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Täter der Klamotte: ZDF-Satire über „Reichsbürger“-Putsch

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Mitten in den „Reichsbürger“-Prozess von Koblenz und den BGH-Beschluss zur „Fortdauer der Untersuchungshaft gegen Beschuldigte aus dem sogenannten Reichsbürgermilieu wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ platzt eine ZDF-Satire über einen „Reichsbürger“-Umsturz:

Freiheit ist das Einzigste, was zählt

Die Gruppe Souveränisten unter „Hans“ (Bibiana Beglau) will die deutsche Regierung stürzen. Die offizielle Reichsgründung ist bereits erledigt, doch eine Revolution will gut organisiert sein.

Die „deutsche Revolution in sechs Akten“ läuft in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ab 0.30 Uhr bei ZDFneo. Die einzelnen Folgen sind zwölf bis 16 Minuten lang – und bereits vorab in der ZDF-Mediathek verfügbar.

Sogar das Abziehbild einer (realiter vorgesehenen) „Ministerin für Transkommunikation“ spielt mit – nur dass sie im Film „Sophie“ statt Hilde heißt.

Medienkritiker sehen „Freiheit ist das Einzigste, was zählt“ gespalten.

Der SWR verortet die Instant Fiction

… näher am avantgardistischen Theater als am Fernsehen

und auch der Tagesspiegel nennt das Ganze „absurdes Neo-Theater“.

Die Zeit fragt sich, was der Regisseur Jan Bonny eigentlich erzählen will:

Schon künstlerisch ist die gewählte Form der Satire eine Herausforderung, wenn nicht schlicht das falsche Mittel – wie will man Leute überzeichnen, deren eigene Performance schon pure Überzeichnung ist? Und vor allem: wozu? Was weiß man, wenn man weiß, dass Leute, die als Deppen gelten, Deppen sind?

Der Spiegel hält dagegen:

So überzeichnet die Charaktere wirken, so deutlich sind sie in der Gegenwart verhaftet. Täter der Klamotte: In der Miniserie träumen sich die Faschos – ähnlich wie die realen Vorbilder um Heinrich XIII. Prinz Reuss – wollüstig in Racheaktionen an angeblichen Volksverrätern, die sie in „Nürnberg 2.0.“ betitelten Schauprozessen aburteilen wollen. „Idioten sind die Gefährlichsten“, sagt Bonny auf Anfrage.

Als „Groteske“ (so die Hauptdarstellerin Bibiana Beglau) mit Wiedererkennungswert kann man „Freiheit ist das Einzigste, was zählt“ möglicherweise goutieren.

Zum Weiterlesen:

  • ZDF-Satire über Reichsbürger: Revolution cholerischer Alkis, tagesspiegel am 31. Juli 2023
  • Bibiana Beglau in Websatire „Freiheit“: Ungefilterte Entsetzlichkeiten, derStandard am 29. Juli 2023
  • Deutschlands Theater-AG, zeit.de am 27. Juli 2023
  • AfD-Abgeordnete führte Terrorverdächtige durch den Bundestag, zeit.de am 31. Juli 2023
  • „Reichsbürger“-Prozess: Ungebremster Antisemitismus, frankfurter-rundschau am 28. Juli 2023
  • BGH-Haftbeschlüsse zu Reichsbürgern: Jura-Karteikarten und Zielfernrohr für den Staatsst­reich, lto am 31. Juli 2023
  • Ein „giftiges Gebräu“: Das Problem mit den Putschfantasien der Reichsbürger, GWUP-Blog am 13. Dezember 2022
  • Kein Spaß: Umsturzphantasien von „Reichsbürgern“ und Verschwörungsideologen, GWUP-Blog am 7. Dezember 2022
  • Reichsbürger-Putsch gegen die Demokratie“ bei Frontal 21, GWUP-Blog am 24. Dezember 2022

4 Kommentare

  1. Na, der Trailer war ja nicht so doll.

    „Einmal mit Fleisch, aber ohne Koriander.“: Reichsdeppen sind langweilige, humorlose Spießer – ach nee. Sach bloß.

    Wie hübsch, dass sie auch im Film offenbar so dargestellt werden. Steigert aber nicht die Freude am Schauen.

  2. Vielleicht besteht ja das eigentliche Problem der Produktion darin, dass sie von der Reichsbürger-Szene ernstgenommen wird und sie glaubt, etwas Reales verpasst zu haben. Dann hagelt es sicher Beschwerden und Anfragen bei der Reichsbürger-Präsidialkanzlei.

    Im Ernst, halte ich nicht für völlig ausgeschlossen. Ähnliches hats bereits gegeben.

  3. Mich hat die Serie in etwa so ratlos zurückgelassen wie „Allesdichtmachen“.

    Natürlich ist es Satire, aber warum, wofür, wogegen? Alles ist nur so ein wüster Brei von Befindlichkeit, dass man keinen roten Faden übergeordneter Themen finden kann. Die persönlichen Problemchen werden immer so weit in den Vordergrund gedrängt, dass keine substantielle Diskussion stattfinden kann.

    Und so muss ich mich wie schon bei den Coronakritikern fragen: Ist am Ende doch nur alles öffentliche Schreitherapie, um irgendwie eine Situation zu bewältigen, zu der man zwar nichts zu sagen hat, aber zu der man auch nicht schweigen kann?

  4. @CVA:

    Mir stellt sich schon länger die Frage, welchen Zweck Satire eigentlich erfüllt.

    Informationsvermittlung ist es ja ganz offenkundig nicht.

    Viel zu häufig empfinde ich sie als überhebliche Überlegenheits-Demonstration, ein Auslachen, um sich selbst wieder besser zu fühlen. „Guck mal, wie dumm die doch sind!“

    Nicht der erwachsenste Move. „Der Graben ist ja schon da, lass ihn uns noch ein bisschen tiefer machen“.

    Der Aspekt der „Bewältigung“ (Stichwort „Schreitherapie“), um diesen ganzen Irrsinn überhaupt aushalten zu können, wäre noch einer, der mich versöhnlich stimmt. Obwohl es sicher auch charakterlich festere Methoden gibt, Belastendes aufzuarbeiten.

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