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Edzard Ernst über die häufigsten Pro-Homöopathie-Argumente

| 8 Kommentare

In seiner Welt+-Kolumne widerlegt Edzard Ernst kompakt und verständlich die immerselben Argumente der Homöopathie-Fans.

Eine kurze Zusammmenfassung:

  • Mir hat es geholfen.

Eine britische Studie zeigt etwa, dass sie nicht auf den homöopathischen Mitteln selbst, sondern auf der empathischen Behandlung durch den Homöopathen beruht. Auch der natürliche Krankheitsverlauf, in dessen Rahmen die meisten Erkrankungen irgendwann von allein vorübergehen, wird häufig als Erfolg der Globuli fehlgedeutet.

  • Zumindest schadet es nicht.

Dieses Argument lässt außer Acht, dass nicht das Mittel selbst, sondern der Homöopath ein Risiko darstellen kann. Es ist beispielsweise gut belegt, dass viele Homöopathen vom Impfen abraten. Auch sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen eine wirksame Behandlung zugunsten der Globuli verzögert oder unterlassen wurde – was ganz zweifellos viel Schaden anrichten kann.

  • Sie hat sich bewährt.

Etliche Therapien haben Jahrhunderte überdauert und wurden schließlich doch als nutzlos oder gar als schädlich entlarvt. Man denke nur an den Aderlass oder an die Quecksilber-Präparate vergangener Zeiten.

  • Sie wirkt bei Babys und Tieren.

Kleinkinder und Haustiere reagieren sehr wohl auf Placebos, allerdings über einen Umweg: Entscheidend ist die Reaktion der Eltern beziehungsweise der Tierhalter, die erwarten, dass ein verabreichtes Mittel hilft. Man nennt dieses Phänomen „Placebo-by-Proxy“.

  • In manchen Studien wirkt sie.

Bei knapp 500 verfügbaren Studien ist demnach statistisch zu erwarten, dass etwa 25 ein positives Ergebnis erbringen. Diese Zahl wird noch erheblich größer, wenn man bedenkt, dass die meisten der Studien methodisch schlecht sind und von Homöopathie-Befürwortern mit einer entsprechenden Voreingenommenheit gemacht wurden. Schaut man jedoch auf die Gesamtheit der belastbarsten Studien, so kommt kein positives Gesamtergebnis heraus.

  • Die Pharmaindustrie steckt dahinter.

Dieses verschwörerisch anmutende Argument hat einen entscheidenden Schwachpunkt: Homöopathika fallen nicht vom Himmel oder werden ehrenamtlich hergestellt – sie werden ebenfalls von Pharmaherstellern produziert, die teilweise mit den Herstellern konventioneller Medikamente in denselben Verbänden und Interessengemeinschaften organisiert sind.

  • Homöopathie kann Geld sparen.

Man muss bedenken, dass der Preis nie allein ausschlaggebend sein kann. Eine Kostensenkung im Gesundheitswesen lässt sich durch unwirksame Therapien niemals erreichen.

  • Die Kosten sind gering.

Allerdings ließen sich auch davon hunderte von Krankenschwestern bezahlen. Im Übrigen geht es nicht primär ums Geld, sondern um das Prinzip: Entweder man besteht darauf, dass die Solidargemeinschaft nur für erwiesenermaßen wirksame Verfahren aufkommt, oder nicht. In diesem Fall müsste man dann allerdings jedem Scharlatan freie Hand lassen und jedes esoterische Heilritual von der Allgemeinheit bezahlen lassen.

  • Konventionelle Medikamente wirken auch nicht immer.

In allen Bereichen wird intensiv daran gearbeitet, die Heilkunde zu verbessern. Sobald ein Defizit erkannt ist, werden Studien erstellt, um verlässliche Aussagen zu Wirksamkeit und Sicherheit zu treffen – sind diese nicht gegeben, wird das Verfahren nicht mehr angewendet. Genau das ist bei der Homöopathie durch gesetzliche Sonderregelungen und geschickten Lobbyismus noch nicht geschehen – trotz unbelegter Wirksamkeit.

  • Man kann sie nicht wissenschaftlich untersuchen.

Dieses Argument ist so beliebt wie es falsch ist. Es gibt durchaus Studiendesigns, die sowohl den individuellen Ansprüchen von Homöopathen als auch den strengen Anforderungen der Wissenschaft genügen.

Auch der umstrittene Virologe Hendrik Streeck teilt Lauterbachs Homöopathie-Kritik.
  • Sie ist ganzheitlich.

Jede gute Medizin ist ganzheitlich; ein Konzept, dass auf esoterischen und überholten Vorstellungen beruht und dessen Arzneien nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksam sind, braucht man dafür nicht.

  • Sie ergänzt die konventionelle Medizin.

Auch ein ergänzend eingesetztes Verfahren muss seine Wirksamkeit belegen, was die Homöopathie nun mal nicht kann.

  • Was ist mit der Schweiz?

In der Schweiz wurde die Homöopathie per Volksabstimmung in die Grundversorgung aufgenommen. Es ist also keine Entscheidung gewesen, die auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Evaluierung getroffen wurde. Seitdem wird aus der Schweiz berichtet, dass die Folgen der Entscheidung nicht positiv sind. Sie erbrachte keinen erkennbaren Nutzen und verursachte lediglich erhebliche Kosten.

  • Wer heilt, hat Recht

Erfahrung soll also verlässlicher sein als Wissenschaft. Da jedoch die Erfahrung mehr als trügerisch sein kann – eine Erkenntnis, welche die enormen Fortschritte der modernen Medizin während der letzten 150 Jahre einleitete –, ist dieses Argument zutiefst kontraproduktiv.

Zum Weiterlesen:

  • Durch Lauterbach eskaliert der Streit über Homöopathie – zu Recht? Welt-Online am 11. Oktober 2022
  • „Wirkt Lauterbach gegen Homöopathie?“ Ende der Satzungsleistung in Sicht? GWUP-Blog am 6. Oktober 2022
  • Was genau ist eigentlich Homöopathie? rnd am 7. Oktober 2022
  • Homöopathie betrachtet den Menschen ganzheitlich, ist sanft und schadet nicht? Gesundheits-Check am 8. Oktober 2022
  • Plazentophagie als neuer Trend der Celebrity-based Medicine, GWUP-Blog am 8. Oktober 2022
  • Interview: „Gefährlicher Glaube – Die radikale Gedankenwelt der Esoterik“, GWUP-Blog am 9. Oktober 2022

8 Kommentare

  1. Heute in der Zeitung:

    Auf Lauterbachs erneuten Vorstoß zur Streichung der Homöopathie aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen erntete er Gegenwind aus der eigenen Partei:

    SPD-Gesundheits“expertin“ Heike Baehrens (gelernte Bankkauffrau, studierte Religionspädagogin, ex-Geschäftsführerin eines Diakonisches Werks – wo ist hier irgendeine medizinische Expertise?) führt genau die Punkte auf, die Edzard Ernst als Irrtümer aufgezeigt hat.

    Dr. Elmar Kroth, studierter Chemiker und Geschäftsführer Wissenschaft des des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller, weiß folgendes für ihn Fachfremdes zu berichten: Homöopathie sei eine „patientenzentrierte Medizin, in der die Individualität der Patienten und die Erfahrung der Ärzte eine sehr wichtige Rolle spielen“.

    Mit anderen Worten, jeder Homöopath kann machen, was er will. Wir wissen nicht, was Dr. Kroth denkt, wir wissen nur, was er gesagt hat.

  2. A-aber, a-aber…. *verstörtstotternd* … Ein Vertreter der Pharmamafia verteidigt die Homöopathie!?!

    Wie kann das sein? Das sind doch die, die vermeintlich die Ritter des Lichts aus Neid vernichten wollen.

    Dass viele Politiker keine Expertise (Euphemismus für „keine Ahnung“) in den ihnen anvertrauten Fachgebieten haben, ist leider eher Regel als Ausnahme.

    Dass aber eine medizinische Laiin einen Mediziner quasi maßregelt erfordert schon eine gehörige Portion Hybris.

  3. @nota.bene

    In welcher Zeitung wurde das Statement von Heike Baehrens veröffentlicht?

  4. Ich bin studierter Chemiker, wenn auch nur mit Diplom. Herr Kroth ist ein Lobbyist und des Doktortitels nicht würdig.

  5. @Carsten Ramsel: Im Mantelteil des Schwarzwälder Boten.

  6. „Homöopathie ist nicht ganzheitlich“:

    https://twitter.com/Diaphanoskopie/status/1580300823711842304

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