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Verschwörungstheorien: Lesch-/ Precht-Nachklapp und das Analogieschluss-Argument

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Web.de gibt heute in Grundzügen das „Precht“-Video zum Thema „Verschwörungstheorien“ wieder.

Schon in dieser plakativen Zusammenfassung werden die Unschärfen der Plauderei zwischen Richard David Precht und Harald Lesch deutlich.

Ob Verschwörungstheorien „quasi Nachfolger der Mythen“ sind: Das hätte man ebenso gehaltvoll diskutieren können wie Prechts These

Das wichtigste Motiv des Menschen ist es, recht zu haben – und nicht die Wahrheit“.

Klar gibt es Autoren, die den Begriff „Verschwörungstheorien“ gerne ersetzen würden durch „Verschwörungsmythen“, „Verschwörungsnarrative“ oder ähnliches. Denn natürlich lenken Verschwörungstheorien auch vom Alltag ab, beschäftigen unsere Phantasie, lassen das Leben interessanter erscheinen, glänzen mit dem potenziell Möglichen und können deshalb gleichermaßen als „gute Geschichten“ oder Mythen betrachtet werden, die Sinn stiften und die Welt strukturieren.

Nur: Das ist eine akademische Expertendebatte, nicht aber der Eigenanspruch von Verschwörungstheoretikern, die sich zu „Querdenkern“, „Aufklärern“ oder „Wahrheitssuchern“ stilisieren – und damit selbst eine eindeutige semantische Beziehung zu dem Begriff „Verschwörungs-Theorie“ herstellen.

Und Rechthaberei mag durchaus ein bedeutendes Motiv des Menschen sein – aber das wichtigste? Zumindest fraglich, ob es ohne Offenheit für Lernerfahrungen und Fortschritt die Menschheit überhaupt noch geben würde.

Möglicherweise wollte Precht auf psychologische Effekte wie den Backfire-Effekt oder den Confirmation Bias hinaus, die in der direkten Auseinandersetzung mit Verschwörungstheoretikern natürlich eine Rolle spielen – aber dann hätte er das auch genau so ansprechen müssen.

Wie schon gesagt: Für ein philosophisches Duett annehmbar, praktische Erkenntnisse werden dabei aber eher nicht generiert.

Daneben hat auch der Youtube-Kanal Verschwörung & Fakten einen neuen Beitrag veröffentlicht:

Der Analogieschluss bei Verschwörungstheorien wird gern von Daniele Ganser, aber auch von Verschwörungstheoretikern der flachen Erde, der hohlen Erde oder Chemtrails genutzt, um die eigene Sichtweise plausibel zu machen. Das analogisierende Argument oder Analogismus ist dabei höchst problematisch, da es auf einen Bereich angewendet wird, der in der Logik als Teildisziplin der Philosophie nicht zulässig ist.“

Zum Weiterlesen:

  • Bernd Harder: Verschwörungstheorien. Alibri 2018, 168 Seiten, 10 €
  • Verschwörungstheorien: Die Macht des Absurden über die Wahrheit, web.de am 15. April 2018
  • Video: „Verschwörungstheorien“ mit Precht und Lesch, GWUP-Blog am 13. April 2018
  • Video: Daniele Ganser und sein Glaubwürdigkeitsproblem, GWUP-Blog am 14. April 2018

8 Kommentare

  1. „Das wichtigste Motiv des Menschen ist es, recht zu haben – und nicht die Wahrheit“ – selbstreferentiell ist Precht am unterhaltsamsten.

    So geht Philosophie!

  2. Mir kam beim Gespräch von Lesch und Precht (durchaus nicht uninteressant) gleich der Begriff der „Romantisierung“ von Verschwörungstheorien in den Sinn.

    Eine Position zu den gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen sind sie letztlich schuldig geblieben.

  3. Verschwörungstheorien sind schon deswegen nicht die Nachfolger der Mythen, weil sie, anders als die alten Mythen, mit gleichzeitig vorhandener Wissenschaft konkurrieren.

    Dagegen stand z.B. den antiken Schöpfungsmythen keine gut belegte Evolutionstheorie entgegen.

  4. @Joseph Kuhn:

    Guter Punkt.

  5. Ich persönlich empfinde den Begriff „Verschwörungstheoretiker“ als sehr schwierig, da er von der Gesellschaft inzwischen sehr negativ vorgeprägt ist. Auch wird dieser Begriff sehr häufig deformierend, wie im Falle des Herrn Ganser eher beleidigend als zielführend verwendet. Nur weil jemand angebliche „Fakten“ als nicht richtig entlarvt.

  6. @Gwendulin Bielstein:

    An dem Begriff ist gar nichts „schwierig“ – bitte gehen Sie nicht Herrn Gansers Behauptung auf den Leim, dieses Wort sei von der CIA erfunden worden, um Kritiker zu diffamieren.

    Das ist Unsinn, wie Sie hier nachlesen können:

    https://blog.gwup.net/2016/08/11/verschworungstheorie-eine-erfindung-des-cia/

    Herrn Ganser wird auch nicht deswegen als Verschwörungstheoretiker bezeichnet, weil er „angebliche „Fakten“ als nicht richtig entlarvt“ – sondern weil er Theorien über angebliche Verschwörungen aufstellt, die nicht existieren:

    https://blog.gwup.net/2019/09/20/die-wtc-7-wurde-gesprengt-studie-ist-da-taugt-aber-nichts/

    https://blog.gwup.net/2020/01/05/der-friedensforscher-daniele-ganser-in-24-punkten-widerlegt/

    https://blog.gwup.net/2018/01/29/videos-daniele-gansers-phraseologie-im-faktencheck/

  7. @Gwendulin Bielstein

    Wenn es Ihnen besser gefällt, verwenden Sie den Begriff „Verschwörungsmystiker“, den der Religionswissenschaftler Michael Blume bevorzugt.

    https://www.deutschlandfunk.de/verschwoerungsmythen-das-boese-in-uns-selbst.886.de.html?dram:article_id=481711

    Das ändert aber trotzdem nichts an der Tatsache, dass Daniele Ganser seit vielen Jahren ein Verschwörungsmystiker bzw. Verschwörungstheoretiker ist.

  8. Speziell bei Ganser habe ich oft das Gefühl, dass er sich das Mäntelchen aus Marketinggründen nur zu gerne selber überhängt:

    „Seht her, ich bin ja so toll, dass meine Gegner mich als Verschwörungstheoretiker verunglimpfen müssen weil sie gegen meine Argumente nicht ankommen.“

    Und seine Fans sind dann natürlich auch angemessen beeindruckt, wie obiges Beispiel gut zeigt.

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