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Attila Hildmann in der Türkei aufgespürt – „ein Desaster für die deutschen Behörden“

| 23 Kommentare

Viel zu viel der Ehre für einen Verschwörungsideologen, Antisemiten und Rechtsextremisten wie Attila Hildmann:

Der Stern hat zusammen mit „13 Hobbydetektiven, die sich Hildbusters nennen“, den ehemaligen Kochbuchautor ausfindig gemacht:

Dafür haben sie nahezu jedes Foto, jedes Video und jede Sprachnachricht untersucht, die Hildmann auf seinen offen zugänglichen Kanälen bei Telegram veröffentlicht hat. Einmal haben sie sogar eine Entführung vorgetäuscht, um Hildmann in die Falle zu locken.

Der stern hat die Gruppe mehrere Monate lang begleitet – und parallel selbst recherchiert. Er spürte Hildmanns Geschäften nach und analysierte seine Kryptokonten. Schlich sich in seine geheime Telegram-Gruppe ein, suchte nach seinem Standort – und fand am Ende den entscheidenden Hinweis, der zu Hildmanns Versteck führte.

Zum Verhängnis wurde Hildmann die Gründung einer „exklusiven privaten Unterstützergruppe“ bei Telegram namens „Wolfschanze“:

In ihr sammeln sich rund 200 zahlende Fans von Hildmann. Viele sind offenbar stramme Nazis, sie tauschen sich aus über NPD-Aufmärsche, erzählen, dass sie beim Anblick von Juden einen „Würgereiz“ bekämen und dass sie Hitler verehren. Einige reden Hildmann als „mein Führer“ an, versprechen ihm „Loyalität bis zum Endsieg“.

Und der hetzt sie auf: „Eines Tages müsst ihr euch verteidigen“, schreibt Hildmann. Seine Unterstützer sollten Sport treiben, sich auf den Kampf vorbereiten. Und sie sollen für ihn antisemitische Flugblätter in Deutschland verteilen.

Dort postete Hildmann zugleich „sehr viel freimütiger als anderswo private Videos und Fotos“.

Mitte Oktober spürten ihn die Hildbusters und Stern-Reporter schließich auf: in der Stadt Kartepe, etwa eineinhalb Stunden südöstlich von Istanbul:

Er läuft nicht weg, er schreit nicht, er redet mehr als zehn Minuten und beantwortet doch keine einzige Frage. Auch den türkischen Pass, den er zu haben behauptet, will er nicht zeigen. Stattdessen wiederholt er dieselben antisemitischen Sätze, die er sonst tagtäglich bei Telegram verbreitet.

Der einstige Bestsellerautor trägt noch immer den weißen Kapuzenpulli mit seinem Logo, den er früher so gern bei seinen TV-Auftritten anhatte. Der Saum an den Ärmeln hängt in fransigen Fäden herunter.

Das alles beschreibt der Stern in epischer Breite.

Pikanter sind indes zwei andere Fragen:

  • Wieso ist das der Polizei nicht gelungen?

Tatsächlich sind die Ermittlungen der Behörden in Deutschland von Fehlern, Versäumnissen und auch von eklatantem Versagen geprägt,

heißt es in dem Artikel.

Josef Holnburger vom CeMAS erklärt dazu:

Auch Michael Breimann, Sprecher der Unions-Fraktion für Politischen Extremismus und Antisemitismus, wirft der Berliner Generalstaatsanwaltschaft „Totalversagen“ vor. Die „wollte sich auf ZDFheute-Nachfrage nicht zu dem Fall äußern“.

Der Grünen-Politiker Volker Beck sagt:

So viel wie da schief gelaufen ist, lässt einen zweifeln, dass da alles mit rechten Dingen zuging.

  • Wird Hildmann jetzt ausgeliefert?

Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Hildmann gar keinen türkischen Pass besitzt und damit eine Auslieferung aus der Türkei nach Deutschland möglich ist. Wie Stern-Online heute berichtet, „fordern nun mehrere Bundespolitiker der Opposition und der Regierungsparteien“, dass dies endlich geschieht.

Wer allerdings „bei den Behörden nachfragt, stößt auf eine Mauer des Schweigens“:

Fünf Behörden, keine konkrete Antwort. So ist am Ende der offiziellen Verlautbarungen nicht einmal klar, inwiefern es von deutscher Seite überhaupt Bemühungen gibt, Hildmann hierzulande vor Gericht zu stellen.

Darüber hinaus nennt das ZDF „noch weitere Gründe, die eine Auslieferung erschweren oder zumindest verzögern könnten“.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Hildmann fröhlich weiterhetzt. Und dass der 41-Jährige über eine Berliner Briefkastenfirma immer noch seine Produkte in Deutschland verkauft, überrascht dann auch nicht mehr.

Hildmann hatte sich im März 2021 in die Türkei abgesetzt, nachdem ein Haftbefehl wegen dringenden Verdachts der Volksverhetzung, der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gegen ihn erlassen worden war.

Zum Weiterlesen:

  • Hildmann aufgespürt: „Wir wussten, wo er Gassi geht – dann haben wir uns auf die Lauer gelegt“, rnd am 27. Oktober 2022
  • Neues von Attila Hildmann und seiner Informantin bei der Berliner Staatsanwaltschaft, GWUP-Blog am 12. November 2021
  • Attila Hildmann: Es gab einen Maulwurf bei der Berliner Justiz, GWUP-Blog am 1. November 2021
  • „Operation Tinfoil“: Anonymus erbeutet brisante Insider-Infos von Attila Hildmann, GWUP-Blog am 13. September 2021
  • „Verschwörungsgame komplett durchgespielt“: Neues in der Causa Attila Hildmann, GWUP-Blog am 17. September 2021
  • Schmierentheatraliker und Verschwörungsideologe Attila Hildmann hat Angst vor Wissenschaftlerinnen, GWUP-Blog am 13. Juni 2020
  • Attila Hildmann bei stern.de

23 Kommentare

  1. Ohne den Erfolg des Sterns beim Aufspüren des Hirsehitlers schmälern zu wollen:

    Diesen großmäuligen Feigling, der sich beim ersten Anzeichen von juristischen Problemen in die Türkei abgesetzt hat, als den „gefährlichsten Antisemiten Deutschlands“ zu titulieren, ist einfach nur übertrieben und dämlich und verharmlost die wirklich gefährlichen Antisemiten, die sich unter Identitären, in der AfD und deren Dunstkreis bewegen.

  2. „Im Zweifel waren die (und ich auch)= damit zufrieden, dass der irgendwo in der Versenkung saß. Jetzt muss man die Auslieferung betreiben, sich mit den türkischen Behörden herumärgern und einen Riesenprozeß mit massig Wirbel und gar psychiatrischen Kniffeleien führen, damit der Clown für ein dreiviertel Jahr im Knast den Märtyrer spielt. Da hat am Ende niemand was von.“

    https://www.facebook.com/adornochrome/posts/pfbid0hMrAK6w4QJSGaHTJW6cYLenbEuH9Wb37KizFSmYCwrasvGyy9EugMejHmSHA3dWrl?comment_id=879342643445973

  3. @Martina:

    Mag wohl sein.

  4. Hanlons‘ Razor greift hier nicht (mehr).

    Das Verhalten, bzw. Nichtstun der Behörden lässt sich viel zwangloser mit Absicht erklären. Hildmann wird von den deutschen Behörden geschützt. Warum?

  5. @RainerO:

    Daß Informationen über die Ermittlungen von einer rechtsextremen Mitarbeiterin in den Behörden an Hildmann durchgestochen worden waren, ist ja nichts Neues. Aber das systemische Versagen der Berliner Behörden hat nichts mit Sympathien für Avocadolf zu tun.

    Das ist einfach nur der allgemeine Schrott, den die Verwaltung dieser Stadt in Reihe abliefert. Und da ich dort seit meiner Geburt lebe, glaube ich das ziemlich gut beurteilen zu können.

  6. @ borstel

    Es muss ja nicht gleich Sympathie sein. Es reicht schon, wenn man zu der Ansicht gekommen ist, dass der Clown die Mühe nicht wert ist. Das wäre schon Schutz genug.

    Vielleicht bin ich auch zu blauäugig, wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass Behörden auf mehreren Ebenen so eklatant versagen können.

    Mein Beileid für alle Berliner, falls es doch so ist.

  7. „Auf Anfrage unserer Redaktion, ob Hildmann ausgeliefert werde, wollte sich die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Freitag nicht äußern.“

    https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/verschwoerungserzaehler-wird-attila-hildmann-jetzt-ausgeliefert-id64394276.html

  8. Also ich habe ja zu Hildmann meine eigene Theorie.
    Es fällt doch auf, daß er im Vergleich zu seinen veganen Erfolgszeiten deutlich an Gewicht gewonnen hat.
    Folgendes Szenario:
    Im Juli 2019 findet sich in seinem Gefrierschrank noch ein vermeintlich veganes Burger Patty welches aber tatsächlich die Hinterlassenschaft eines Besuchers aus GB aus dem Jahr 1992 war, und aus 100% britischem Rindfleisch bestand.
    Der Verzehr des daraus resultierenden BSE Burgers führte zu einer Abkehr vom Veganismus (Heisshunger auf Fleisch/Gewicht) und einer spezifisch deutschen Variante des „Rinderwahnsinns“.
    Eine andere Variante besagt, daß er schon immer durchgeknallt war.
    Grüße aus Bonn
    Stefan

  9. Vielleicht waren die Verantwortlichen Gäste/Kunden in seinem gastronomischen Betrieb. Klüngel?

  10. In der gestrigen SZ steht, warum es gar nicht einfach ist, eine Auslieferung von Hildmann zu erreichen (Bezahlschranke):

    https://www.sueddeutsche.de/panorama/attila-hildmann-auslieferung-tuerkei-strafverfolgung-1.5682872?reduced=true

  11. @Monika:

    Sinngemäß geht es in dem Artikel darum:

    Hildmann befindet sich in der Türkei. Er ist außerhalb deutschen Staatsgebiets. Auch außerhalb des Schengenraums der EU. Das bedeutet, deutsche Ermittler können dort nicht einfach hinfliegen, wie dies Fernsehteams tun können, und eigenständig hoheitliche Maßnahmen treffen – Menschen verhaften zum Beispiel … Es braucht den guten Willen der Türkei. Die türkischen Behörden allein entscheiden, was geschieht.

    Im Fall der Türkei gilt: Alles läuft über die Außenministerien. Die höchste politische Ebene entscheidet – und Ankara kann bei der Gelegenheit einen Preis verlangen. Solche Gespräche würden die deutsche Regierung letztlich vor die Frage stellen: Wie viel ist ihr ein Attila Hildmann in Handschellen wert?

    Zwar ist im Fall Hildmann inzwischen Interpol eingeschaltet. Aber auch das hilft den deutschen Strafverfolgern wenig. Interpol ist keine Superpolizei, die Erdoğan irgendetwas gebieten könnte.

  12. Dass Erdogan sich eine eventuelle Auslieferung Hildmanns (teuer) bezahlen wird lassen, ist klar,
    aber… – läuft schon irgend etwas über die Außenministerien? Aktuell sieht es immer noch so aus,
    als würde keinerlei Interesse bestehen, Hildmann nach Deutschland zu bekommen.

  13. Versetze ich mich in die Situation Hildmanns, würde es mir an seiner Stelle gar nicht so gut gehen, denn es besteht ja nun eine gewisse reale Wahrscheinlichkeit, ausgeliefert und ins Gefängnis gesteckt zu werden. Insofern kann ich mir eine kleine sadistische Schadenfreude nicht verkneifen (-:

  14. @ Peter Friedrich

    Meine „Prognose“: Die Wahrscheinlichkeit, dass er jemals in Deutschland vor Gericht stehen wird, halte ich für äußerst gering. Selbst wenn die deutschen Behörden aktiv werden sollten, gibt es noch viel zu viele Möglichkeiten und Wege, sich dem zu entziehen.

    Entweder er „verschwindet“ nach Unbekannt, oder es taucht doch noch ein türkischer Pass auf (weil Ankara einen der Ihren – er bezeichnet sich ja als Türke – vor der Willkür des deutschen Unrechtssystems schützen will), oder Ankara fordert einen so unverschämt hohen Preis für die Auslieferung, dass Deutschland abwinkt, oder…

    Versetze ich mich in die Situation Hildmanns, hätte ich (derzeit) kaum Angst, dass irgendwann die Handschellen klicken werden.

  15. @RainerO

    Ich habe da schwächere Nerven…

  16. @ RainerO

    „Meine „Prognose“…!“

    Ich denke genauso wie Sie darüber….

  17. zeit.de: Türkei liefert Attila Hildmann nicht nach Deutschland aus

    Weil er die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, soll der Verschwörungsideologe nicht ausgeliefert werden. Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft ihm Volksverhetzung vor.

    https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-04/verschwoerungsideologe-attila-hildmann-tuerkei-auslieferung-staatsbuergerschaft

  18. @ Casten Ramsel

    Tja, dann hat sich meine „Prognose“ vom 29.10. bewahrheitet. Plötzlich ist doch ein Pass da. Das haben die türkischen Behörden voriges Jahr wohl „vergessen“, als es hieß, er hätte keine türkische Staatsbürgerschaft. Kann ja mal passieren.

  19. @RainerO:

    Gut getippt.

  20. Nun gut, wenn die Republik Türkei Herrn Hildmann aufgrund seines Türkentums zum Türken macht, bitteschön. So kommen mit einem Rechtsbrecher und einem Unrechtsstaat zwei zusammen, die zusammengehören.

  21. Zu Borstel:

    „So kommen mit einem Rechtsbrecher und einem Unrechtsstaat zwei zusammen, die zusammengehören!“

    Harte Worte, aber leider wahr!

  22. Wenig verwunderlich. Attilas Traum- und Wunschpräsi, Erdogan, lebt den Antisemitismus schließlich vor.

    https://www.stern.de/politik/ausland/recep-tayyip-erdo%C4%9Fans-schulterschluss-mit-der-hamas-33954078.html

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