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Schnupfen als Katastrophenfall, Husten als Notstand: Die Esoterik und die Coronakrise

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Isses jetzt weg?

Eigentlich dürfte es gar keine neuen Covid-19-Fälle mehr geben – schließlich hat doch gestern „die größte weltweite Meditation“ zur „endgültigen Auslöschung des Corona-Virus“ stattgefunden.

Sogar die Gesundheitssprecherin der Grazer FPÖ warb dafür (mittlerweile hat sie den Eintrag wieder gelöscht):

Zunächst wurde die kindliche Eso-Kaiserin Christina von Dreien als Urheberin der imaginären Desinfektionsreinigung kolportiert. Das „stets melancholisch wirkende Starlet der Szene“ (Stiftung Gurutest) verneinte dies in ihrem Newsletter, erteilte dem Anliegen aber seinen Segen:

Eigentlicher Initiator der kontaktlosen Virentötung ist eine esoterische „Widerstandsbewegung“, die sich „Cobra“ nennt und die Webseite „Transinformation“ betreibt.

Dort findet sich auch ein „vorläufiger Bericht zur Meditation“:

Was dieses „energetische Ereignis“ jetzt gebracht haben soll, ist für unsereiner nicht nachvollziehbar. Anscheinend wurde dadurch irgendeine „Schwingung“ erhöht. Oder sowas.

Die Esoterik bleibt sich also auch in der Corona-Krise treu. So wie die Verschwörungstheorien zu Corona umgehend in das Netz bestehender Verschwörungsideologien eingewoben worden sind, so versichern sich derzeit auch die Esoteriker vorwiegend der transzendenten Bedeutsamkeit ihrer eigenen Existenz.

Selbstaufwertung durch wirkungslose Ersatzhandlungen – viel mehr steckt wohl nicht hinter solchen Aufrufen zur Massenmeditation oder zur „21 Uhr Wohnzimmer-Revolution“:

Die globale Pandemie, um die es doch angeblich geht, wird dabei verharmlost oder bestenfalls zur „Lektion für die Menschheit“ verklärt – etwa von dem Schweizer „Channelmedium“ Nancy Holten.

Mit Verschwörungstheoretikern teilen Esoteriker dabei nicht nur die Vorliebe für Verschwörungstheorien, in denen es zum Beispiel um „Hintergrundmächte“ (Christina von Dreien) oder Virenleugnung (Christian Anders, Bruno Würtenberger) geht:

(Christina von Dreien)

Sondern auch das Faible für einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte.

Keine Lust mehr auf Hygienemaßnahmen und Ausgangsbeschränkungen? Kein Problem. Beherzigen wir doch einfach die Botschaft des Virus – dann geht er weg und alles wird wieder gut. Meint etwa der Baseler Esoterikverein „gaia media“:

Auch die Betreiberin der Seite „EnergieZentriert“ plaudert gerne mal mit dem geschwätzigen neuen Coronavirus:

Trotzdem Angst vor SARS-CoV-2?

Kein Problem.

Schließlich gibt es doch die „Zapper-Heilkarte, ein energetischer Schutzmantel gegen infektiöse Krankheitserreger, die es zu neutralisieren gilt. Das bedeutet: Sieg über den Corona-Virus.“

Oder das hier:

Oder man wählt einfach die 537354:

Schöner als mit diesen überall kursierenden „Heilzahlen“ kann man die magisch-kindliche Weltsicht vieler Esoteriker kaum illustrieren.

Also:

Sakralisierung des Ichs, Komplexitätsreduktion durch Simplifizierung – fehlt eigentlich nur noch das dritte Kernelement von Esoterik, die Egozentrik.

Ah, da ist sie ja schon:

Klar, SARS-CoV-2 ist nur für solche Menschen gefährlich, die nicht das richtige Bewusstsein haben, nicht in der richtigen Schwingung leben. Und die Todesopfer von Covid-19 – die haben sich schon vorher bereit erklärt, zu gehen, sagt Nancy Holten in diesem Video (ab Minute 8:10).

Und dieses altbekannte Victim blaming rundet das Bild, das die Esoterik in der Coronakrise gibt, trefflich ab.

Denn im Moment passiere ja nichts weiter – heißt es in dem „spirituellen Blog“ amoralion –, als dass „der Schnupfen zum Katastrophenfall, der Husten zum Notstand erklärt“ werde:

Bis ein Virus in Form von Symptomen in unserer Körperhülle erscheint, hat es eine lange Reise hinter sich. Zunächst konnte es als „fremdes Programm“ in Form von auf uns einprasselnden Leitbildern, Meinungsbildern und Überzeugungen über einen geschwächten, labilen Mentalkörper Eingang in uns finden. Dann bahnte es sich seinen keimenden Weg durch die Feuchtgebiete der Emotionen, um schließlich an den Ufern des Festkörperlichen zu sprießen.

Was da tatsächlich sprießt, ist Zynismus, fehlende Mitmenschlichkeit und Anteilnahme sowie „Ablenkung von dem, was zum Schutz für andere und sich selbst gerade jetzt getan werden sollte“, analysiert der evangelische Weltanschauungsbeauftrage Matthias Pöhlmann.

Ob das in einer echten Krise tragfähig ist, bezweifelt auch die Neue Zürcher Zeitung:

Ich muss gestehen, dass mich eine entscheidende Nebenwirkung der Quarantäne nicht unfroh macht:

Die Esoteriker haben jetzt alle Zeit der Welt, das breite Nichts transzendenter Erfahrung in den eigenen vier Wänden auszukosten. Quarantäne muss eine Hölle der Achtsamkeit sein. Man hat Zeit, sich die Zutaten veganer Brotaufstriche hundertmal vorzulesen. Und man hat wochenlang Zeit, in sich hineinzuhorchen.

Ich glaube, wenn die Corona-Krise vorbei ist, wird es weniger Esoterik geben.

Zum Weiterlesen:

  • Wie Energetiker mit Heilzahlen das Coronavirus bekämpfen wollen, stiftung gurutest am 10. Februar 2020
  • Entwarnung: Am 5. April wird das Virus wegmeditiert, stiftung gurutest am 26. März 2020
  • Kein Genierer: Fernheiler bieten Corona-Heilungen aus der Distanz an, stiftung gurutest am 2. April 2020
  • „Mister Schutzring“ sagt jetzt dem Virus den Kampf an, stiftung gurutest am 24. März 2020
  • Wenn die Corona-Krise einmal vorüber ist, wird es vermutlich weniger Esoteriker geben, NZZ am 3. April 2020
  • In der Corona-Krise schlägt auch die Stunde der Spinner, NZZ am 30. März 2020
  • FPÖ-Politikerin will Coronavirus wegmeditieren, oe24 am 26. März 2020
  • Aufwind für Endzeitanhänger: Religiöse Gemeinschaften nutzen die Coronakrise, um ihre Mitglieder an sich zu binden, Luzerner Zeitung am 30. März 2020
  • „Der Virus ist aber nicht so gefährlich“ – Christina von Dreien verbreitet Verschwörungstheorien zum Corona-Virus, relinfo am 17. März 2020
  • Christina von Dreien: Wie eine zerbrechlich wirkende 18-Jährige die Esoteriker in Massen anlockt, NZZ am 3. März 2020
  • Christina von Dreien und die Corona-Pandemie, Onkel Michael am 24. März 2020
  • „It-Girl der Esoterik“ und „spirituelles Kindergenie“: Wer ist Christina von Dreien? GWUP-Blog am 13. November 2018
  • Die „Kinderprophetin“ Christina von Dreien: Anzeichen einer gesellschaftlichen Infantilisierung, GWUP-Blog am 30. Juni 2019
  • Coronavirus und Religion, EZW-Newsletter 3/2020
  • Am Beginn der Corona-Epidemie in Südkorea stand eine Sekte, NZZ am 1. April 2020
  • Seoul reicht nach Corona-Ausbreitung Mordanzeige gegen Sektenführer ein, Welt-Online am 2. März 2020
  • How Scientology is coping with COVID-19 as chairman David Miscavige declares crisis ‚hysteria‘ and ‚planetary bullbait‘ and Tom Cruise and John Travolta have ’special bunkers‘ at secretive base in California, Daily Mail am 2. April 2020
  • Scientology und die Coronakrise, apologetik aktuell, Frühling 2020
  • Wie Polens Priester das Virus mit Hostien und Gebeten bändigen wollen, Luzerner Zeitung am 30. März 2020
  • Die Corona-Krise und die Folgen für Zeugen Jehovas-Betroffene, jw help am 23. März 2020
  • Corona-Verschwörungstheorien: Vom Komplott bis zur rettenden Wunderzahl, sonntagsblatt am 15. März 2020
  • Scharlatane gefährden Ihre Gesundheit, Gesundheits-Check am 4. April 2020
  • Gedankenlesen gegen Corona – dass die russische Wissenschaft unter Putin immer dubioser und korrupter wurde, ist in Zeiten der Krise nicht hilfreich, NZZ am 3. April 2020
  • Russische Medien fluten den Westen mit Corona-Märchen, Welt-Online am 6. April 2020
  • Die Crème de la Crème der Quacksalber beim „Coronavirus-Onlinekongress“, GWUP-Blog am 3. April 2020
  • GWUP: Corona-Mythen A-Z

18 Kommentare

  1. Wie so oft fällt den Wahnwichteln gar nicht auf, dass sich die unterschiedlichen „Erklärungen“ und „Lösungen“ größtenteils widersprechen. Es kann maximal eine davon stimmen.

    Viel wahrscheinlicher ist natürlich, dass keine davon stimmt. Ist aber bei Esoterik und institutionalisierter Esoterik (sprich: Religion) nie anders gewesen.

  2. Dazu möchte ich gern Franziska van Almsick zitieren: „Wahnsinn, Wahnsinn!“

    Mir persönlich fehlen die Worte angesichts der immer noch möglichen Steigerung der Absurdität, wenn man denkt, der Gipfel dessen sei schon längst erreicht worden.

  3. Da riecht vieles nach einer Abspaltung / Ableger der TM-Sekte („Transzendentale Meditation“) des inzwischen gestorbenen Gurus „Maharischi Mahesch Yogi“, den seine Anhänger für den intellgentesten Menschen hielten, der jemals gelebt hat.

    Die TM war / ist eine gefährliche international agierende Sekte mit dem totalitärem Anspruch, die Weltherrschaft anzustreben.

    Der Guru hatte in den 80er Jahren seine Jünger zu einer vergleichbaren, aber viel hierarchischer organisierten Massen-Meditation auf die Philipinen „gerufen“ um im Auftrag und finanziert von dem Dikatator und Massenmörder Markos die seinerzeitige demokratische Opposition zu befrieden.
    (Was bekanntlich nicht funktioniert hatte)

    Nachfolgeorganisationen der Sekte, die nach wie vor die Markenrechte auf den Begriff „Transzendentale Meditation“ innehalt und sehr streitfreudig gegen „missbrächliche Verwendung“ verteidigt sind u.a. in Hamburg und in Norddeutschland aktiv, sind eng vevoben mit mehreren „Yoga-Zentren“ und sind durchweg offen für jede Art von brauner Esoterik.

    Sektenmitlieder betätigen sich auch als -gefährlich inkompetente- „Mediatoren“ die vermeintlich Gruppenkonflikte lösen zu helfen vorgeben. Tatsächlich aber für ihre Sekte werben und augeklärte und kritsiche Menschen aus den jeweiligen Gruppen drängen.

  4. Ich zitiere mich ja wirklich ungern selber, aber diesmal muss es einfach sein:

    „Immer, wenn Du denkst ‚dümmer geht’s nicht mehr‘, kommt von irgendwo ein Eso her.“

    Und auch mit dem folgenden Link bin ich Laufe der Jahre sehr sparsam geworden, aber heute möchte ich ihn allen Verpeilten die meinen, Corona sei ja „nur eine harmlose Grippe“ (ein Ausdruck, den nur benutzen kann, wer noch nie an einer „echten Influenza“ gelitten hat!), wärmstens ans Herz legen:

    https://www.youtube.com/watch?v=5hfYJsQAhl0

    :( (inkl. multiple facepalm)

  5. Aus dem NZZ-Zitat im Blogbeitrag: „… wenn die Corona-Krise vorbei ist, wird es weniger Esoterik geben.“

    Nö.

    Der-/Diejenige, der/die das in der NZZ geschrieben hat, versteht meiner Meinung nach nicht die „Funktion“ der sog. „Esoterik“. Esoterik-Angebote gibt es, weil man damit Geld verdienen kann. Es ist dieselbe Funktion, die auch Spam/Fake News/Clickbait zugrunde liegt – solange die Kosten für Produktion und Vertrieb (erheblich) geringer sind als die Einnahmen, wird es Esoterik-Angebote geben.

  6. Unfassbar:

    „Die widerwärtige HokusPokus-Show des evangelikalen, kapitalistischen #Hasspredigers #KennethCopeland hat wohl nicht so ganz funktioniert wenn man sich die #COVID19 Infektions- und Todeszahl für die #USA anschaut. Wen wunderts.“

    https://twitter.com/__investigate__/status/1247403714689806336

  7. @ Martina Rheken:

    Bei dem Typen fehlen einem wirklich die Worte. Aber die haben ja auch einen freilaufenden Präsidenten.

  8. Ohne diese widerwärtige HokusPokus-Show wäre alles viel schlimmer geworden, wird er demnächst verkünden. Genauso wie Trumps Wiederwahl gesichert ist, weil durch seine genialen Taten die von ihm selbst herbeifantasierten Todeszahlen bei weitem nicht erreicht werden.

  9. Schon krass, das alles. Gehört eigentlich schon in den Bereich schwerer psychischer Störungen.

    Was Herrn Anders‘ Logik anbelangt: wenn Leute an Grippe sterben, bedeutet das keinesfalls, dass niemand an Covid stirbt – und umgekehrt. Das sind doch zwei Paar Stiefel.

    Oder soll ich sagen Schwingungen?

    Was die Energiewelle anbelangt, auf der man jetzt surfen könne: ich hole nur schnell meine Badehose, Leute. Vielleicht kommen wir bis zum Rand der Erdscheibe. Hoffentlich fällt am Rand die Heilkarte nicht ins All.

  10. @ Christof Sperl:

    Herr Anders hat schon lange die Reste seines Hirns an der Garderobe abgegeben und dort vergessen. Ich hatte seinerzeit während des ersten Bardens-Lanka-Prozesses eine Diskussion mit ihm auf ScienceBlogs, bei der klar wurde, dass der Mann schon längst jeglichen Bezug zur Realität verloren hat.

  11. @noch‘n Flo:

    Gut gesagt!

  12. Es geht noch schlimmer: Ich kenne eine Esoterikerin, die sich an der Meditationsaktion *nicht* beteiligen wollte, weil sie Sorge hatte, dass durch die geistige Verbindung mit so vielen Menschen gleichzeitig sie Schaden nehmen könnte. Sie weiß ja nicht, wer da alles so mit-meditiert und in sie eindringt …

  13. @Nechoj:

    Stimmt, danke.

    Ja, da gibt es z.B. auch bei Youtube Kommentare wie diesen:

    Bitte nicht mit machen! Ihr wisst nicht mit dem Ihr zusammen seid. Ihr erzeugt eine Energie Welle. Seid Euch dessen bewusst. Aber wer lenkt diese Welle? Gegen etwas zu sein ist nicht gut. Für etwas sein ist hingegen viel positiver. Seid bitte für Liebe, Hoffnung Freunde, Frieden und Freiheit.

    Oder:

    Auf keinen Fall mitmachen! Ihr sollt benutzt werden. Am Ende der Meditation könnte alles Gute, was bisher ins Rollen für uns kam, von der dunklen Seite stagniert werden. Meditiert an einem anderen Tag und zwar für die Liebe auf unserer Erde. Das hilft viel mehr, jedem einzelnen.

  14. Jetzt drehen die Esos völlig hohl und verdächtigen sich schon gegenseitig. Denen scheint die Isolation nicht zu bekommen.

  15. Also das Ende finde ich unnötig. Ich bin Veganer aus ethischen Gründen und möchte nicht mit Esoterikern in Verbindung gebracht werden. Aber sonst, danke für die Aufstellung.

  16. Christina von Dreien (eigentlich Christina Meier) ist seit Jahren das bekannteste Medium der Schweiz, der Star der Esoterikszene. Als „spirituelles Wunderkind“ erreicht sie Hunderttausende. Sie spricht viel von Liebe, Frieden und Heilung. In einem kürzlich erschienenen Newsletter verbreitet sie abstruse Verschwörungstheorien zur Corona-Krise. Das zeigt wie gefährlich solche Theorien in gesellschaftlichen Krisenzeiten sein können. Simon Engeli antwortet darauf in einem Offenen Brief:

    https://www.thurgaukultur.ch/magazin/im-namen-der-liebe-4407

  17. „Was hat die kollektive Meditation gebracht? Nichts, wie die aktuelle Situation mit explodierenden Fallzahlen zeigt. Der Fall dokumentiert eine weitere fundamentale Pleite der esoterischen Meister und Gurus. Dadurch lassen sich diese aber nicht davon abhalten, Esoteriker weiterhin mit ihrem faulen Zauber zu beglücken. Das gilt auch für Christina Meier, die mit ihrer Behauptung, das Virus sei halb so schlimm, bös daneben lag.“

    https://hpd.de/artikel/esoterikstar-corona-chance-18671

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