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„Manipulierte Erinnerungen“ an sexuellen Missbrauch im Podcast Deep Science vom DLF

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Im Deutschlandfunk-Wissenschaftspodcast Deep Science geht es um

Manipulierte Erinnerungen

Petra Stern wollte mit 40 Jahren eine Fortbildung zur psychologischen Beraterin absolvieren. Ihre Ausbildungsstätte, eine Heilpraktikerschule, war auf sexuellen Missbrauch spezialisiert. Zunächst musste Stern sich dabei selbst einer „Analyse“ durch ihre Lehrer unterwerfen:

Es dauert denn auch nicht lange, bis die Dozenten und Berater mit ihrem geschulten Blick feststellen, dass Petra in ihrer Kindheit selbst auch missbraucht worden ist. Und dann kommen nach und nach auch immer mehr Erinnerungen hoch.

Ab Minute 17 heißt es dann:

Ihre Erinnerungen sind falsch. Komplett falsch. Es gab keinen Missbrauch. Ihr Opa hat sie nicht missbraucht, ihre Oma hat sie nicht missbraucht, ihre Eltern auch nicht. Das ist alles nur in ihrem Kopf entstanden […] Heute ist ihr vollkommen klar: Diese Erinnerungen sind ihr von den psychologischen Beratern eingepflanzt worden.

Im Verlauf der Sendung (zirka 45 Minuten) werden auch die „Memory Wars“ der 1990er-Jahre gestreift. Mit dabei sind die Rechtspsychologin Prof. Renate Volbert, die Psychologin Prof. Aileen Oeberst und Heide-Marie Cammans vom Verein False Memory Deutschland e.V.

An dieser Stelle verweisen wir noch einmal auf die Podcastreihe zum Thema der falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch von False Memory Deutschland, die es auch bei Youtube gibt.

Fazit der DLF-Journalistin Tomma Schröder:

Fast alle Gesprächspartner haben mir gesagt, dass sie falsche Erinnerungen als ein sehr wichtiges Problem ansehen und dass das definitiv zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Und dennoch stellen sich maßgebliche Institutionen wie etwa der „Betroffenenrat“ der UBSKM weiterhin blind und taub.

Zum Weiterlesen:

  • Manipulierte Erinnerungen, Deutschlandfunk am 3. November 2022
  • Echtes Leiden – Falsche Fakten, dissoziationen.de am 3. November 2022
  • Neu im Skeptiker: „False Memories“ – Falscherinnerungen durch Traumatherapie, GWUP-Blog am 23. September 2020
  • Satanic Panic: Wie Familien an Falscherinnerungen zerbrechen, GWUP-Blog am 21. Oktober 2022
  • Schweizer Psychiater warnen vor „Satanic Panic“ und induzierten Scheinerinnerungen, GWUP-Blog am 20. Juni 2022
  • SRF-Doku: „Jetzt reden die Opfer“ von induzierten Erinnerungen an satanistisch-rituellen Missbrauch, GWUP-Blog am 17. Mai 2022
  • Falsche Erinnerungen: „Das kann in katastrophalen, falschen Erinnerungen münden“, Zeit-Magazin am 27. Mai 2022
  • Rich false memories of autobiographical events can be reversed, Proc Natl Acad Sci USA, 2021 Mar 30;

4 Kommentare

  1. Petra Stern ist die Dame aus der Podcastreihe von False Memory, Episode 9. Ich habe mir die Episode 9 vor einiger Zeit mehrmals angehört und hatte den Eindruck, dass sie keine falschen Erinnerungen produziert hat, sondern ihre tatsächlichen positiven Erinnerungen in Richtung sexuellen Missbrauch umgedeutet wurden. Ihre eigene Lebensgeschichte wurde quasi in etwas schlechtes von anderen umgeschrieben.
    Sie hatte vorher keine psychischen Problem, hat Kinder bekommen, ohne dass ihr oder anderen etwas auffiel. Selbst wenn jemand Missbrauch vergisst bzw. verdrängt sollte er/sie doch zumindest Probleme hinsichtlich Sexualität haben. Auch ohne konkrete Erinnerungen sind die Folgen, Macken doch da.
    Auf Youtube gibt es den Kanal von Wienke Ursula Schulenburg. Sie hat meines Wissen mit der in der Podcastreihe erwähnten Heilpraktikerschule zu tun und hat den auch erwähnten Verein El Faro mitgegründet.
    Auf ihrem Kanal gibt es viel zum Thema sexuellen Missbrauch zu sehen unter anderem auch perverse Praktiken detailliert. Wenn man es genau wissen will, kann man ihre Bücher lesen. Und als Betroffener ihre Kurse kaufen, nach dem Motto:“ Ich habe entsetzliche Dinge erlebt, mehr als du dir vorstellen kannst und wahrscheinlich selbst erlebt hast und einen Weg daraus entwickelt. Kauf mein Programm.“
    Will man als Betroffener noch mehr Müll in seinem Kopf haben, in dem man abartige Sachen freihaus geschildert bekommt?

  2. @Nicole:

    Ihre eigene Lebensgeschichte wurde quasi in etwas schlechtes von anderen umgeschrieben.

    Das verstehe ich nicht ganz. Dann hätte sie das, was „andere“ gesagt oder „umgeschrieben“ haben, ignorieren können. Aber zumindest eine Zeitlang hat sie diese Falscherinnerungen ja selbst geglaubt, und der Mechanismus, der dabei angewendet wurde, zeigt sich jetzt auch noch bei ihrer Tochter.

    Selbst wenn jemand Missbrauch vergisst bzw. verdrängt sollte er/sie doch zumindest Probleme hinsichtlich Sexualität haben.

    Aber darum geht es doch gerade, dass dieser „Missbrauch“ real gar nicht stattfand.

  3. Es wird in unterschiedlichen Beiträgen wie auch in dem Deutschlandfunkbeitrag behauptet, es sei extrem unwahrscheinlich, dass man belastende bzw. traumatische Ereignisse verdrängt bzw. vergisst und später wiedererinnert. Das, was man da wieder erinnert, seien daher meistens Scheinerinnerungen.
    Das wird als Grundsatzfrage diskutiert.
    Dann werden Beispiele angeführt, mal bessere und mal schlechtere.

    Für mich hört es sich im False Memory Episode 9 Podcast so an, als hätte sie gar keine konkreten Erinnerungen. So wie die Frau auf der Sekteninfo NRW-Seite „Zersplitterung nach Therapie“, die keine Scheinerinnerungen hatte, sondern ihr Bilder per Therapiegehirnwäsche aufgedrängt wurden, an denen sie selbst Zweifel hatte. Das so etwas grauenhaft ist, das ist wohl klar.

    Bei dem Thema wiedererinnerte traumatische Vorkommnisse scheint es zwei Pole zu geben und dazwischen wenig.
    Wenn jetzt jemand schwere Probleme z.B. mit Nähe und Sexualität hat und sich nicht erinnert, dann kann da angeblich nichts vorgefallen sein, weil sexuellen Missbrauch vergisst man nicht. Man sollte als Therapeut also nicht danach fragen, sonst kann man Scheinerinnerungen induzieren. Und als Betroffener sich nicht so etwas überlegen, sonst induziert man sich Scheinerinnerungen selbst. Denn Missbrauch vergisst man nicht und eindeutige Symptome, die auf sexuellen Missbrauch hinweisen, gibt es auch nicht.

  4. Es wurde ja schon oft darauf hingewiesen, dass falsche Erinnerungen auch dann auftreten können, wenn tatsächlich traumatische Kindheitserfahrungen zugrunde liegen. Der Erinnerung an real geschehene Ereignisse werden aber zusätzlich fiktive Elemente beigefügt.

    Dazu bedarf es zudem nicht zwangsläufig therapeutischer Suggestion. Die „Nickis“ (siehe „Höllenleben“ u.a.) sind ein Beispiel dafür.

    Das Studierenden-Magazin der FHM Bielefeld hat 2021 einen Beitrag zum Thema Rituelle Gewalt produziert, in dem eine Frau portraitiert wird, an deren Beispiel man die Entwicklung solcher Erinnerungsphänomene auch recht gut erkennt. Leider ist man hier wieder einmal komplett der Verschwörungserzählung gefolgt, obwohl die Geschichte der Frau ganz offensichtlich logische Probleme aufweist.

    https://www.nrwision.de/mediathek/hingeschaut-tiktok-coronavirus-in-madrid-rituelle-gewalt-210518/

    (Beitrag beginnt bei 11:40 Min.)

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