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Alternativmedizin bei Tieren: Fast nichts ist ausreichend belegt

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Eine neuere Umfrage (2022) zeigt, dass 85 Prozent der Tierärzte in Deutschland alternativmedizinische Verfahren anbieten.

Aber was bringt das, fragt Prof. Edzard Ernst bei spiegel.de:

Kurz zusammengefasst:

  • Eine systematische Literaturübersicht hat die Evidenz zu 24 verschiedenen alternativmedizinischen Verfahren, die bei Katzen, Hunden und Pferden gern eingesetzt werden, unter die Lupe genommen.

Dabei ging es unter anderem um Verfahren wie Aromatherapie, Homöopathie, das Aufsetzen von Blutegeln, Musiktherapie oder Vibrationstherapie. Für 15 der Behandlungsformen wurde überhaupt keine Evidenz gefunden. Nur eine einzige Studie fand sich, die die Autoren als belastbar und somit aussagekräftig einstufen konnten.

Die Schlussfolgerung der Autoren fiel entsprechend zurückhaltend aus: „Die wissenschaftliche Evidenz ist zu ungenügend, um die klinische Wirksamkeit der 24 Therapien zu benennen.“

  • Nahrungsergänzungsmittel für Hunde (bei Osteoarthritis):

Untersucht wurden Chondroitinsulfat, Glucosamin, ungesättigtes Typ-II-Kollagen, unverseifbare Avocado-Sojabohnen, Curcumin und mehrfach ungesättigte Fettsäuren als Mittel gegen Arthritis . Einige dieser Supplemente zeigten tatsächlich entzündungshemmende Effekte oder könnten dabei helfen, den Muskelabbau einzudämmen.

Zu bedenken ist aber, dass die sogenannte Bioverfügbarkeit von Stoffen wie Curcumin gering ist und dass belastbare klinische Studien nach wie vor Mangelware sind. Die Autoren meinen dennoch, dass Nahrungsergänzungsmittel bei der Arthritisbehandlung von Hunden in Betracht gezogen werden können.

  • Manuelle Therapie bei Pferden:

Eine Übersicht zu verschiedenen Formen manueller Therapien  in der Behandlung akuter oder chronischer Schmerzsyndrome bei Pferden ergab, dass die Wirksamkeit für die meisten Ansätze nicht ausreichend belegt ist.

  • Akupunktur:

Ein systematisches Review, an dem ich 2006 selbst mitgearbeitet habe, umfasste immerhin 31 kontrollierte Studien zur Anwendung bei verschiedenen Tieren. Ihre methodische Qualität war unterschiedlich, im Durchschnitt jedoch eher mangelhaft. Für Hautschmerzen und Durchfall ergaben sich ermutigende Hinweise, die weitere Untersuchungen rechtfertigen könnten […]

Selbst diese Studien bedürfen jedoch einer unabhängigen Bestätigung, bevor ihre Ergebnisse als wissenschaftlich gesichert gelten können. Letztlich war unser Fazit daher, dass es insgesamt keine belastbare Evidenz gibt, die den Einsatz der Akupunktur bei irgendeiner Erkrankung von Haustieren rechtfertigen könnte.

Tatsächlich wurde unser zurückhaltendes Fazit inzwischen mehrfach Tatsächlich wurde unser zurückhaltendes Fazit inzwischen mehrfach durch andere Arbeiten bestätigt.

  • Homöopathie:

In einer systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015  wurde die Hypothese geprüft, ob sich die Ergebnisse von tierärztlichen homöopathischen Behandlungen von Placebos unterscheiden lassen. Insgesamt konnten 15 Studien eingeschlossen werden, aber nur zwei davon waren aus methodischer Sicht aussagekräftig.

Die Autoren, bekannte Befürworter der Homöopathie, kamen zu dem Schluss, dass es „nur sehr begrenzte Belege dafür gibt, dass sich eine klinische Intervention bei Tieren mit homöopathischen Arzneimitteln von einer entsprechenden Intervention mit Placebos unterscheiden lässt“.

  • Bioresonanz:

Mit Bioresonanzgeräten kann man weder Krankheiten diagnostizieren noch behandeln.

Ernst zieht das Fazit, dass „so gut wie nichts ausreichend belegt“ ist. Allerdings gebe es auch bei Tieren den Placebo-Effekt, „Placebo-by-proxy“ genannt:

Im Gegensatz zu Menschen haben Tiere keine Wahl – ihnen wird die Behandlung verpasst, die der Besitzer oder die Besitzerin für richtig hält. Jeder verantwortungsbewusste Halter hat daher aus meiner Sicht die ethische Pflicht, seinem kranken Tier die jeweils wirksamste Therapie zukommen zu lassen.

Ein ähnlicher Beitrag von Ernst ist im vergangenen Jahr bei Welt-Online erschienen.

Zum Weiterlesen:

  • Hilft Alternativmedizin bei der Behandlung von Haustieren? spiegel.de am 29. Juni 2024
  • Video: Die Tierärztin Stefanie Handl über „Globuli für Waldi“, GWUP-Blog am 1. April 2024
  • Woo against All Odds: Stefanie Handl Battling Pseudoscience in Veterinary Medicine, Skeptical Inquirer am 9. November 2020
  • The European Skeptics Podcast: Stefanie Handl, the Skeptic Vet
  • SkepKon-Video: Die „Futterverschwörung“ – Trends in der Ernährung von Hunden und Katzen, GWUP-Blog am 15. Dezember 2019
  • Video von „Wissenschaft oder Wunschdenken?“ in Wien: Ernährungsmythen bei Mensch und Tier, GWUP-Blog am 6. Dezember 2018
  • Vortragsvideos von Stefanie Handl: Akupunktur, TCM und vegane Ernährung auch für Hund und Katze, GWUP-Blog am 3. Oktober 2018
  • Video: Von BARF bis vegan: Trends und Mythen in der Fütterung von Hunden und Katzen, Skeptics in the Pub Wien am 27. März 2017
  • Beste Medizin für beste Freunde, Skeptiker 3/2018
  • „Alternative“ Tiermedizin – So behandelt man keinen Freund! Susannchen braucht keine Globuli am 30. September 2018
  • „Unplausibel, irreführend“: Homöopathiekritik in tiermedizinischem Fachjournal, GWUP-Blog am 2. Februar 2024
  • Homöopedia: Tierhomöopathie
  • Colin Goldner: Vorsicht Tierheilpraktiker! Alibri, 312 Seiten, 29 €
  • „I Am So Skeptical That I Am Even Skeptical about Skepticism“: Edzard Ernst on So-Called Alternative Medicine, skepticalinquirer.org am 27. November 2023

5 Kommentare

  1. Ich bin versucht, ein weiteres alternativmedizinisches Verfahren zu etablieren: das Ansetzen von Zecken bei Hunden. Ist absolut einfach anzuwenden und unschlagbar günstig – ein Waldspaziergang reicht. Man darf sich von pharmakorrumpierten Tierärzten nur nicht dazu verleiten lassen, die kleinen Therapeuten mühsam zu entfernen oder gar chemisch zu bekämpfen – stattdessen muss man ganz fest auf deren Hilfe vertrauen und überzeugt sein, dass sie dem Hundchen Gutes tun, dann wirkt das auch!

  2. @ Doc Nemo

    Natürlich tun sie Gutes: Mobilisation von Schlacken im Gewebsinterstitium und Ausleitung sonstiger übler Säfte. Davon bin ich derart überzeugt, daß ich die possierlichen Tierlein auch an mir selbst anwende.

    Ich erspare allen Lesern die Details, wo genau ich das verfluchte Biest aufgefunden und dann immerhin dank einer gut fassenden Pinzette rasch entfernt habe.

  3. @Doc Nemo & borstel

    Danke! Genial.

    Werde ob der guten Vorschläge nun die Frequenz meiner unbesockten Garten- und Landschafts- Spaziergänge erhöhen. Billiger kann man so eine Ausleitungstherapie durch Mikro- Aderlässe, also die homöopathische Dosis eines Aderlasses nirgends bekommen.

    Sollte ich vielleicht „a guads G´schäftle“ daraus machen, indem ich Eintritt in meinen Garten verlange- sagen wir die halbe Stunde barfuß- nacktbeinig auf der ungemähten Wiese für 40.- € ? Das dürfte ein angemessener Preis sein für die hohe Wahrscheinlichkeit eines Aderlässchens in dieser Form.

    Immerhin ist im Preis Tautreten, Luftbad, effektive Mikroorganismen (Borellien), Apis-Therapie (barfuß auf Biene treten), ein paar Heublumen und vieles mehr inbegriffen.

    Vielleicht sind die vielen Nacktschnecken, auf denen man dann herumrutscht, also deren Mucus, auch noch für was gut… Ach und am Löwenzahn darf man natürlich ebenfalls gratis knabbern.

  4. „Natürlich tun sie Gutes: Mobilisation von Schlacken im Gewebsinterstitium und Ausleitung sonstiger übler Säfte.“

    Ja, witzig.

    Kann ich ja mal meiner Schwester vorschlagen, die auf meine Frage, was denn der Tierarzt zu dem heftigen Hautausschlag an der Unterseite ihrer 9-monatigen Hündin sagt, antwortet: die Hündin entgiftet eventuell über die Haut, weil im Darm wohl ein Ungleichgewicht herrscht. Wir unterstützen den Hund dabei und warten erstmal ab.

    Diese paar Wörter werfen typischerweise wieder so viele Fragen auf, dass ich schon nur darüber ein ganzes Buch schreiben möchte.
    (Ich werde heute hinfahren und auf eine (echte) Diagnose bestehen.)

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