gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Ist Wünschelrutengehen für die „Zeit“ ein seriöser Beruf?

| 25 Kommentare

Es gab mal einen Artikel in der Zeit, der begann so:

Es klänge wohl zynisch, den viereinhalb Millionen Arbeitslosen in Deutschland zuzurufen: Was wollt ihr? Es gibt Tausende von Stellen! Das Geld liegt auf der Straße!

Und doch ist es nichts als die Wahrheit.

Wer familiär ungebunden ist, sich bereit erklärt, gegebenenfalls auf eine sonnige Insel umzuziehen, wer mehrere Stunden lang lächeln und glücklich wirken kann und Lust hat, viel Geld zu verdienen, der sollte umgehend sein Glück als Unternehmer in die eigenen Hände nehmen und freischaffender Guru werden.“

Das war 1998, der Beitrag hieß „Werden Sie Guru!“ und war satirisch gemeint.

Heute, anno 2013, rät Die Zeit nur leicht verbrämt „Werden Sie Rutengänger!“ – und meint das anscheinend völlig ernst.

Nachdem in der Serie „Berufe der Woche“ auch der „Parapsychologe“ schon mal gewürdigt wurde, kommt jetzt der Radiästhet zu höheren Weihen:

Mit der Rute auf Wassersuche“

Dass die Rutengeherei blanker Unsinn ist, kann man den Leserkommentaren entnehmen – im Text selbst ist keine Rede davon.

Und deshalb haben wir für den Autor Markus Schleufe einen heißen Tipp für die nächste Folge von „Berufe der Woche“:

Werden Sie Scharlatan!

Apropos Wünschelrute:

Am vergangenen Wochenende hat auch die Süddeutsche Zeitung einen populären Rutengänger vorgestellt, der sich „Quellemichel“ nennt.

Immerhin erwähnt der Autor Titus Arnu dabei folgendes Faktum:

Die James Randi Foundation in Florida hat für den Nachweis paranormaler Phänomene wie einer Wasserortung durch Wünschelruten eine Erfolgsprämie von einer Million Dollar ausgesetzt.

James Randi, der in den USA als Bühnenzauberer und Entfesslungskünstler arbeitet, hat unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen mehr als 200 Kandidaten geprüft, die behaupteten, Strahlen fühlen zu können.

Bislang konnte noch kein Wünschelrutengänger solchen Fähigkeiten im kontrollierten Laborversuch vorführen. Die Prämie wartet immer noch auf ihre Auszahlung.“

Der „Quellemichel“ lehnt solche Tests ab, mit der Begründung:

Da wird künstliche Strahlung eingesetzt.“

Nette Ausrede, aber wenig stichhaltig.

Erstens funktionieren unsere unverblindeten Vortests immer – und noch kein Rutengänger hat sich dabei über die angeblich „künstliche“ Strahlung beklagt.

Zweitens: Beim berühmten Wünschelruten-Test der beiden Münchner Physikprofessoren Hans-Dieter Betz und Herbert König 1989 haben erfahrene Rutengänger, die unabhängig voneinander muteten, die angeblichen  „Wasseradern“ oder „Kreuzungspunkte“ an ganz verschiedenen Stellen im Gelände geortet.

Hatten sie keine Möglichkeit, sich im Gelände zu orientieren, fanden sie die Orte, die sie selbst zuvor ausgemutet hatten, nicht wieder.

Nicht umsonst kommt „Wünschelrute“ von „Wünschen“ beziehungsweise „Wunschdenken“. Und „muten“ von „vermuten“.

Also, „Quellemichel“ – nur Mut.

Wir erwarten gerne Ihre Bewerbung.

Zum Weiterlesen:

25 Kommentare

  1. Der Artikel drückt nur den Zeitgeist aus, daher steht er in der „Zeit“.

    Im Ernst: Was will man in einer Zeit erwarten, in der viele junge Mädchen gerne „Superstar“ bei RTL oder Prostituierte im Bordell werden wollen?

    Die Sorte von Mensch, die ohne Disziplin, Fleiß und Ausbildung/Studium glaubt, im Leben viel erreichen zu können, wird solche Tätigkeiten wie in der „Zeit“ genannt, sicher gerne ausführen. Unabhängig davon, ob die Arbeit seriös ist oder nicht.

  2. „Heute, anno 2013, rät Die Zeit nur leicht verbrämt “Werden Sie Rutengänger!” – und meint das anscheinend völlig ernst.“

    genau so ernst wie das Arbeitsamt Berlin ;)
    http://www.bz-berlin.de/archiv/arbeitsamt-zahlt-umschulung-zum-wahrsager-article769148.html

  3. Vielleicht auch eine Betr… äh Berufsidee für die Zukunft:
    Zeitgeistheiler

    Sofortmaßnahme nach Verletzung:
    Man nehme eine Ausgabe derselben, mache sie nass, drehe sie durch einen vegetarischen Fleischwolf und lege die Pampe auf die offene Wunde.

    Die ZEIT heilt Wunden.
    Was gibt es da zu lachen? Das ist uraltes Wissen!

  4. @ nihil jie

    Armes Deutschland.

    Wieder ein Grund, nicht die FDP zu wählen!

  5. Der Autor schreibt übrigens in den Kommentaren etwas zu seiner Motivation:
    http://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-09/beruf-wuenschelrutengaenger/komplettansicht?commentstart=105#comments

    Ein Auszug:

    „Der Beruf des Rutengängers ist sicherlich kontrovers zu betrachten.
    Es gibt jedoch Menschen, die an den Hintergrund, auf dem diese Tätigkeit basiert, glauben. Auf der einen Seite sind das diejenigen, die ein Problem haben und dafür eine Lösung suchen. Auf der anderen Seite diejenigen, die für ein Problem eine Lösung anbieten können. Für diese Problemlösung wird folglich ein Entgelt geboten. So funktioniert der Markt.“

  6. Unglaublich, das die Zeit sich traut solch eine Pseudowissenschaft so unkritisch darzustellen mit ein paar Alibi-Satz-Fragmenten wie „allerdings keine anerkannte Wissenschaft“. Schon klar, fehlt nur noch der Beisatz, dass das die beschränkte Wissenschaft halt noch nicht feststellen kann. Unseriöse Beruf vorstellen, tolle Leistung. Aber ansonsten durchaus geeignet prominent in der ZEIT dargestellt zu werden. Super. Was kommt als nächstes:
    – Phrenologen
    – Graphologen
    – Tarotkartenleser
    – Engel-Therapeuten

    Peinlich für die ZEIT, wirklich peinlich.

  7. @Pierre Castell

    ich versteh das mit der FDP nicht ganz, bei uns (in Österreich) sind es vor allem die Grünen die sowas unterstützen. Selbst an Unis werden von der grünen Studentenvertretung solche Kurse angeboten. Die sind alle gleich dumm;-)

  8. Überraschung! In dem Artikel steht: „Wenn Schlafgestörte bei Ärzten, Heilpraktikern oder Homöopathen nicht mehr weiterkommen, ist das häufig ein Job für Rutengänger“ Das heisst, die können noch mehr als Wunderheilung, aber gegen die hinderliche Strahlung bei Para-Tests sind sie machtlos!? Loser!!
    Im (fast) Ernst: Zeit Online ist Gratisjournalismus. Die wollen doch nur, dass man ein Abo abschliesst.

  9. Was denn nun, Herr Castell, der Zeitgeist oder die FDP?

  10. @ Chemiker

    Wenn jemand aus einer Partei der FDP dieses Konzept begrüßt, ist dies für mich ein Grund die FDP nicht zu wählen…

  11. @ Abe

    In Ihren Augen ein Widerspruch?
    Wenn ja, wieso?

  12. @Micha:

    „Auf der einen Seite sind das diejenigen, die ein Problem haben und dafür eine Lösung suchen. Auf der anderen Seite diejenigen, die für ein Problem eine Lösung anbieten können. Für diese Problemlösung wird folglich ein Entgelt geboten. So funktioniert der Markt.“

    Nächste Folge von „Beruf der Woche“:

    Auftragsmörder

  13. @Pierre Castell

    wie kommen sie jetzt auf die FDP ? *grins* aber um mal kurz die Politik an zu sprechen… obwohl ich davon gerne absehen würde, ich das aber dennoch tue, weil auch ich ein Mensch mit schwächen bin ;)

    ich würde am liebsten niemanden wählen, weil für mich all diese Parteien so unendlich viele Lichtjahre von dem entfernt sind was ich mir für die Menschheit wirklich wünschen würde. ich werde dennoch wählen gehen… wem ? das verrate ich niemandem ;)

    @all
    gerade habe ich mir mal die Kommentare zu dem Zeit-Artikel angetan… :D naja… hat was… zumindest ist es etwas amüsant ;)

  14. @ nihil jie

    Der letzte Satz des Artikel aus der „BZ-Berlin“, den Sie hier gestern um 17.02 Uhr verlinkten, brachte mich auf die FDP…

  15. @Pierre Castell

    ich war damals auch sehr überrascht als ich den Artikel las. ich hätte dahinter eher die politische Grünfärbung vermutet. aber da fiel es mir wie Schuppen von den Augen… es geht doch um Arbeitsplätze und zwar um jeden Preis :)

  16. @trixi
    gute Idee! ist jemand bei der Zeit angemeldet und kann dem Autoren dieses Berufsbild für ein Portrait vorschlagen?

  17. Ist die Zeit eine seriöse Publikation?

    Ich vermute nicht.

  18. Der Journalist hat nichts gelernt
    und muss darüber schreiben.
    So ist er weit davon entfernt,
    mucksmäuschenstill zu bleiben.
    Das zieht in eine laute Stadt
    aus Klatsch und Schnaps und Bieren,
    wenn einer nichts zu sagen hat
    und es zu formulieren.
    Am Lebensende schaut er
    froh und stolz auf seine Siege:
    War er dem Mist doch ewig so
    affin wie jede Fliege.

    Der Journalist, aus: Thomas Gsella: Der kleine Berufsberater.

  19. @ Gerry
    „Ist die Zeit eine seriöse Publikation?
    Ich vermute nicht.“

    Harte Worte!

  20. Man, was regt ihr Euch auf…Heilpraktiker-Ausbildung mit Fachrichtung Psychotherapie gibt es doch auch…und was soll an einem Rutengänger schlimmer sein ;-) :-)

  21. @Pierre Castell

    angesichts der Kriegstreiberei kann ich zu keinem anderen Schluss kommen.

  22. @ Gerry

    Da ich die „Zeit“ zuletzt vor ca. einem Jahr in der Hand hielt, kann ich das nicht beurteilen.

    Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist die „Zeit“ für einen Angriffskrieg in Syrien?

  23. @ Pierre

    „für“ ist noch leicht untertrieben :-)

    Schreiberlinge anderer Publikationen sind auch mit von der Partie.
    Und man fragt sich dann schon warum man sich bei Berichten aus anderen Bereichen auf diese Publikationen verlassen soll, wenn die Obama-Regierung noch nicht einmal gefakte Beweise vorlegt (1):

    http://www.sueddeutsche.de/politik/mutmasslicher-chemiewaffeneinsatz-in-syrien-obamas-stabschef-sieht-keine-unwiderlegbaren-beweise-1.1765702

    (1)
    Wie das Colin Powell seinerzeit vor der UNO tat. Dass er sich dafür heute öffentlich schämt, zeigt dass trotz langjähriger Militär- und Politkarriere noch ein Rest Anstand übrig geblieben ist.

  24. @ Gerry

    Jaja, leider ein ganz schwieriges komplziertes Thema…

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.