Was ist denn da los?

Eine Gesamtschule in Moers, die den Namen der Geschwister Scholl trägt, lässt sich von Verschwörungsideologen ins Boxhorn jagen?

Die Schülervertretung hatte zu einem Fotowettbewerb unter dem Motto

Mein Aluhut gegen verstrahltes Gedankengut

aufgerufen. Während der Ferien sollten sich Schülerinnen und Schüler mit selbstgebastelten Alu-Hüten ablichten, um auf das Thema Verschwörungstheorien aufmerksam zu machen.

Nicht ganz unerwartet fiel sogleich eine Troll-Armee über die Aktion her, orchestriert von den #StayAwake-Facebook-Gruppen:

So um die 1200 Nachrichten sollen im Direktorat eingegangen sein,

… mit heftigen Beschimpfungen, Denunzierungen bis hin zu persönlichen Bedrohungen. „Wir haben Mails aus Berlin, Bonn und München bekommen von Menschen, die weder unsere Schule kennen noch mit Moers etwas zu tun haben“, sagt Schulleiter Rolf Grüter der RP gegenüber.

In den Mails sei die Rede von purer Gehirnwäsche, von Staatspropaganda, von Missbrauch an Kindern, von krankem, perversen und sadistischem Agieren der Schule, die Schule müsse sofort geschlossen und der Schulleiter entlassen werden. Im Sinne der Reichsbürger liest man auch etwas von einer Bundesrepublik Deutschland, die unter Treuhandverwaltung der Alliierten stehe.

So what?

Nicht für die Geschwister-Scholl-Schule:

Zum Schutz der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler, so die RP, setzt die Schulleitung den Wettbewerb vorerst aus.

Heute Abend versuchte der Schulleiter das Ganze zu relativieren: Keineswegs wolle man „vor der hetzerischen Kampagne einknicken und kapitulieren“:

Nach ausführlicher Beratung und Abwägung aller Umstände haben wir uns gemeinsam mit den gewählten Schülervertretern – durchaus mit ‚der Faust in der Tasche‘ – entschlossen, den Start des Wettbewerbs nach den Sommerferien auszusetzen und gemeinsam mit der Schulgemeinde das Thema ‚Umgang mit Verschwörungstheorien‘ noch einmal anzugehen.

Aha.

Nur lassen sich Verschwörungsideologen nicht von einer symbolischen „Faust in der Tasche“ beeindrucken, sondern nur von demonstrativer Unerschrockenheit.

DIE PARTEI Moers kritistiert denn auch explizit die Reaktion der Schule als „schwer erträglich“. Die SPD ruft am Freitag zum öffentlichen „Aluhut-Basteln“ auf. Und der Verein „Erinnern für die Zukunft“ mahnt jene Werte an, die mit den Namenpaten Sophie und Hans Scholl verbunden sind.

Holm Hümmler von der GWUP sagte im WDR:

Letztlich jeder, der sich in diesem Bereich engagiert, bekommt irgendwelche Hassbotschaften – es ist nur die Frage, wie man damit umgeht. Wenn man eine Schulleitung hat, die sich davon beeindrucken lässt, dann wird das halt zum Problem. Man merkt natürlich auch, wo man Leute einschüchtern kann. Und da setzen die dann eben besonders aggressiv an.

Positiv ist in jedem Fall, dass endlich eine gesellschaftliche Debatte über Verschwörungsideologien stattfindet – bei der klar wird, dass nicht nur abgedrehte Promis wie Attila Hildmann über die sozialen Medien Tausende oder gar Zehntausende Anhänger zu zielgerichteter Feindseligkeit aufstacheln können.

Und wer weiß: Vielleicht fällt Schülern, Lehrern und Schulleitung nach den Ferien tatsächlich noch was Besseres ein, als ein paar Funny Pics zu prämieren.

So lustig ist das Thema nämlich gar nicht.

Zum Weiterlesen:

• Schule stellt klar: Bleiben bei klarer Haltung und knicken nicht ein, wochenmagazin moers am 1. Juli 2020
• Geschwister-Scholl-Gesamtschule kapituliert vor Trollen, Ruhrbarone am 30. Juni 2020
• Video: Rapper – und jetzt auch Robbie Williams – in der Verschwörungsfalle, GWUP-Blog am 29. Juni 2020
• Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen, GWUP-Blog am 15. Mai 2020
• Wir müssen über Unsinn reden, futurezone am 21. Juni 2020