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Der „Reichsbürger“-Putsch um Prinz Reuß sollte am 8. Dezember 2022 stattfinden

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Mitte Juli hat der Bundesgerichtshof (BGH) die „Fortdauer der Untersuchungshaft gegen Beschuldigte aus dem sogenannten Reichsbürgermilieu wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ angeordnet.

In der Begründung heißt es,

… die Beschuldigten, die der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung angehörten, schlossen sich zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden sowie durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen […]

Nach der maßgeblichen Verdachtslage handelte es sich bei der Gruppierung um die Beschuldigten hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung.

Derzeit sitzen 22 Verdächtige in Untersuchungshaft. Insgesamt führt die Bundesanwaltschaft 61 Frauen und Männer als Beschuldigte.

Die Bild am Sonntag dokumentiert heute die Ermittlungsergebnisse des Generalbundesanwalts.

Demzufolge war der „Tag X“, an dem laut BGH ein „Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland“ erfolgen sollte, auf den 8. Dezember 2022 terminiert.

24 Stunden vorher erfolgte der Zugriff der Sicherheitsbehörden.

Die verhinderten Umstürzler horteten zu diesem Zeitpunkt 273 Schussswaffen, 259 Hieb- und Stichwaffen, 44.000 Patronen sowie zahlreiche Satellitentelefone. Im „Führungsstab Militär“ sollen Ex-Soldaten vom Kommando Spezialkräfte (KSK) bereits die Stürmung des Reichstages und die Übernahme von Bundeswehrkasernen vorbereitet haben.

Allerdings steht die BamS-Angabe „8. Dezember“ im Widerspruch zum BGH, der verlautbart, dass der „Tag X“ unmittelbar bevorstand, aber noch nicht festgelegt war.

Wie das Blatt weiter berichtet, sei der Ex-KSKler Peter Wörner im September 2021 von der Richterin und ehemaligen AfD-Abgeordneten Brigitte Malsack-Winkemann durch den Bundestag geführt und über unterirdische Zugänge vom Paul-Löbe-Haus zum Reichstag informiert worden.

Wörner führte zudem eine Liste mit Namen von Regierungsmitgliedern im Bund und in Bayern, von Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens, die das Ziel von „Säuberungen“ und „Aufräumarbeiten“ werden sollten.

Die Putschisten um Prinz Reuß hätten geplant, bei einer Plenarsitzung des Bundestags das Reichstagsgebäude zu stürmen und alle anwesenden Minister nebst Bundeskanzler festzunehmen und zu fesseln, um das Kabinett so der Öffentlichkeit im TV vorzuführen.

Laut BamS habe sich Heinrich XIII. Prinz Reuß als Staatsoberhaupt selbst auserkoren. Sein Kabinett bestand aus der „Justizministerin“ Birgit Malsack-Winkemann, der „Gesundheitsministerin“ Melanie Ritter, dem „Außenminister“ Tim Paul Gorgass, dem „Innenminister“ Michael Fritsch und der „Ministerin für Transkommunikation“ Ruth Hildegard Leiding.

Fritsch, Malsack-Winkemann und Leiding bestreiten ihre Beteiligung an einem gewaltsamen Umsturz. Der Verteidiger von Prinz Reuß macht einen „bloßen Wahn im Sinne eines psychiatrischen Befundes“ für seinen Mandanten geltend.

Zum militärischen Arm der Putschisten gehörten Peter Wörner, Maximilian Eder und Rüdiger von Pescatore.

Außerdem hätte die „Reichsbürger“-Gruppierung Kontakte zur russischen Föderation gesucht. Bei der Razzia am 7. Dezember 2022 seien vier Seiten ausgedruckter Mailverkehr mit dem russischen Generalkonsulat in Leipzig sichergestellt worden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wird in dem Artikel mit dem Statement zitiert:

Wir werden diese harte Gangart auch weiter fortsetzen, bis wir militante Reichsbürger-Strukturen vollständig offengelegt und zerschlagen haben.

Zum Weiterlesen:

  • Täter der Klamotte: ZDF-Satire über „Reichsbürger“-Putsch, GWUP-Blog am 1. August 2023
  • Ein „giftiges Gebräu“: Das Problem mit den Putschfantasien der Reichsbürger, GWUP-Blog am 13. Dezember 2022
  • Kein Spaß: Umsturzphantasien von „Reichsbürgern“ und Verschwörungsideologen, GWUP-Blog am 7. Dezember 2022
  • Reichsbürger-Putsch gegen die Demokratie“ bei Frontal 21, GWUP-Blog am 24. Dezember 2022
  • Die Reichsbürger und die mysteriöse „Allianz“, GWUP-Blog am 6. Mai 2023
  • Geplanter Sturm auf Bundestag: „Reichsbürger“ wollten Kabinett offenbar fesseln und im TV vorführen, tagesspiegel am 13. August 2023
  • „Gefährliche Extremisten“: Faeser kündigt harte Gangart gegen Reichsbürger-Netzwerke an, tagesspiegel am 13. August 2023

12 Kommentare

  1. Bewaffnete und ausgebildete Leute von KSK und Polizei, die geheime Wege in den Reichstag kennen, das hätte die Republik erschüttert. Ein beunruhigender Gedanke. Und Erleichterung, dass es gescheitert ist.

  2. Der „unterirdische Zugang“ vom Paul-Löbe-Haus zum Reichstagsgebäude ist wohl der Versorgungstunnel, der mehrere Gebäude im Regierungsviertel miteinander verbindet, und ist nicht besonders geheim. Denn kenne sogar ich.

    Die Existenz eines solchen Tunnel macht eher die Schwierigkeiten eines Überfalls auf den Reichstag deutlich. Die offene Struktur, besonders von innen nach aussen, bietet enormen Schutz der Nutzer.

    In den Links vom Tagesspiegel oben war wohl der Sturm des Reichstages mit 16 Leuten während einer Plenarsitzung geplant. Ein solch irrsinniges Unternehmen mit der Waffe in der Hand ist die eigentliche, unberechenbare Gefahr.

    Wenn der Anschlag wärend einer Plenarsitzung stattfinden sollte, kann das nicht der 8. Dezember (BILD) gewesen sein. Die nächsten Sitzungen fanden am 14., 15. und 16. Dezember 2022 statt. Die letzte davor war am 2. Dezember, danach erst wieder im Januar 2023.

    Entweder BILD oder die Gruppe Reuß oder beide haben sich nicht vorab informiert.

  3. Wem kann man noch glauben? Den Mainstreammedien genauso wenig wie den sogenannten Alternativen. Woher hat BamS dieses Datum? Der Artikel liegt hinter einer Bezahlschranke. Wir Normalos haben fast keine Möglichkeit, alles selbst nachzurecherchieren, was uns aufgetischt wird. Jeder muss sich wohl oder übel seine „Blase“ suchen, in der er sich aufgehoben fühlt. Aber kann man überhaupt irgendeiner Blase trauen? Ich tue es nicht mehr.

  4. @Doc Nemo: Man kann den Medien am meisten vertrauen, die sich so weit wie möglich (oder überhaupt) am Pressekodex (1) orientieren und inhaltliche Fehler auch mal einräumen und korrigieren.

    Bei den sogenannten Alternativmedien ist auffällig, dass man dort in aller Regel keine Korrekturen oder Richtigstellungen findet, Artikel stets sehr tendenziös geschrieben sind und Behauptungen ohne Angaben seriöser, nachvollziehbarer Quellen aufgestellt werden.

    Oder wenn mal eine seriöse Quelle genannt wird, verfälscht man deren eigentlichen Sinn für seine Zwecke.

    1 https://www.presserat.de/pressekodex.html

  5. Dass der Artikel sich primär auf die Recherchen der Bild-Zeitung beruft…

    Was folgt? UFO-Sichtungen?

  6. @Thomas Roth:

    Wenn Sie den zahlreichen Verlinkungen in dem Beitrag folgen würden, würden Sie sehen, dass es sich keineswegs „primär“ um die Recherchen der Bild-Zeitung handelt, sondern um eine aktuelle Zusammenfassung.

    Das heißt, ich habe die Angaben so weit nachgeprüft, wie es möglich war.

    Der einzige wirklich neue Aspekt der Bild ist das Datum „8. Dezember“, und dazu habe ich meine Zweifel bereits zum Ausdruck gebracht.

    Mich erstaunt eher, dass Sie nach wie vor die Berichterstattung zu diesem Thema kritisieren und offenbar nicht von Ihrer Verharmlosung der „Reichsbürger“-Szene abrücken.

    Bringen Sie die Haftgründe des BGH auch mit „Ufo-Sichtungen“ in Verbindung?

  7. „Vor einigen Monaten hatten wir über die Kontakte von @Markus_Krall zu der mutmaßlichen Terrorgruppe um #PrinzReuß berichtet. Dem rechtslibertären Bestsellerautor Krall gefiel das nicht, er klagte gegen uns. In der zweiten Instanz hat er nun endgültig verloren.“

    https://twitter.com/ChristianFuchs_/status/1691436607939702784

  8. Nun, ich finde, dass die Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden mit der Aufdeckung und juristischen „Dingfestmachung“ des „Reichsbürgerputsches“ eine wirklich gute Arbeit geleistet haben.

    Ich bin sehr froh, dass endlich die Reichsbürgerszene und ihre Umsturz-, Gewalt- und Staatsübernahmepläne ernst genommen und entsprechend zum Schutz der Bürger und des Staates eingegriffen wurde.

    Was ich erschreckend, bestürzend und im Grunde bezeichnend finde, ist, wie die Partei, aus der ein Mitglied dieser „Terrorvereinigung“ stammt, auf diese Putschpläne reagiert:

    „Die Umsturzpläne werden von vielen AfDlern lächerlich gemacht: Über einen „Rollator-Putsch“ amüsierte sich AfD-Rechtsaußen Björn Höcke rasch, Alice Weidel griff diese Formulierung am Dienstag bei einer Pressekonferenz auf. AfD-Innenexperte Gottfried Curio spricht von einer „Rentner-Kombo“.“

    https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100096734/so-gut-war-die-terrorverdaechtige-malsack-winkemann-in-der-afd-vernetzt.html

    Aus der gleichen Quelle:

    „Alice Weidel ist voll des Lobes für die Frau, die neben ihr auf dem Podium in Berlin sitzt. „Sie ist einfach eine tolle Politikerin“, sagt die AfD-Fraktionschefin bei einem Bürgerdialog. Birgit Malsack-Winkemann habe eine „sehr, sehr gute Reputation in den Ausschüssen“ und räume „so viel Arbeit für die Fraktion weg“. Es folgt ein herzlicher Dank. Von AfD-Fraktionschefin zu AfD-Abgeordneter. Das war im April 2019″

    Von einer Partei, die irgendwie dem Anspruch gerecht werden möchte, Teil eines demokratischen Staatsgebildes zu sein, kann, darf und muss man m.E. erwarten, dass deutliche Statements bezüglich eines Parteimitglieds, das gegen den Staat putschen will, Putschisten in den Bundestag führt und ihnen Fotos und Videoaufnahmen der Lokalitäten ermöglicht, abgegeben werden.

    Was da bisher so von AfD-Seite verlautbart wurde, läßt solche Stellungnahmen vermissen, im Gegenteil, Verharmlosung und Herunterspielen der Gefahr wird praktiziert.

    Und das sind in meinen Augen die eigentlichen Skandale um diesen geplanten Reichsbürgerputsch.

  9. Qabale Redpill bzw Blackpill

    Interessante Sendereihe zu den Hintergründen:

    https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/audio/544708/qabale-redpill-folge-1-qanon.html

  10. „Reichsbürgergruppe um Prinz Reuß verfügte über Hunderte Waffen“:

    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-08/reichsbuerger-gruppe-prinz-reuss-waffenfund

  11. Mit Maximilian Eder erschien erstmals ein mutmaßlicher Verschwörer der Gruppe um Heinrich Prinz Reuß vor Gericht. Um die Umsturzpläne ging es bei der Verhandlung in Regensburg nicht – aber der Oberst a.D. gab Einblick in seine Gedankenwelt.

    https://www.br.de/nachrichten/bayern/waffen-und-verschwoerungstheorien-maximilian-eder-vor-gericht,Tr4K3qu

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