Studien fußt“.

Die Bildung an Volkshochschulen wird zu rund 60 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert, die von den Kommunen, aber auch aus den Ländern, von Bund und EU kommen.

„Die Volkshochschulen müssen es schaffen, sich selbst angemessen zu kontrollieren“, sagt Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das Medikamente und Heilverfahren wissenschaftlich bewertet. „Und wenn die Selbstkontrolle nicht funktioniert, sollte man darüber nachdenken, die öffentlichen Gelder für VHS-Kurse über fragwürdige Heilmethoden zu streichen.“

Update: „Auch in Deutschland formiert sich Widerstand“: Der Spiegel über die Pseudomedizin am 18. August 2018

Zum Weiterlesen:

  • Volkshochschulen lehren fragwürdige Alternativmedizin-Methoden, Spiegel-Online am 17. August 2018
  • Das Elend der Volkshochschulen – Die Ihr eintretet, lasst alle Vernunft fahren, Psiram am 1. Februar 2013
  • VHS: Viel hochgradiger Schwachsinn, GWUP-Blog am 20. Juli 2011
  • Offenheit für alles? Erneute Kritik an Mainzer VHS, GWUP-Blog am 10. November 2014
  • Die VHS – Hort der Aufklärung? Nö – Hort des Eso-Bullshits, Onkel Michaels kleine Welt am 8. September 2017

21 Kommentare

  1. Zitat: „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VHS Erfurt, erklärt deren Leiter Torsten Haß, seien „offen für jedes Thema, welches fachlich-didaktisch unseren Qualitätsansprüchen und unserem kommunalen Bildungsauftrag entspricht und durch die Bürgerinnen und Bürger nachgefragt wird“.“

    Qualitätsansprüche, so so. Ich nehme mal an, dass das so abläuft:

    Der Referent und Lehrer für „Homöopathie im Alltag“, Wiglaf T., Heilpraktiker, kann nachweisen, dass er die Heilpraktikerprüfung vor dem Gesundheitsamt Oberprotzingen erfolgreich bestanden hat. Dazu kommen dann noch mehrere Zertifikate mit solch illustren Titeln wie „Homöopathie für Anfänger“, „Homöopathie für Fortgeschrittene“ oder „Homöopathie nach Hildegard von Bingen“, die er in Abend- und Wochenendkursen an der Naturheilschule „Samuel Hahnemann junior“ erworben hat.

    Und zuletzt gibt es dann noch ein in Hindi verfasstes Diplom von Dr. Dr. Rajesh Maharadschi, einem genialen Guru, der die Homöopathie in Indien weiterentwickelt hat.

    Alle Dokumente sind sauber zertifiziert und beglaubigt. Der Qualität(sform) wurde Genüge getan. Der Herr darf seinen VHS-Kurs abhalten.

  2. DIe ganzen 80er und 90er Jahre durch haben Massenmedien unkritisch über „Sanfte Heilmethoden“ wie z. B. Homöopathie so geschrieben als wären sie eine vernünftige Alt zur wirklichen Medizin. Dieser Hokuspokus-Energetiker-„Boom“ ist jetzt das Ergebnis.

    https://twitter.com/Leitner_K/status/1030524737112469509

  3. @crazyfrog
    Da ist was dran.

  4. Die Kommentare trudeln auf Spiegel Online ein. Ich habe sie mir zu Gemüte geführt.
    Vorsicht: Bitte Beruhigungstabletten, 2 cm Eichenbrett zum Reinbeißen oder Kissen für den Computertisch bereithalten.
    Die Verteidiger der Alternativmedizin bieten (wie zu erwarten) die gesamte Bandbreite der Pseudoargumente auf. Einige Zitate:
    „Pharma-Mafia, Sklave des Systems“
    „bin durch Ayurveda […] in Indien wieder vollständig gesund“
    „hat die Lobby, [sic] der traditionellen Mediziner/Pharmareferenten wieder Angst“
    “ pauschale Verurteilung von alternativen Heilmethoden ohne auch nur eine einzige denunzierende Aussage mit Fakten zu belegen“
    „So lange es nicht schadet – warum nicht?“
    „Ayurveda … 5000 Jahre alte Lehre … billig … wirksam“
    „4 antbiotica behandlungen wegen ohrenprobleme … Losung war , die gallefunktion regulieren mit heilkrauter [sic]“
    „ich sehe diesen Artikel in einer Reihe von Lobbyartikeln“
    „bashing gegen alternative heilmethoden und Heilpraktiker“

    Und das waren nur die ersen 50 Kommentare.

  5. @RPGNo1:

    „ich sehe diesen Artikel in einer Reihe von Lobbyartikeln“

    Da hat sich der- oder diejenige wohl im Blatt geirrt:

    https://blog.gwup.net/2018/05/16/wer-haette-das-gedacht-die-homoeopathie-artikel-bei-focus-online-sind-bezahlt/

  6. @RPGNo1 – zum ersten Kommentar:

    Exakt so läuft das ab. Und noch viel schlimmer. Antwort auf eine Anfrage, ob Interesse an einem Vortrag zur Aufklärung über Homöopathie bestünde: Vielen Dank, dieses Thema ist seit Jahren bei uns erfolgreich durch Vorträge von zwei beliebten Heilpraktikern fachkundig abgedeckt und gut nachgefragt.

    Intervention: Entschuldigung, es geht nicht um Propaganda für Homöopathie, sondern um Aufklärung darüber, dass und warum sie eine unwirksame Scheinmethode ist.

    VHS: Wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, sehen wir angesichts des bereits bestehenden Kursangebotes keinen Bedarf für Ihre Offerte. Vielen Dank blabla…

    Wir wollen mal nicht hinterfragen, wieviel Werbemöglichkeiten den „bekannten Heilpraktikern“ für sich selbst im Rahmen dieser Kurse eröffnet werden… und ohne Zweifel hat man diese bewährten Mitarbeiter auch gefragt, was sie von meinem Angebot halten.

  7. Besser kann man den Unterschied zwischen @focusonline und @DerSPIEGEL wohl nicht darstellen. Alternative Fakten versus Alternative: Fakten

    https://twitter.com/nataliegrams1/status/1030807658369114114

  8. @Udo Endruscheit
    Danke für diesen Einblick. Es ist traurig, dass die VHS nicht einmal in Erwägung zieht, das Angebot zu prüfen, obwohl sie ganz offensichtlich keinen Funken Ahnung vom Thema Homöopathie haben.

    @ crazyfrog
    Kein Wunder, denn der Focus hat schließlich Prof. Dr, Dietrich Grönmeyer interviewt. *hüstel*
    https://www.psiram.com/de/index.php/Dietrich_Gr%C3%B6nemeyer

  9. @ Udo Endruscheid:

    Aber VHSn werden doch normalerweise von den Städten, in denen sie sich befinden, subventioniert. Gibt es denn da keine Möglichkeit, einen Missbrauch dieser Subventionen durch Scharlatane durch irgend eine Rechnungsprüfungsstelle kontrollieren zu lassen?

    Und zur Not dem Bund der Steuerzahler mal eine Liste der ganzen VHSn in Deutschland, an denen solche Veranstaltungen stattfinden (das dürften fast alle sein), zukommen lassen.

  10. @noch’n Flo:

    „einen Missbrauch dieser Subventionen durch Scharlatane“

    Der entscheidende Punkt ist, dass eine nationale Behörde (am besten BMG) – wie in England, Australien, Russland, USA etc. – ganz klar definieren müsste, was hier „Scharlatanerie“ und damit „Missbrauch“ von Subventionen genau ist.

    Die VHSen haben – wie schon einige Kommentatoren angemerkt haben – „keinen Funken Ahnung“ von diesen Themen. Und wenn das gut läuft und niemand es ihnen explizit untersagt – warum sollen die auf ein paar Spaßbremsen vom INH hören?

  11. Ich hab mir jetzt mal einen schnellen Überblick über das Programm der Wiener Volkshochschulen zum Thema Gesundheit verschafft, bisschen TCM, ansonsten eher wissenschaftlich orientiert und einige interessante, mir kommt vor sogar mutige Veranstaltungen z. B. zum Thema Sexualität.

    Ich bin positiv überrascht! Immerhin habe ich einen kleinen 2. Job an einer VHS.

    Hoffentlich habe ich nichts übersehen. Vortragenden und konkrete Inhalte kann ich natürlich nicht beurteilen.

    Sonst haben wir hier die identen Probleme wie in Deutschland. So Besonderheiten wie den Beruf des Humanenergetikers.

    Pseudomedizinische Methoden aller Art sind mittlerweile so im Mainstream angekommen, dass ich eher schwarz sehe. Unter meinen Kollegen und Kolleginnen bin ich mittlerweile eine Aussenseiterin, weil ich mich sowohl gegen allerlei Verschwörungsunsinn (9/11, Freimaurer…) als auch gegen Pseudomedinzin wie Homöopathie zu Felde ziehe.

  12. @noch’n Flo
    Mal ganz ketzerisch: Wieso denn Missbrauch?

    Viele deutsche Krankenkassen bezahlen oder bezuschussen diese Pseudomedizin. Und die Bundesärztekammer hat es nicht für nötig gehalten, die Zusatzbezeichnung Homöopathie zu streichen. Warum soll denn eine Stadtverwaltung die Subventionierung der VHS kappen, wenn rührige Organisationen, die es eigentlich besser wissen müssen, die Pseudomedizin immer stillschweigend unterstützen? Auf das Urteil dieser Gruppen muss man sich doch verlassen können, nicht wahr?

  13. „tu felix austria“

  14. @NochnFlo:
    Nein, diese Möglichkeit gibt es nicht…

    Das kann ich deshalb so mit Bestimmtheit sagen, weil ich mehrere Jahrzehnte lang Rechnungsprüfer in einer solchen Stadt war (auch mit Kontakten zur VHS) und die Grenzen genau kenne, bis wohin man sich vorbeißen kann als Revisor. Inhaltich-fachliche Kritik – zumal in Bereichen wie Kultur und Bildung, wo ja die „Fachleute“ sitzen und der schnöde Revisor „eh keine Ahnung hat“ – bringen dem Revisior sofort massive Beschwerden über „ganz oben“ ein – und ja, sie sind ihm auch faktisch verwehrt.

    „Der Prüfer darf sein inhaltliches Ermessen nicht an die Stelle des inhaltlichen Ermessens des Fachbereiches setzen.“ So sieht es aus…

    Außerdem ist die VHS mischfinanziert – der Löwenanteil kommt aus dem Landessäckel. Der städtische Anteil wird nach Maßgabe dessen verwandt, was der städtische Kulturausschuss beschließt, und der folgt dem, was die VHS vorlegt. Es bedürfte schon eines gut positionierten Kritikers, um in diesem System einen Knüppel zwischen die Speichen zu bekommen. Und einen – heute nicht mehr unerheblichen – Anteil muss die VHS aus solchen Kursen finanzieren, die unter dem Strich Gewinn bringen.

    Dass dadurch auf den Leitungen auch ein betriebswirtschaftlicher Druck lastet, sei unbestritten. Aber klar sollte auch sein, dass man dafür nicht seine Seele verkauft, vor allem nicht als Bildungseinrichtung.

    An dieser Stelle scheint mir das Problem auch gar primär zu liegen. Die Leitungsebene und die Fachbereichs-Hauptamtlichen gehören leider selbst vielfach zu der Klientel, die für „alles offen“ ist – im schlechtesten Sinne. Die Curricula der VHSen werden ja auch – einschließlich Schwurbel – vom Dachverband mitgetragen. Da muss schon mal ein reinigendes Gewitter kommen – z.B. die Streichung der Sonderstellung von Homöopathie und Co. aus dem Arzneimittelgesetz… Bitte, bitte…

  15. Ich habe mich vielleicht unglücklich ausgedrückt. Aber ist es denn erlaubt, wenn ich durch einen subventionierten VHS-Kurs gleich noch Werbung für mein eigenes Geschäft mache?

  16. @Flo
    Vermutlich nicht, aber das ist auch gar nicht nötig.
    Die Kursleiter dürfen sich ja schon vorstellen. Also ist da ein Heilpraktiker, der einen Kurs gibt – somit ist schon indirekt Werbung für die eigene Praxis gemacht; denn wenn die Leute das nächste mal einen HP „brauchen“, wird ihnen der Name des Kursleiters einfallen. Die Suchmaschine des Vertrauens wird dann auch die Kontaktdaten liefern.

  17. Der tapfere Karl Lauterbach! Er erwartet also „eine funktionierende Qualitätskontrolle durch die Volkshochschulen, die auf wissenschaftlichen Studien fußt“.

    Ich erwarte von einem Gesundheitspolitiker, der ständig Wörter wie Evidenz und Wissenschaft im Munde führt, dass er nicht schon deswegen aufhört, sich dafür einzusetzen, weil er, so seine eigenen Worte, den größten Shitstorm seiner Karriere erlebt habe als er „im Spiegel forderte, die Bezahlung homöopathischer Behandlungen durch die Krankenkassen abzuschaffen“ und weil der, der den Sonderstatus der alternativmedizinischen Arzneimittel beseitigen wolle, eine „halbreligiöse Grundsatzdiskussion mit ungewissem Ausgang“ in Kauf nehmen müsse.

    Mehr Lobbydruck war nicht? Was sind das für Politiker, die wohlfeile Erwartungen an die Volkshochschulen richten, aber selbst aus Angst vor einem „Shitstorm“ und „halbreligiösen Grundsatzdiskussionen“ vor weiterem Engagement in der Sache zurückschrecken? Kein Wunder, dass die SPD bei echtem Lobbydruck erst recht einknickt.

  18. Neues vom Parteiorgan der deutschen Homöopathie-Lobby, auch bekannt als Focus Online.
    https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/naturheilkunde/gesponsert/so-funktionieren-globuli-und-co-6-fakten-zum-thema-homoeopathie_id_9540196.html

    PS: Ich wäre ganz ehrlich daran interessiert, wieviel Geld die DHU im Jahr für Werbe- und Marketingaktionen aufwendet. Da sie nur sehr geringe Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Zulassungsaktivitäten haben, so dürfte der Marketingetat ganz erheblich ausfallen.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.