Mit einem Impf-Video und einem persönlichen Appell von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe reagiert die Politik auf den Anstieg der Masern-Fälle in Deutschland:
Im letzten Jahr wurden so viele Masern-Fälle registriert wie seit 2002 nicht mehr. Gesundheitsminister Gröhe macht dafür die zunehmende Anzahl von Impfgegnern verantwortlich – deren Panikmache sei „verantwortungslos“.
Tatsächlich wächst die Gruppe der Impfgegner in Deutschland stetig. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass drei bis fünf Prozent der Bundesbürger Impfungen für sich und ihre Kinder ablehnen.
Die Gründe für diese Haltung liegen oftmals im Glauben an alternativmedizinische Methoden, Verschwörungstheorien oder gefälschte medizinische Fachartikel, die über das Internet rasche Verbreitung finden.“
Die heute-show hat bereits kommentiert:
Man muss Impfkritiker schon in Schutz nehmen: Das Kind soll schließlich später einmal selbst entscheiden, ob es hätte geimpft werden sollen.“
Wenig überraschend sind die Kinder von Impfverweigerern die Hauptopfer bei Masern-Ausbrüchen, berichtet das Slate Magazine.
Deren Erziehungsberechtigte geben dann solche typischen Dinge, die Impfgegner sagen von sich:
Unfassbar, aber wahr – vor allem, wenn eine nicht ganz unübliche Prise Menschenverachtung hinzukommt:
Im Science-Blog BlooDNAcid schreibt Cornelius Courts über Impfgegner:
Künftige Aufklärungs- und Informationskampagnen sollten differenziert auf die unterschiedlichen Formen falscher Vorstellungen eingehen. Und ja, es ist traurig, dass wir offenbar und überhaupt solcher Kampagnen bedürfen.
Ich frage mich langsam echt, wie lange es noch dauert, bis wir die erste “Licht ist kein vollwertiger Ersatz für echte Nahrung”-Plakataktion erleben müssen, nachdem zahlreiche Leute auf Lichtdiät verhungert sind … #kulturpessimismus
Mir bleibt an dieser Stelle nur noch, wie immer bei diesem Thema, ausdrücklich für das Impfen zu plädieren, das eine der größten medizinischen Errungenschaften aller Zeiten und nichts weniger als einen – überaus weltlichen – Segen für die Menschheit darstellt. Die Pocken sind schon für immer besiegt und ich hoffe, ich werde auch noch die Ausrottung der Polio, von HIV und Malaria erleben.
Ich werde jedenfalls dabei mithelfen und mich impfen lassen, sobald es geht.“
Um die “Kommunikation von und mit Impfgegnern” geht es auch bei der SkepKon vom 5. bis 7. Mai in Hamburg.
Den Frühbucherrabatt gibt’s noch bis zum 5. April.
Zum Weiterlesen:
- Gesundheitsminister Gröhe wirft Impfgegnern Panikmache vor, Focus-Online am 1. April 2016
- Harald Lesch: „Die Impf-Lüge?!“ im neuen Youtube-Kanal, GWUP-Blog am 23. März 2016
- Impfgegner und Argumente in der „Welt am Sonntag“, GWUP-Blog am 20. März 2016
- Impfen – Eine Niederlage und ein Erfolg, BlooDNAcid am 31. März 2016
- Tribeca Film Festival wrap-up: Andrew Wakefield’s “brilliance” and spies and Nazis, oh my! Respectful Insolence am 29. März 2016
- An antivaccine activists explains how she uses Facebook reporting algorithms to harass and silence pro-science bloggers, Respectful Insolence am 1. April 2016
1. April 2016 um 16:11
Wieso wundert sich Gröhe überhaupt?????
Goethe -> Zauberlehrling – Anfänglich ist er stolz auf sein Können, doch bald merkt er, wie er der Situation nicht mehr gewachsen ist, und er sagt die geflügelten Worte:
„Die ich rief, die Geister, Werd’ ich nun nicht los.“
Soviel zu dem Thema sämtlichen Alternativhumbug zu tolerieren und die Subkultur der Huschifuschifraktion zu dulden. Da kann man sich als Skeptiker und Kritiker den Mund fusselig reden.
2. April 2016 um 10:34
Schönes Anti-Impfgegner-Video (cave: 1. April):
I Was Wrong About Vaccines
http://zdoggmd.com/i-was-wrong-about-vaccines/
2. April 2016 um 16:16
So wichtig das Thema ist – besonders in sozialen Netzen sind die Impfgegner unerträglich penetrant – zwei Anmerkungen:
1. Gröhe (bzw. sein Ministerium) sagt: „Tatsächlich wächst die Gruppe der Impfgegner in Deutschland stetig.“ Für einen Anstieg der Zahl der Impfgegner hätte ich gerne belastbare Zahlen. Laut Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nahm die Zahl der Impfgegner zwischen 2002 und 2012 ab, und zwar sowohl die der „Radikalen2, die alle Impfungen ablehnen, als auch die der „Impfkritiker“, die teilweise skeptisch, aber noch mit Argumenten erreichbar sind.
2. Cornelius Courts schreibt: „nachdem zahlreiche Leute auf Lichtdiät verhungert sind …“, verlinkt dann aber auf einen dlf-Bericht, in dem lediglich von einem Fall (schlimm genug) die Rede ist.
2. April 2016 um 16:47
@Maria Katz:
1. Mir ist lediglich eine BZgA-Studie von 2011 bekannt:
http://www.bzga.de/presse/pressemitteilungen/kinderimpfungen-was-eltern-denken/
Darin heißt es:
< < Nur 1 Prozent der Eltern [von allerdings nur 3000 Befragten] lehnt Kinderimpfungen grundsätzlich ab. << Das ist einigermaßen seltsam, denn schon 2004 hat das RKI die Zahl der Impfgegner (also Ablehner) auf 3-5 Prozent geschätzt: http://forum-impfen.de/images/proundcontra/Impfgegner_Impfskeptiker.pdf
In dem WamS-Artikel vor drei Wochen war dann von sechs Prozent die Rede, unter Bezugnahme auf eine BZgA-Erhebung von 2014:
http://www.welt.de/gesundheit/article153521836/Das-unloesbare-Problem-mit-den-Maerchen-der-Impfgegner.html
Ich kann diese Quelle auf Anhieb jedoch nicht finden.
Außerdem sind Impflücken, die z.B. für die Masern-Ausbrüche verantwortlich sind, kein Problem von kleinen Kindern, auf die die BZgA-Studie von 2011 fokussiert, sondern von „Jugendlichen und jungen Erwachsenen“:
https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2015/03_2015.html
2. Diese Verlinkung habe ich vorgenommen, nicht Herr Courts.
Der Satz lautet vollständig:
< < Ich frage mich langsam echt, wie lange es noch dauert, bis wir die erste “Licht ist kein vollwertiger Ersatz für echte Nahrung”-Plakataktion erleben müssen, nachdem zahlreiche Leute auf Lichtdiät verhungert sind. << Das ist also keine Tatsachenbehauptung, sondern er weist lediglich auf die Möglichkeit einer solchen Situation hin, die sich aus kleinen Anfängen entwickeln könnte. Für diese Anfänge habe ich ein Beispiel verlinkt - "zahlreiche" gibt es *derzeit* noch nicht.
2. April 2016 um 17:30
Solange wir keinen wirksamen Impfstoff gegen menschliche Dummheit haben, sind auch alle anderen Impfstoffe nur von begrenzter Wirksamkeit.
Man kann sagen, dass Bildung ein solcher Impfstoff sein könnte. Aber es gibt sogar unter intelligenten Menschen manchmal so etwas wie eine natürliche Immunität dagegen.
2. April 2016 um 21:12
@ Maria Katz, @ Bernd Harder:
1. Zur Zahl der Impfgegner: Aus dem Gesundheitsreport Bayern 2/2015 (Datenbasis sind die bayerischen Schuleingangsuntersuchungen, die alle einzuschulenden Kinder erfassen):
„Bei 1,8 % der Kinder lag die Angabe vor, dass die Eltern alle Impfungen ablehnen bzw. eine medizinische Kontraindikation gegeben sei. Die Häufigkeit dieser Angabe variiert regional von Null bis 6,1 %“.
2. Zum Thema Impflücken: Außer auf die „Impflücken, die z.B. für die Masern-Ausbrüche verantwortlich sind“ muss man auch auf die Impflücken derer achten, die gefährdet sind.
Dazu gehören bei den Masern neben einem Teil der nach 1970 Geborenen auch Säuglinge, die altersbedingt noch nicht geimpft werden können, kleinere Kinder, die nicht altersgerecht entsprechend der STIKO-Empfehlung grundimmunisiert sind sowie die Fälle, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation (noch) nicht geimpft werden konnten.
2. April 2016 um 21:55
@ Volker Dittmar:
„Solange wir keinen wirksamen Impfstoff gegen menschliche Dummheit haben, sind auch alle anderen Impfstoffe nur von begrenzter Wirksamkeit.
Man kann sagen, dass Bildung ein solcher Impfstoff sein könnte. Aber es gibt sogar unter intelligenten Menschen manchmal so etwas wie eine natürliche Immunität dagegen.“
Deine Aussage offenbart leider eine grosse Unkenntnis über die Wirkung von Impfungen: da wird dem Impfling eine abgeschwächte Form dessen injiziert, gegen das er immun werden soll. Somit müsste eine Impfung gegen Dummheit mit abgeschwächter/inaktivierter Dummheit erfolgen. ;)
(scnr)
3. April 2016 um 09:45
Es ist eine Lebenslüge, wenn man meint, „Bildung“ schlechthin immunisiere gegen Torheiten. Manche Torheit, und darunter gerade die Impfgegnerschaft, findet schwerpunktmäßig im Bildungsbürgertum statt.
Die 25 % Durchimpfungsquote an Waldorfschulen sind nicht eine Frucht der Bildungsferne. Man streiche den Normalos das Elterngeld für den Fall der Impfnachlässigkeit, und sie werden alle zur Impfung kommen. Man streiche es den Bildungs- und Besitzbürgern, und sie gehen mit Freiheitsparolen auf die Barrikaden. So ist das.
Man kann drüber jammern, dass das so ist, aber das ist so eine faule Frucht, die uns der „Idealismus“ eingebrockt hat: das Schisma der Bildung in eine „geistige“ und eine „materialistische“. Ich fürchte, nach über 200 Jahren kulturgeschichtlichem Grabenkampf schütteln wir das nicht so einfach aus den Klamotten.
3. April 2016 um 14:19
Die Art der Bildung ist wichtig. Ohne grundlegendes naturwissenschaftliches Wissen ist man auch als „Bildungsbürger“ anfällig für allerlei Nonsens.
Wie soll man ohne Basiswissen in Physik, Chemie, Statistik und Logik den Unsinn von Homöopathie verstehen? Wie die Gefährlichkeit von Impfverweigerung. Wenn man dieses Wissen nicht hat, kann man nur entscheiden, welchen (vermeintlichen) Experten ich vertraue. Und wenn ich dann zwar „gebildet“ bin, aber keine skeptische Grundhaltung habe, kommen viele dieser Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Und der Bauch ist selten vernünftig.
Daher bin ich sehr wohl der Meinung, dass Bildung immunisieren kann. Wenn man Kindern und Jugendlichen beibringt, wie man im Zweifel hinterfragen, wie man seriöse von unseriösen Quellen unterscheiden kann, dass es nicht nur schwarz/weiß und manchmal auch (noch) gar keine (befriedigende) Antwort auf eine Frage gibt, dann baut man vor.
Logisches Denken, z.B., ist „geistig“. Und damit alleine könnte man schon die Homöopathie zerlegen, ohne auch nur einmal Avogadro, Wasserstoffbrücken, oder eine Studie erwähnen zu müssen.
Die Wichtigkeit dieser Disziplinen kann nicht genug betont werden. Und diese Art der Bildung kann man allen zukommen lassen, wenn man will. Egal, ob das Hauptschule, humanistisches Gymnasium, oder Waldorfschule ist.