Gestern haben wir über die Causa Ulrike Guérot berichtet.
Natürlich werden jetzt Stimmen lauter, die fordern, der Politikwissenschaftlerin „den Lehrstuhl abzuerkennen“.
Aber wie realistisch ist das?
Im Verfassungsblog gibt es dazu einen ausführlichen Beitrag von Klaus Ferdinand Gärditz, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn:
Hochschulleitungen haben aus gutem Grund Hemmungen, sich öffentlich zu solchen Äußerungen von Hochschulmitgliedern zu positionieren oder sich – was häufig gefordert wird – davon zu distanzieren, um das Ansehen der Hochschule zu schützen. Auch die rechtliche Gemengelage, die bei einer amtlichen Reaktion zu berücksichtigen wäre, ist verwinkelt.
Sein Fazit:
Hochschulen sind keine Arena für den politischen Meinungskampf, sie sind Orte wissenschaftlicher Forschung und Lehre. Sie werden gerade als institutionelle Ankerplätze für eine vorpolitische Rationalität benötigt und müssen glaubwürdig Distanz zu allgemeinpolitischen Auseinandersetzungen halten.
Um die Integrität der und das Vertrauen in die Wissenschaft zu sichern, müssen sich Hochschulen dann auch gegen diejenigen wehren, die ihre epistemische Amtsautorität missbrauchen und mit dem Anschein von Wissenschaft Falschbehauptungen, unhaltbare Spekulationen oder krude Verschwörungstheorien verbreiten.
Die Hochschulen sind es der Glaubwürdigkeit von Wissenschaft schuldig.
Der Artikel ist einige Tage vor der Distanzierung der Universität Bonn von Ulrike Guérot und dem Untersuchungsverfahren wegen des Verdachts auf wissenschaftliches Fehlverhalten erschienen.
Zum Weiterlesen:
- Wehrhafte Hochschulen und Wissenschaftsfreiheit, verfassungsblog am 23. Oktober 2022
- Putins Trollin: Universität Bonn distanziert sich von Ulrike Guérot, GWUP-Blog am 4. November 2022
- Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft: Was gegen Fanatiker und Pseudoexperten hilft, Deutschlandfunk Kultur am 25. Oktober 2022
5. November 2022 um 08:26
Um die Integrität der und das Vertrauen in die Wissenschaft zu sichern, müssen sich Hochschulen dann auch gegen diejenigen wehren, die ihre epistemische Amtsautorität missbrauchen und mit dem Anschein von Wissenschaft Falschbehauptungen, unhaltbare Spekulationen oder krude Verschwörungstheorien verbreiten.
Die Hochschulen sind es der Glaubwürdigkeit von Wissenschaft schuldig.
Nächste Haltestelle Abstellgleis? Alle Homöopathen bitte aussteigen?
Ach Mist, muss der Wecker gerade jetzt klingeln?
5. November 2022 um 12:33
institutionelle Ankerplätze für eine vorpolitische Rationalität
Ja. Genau das ist doch das Problem! Was die Frau vom Stapel lässt, ist weder unpolitisch noch rational.
20. November 2022 um 09:11
Ich habe jetzt ihr neues, mit Hauke Ritz zusammen geschriebenes Buch „Endspiel Europa“ gelesen.
Es enthält einerseits viele berechtigte Hinweise auf problematische Aspekte der US-Politik und Defizite der europäischen Entwicklung, andererseits wird das alles in ein Narrativ „Der Westen allein ist an allem schuld“ eingeordnet.
Entgegen der eingangs gemachten Behauptung, man verteidige Putin nicht, ist genau das der rote Faden des Buchs.
Die Perspektive eine europäischen „Konföderation“ mit Russland in Harmonie und Eintracht, verbunden mit einer Abkopplung Europas von den USA, ist seltsam naiv, und zum Ende hin wird noch auch der ganze Corona-Querdenkermist in den Topf gemischt.
Stilistisch wäre das Buch etwas für den eben verstorbenen Wolf Schneider gewesen. Manche Sätze sind völlig inhaltsleeres Geschwurbel.
Nur ein Beispiel (im Buch S. 161):
„Die Existenzbedrohung der Bauern, derzeit zu beobachten an den Düngemittelgesetzen in den Niederlanden, der nach derzeitigen Schätzungen wohl rund 30 Prozent der Bauern zum Opfer fallen werden, die quasi durch ‚Umweltgesetzgebung‘ enteignet werden, ist eine weitere Facette der Zerstörung jener sozioökonomischen Strukturen, auf denen das kulturelle und geistesgeschichtliche Erbe Europas in all seinen Ausdifferenzierungen beruht, durch die die europäischen Gesellschaftsordnungen erst entstanden sind.“
Das könnte direkt aus einer Phrasendreschmaschine stammen.
Mit der Passage wird dann der folgende Satz begründet:
„Der Krieg in und um die Ukraine ist deswegen nur oberflächlich betrachtet ein heißer Krieg, für den tragischerweise das ukrainische Territorium sträflich missbraucht wird.“ Es gehe statt dessen, wie schon bei Corona, um einen „Krieg einer gesellschaftlichen Plutokratie gegen die eigene Bevölkerung“.
So kann man Kapitalismuskritik auch auf den Hund bringen.
Fazit:
Ein ungenießbares Gebräu aus Kritik an den USA, Europa-Romantik, Putin-Verteidigung, Querdenkerei und sinnloser Aneinanderreihung von Phrasen, die durch willkürlich eingefügte Konjunktionen wie „weil“ oder „deshalb“ zu scheinbar logischen Überlegungen gemacht werden sollen.
Oder in einem Wort: Papiermüll.
20. November 2022 um 11:46
@Joseph Kuhn
Danke für die Rezension. Das erinnert an die von der Basis organisierten Demos, die seit einigen Wochen wieder einmal durch die Stadt ziehen. Die verbreiten eine ebensolche ungenießbare Gemengelage.
21. November 2022 um 14:39
Kurzer Hinweis:
Es ist ein weiteres Schwurbelbuch erschienen (Spiegel Bestseller!!!), zu welchem Frau Guérot das Vorwort gegeben hat: »Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen« (Autoren Marcus Klöckner, Jens Wernicke)
https://www.amazon.de/%C2%BBM%C3%B6ge-gesamte-Republik-Finger-zeigen-%C2%AB/dp/3967890341
Die „Pressestimmen“ auf Amazon (fast alle einschlägig durch ihre Verbindungen zur Querdenkerszene) überschlagen sich geradezu in ihren Lobgesängen. Wie auch die Kundenrezensionen, wen wundert es, fast ausnahmslos positiv sind.
30. November 2022 um 16:08
Der Dame ist nicht mehr zu helfen:
https://www.t-online.de/region/bonn/id_100088806/ulrike-guerot-das-wirre-twitter-video-der-professorin-und-was-es-bedeutet-10526278.html
30. November 2022 um 17:52
https://www.nzz.ch/international/an-der-politikwissenschafterin-ulrike-guerot-scheiden-sich-die-geister-ld.1713770