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„Unplausibel, irreführend“: Homöopathiekritik in tiermedizinischem Fachjournal

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Die Homöopathie ist als ein Verfahren einzustufen, das mit Placebos arbeitet und sowohl medizinisch als auch naturwissenschaftlich auf unplausiblen Prinzipien beruht. Anderslautende, wissenschaftliche Gremien diskreditierende Darstellungen von Seiten der Homöopathen sind als irreführend zurückzuweisen.

Das ist das Fazit eines aktuellen Beitrags in der Berliner und Münchener Tierärztlichen Wochenschrift von Stefanie Handl, Ute Parsch, Anke Meeuw, Rolf Wagels und Norbert Aust.

Wir fordern ein Ende von gesetzlichen Sonderregelungen, Kassenerstattung, tierärztlichen Zusatzbezeichnungen und ATF-anerkannten Fortbildungen, die für ein Placeboverfahren nicht angebracht sind, und die von Patienten und Tierbesitzern als Anerkennung der Homöopathie als wirksame therapeutische Maßnahme missverstanden werden können.

Der vollständige Artikel steht hier kostenfrei zur Verfügung.

Die Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift wurde 1888 begründet und ist eine der renommiertesten wissenschaftlichen Zeitschriften für Tiermediziner in Deutschland. Seit 2020 erscheinen Beiträge in der BMTW digital im Open-Access-Verfahren.

Zum Weiterlesen:

  • Betrachtungen zur Evidenz in der Veterinärhomöopathie, vetline am 12. Januar 2024
  • Podcast: Wer für die Kügelchen zahlt, zeit.de am 1. Februar 2024
  • Homöopathie: Zweites Beteiligungsverfahren startet in Kürze, bundesärztekammer am 1. Februar 2024
  • Homöopedia: Tierhomöopathie
  • Alternativmedizin bei Hund, Katze, Pferd = Tiermisshandlung, GWUP-Blog am 10. Juli 2023
  • Einwand: Tierhomöopathie funktioniert aber doch! INH am 4. Juli 2016
  • Vortragsvideos von Stefanie Handl: Akupunktur, TCM und vegane Ernährung auch für Hund und Katze, GWUP-Blog am 3. Oktober 2018
  • Video: „Pseudomedizin und Esoterik in der Tierarztpraxis“ bei Skeptics in the Pub Köln, GWUP-Blog am 24. Januar 2021
  • Woo against All Odds: Stefanie Handl Battling Pseudoscience in Veterinary Medicine, Skeptical Inquirer am 9. November 2020

8 Kommentare

  1. Woran man mal wieder sieht, dass Rolf Wagels nicht nur ein sauguter Bodhrán-Spieler ist.

  2. Der argumentativ sorgfältige und im Stil sehr sachliche Artikel setzt hoffentlich das Niveau der Diskussion etwas nach oben.

    Um es wieder etwas herunterzuziehen: Die Aussage in dem Artikel, es gäbe kein Erklärungsmodell für die Wirksamkeit der Homöopathie, stimmt so natürlich nicht.

    Die Autoren ignorieren die fundamentalontologische Grundlegung der Homöopathie:

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2013/04/10/zum-hahnemann-geburtstag-fundamentalontologische-grundlegung-der-homoopathie/ ;-)

  3. Dieser Beitrag ist als Replik auf einen Artikel von Weiermayer et al. im „Schweizer Archiv Tiermedizin“ (der Verbandszeitschrift der Schweizer Tierärzteschaft) aus dem Jahre 2020 zu verstehen (Weiermayer P, Frass M, Peinbauer T, Ellinger L.: Evidenzbasierte Veterinär-Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik, ein Überblick, SAT/ASMV (2020); 162(10):597-615).

    Die Detailkritik hieran, nachzulesen beim INH unter

    https://netzwerk-homoeopathie.info/veterinaermedizin-neue-domaene-der-homoeopathie/

    wurde dem „Schweizer Archiv“ zugeleitet.

    Dort zeigte man sich zunächst interessiert an einer Publikation. Offensichtlich hat man diese Position aber irgendwann revidiert, denn trotz vielfacher Nachfrage kam – außer der schroffen Zurückweisung einer Kurzkritik von anderer Seite – hier nichts mehr.

    Sehr wohl aber kam etwas bei der deutschen Tierärzteschaft, die den Artikel aus der Schweiz leider auch noch umfangreich aufgriff und in einem kommentierenden Artikel im Verbandsorgan „Deutsches Tierärzteblatt“ zu hiesiger Verbreitung verhalf.

    Was beim Tierärzteblatt eine intensive Debatte auslöste, in deren Zuge ein Beitrag des INH dazu mit dem Hinweis zurückgewiesen wurde, es gebe keinen Anspruch auf Veröffentlichung. Sic!

    Mehr zu diesem Vorgang beim „Grünen Heinrich“ (das ist der Spitzname des Deutschen Tierärzteblattes) hier:

    https://netzwerk-homoeopathie.info/dtb/

    Wenn die Originalpublikation nicht an einer Stellungnahme interessiert ist, so ist das vielleicht die Konkurrenz mit einem ausgeprägteren Sinn für wirkliche Evidenzbasierung.

    In diesem Falle die renommierte Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift. Die vermutlich auch in der Schweiz gelesen wird, vielleicht sogar von Leuten, die eins und eins zusammenzählen können.

    Dies als kleine Hintergrundinformation.

  4. „Wasserstoffbrücke“

    ommmmmg.

    Das übliche Erklärungsmodell für Homöopathiewirksamkeit kann nicht einfach auf den veterinärmedizinischen Einsatz übertragen werden.

    Nein, „placebo by proxy“ ist keine hinreichende Erklärung. Jedenfalls hat die ihre Tücken und Schwächen – jeder, der mit Tieren arbeitet oder regelmäßig mit ihnen sonstwie zu tun hat, weiß das.

    Dort wird von Grundannahmen ausgegangen, die nicht wirklich die Realität abbilden.

    Ansonsten: Weg mit dem Gedöns aus der Tiermedizin. In diesem Fall auch keine Ausnahme. Wie bei Menschen. :p

    Übrigens geht es auch so:

    „Das ist auch der Grund, warum zum Beispiel in Großbritannien immer erst ein Tierarzt die Freigabe für die Behandlung durch einen Tierheilpraktiker erteilen muss.“

    gelesen in der Schwurbel-Reihe im Blog bei TA Rückert in Ulm, der zwar nur eine Kleintierpraxis betreibt, aber eine große Reichweite unter Kleintierbesitzern hat. Seinen Blog kennt fast jeder, der sich ein bisschen für alle möglichen Fragestellungen rund um Kleintiere interessiert.

    Ich verlinke mal die beiden Artikel zu Schwurbel in der Tiermedizin:

    https://www.tierarzt-rueckert.de/blog/details.php?Kunde=1489&Modul=3&ID=21166

    https://www.tierarzt-rueckert.de/blog/details.php?Kunde=1489&Modul=3&ID=21169

  5. @zimtspinne

    Ja, leider führen auch hier die deutschsprachigen Länder den tierärztlichen Schwurbel mit weitem Abstand an.

    In England hat sich die Royal Society of Vet Surgeons vor geraumer Zeit dem homöopathischen Veterinärgeschwubel massiv entgegengestellt und dabei auch die Konfrontation mit den Freunden unwirksamer Mittelchen nicht gescheut:

    https://www.vetsurgeon.org/news/b/veterinary-news/archive/2017/11/03/veterinary-regulator-blacklists-homeopathy-in-animals.aspx

    Inzwischen nicht mehr an die EU gebunden, geht der Gesetzgeber dort deutlich über deren Regularien hinaus, was Pseudomedizin im Viehstall angeht. So zum Beispiel beim erwähnten kompletten Tierärztevorbehalt für Behandlungen durch „Tierheilpraktiker“. (Bei dem Wort wird mir immer ganz anders, das sollen die Anführungszeichen ausdrücken.)

    Bei uns läuft es umgekehrt. Kaum macht der Gesetzgeber hier mal was richtig, kriegt er höchstrichterlich was auf den Deckel. So geschehen bei der Umsetzung der EU-Biorichtlinie und der EU-Tierarzneimittelrichtline in das deutsche Tierarzneimittelgesetz (TAMG).

    Das Gesetz untersagte ursprünglich „Tierheilpraktikern“ bei Nicht-Nutztieren auch das, was nach EU-Recht nur bei Nutztieren gilt: Nämlich die Behandlung von Hund, Katz, Maus und Koikarpfen mit Homöopathika, die nicht ausdrücklich für Tiere bestimmt sind.

    Eine Art schwacher Abglanz der Regeln im Vereinigten Königreich und mal ein Anflug von Vernunft.

    Wurde vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Meine fünf Cent dazu:

    https://scienceandsenseblog.wordpress.com/2022/11/19/bverfg-tierheilpraktiker-homoopathie/

  6. @ zimtspinne

    „Nein, „placebo by proxy“ ist keine hinreichende Erklärung. Jedenfalls hat die ihre Tücken und Schwächen – jeder, der mit Tieren arbeitet oder regelmäßig mit ihnen sonstwie zu tun hat, weiß das. „

    Hm… da wäre erst einmal zu definieren: „hinreichende Erklärung“ wofür denn eigentlich?

    Denn es gibt schlicht keine zu erklärenden nachgewiesenen Effekte der Homöopathika.

    Die großen Systematischen Reviews im Bereich der Veterinärhomöopathie – Mathie und Clausen als auch Sundrum und Döhring – finden keine stichhaltigen Belege einer Überlegenheit gegen andere Placebos. (Im Einklang zu den Ergebnissen anderer Reviews und natürlich der naturwissenschaftlichen Einschätzung wirkstofffreier Zuckerli)

    Natürlich genesen auch Tiere oft nach der Gabe von Placebos. Niemand behauptet hierbei jedoch, dass Besserungen bei Tieren nach Gabe von Homöopathika (oder anderen Placebos) __immer__ durch den „Placebo by proxy“ verursacht wären.

    Auch bei Tieren werden Homöopathika oft bei selbstlimitierenden Beschwerden und/oder parallel zu wirksamen Behandlungen gegeben. Genesungen beruhen daher – wie beim Menschen auch – in aller Regel überhaupt nicht auf der Placebogabe bzw. dem Placeboeffekt, sondern auf den natürlichen Krankheitsverläufen oder der Wirksamkeit der parallel gegebenen Behandlung.

    Der „Placebo by proxy“ beinhaltet zudem übrigens noch den Effekt der durch den Placeboeffekt beim Halter verminderten Wahrnehmung der Symptome des Tieres – gut dokumentiert in der Studie von Conzemius.

  7. @ Ute Parsch

    „Hm… da wäre erst einmal zu definieren: „hinreichende Erklärung“ wofür denn eigentlich? Denn es gibt schlicht keine zu erklärenden nachgewiesenen Effekte der Homöopathika.“

    Doch. Die Placeboantwort.

    In der Humanmedizin zumindest. Bei Placeborespondern. Und überhaupt, bei allerlei begünstigenden, zugleich höchst ungewissen, nicht vorhersagbaren Faktoren.

    Im Tiermodell ist das noch viel komplizierter.

    Kann es sein, dass wir ein bisschen aneinander vorbei reden?

    „Die großen Systematischen Reviews im Bereich der Veterinärhomöopathie – Mathie und Clausen als auch Sundrum und Döhring – finden keine stichhaltigen Belege einer Überlegenheit gegen andere Placebos.“

    hm, verstehe ich gerade nicht…. ging es dort Placebo (Homöopathika) gegen Placebo?

    Wo du das gerade schreibst bzw ich es lese… ja, ich erinnere mich.

    Es gibt so einen Schwachsinn in der Tiermedizin tatsächlich. Hatte ich schon wieder erfolgreich verdrängt. Ich muss das daher auch erstmal reaktivieren. Bitte um etwas Geduld ;)

  8. @ Udo Endruscheit

    „Das Gesetz untersagte ursprünglich „Tierheilpraktikern“ bei Nicht-Nutztieren auch das, was nach EU-Recht nur bei Nutztieren gilt: Nämlich die Behandlung von Hund, Katz, Maus und Koikarpfen mit Homöopathika, die nicht ausdrücklich für Tiere bestimmt sind.“

    Gibt es etwa auch Homöopathika, die ausdrücklich für Tiere bestimmt sind?

    Gruselige Vorstellung.

    Oder meinst du so etwas wie der ganze Kram von Heel & Co vertrieben?

    Es gibt unendlich viele Heimtierbesitzer, die das Zeug nicht nur selbst regelmäßig (und nicht nur komlementär) nutzen, sondern es auch noch unreflektiert im Netz promoten.

    Ich weiß nicht, wie ich dagegen argumentieren kann. Es ist hoffnungslos.

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