gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

„Phänomenal Paranormal“ war gar nichts am Amityville Hoax

| 3 Kommentare

Bekanntlich ist uns Dr. Dr. Walter von Lucadou ein wenig gram, weil wir ihn hier im Blog mal als „tragischen Beglaubiger“ tituliert haben:

Aber wieso nimmt er uns das übel?

Wenn wir uns nicht völlig verhört haben, ist sich „Deutschlands bekanntester Parapsychologe“ (Stuttgarter Nachrichten) treu geblieben und scheint jetzt sogar das Schwindler-Paar Ed und Lorraine Warren sowie den ausgemachten Hoax von Amityville zu beglaubigen.

Und zwar in der neuen Podcast-Folge von Phänomenal Paranormal:

Bis zu Minute 47:10 könnte man eventuell noch vermuten, dass Lucadou Opfer einer unlauteren Gesprächsführung ist und seine Aussagen tatsächlich aus dem Zusammenhang gerissen werden. Denn bis dahin geht es eher allgemein um Stimmen hören, Schlafparalyse, Pareidolie, Ghosthunter und „Embodimentstörungen“.

Als er dann aber ernsthaft versucht, den „grünen Schleim“ im Spukhaus von Amityville zu erklären, können sich sogar die beiden Hosts das Lachen nicht verbeißen („Sorry Walter, Entschuldigung, Herr von Lucadou …“)

Zwar hält Lucadou die filmischen Darstellungen des „Amityville Horror“ für „total übertrieben“ – aber eben nur für „übertrieben“, nicht für frei erfunden.

Sowohl die „Dämonologen“ Ed und Lorraine Warren, die den Nonsens authentifizierten, als auch George Lutz, der die Story in die Welt setzte, finden Lucadous grenzenloses Wohlwollen, der am Ende alles irgendwie mit Wahrnehmungstäuschungen und Gedächtnisverfälschungen erklärt.

Klar, dass die Hosts Parshad und Marc Augustat das „cool“ und „schön“ finden, wie der Doppel-Doktor aus Freiburg „die Geschichte vom Amityville Horror-Haus“ glattzieht. So kann man wenigstens ganz schnell darüber hinweggehen, dass Augustat bei 52:30 eine einzige winzige Bemerkung fallen lässt, wonach „die Kritiker“ sagen, da sei „nichts dran an dem Spuk“.

Kein Wort darüber, dass maßgebliche Protagonisten des Schwindels nachweisbare Aussagen wie

We created this horror story over many bottles of wine.

oder

In other words, it was a hoax.

getätigt haben, etwa im People Magazine (1979):

Apropos „Kritiker“:

Am 29. Mai erreichte uns eine Anfrage der Phänomenal Paranormal-Produktionsfirma, ob wir „die einzelnen Vorkommnisse“ im Amityville-Haus „besprechen und einordnen“ könnten, darunter auch der besagte „grüne Schleim, der aus den Wänden sickerte“.

Unsere Antwort: Wir können keine Phänomene besprechen, die es nie gab – erklären aber gerne, von wem und warum diese Lügengeschichte aufgebracht wurde.

Daraufhin haben wir von dem Ersuchen nichts mehr gehört.

Der Vollständigkeit halber hier die Zusammenfassung des „Amityville Horror“, wie sie 2005 im „Lexikon der Großstadtmythen“ erschienen ist:


In dem Haus 112 Ocean Avenue in Amityville ist der Teufel los. Aus den Toiletten quellen stinkende Flüssigkeiten, grüner Schleim rinnt von den Wänden, überall erklingen unheimliche Geräusche, rot glühende Augen schweben körperlos in der Dunkelheit, eine solide Tür fliegt wie unter einem mächtigen Druck aus den Angeln.

So jedenfalls schildert der Hollywoodfilm „Amityville Horror“ jene Ereignisse, die im Dezember 1975 George Lutz und dessen Familie widerfahren sein sollen.

Das schmucke Gebäude auf Long Island (New York) war zum Schnäppchenpreis von 80.000 Dollar in den Besitz des Landvermessers übergegangen. Denn wenige Monate zuvor hatte darin ein 23-jähriger Amoktäter namens Ronald DeFeo seine Eltern und vier Geschwister erschossen.

Doch das vermeintliche Traumhaus entpuppt sich schnell als Alptraum. Nach dem Einzug der Familie Lutz häufen sich unerklärliche und Schrecken erregende Vorfälle, die darauf hinzudeuten scheinen, dass das Böse höchst selbst am Werk ist. Durch den Bestseller „The Amityville Horror – A true Story“ von Jay Anson und die Verfilmung erfährt die ganze Welt von dem mysteriösen Spuk.

So auch Dr. Joe Nickell.

Der ehemalige Privatdetektiv und heutige „Researcher“ der amerikanischen Skeptiker-Organisation CSICOP begibt sich zum Ort des Geschehens und überprüft akribisch die Details des Grusicals.

Schnell wird Nickell stutzig.

Die angeblich von bösen Geistern malträtierte Tür weist noch die Original-Lackierung und keinerlei Spuren einer Reparatur auf. Erkundigungen bei der lokalen Polizeidienststelle ergeben, dass keiner der Beamten je von Familie Lutz zu Hilfe gerufen worden ist – wie im Buch behauptet wird.

Weder die Nachbarn noch die übrigen Anwohner der Ocean Avenue oder die Vor- und Nachmieter der Lutzes haben je etwas von dämonischen Manifestationen mitbekommen. Der Ortspfarrer Rev. Ralph J. Pecoraro, der bei einem Besuch der Spuk-geplagten Familie angeblich unerklärliche Wunden und Brandblasen an den Händen davontrug, hat nach eigener Aussage des Haus nie betreten.

Auch mysteriöse, klauenartige Fußabdrücke im verschneiten Garten kann es nie gegeben haben. Wie Nickell recherchierte, herrschten an dem in Rede stehenden Tag milde Witterungsverhältnisse ohne Schneefall auf Long Island vor.

Der „Amityville Horror“ entpuppt sich schließlich als Amityville-Hoax. Der Anwalt des Mörders Ronald DeFeo, William Weber, hatte sich mit George und Kathy Lutz die medienwirksame Schauergeschichte ausgedacht.

Weber:

Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Flaschen Wein wir an jenem Abend intus hatten, aber es waren sicher mehr als vier. Und irgendwann fingen wir gemeinsam an, Ideen zu spinnen.

Das Motiv des Anwalts:

Weber versuchte zu dieser Zeit, ein Wiederaufnahmeverfahren für seinen verurteilten Klienten „Ronnie“ DeFeo anzustrengen. Und „Geisterstimmen“ im Haus oder eine Art dämonische Besessenheit des 23-jährigen Täters schienen ihm dafür hinreichend gute Argumente zu sein.

George und Kathy Lutz wiederum hatten Schulden und brauchten Geld. Am Ende machten sie lediglich etwa 300.000 Dollar mit ihrem Schwindel. Das ganz große Geschäft teilten diverse Buchautoren und Filmproduzenten unter sich auf.

Bis heute übrigens. Mittlerweile existieren sechs Sequels des Films von 1979, in denen alte Standuhren, Spiegel und sonstige Relikte des berüchtigten Amityville-Hauses die Hauptrolle spielen.

Ob dieser dreisten Geldmacherei wenden sich sogar die Autoren eines „Lexikons des Horrorfilms“ mit Grausen: „Es bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft nicht noch weitere dubiose Einrichtungsgegenstände für weitere – lediglich auf die schnelle Mark mit einem bekannten Titel bedachten – Fortsetzungen herhalten müssen.“


Mittlerweile umfasst die „Amityville“-Filmreihe mehr als 40 Streifen.

Und noch immer gibt es Influencer, die das Ganze als „Phänomenal Paranormal“ ausgeben.

Zum Weiterlesen:

  • Amityville: The Horror of It All, Skeptical Inquirer Vol. 27, No. 1/2003
  • The ABC-ville Horror, Skeptical Inquirer Vol. 27, No. 1/2003
  • The Amityville Horror Photographs, skeptical-inquirer am 5. Januar 2022
  • Was „Amityville Horror“ Based on a True Story? snopes am 15. April 2005
  • The Amityville Murders: Lutz vs. Weber
  • The Amityville Murders: Revealing the Facts
  • Amityville authors‘ haunt a hoax, ABC Science am 15. März 2011
  • „Amityville“ Prisoner Says Movie Money Tainted Defense, New York Times am 25. Juni 1992
  • Psi Encyclopedia: Amityville
  • Voice of Reason: The Truth Behind the Amityville Horror, livescience am 8. April 2005
  • The real story behind the infamous Amityville Horror house, New York Post am 16. März 2021
  • Die schaurige Geschichte des weltberühmten Amityville-Horrorhaus, travelbook am 25. November 2021
  • Der Amityville Horror, mimikama am 15. Mai 2015
  • Mörder, dessen Taten die „Amityville Horror“-Filme inspirierten, stirbt mit 69, ny-aktuell am 21. Februar 2023
  • „Amityville Horror“ killer dies in prison at 69, nbc am 15. März 2021
  • Ronald DeFeo, Killer Who Inspired „The Amityville Horror“, Dead at 69, rolling stone am 16. März 2021
  • Gespenstersehen: die isolierte Schlafparalyse, GWUP-Blog am 19. Juli 2021
  • Deutschlandfunk Nova: Wie aus einem Haus ein Geisterhaus wird, GWUP-Blog am 19. Juli 2018
  • „The Conjuring“: Zwei Geisterjäger im Reich der Fabel, GWUP-Blog am 18. Juli 2013
  • Lucadou im „Playboy“ – wieder mal mit der GWUP als Nemesis, GWUP-Blog am 10. Februar 2023
  • Lucadou – Der tragische Beglaubiger, GWUP-Blog am 20. November 2010
  • Lucadou, Uri Geller und die Löffelmagie der 1970er-Jahre, GWUP-Blog am 24. Januar 2024
  • „Geisterjäger“ klagt erfolgreich gegen das Land, stuttgarter-zeitung am 20. Dezember 2020

3 Kommentare

  1. Die junge Dame beleidigt durch FKK-Auftritte in ihrer Wohnung ihre unsichtbaren Mitbewohner.
    Nackig – Geisterbeleidigung – Unglück.
    In New York gab es 2001 das fürchterliche Attentat vom 11. September. In New York gibt es (höchstwahrscheinlich) diverse Sauna-Anlagen. Klickt´s, Herr Doktor Ganser? SO geht Wissenschaft, Herr Doktor Ganser!

  2. All diesen Irrlichternden im metaphysischen Nichts sei die so wahre wie wichtige Sentenz von Ray Hyman ans Herz gelegt:

    “Do not try to explain something until you are sure there is something to be explained.”

  3. Lucadou, ist das nicht derjenige der meinte, man müsse die Überwachungskamera unscharf stellen, damit man ein flüchtiges PSI-phänomen einfangen kann. Die Gwup hat ihn doch vor 20 Jahren schon entzaubert.

    In den letzten zwanzig Jahren ist er der Wahrheit, einer reflektierten Position usw anscheinend kein Zentimeter näher gekommen https://www.zeit.de/2003/47/N-Psi-Ph_8anomene paywall 2003 ZEIT

    Zitat“ Lucadou hat aber auch seine eigene Theorie über den kleinen Rest der Psi-Ereignisse, die bisher wissenschaftlich nicht erklärbar sind. In seinem „Modell der Pragmatischen Information“ jongliert er mit allerhand Begriffen aus der Quantentheorie und versucht damit zu begründen, dass ähnlich wie in der Teilchenwelt auch in der Wechselwirkung zwischen Psyche und Materie eine Art Unschärferelation besteht: Je mehr man versucht, Psi-Phänomene mit objektiven Methoden nachzuweisen, umso mehr entziehen sie sich der Nachforschung. Da wird zum Beispiel die Überwachungskamera just in dem Moment unscharf, in dem der Geist durchs Zimmer poltert. Kritisiert wird dieses Modell allerdings sowohl von Skeptikern, die darin eine Immunisierung der Parapsychologie sehen, als auch von Psi-Forschern, die noch in ihren Labors den objektiven Beweis für die Existenz der übersinnlichen Phänomene antreten wollen. Bislang kämpft Lucadou recht einsam für seine Theorie.“

    Da gibts im Archiv der GWUP einige interessante Beiträge

    https://www.gwup.org/component/content/article/63-parapsychologie/783-dimension-psi-total-paranormal

    https://www.gwup.org/infos/themen/56-parawissenschaften/717-irrt-die-physik-lambeck

    Können Paraphänomene durch die Quantentheorie erklärt werden?

    https://www.gwup.org/infos/themen/63-parapsychologie/1659-koennen-paraphaenomene-durch-die-quantentheorie-erklaert-werden

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.