Es gab mal einen Artikel in der Zeit, der begann so:
Es klänge wohl zynisch, den viereinhalb Millionen Arbeitslosen in Deutschland zuzurufen: Was wollt ihr? Es gibt Tausende von Stellen! Das Geld liegt auf der Straße!
Und doch ist es nichts als die Wahrheit.
Wer familiär ungebunden ist, sich bereit erklärt, gegebenenfalls auf eine sonnige Insel umzuziehen, wer mehrere Stunden lang lächeln und glücklich wirken kann und Lust hat, viel Geld zu verdienen, der sollte umgehend sein Glück als Unternehmer in die eigenen Hände nehmen und freischaffender Guru werden.“
Das war 1998, der Beitrag hieß „Werden Sie Guru!“ und war satirisch gemeint.
Heute, anno 2013, rät Die Zeit nur leicht verbrämt „Werden Sie Rutengänger!“ – und meint das anscheinend völlig ernst.
Nachdem in der Serie „Berufe der Woche“ auch der „Parapsychologe“ schon mal gewürdigt wurde, kommt jetzt der Radiästhet zu höheren Weihen:
Mit der Rute auf Wassersuche“
Dass die Rutengeherei blanker Unsinn ist, kann man den Leserkommentaren entnehmen – im Text selbst ist keine Rede davon.
Und deshalb haben wir für den Autor Markus Schleufe einen heißen Tipp für die nächste Folge von „Berufe der Woche“:
Apropos Wünschelrute:
Am vergangenen Wochenende hat auch die Süddeutsche Zeitung einen populären Rutengänger vorgestellt, der sich „Quellemichel“ nennt.
Immerhin erwähnt der Autor Titus Arnu dabei folgendes Faktum:
Die James Randi Foundation in Florida hat für den Nachweis paranormaler Phänomene wie einer Wasserortung durch Wünschelruten eine Erfolgsprämie von einer Million Dollar ausgesetzt.
James Randi, der in den USA als Bühnenzauberer und Entfesslungskünstler arbeitet, hat unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen mehr als 200 Kandidaten geprüft, die behaupteten, Strahlen fühlen zu können.
Bislang konnte noch kein Wünschelrutengänger solchen Fähigkeiten im kontrollierten Laborversuch vorführen. Die Prämie wartet immer noch auf ihre Auszahlung.“
Der „Quellemichel“ lehnt solche Tests ab, mit der Begründung:
Da wird künstliche Strahlung eingesetzt.“
Nette Ausrede, aber wenig stichhaltig.
Erstens funktionieren unsere unverblindeten Vortests immer – und noch kein Rutengänger hat sich dabei über die angeblich „künstliche“ Strahlung beklagt.
Zweitens: Beim berühmten Wünschelruten-Test der beiden Münchner Physikprofessoren Hans-Dieter Betz und Herbert König 1989 haben erfahrene Rutengänger, die unabhängig voneinander muteten, die angeblichen „Wasseradern“ oder „Kreuzungspunkte“ an ganz verschiedenen Stellen im Gelände geortet.
Hatten sie keine Möglichkeit, sich im Gelände zu orientieren, fanden sie die Orte, die sie selbst zuvor ausgemutet hatten, nicht wieder.
Nicht umsonst kommt „Wünschelrute“ von „Wünschen“ beziehungsweise „Wunschdenken“. Und „muten“ von „vermuten“.
Also, „Quellemichel“ – nur Mut.
Wir erwarten gerne Ihre Bewerbung.
Zum Weiterlesen:
- Mit der Rute auf Wassersuche, Zeit-Online am 3. September 2013
- Die Zeit wünschelrutet, aargks/pro Logik am 4. September 201
- Wünschelruten und Qualitätsjournalismus, Der Nesselsetzer am 8. September 2013
- Muten mit Ruten: Die Psi-Tests 2013, GWUP-Blog am 16. August 2013
- Psi-Tests 2012: Bio-Eier, Pendel und Wünschelruten, GWUP-Blog am 26. August 2012
- Eine-Million-Euro-Test gescheitert, GWUP-Blog am 7. März 2013
- Durchgefallen: Wünschelruten im Psi-Test, GWUP-Blog am 27. November 2007
- Traumberuf Parapsychologe, GWUP-Blog am 17. August 2010
- Werden Sie Scharlatan! GWUP-Blog am 20. November 2011
- Werden Sie Scharlatan! Skeptiker 1/2005
- Werden Sie Guru! Zeit-Online am 23. Februar 1998
- Werden Sie Instant-Guru, Training aktuell 04/12
- Wünschelruten und Erdstrahlen, Pseudowissenschaft entlarvt
- Millionen-Preisgeld verspielt: Wünscheruten versagen im Test, Der Spiegel am 12. Oktober 2004
- Parapsychologie-Prüfung: Unterirdisch, überirdisch, außerirdisch, Süddeutsche am 2. August 2011
- Psi-Tests 2010 (1), youtube-Video
- Psi-Tests 2010 (2), youtube-Video
- Alles fauler Zauber? Das Übersinnliche auf dem Prüfstand, youtube-Video
- Die Psi-Tests 2009, Skeptiker 3/2009
- Die Psi-Tests der GWUP, GWUP-Blog am 17. Mai 2007
- Der Kasseler Wünschelrutentest der GWUP, religio.de
- Die Störzonen, in denen Erdstrahlen entstehen, befinden sich nicht in der Erde, sondern im Kopf, geophys.uni-stuttgart.de
- Kurzes Glück, Der Spiegel 38/1995
- Psiram: Der Wünschelruten-Report
- Psiram: Wünschelrute
- Psiram: Wasserader
- Psiram: Radiästhesie
- Psiram: Erdstrahlen
5. September 2013 um 16:15
Der Artikel drückt nur den Zeitgeist aus, daher steht er in der „Zeit“.
Im Ernst: Was will man in einer Zeit erwarten, in der viele junge Mädchen gerne „Superstar“ bei RTL oder Prostituierte im Bordell werden wollen?
Die Sorte von Mensch, die ohne Disziplin, Fleiß und Ausbildung/Studium glaubt, im Leben viel erreichen zu können, wird solche Tätigkeiten wie in der „Zeit“ genannt, sicher gerne ausführen. Unabhängig davon, ob die Arbeit seriös ist oder nicht.
5. September 2013 um 17:02
„Heute, anno 2013, rät Die Zeit nur leicht verbrämt “Werden Sie Rutengänger!” – und meint das anscheinend völlig ernst.“
genau so ernst wie das Arbeitsamt Berlin ;)
http://www.bz-berlin.de/archiv/arbeitsamt-zahlt-umschulung-zum-wahrsager-article769148.html
5. September 2013 um 17:04
Vielleicht auch eine Betr… äh Berufsidee für die Zukunft:
Zeitgeistheiler
Sofortmaßnahme nach Verletzung:
Man nehme eine Ausgabe derselben, mache sie nass, drehe sie durch einen vegetarischen Fleischwolf und lege die Pampe auf die offene Wunde.
Die ZEIT heilt Wunden.
Was gibt es da zu lachen? Das ist uraltes Wissen!
5. September 2013 um 17:08
@ nihil jie
Armes Deutschland.
Wieder ein Grund, nicht die FDP zu wählen!
5. September 2013 um 23:14
Der Autor schreibt übrigens in den Kommentaren etwas zu seiner Motivation:
http://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-09/beruf-wuenschelrutengaenger/komplettansicht?commentstart=105#comments
Ein Auszug:
„Der Beruf des Rutengängers ist sicherlich kontrovers zu betrachten.
Es gibt jedoch Menschen, die an den Hintergrund, auf dem diese Tätigkeit basiert, glauben. Auf der einen Seite sind das diejenigen, die ein Problem haben und dafür eine Lösung suchen. Auf der anderen Seite diejenigen, die für ein Problem eine Lösung anbieten können. Für diese Problemlösung wird folglich ein Entgelt geboten. So funktioniert der Markt.“
5. September 2013 um 23:52
Unglaublich, das die Zeit sich traut solch eine Pseudowissenschaft so unkritisch darzustellen mit ein paar Alibi-Satz-Fragmenten wie „allerdings keine anerkannte Wissenschaft“. Schon klar, fehlt nur noch der Beisatz, dass das die beschränkte Wissenschaft halt noch nicht feststellen kann. Unseriöse Beruf vorstellen, tolle Leistung. Aber ansonsten durchaus geeignet prominent in der ZEIT dargestellt zu werden. Super. Was kommt als nächstes:
– Phrenologen
– Graphologen
– Tarotkartenleser
– Engel-Therapeuten
Peinlich für die ZEIT, wirklich peinlich.
6. September 2013 um 01:01
@Pierre Castell
ich versteh das mit der FDP nicht ganz, bei uns (in Österreich) sind es vor allem die Grünen die sowas unterstützen. Selbst an Unis werden von der grünen Studentenvertretung solche Kurse angeboten. Die sind alle gleich dumm;-)
6. September 2013 um 06:52
Überraschung! In dem Artikel steht: „Wenn Schlafgestörte bei Ärzten, Heilpraktikern oder Homöopathen nicht mehr weiterkommen, ist das häufig ein Job für Rutengänger“ Das heisst, die können noch mehr als Wunderheilung, aber gegen die hinderliche Strahlung bei Para-Tests sind sie machtlos!? Loser!!
Im (fast) Ernst: Zeit Online ist Gratisjournalismus. Die wollen doch nur, dass man ein Abo abschliesst.
6. September 2013 um 09:31
Was denn nun, Herr Castell, der Zeitgeist oder die FDP?
6. September 2013 um 11:19
@ Chemiker
Wenn jemand aus einer Partei der FDP dieses Konzept begrüßt, ist dies für mich ein Grund die FDP nicht zu wählen…
6. September 2013 um 11:20
@ Abe
In Ihren Augen ein Widerspruch?
Wenn ja, wieso?
6. September 2013 um 11:32
@Micha:
„Auf der einen Seite sind das diejenigen, die ein Problem haben und dafür eine Lösung suchen. Auf der anderen Seite diejenigen, die für ein Problem eine Lösung anbieten können. Für diese Problemlösung wird folglich ein Entgelt geboten. So funktioniert der Markt.“
Nächste Folge von „Beruf der Woche“:
Auftragsmörder
6. September 2013 um 12:58
@Pierre Castell
wie kommen sie jetzt auf die FDP ? *grins* aber um mal kurz die Politik an zu sprechen… obwohl ich davon gerne absehen würde, ich das aber dennoch tue, weil auch ich ein Mensch mit schwächen bin ;)
ich würde am liebsten niemanden wählen, weil für mich all diese Parteien so unendlich viele Lichtjahre von dem entfernt sind was ich mir für die Menschheit wirklich wünschen würde. ich werde dennoch wählen gehen… wem ? das verrate ich niemandem ;)
@all
gerade habe ich mir mal die Kommentare zu dem Zeit-Artikel angetan… :D naja… hat was… zumindest ist es etwas amüsant ;)
6. September 2013 um 13:34
@ nihil jie
Der letzte Satz des Artikel aus der „BZ-Berlin“, den Sie hier gestern um 17.02 Uhr verlinkten, brachte mich auf die FDP…
6. September 2013 um 15:36
@Pierre Castell
ich war damals auch sehr überrascht als ich den Artikel las. ich hätte dahinter eher die politische Grünfärbung vermutet. aber da fiel es mir wie Schuppen von den Augen… es geht doch um Arbeitsplätze und zwar um jeden Preis :)
7. September 2013 um 01:47
@trixi
gute Idee! ist jemand bei der Zeit angemeldet und kann dem Autoren dieses Berufsbild für ein Portrait vorschlagen?
7. September 2013 um 07:43
Ist die Zeit eine seriöse Publikation?
Ich vermute nicht.
7. September 2013 um 09:07
Der Journalist, aus: Thomas Gsella: Der kleine Berufsberater.
7. September 2013 um 13:08
@ Gerry
„Ist die Zeit eine seriöse Publikation?
Ich vermute nicht.“
Harte Worte!
8. September 2013 um 00:28
Man, was regt ihr Euch auf…Heilpraktiker-Ausbildung mit Fachrichtung Psychotherapie gibt es doch auch…und was soll an einem Rutengänger schlimmer sein ;-) :-)
8. September 2013 um 07:42
@Pierre Castell
angesichts der Kriegstreiberei kann ich zu keinem anderen Schluss kommen.
8. September 2013 um 20:45
@ Gerry
Da ich die „Zeit“ zuletzt vor ca. einem Jahr in der Hand hielt, kann ich das nicht beurteilen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist die „Zeit“ für einen Angriffskrieg in Syrien?
9. September 2013 um 09:28
@ Pierre
„für“ ist noch leicht untertrieben :-)
Schreiberlinge anderer Publikationen sind auch mit von der Partie.
Und man fragt sich dann schon warum man sich bei Berichten aus anderen Bereichen auf diese Publikationen verlassen soll, wenn die Obama-Regierung noch nicht einmal gefakte Beweise vorlegt (1):
http://www.sueddeutsche.de/politik/mutmasslicher-chemiewaffeneinsatz-in-syrien-obamas-stabschef-sieht-keine-unwiderlegbaren-beweise-1.1765702
(1)
Wie das Colin Powell seinerzeit vor der UNO tat. Dass er sich dafür heute öffentlich schämt, zeigt dass trotz langjähriger Militär- und Politkarriere noch ein Rest Anstand übrig geblieben ist.
9. September 2013 um 15:07
@ Gerry
Jaja, leider ein ganz schwieriges komplziertes Thema…