Das Rätsel des Bermuda-Dreiecks ist gelöst – wieder einmal.
Diesmal sind es keine Gasblasen, sondern eine „geheimnisvolle Wolkenformation“.
Genauer gesagt:
Schuld könnten mörderische Winde sein, die sich über dem Meer zu „Luftbomben“ formieren.“
Bei bluewin heißt es dazu:
Die Theorie wurde von Meteorologe Dr. Randy Cerveny von der Arizone State University entwickelt. Er hat im Bermuda-Dreieck Wolken mit hexagonalen Rändern entdeckt. Diese Sechsecke hätten zudem einen Durchmesser von 30 bis 80 Kilometern.
Laut Cerveny entstünden solche Wetterphänomene durch Fallböen, wie sie während starken Gewittern auftreten. «Diese sind streng genommen Luftbomben», sagt der Meteorologe. Kalte Luft falle nach unten und breite sich über dem Wasser aus. Und diese Luftbomben würden Windgeschwindigkeiten von bis zu 270 Stundenkilometern erreichen.
Weil diese Luftbomben durch ihre Wucht Schäden anrichten, wodurch ganze Schiffe versenkt oder Flugzeuge vom Himmel geholt werden könnten, geht der Wissenschaftler davon aus, dass sie für das mysteriöse Phänomen im Bermuda-Dreieck verantwortlich sind.“
Nein, tut er nicht:
In reality he [Cerveny] has no interest in anything having to do with the Bermuda Triangle.“
Für die Serie „What On Earth?“ beim Science Channel hatte der renommierte Geophysiker und Klimatologe von der Staatsuniversität in Arizona lediglich das Phänomen der Mikrobursts erklärt. Das sind starke Fallwinde, die in der Luftfahrt bereits zu zahlreichen schweren Unfällen geführt haben.
The editing on this was horrendous. I was really upset when I saw this“,
erklärte Cerveny der Washington Post:
Microbursts can do extensive damage on land and can definitely sink ships in the ocean. Could microbursts have sunk a few ships and downed a few planes in the Bermuda Triangle? Sure. Does this mean the Bermuda Triangle mystery is real and that we’ve solved it? No – Cerveny isn’t saying that.“
Welches „Mysterium“ gibt es da auch groß zu lösen?
Im „Safety and Shippping Review 2016“ des Allianz-Versicherungskonzerns taucht das berüchtigte Bermuda-Dreieck nicht einmal unter ferner liefen auf:
More than a quarter of all losses in 2015 (22) occurred in the South China, Indochina, Indonesia and Philippines maritime region, which has been the top loss hotspot for the past decade. Losses are up year-onyear and are double those of the next highest loss region, East Mediterranean and Black Sea.“
Sogar entspannende Kreuzfahrten durchs Bermuda-Dreieck kann man buchen.
Das „Teufelsdreieck“ mit seinen verschwundenen Schiffen, Flugzeugen, Alien-Basen und unerklärlichen Phänomen ist nichts weiter als eine Schöpfung des amerikanischen Reporters und Autors Vincent Gaddis, der im Februar 1964 den Artikel „The Deadly Bermuda Triangle“ veröffentlichte.
Darin zählt Gaddis eine Reihe von keineswegs außergewöhnlichen Schiffs- und Flugzeugunglücken zwischen 1880 und 1963 auf (zum Vergleich: auch auf dem Bodensee haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Schiffsunglücke ereignet), darunter den sagenumwobenen „Flug 19“ von 1945, bei dem fünf Torpedobomber der US-Marine vom Typ „Avenger“ verschwanden.
Nach heutigen Erkenntnissen verlor das Übungs-Geschwader aufgrund eines Fehlers des unerfahrenen 28-jährigen Fluglehrers, Leutnant Charles C. Taylor, völlig die Orientierung und stürzte bei Dunkelheit und rauer See irgendwo östlich von Florida ins Meer.
Gaddis fand zahlreiche Epigonen (zum Beispiel Charles Berlitz), die sowohl seine Vorlage gewaltig aufblähten als auch die geografischen Begrenzungen des angeblichen „Dreiecks“ im westlichen Atlantik immer weiter verschoben:
Many of the losses that are credited to the Bermuda Triangle actually occurred nowhere near it, but near Ireland, Newfoundland, in the Pacific Ocean“,
schrieb der Pilot und Bibliothekar Larry Kusche 1975 in seinem Aufklärungswerk „The Bermuda Triangle Mystery – Solved“.
Vier Jahrzehnte später legte Kusche im Skeptical Inquirer (November/Dezember 2015) noch einmal seine akribischen Nachforschungen zum spektakulären Verschwinden von „Flug 19“ dar und zog das Fazit:
At the end of The Bermuda Triangle Mystery – Solved, I stated that the Triangle was a “manufactured” mystery. That was a polite way to say it was a fraud. The “mystery” of the Bermuda Triangle is one of the most widespread frauds that has ever been perpetrated.
It was based on poor research and distorted, untrue, inaccurate information that was uncritically copied, embellished, and sensationalized.“
Zum Weiterlesen:
- Bermuda-Dreieck: Meteorologe will Rätsel geknackt haben, bluewin am 25. Oktober 2016
- Geheimnisvolle Wolkenformation: Rätsel um Bermudadreieck endlich gelöst, Morgenpost am 23. Oktober 2016
- The ‘Bermuda Triangle mystery’ isn’t solved, and this scientist didn’t suggest it was, Washington Post am 25. Oktober 2015
- The Bermuda Triangle Mystery Delusion: Looking Back after Forty Years, Skeptical Inquirer Volume 39.6, November/December 2015
- Creators of the Paranormal, Skeptical Inquirer Volume 40.3, May/June 2016
- Bermuda-Dreieck: Versunken und erlogen, GWUP-Blog am 13. Dezember 2010
- GWUP-Infos: Gas im Bermuda-Dreieck?
- GWUP-Infos: Bermudadreieck
- Hoaxilla #10 – Rätsel Bermuda-Dreieck vom 1. August 2010
- Die Weltkarte der Schiffsuntergänge, Welt-Online am 24. April 2014
- Was steckt hinter der Legende vom Bermuda-Dreieck? web.de am 24. August 2016
4. November 2016 um 07:01
Zur Info: „bluewin“ ist die Internet-Marke des Schweizer Telefonanbieters „Swisscom“, des ehemals staatlichen Telefonunternehmens. Das wäre also so, als wäre diese Meldung in Deutschland auf der Homepage der Deutschen Telekom erschienen – seriösen und investigativen Journalismus darf man dort nun wirklich nicht erwarten.
4. November 2016 um 07:04
@noch’n Flo:
Danke für die Info, aber würde ich nicht pauschalisieren wollen.
web.de betreibt sein „News-Portal“ auch nur aus Werbegründen, hat aber einen ganz ordentlichen Artikel zum Bermuda-Dreieck.
4. November 2016 um 11:15
Das mit der Telekom(t-online) ist noch etwas lustiger:
„t-online.de ist ein Angebot der Ströer Content Group“
steht da mittlerweile in winzigen Lettern. Nur noch der E-Mail Dienst selber wird von der T-Kom betrieben.
4. November 2016 um 13:35
Und das Niveau bei T-Online ist sehr variabel. Man denke nur an die vielen unterirdischen Artikel dort zur Homöopathie. Die Texte könnten teilweise direkt aus den Marketingabteilungen der DHU usw. kommen…
4. November 2016 um 16:42
@gnaddrig
Da kommen sie ja auch her! Allerdings hat man bei T-Online inzwischen den Werbehinweis gelöscht …
Siehe da; https://wahrsagercheck.wordpress.com/2016/05/13/wenn-sich-schamlose-werbung-als-ratgeber-tarnt-desinformation-ueber-homoeopathie-bei-t-online/
und dort:
https://wahrsagercheck.wordpress.com/2016/06/22/homoeopathiewerbung-bei-t-online-jetzt-noch-schamloser/
7. November 2016 um 08:09
@ Micha: Wow, das macht mich jetzt einigermaßen sprachlos.
23. April 2017 um 20:54
„Süddeutsche“ super-aktuell und super-informiert – nicht:
http://www.sueddeutsche.de/panorama/ungluecksfaelle-im-atlantik-bermudadreieck-kein-dreieck-des-teufels-1.2910033
13. Juni 2017 um 10:04
Aktuelle Statistik:
„85 Fracht- und Passagierschiffe gingen 2016 verloren. Gefährlich sind vor allem asiatische Gewässer. Dass die Risiken für die Schifffahrt weiter zunehmen, hat vor allem zwei Gründe.“
https://www.welt.de/wirtschaft/article165444629/Das-neue-Bermuda-Dreieck-liegt-vor-China.html
31. Juli 2017 um 21:37
„An der Legende vom Bermudadreieck ist nichts dran. Alle Spekulationen werden damit ins Reich der Mythen und des Seemannsgarns verbannt.
Der Tenor des Interview lautet: In diesem Teil des Atlantiks sinken nicht mehr Schiffe und verschwinden nicht mehr Flugzeuge als in anderen Meeresregionen mit einem ähnlich hohen Verkehrsaufkommen. Bedingt durch die Lage des Bermudadreiecks, nahe am Äquator und bei einem der reichsten Länder der Welt, den USA, sei ein hohes Verkehrsaufkommen in dieser Region logisch, so Kruszelnicki.“
https://weather.com/de-DE/wissen/umwelt/news/das-ratsel-um-das-bermudadreieck-ist-endlich-gelost/?cm_ven=focus-online%7Creferral%7Cwidget%7C%7Cbermudadreieck-endlich