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Ist Homöopathie wirkungslos? Natürlich, daran ändert auch Professor Robert Hahn nichts

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Man weiß langsam nicht mehr, ob man die hilflosen Rechtfertigungen der Homöopathen lustig oder peinlich finden soll.

Gerade hat die Deutsche Homöopathie Union (DHU) mal wieder einen PR-Gag gezündet, der eigentlich unter der Überschrift „Is Quatsch, ne – weisste selbst“ stehen müsste, da kommt auch schon der nächste Klopper.

In der österreichischen Zeitung Die ganze Woche gibt es ein Pro & Contra zum Thema

Ist Homöopathie wirkungslos?“

Der Faktenreferenz von Prof. Ulrich Berger vom GWUP-Wissenschaftsrat setzt Dr. Erfried Pichler, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für homöopathische Medizin (OGHM), einen kuriosen Mix aus Trotz und Interpretationssubjektivität entgegen.

Homöopathie ist unwirksam?

Das ist unmöglich, nachdem sie schon seit mehr als 200 Jahren angewendet wird.“

Tja, die Wirksamkeit von Medizin wird aber nicht durch Beliebtheit ermittelt – sondern durch klinische Prüfungen, epidemiologische Studien etc.

Die Medizingeschichte ist voll von Methoden, die äußerst beliebt waren und sich auch lange gehalten haben, die sich bei genauerer Prüfung aber doch als wirkungslos oder sogar schädlich herausgestellt haben.

Und immer und jederzeit sind weltweit die Erfolge da.“

„Erfolge“, die auf Placebo-Effekten und Selbsttäuschung und anderen Gründen beruhen, nicht aber auf „energetischen Informationen“, die in bis zur Unendlichkeit verdünnten Tinkturen gespeichert sein sollen.

Außerdem haben wir mittlerweile fast 4.000 Studien.“

Die man in zwei Sätzen zusammenfassen kann: „Natürlich gibt es immer wieder vereinzelt positive Resultate, das ist bei der üblichen statistischen Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 Prozent normal. Aber in der Gesamtschau ergibt sich ein finsteres Bild für die Homöopathie.“

Aber halt, an dieser Stelle beschwört Pichler den neuen homöopathischen Weltgeist, nämlich Professor Robert Hahn aus Schweden, Intensivmediziner und Anästhesist:

Er hatte nie etwas mit Homöopathie zu tun. Aber weil so viel Gegenwind aufgetreten ist, wollte er selbst wissen, wie das ausschaut. Der Schluss seiner Metaanalyse ist, dass man 90 Prozent aller Studien zur Homöopathie ausschließen müsste, um sagen zu können, die Homöopathie sei nicht wirksam.“

Das ist das aktuelle Mantra der Schüttel-Büttel, das bei jeder Gelegenheit dumpf rezitiert wird.

Was hat es damit auf sich?

Ausführlich mit Hahn beschäftigt hat sich Dr. Norbert Aust bei Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie.

Kurz zusammengefasst:

Es scheint keineswegs so zu sein, dass Hahn „nie etwas mit Homöopathie zu tun“ hatte:

Durch die einseitig und demagogisch verfälschende Zitierweise outet er sich als jemand, der der Homöopathie mehr als nur einfach aufgeschlossen gegenübersteht“,

schreibt Aust, der zudem auf diverse Hahnsche Veröffentlichungen „about spirituality“ hinweist, zum Beispiel „Clear answers from the world of spirits“ oder „Heavenly Road“.

Hahn hat auch keine Metaanalyse zur Homöopathie durchgeführt, sondern er kritisiert nur die vorliegenden Metaanalysen – und auch dies ohne eine Neubewertung vorzunehmen.

Er weist lediglich auf Fehlermöglichkeiten hin und fokussiert dabei insbesondere auf die Bewertungskriterien, was den Ausschluss von Studien aus den Metaanalysen zur Homöopathie angeht.

Aust weiter:

Hahn hat noch nicht einmal abgeschätzt, wie groß der Einfluss der erkannten Mängel auf die erzielten Ergebnisse gewesen sein könnte – nichts, aber auch gar nichts ist neu entstanden, was den Eindruck rechtfertigen würde, dass irgendwelche Erkenntnisse revidiert oder neu erreicht worden seien.“

Heißt: Zur Wirksamkeit der Homöopathie sagt Prof. Robert Hahn überhaupt nichts.

Und sein Unbehagen an den Ein- und Ausschlusskriterien etwa der Metaanalyse von Shang wird auch von Skeptikern geteilt und diskutiert.

Der entscheidende Punkt aber ist:

Hahns Statement, man müsste 90 Prozent aller Studien zur Homöopathie ausschließen, um sagen zu können, die Homöopathie sei nicht wirksam, haben die Homöopathen gar nicht richtig verstanden – oder sie verwenden es wider besseres Wissen und hoffen, dass niemand so genau nachliest.

Tatsächlich ist Hahn völlig klar, dass es zahlreiche minderwertige Studien gibt, die in einer Metaanalyse zur Wirksamkeit von Homöopathie nicht zu suchen haben.

Und diese Studien, die auch Hahn selbst ausschließen würde, sind in den „90 Prozent“ bereits enthalten.

Konkret illustriert Aust das an der letzten großen Metaanalyse von Shang und Kollegen aus dem Jahr 2005:

Shang sortiert von 110 Studien 87 wegen mangelnder Qualität aus, also 79 Prozent, was Hahn nicht in Zweifel zieht.“

Oder andersrum:

Nahezu 80 Prozent der ausgeschlossenen Studien wurden auch nach Hahns Auffassung zu Recht ausgeschlossen. Somit schrumpft sein berühmtes Zitat bei Licht besehen von „90 Prozent“ auf etwa zehn Prozent zusammen.

Aus diesen zehn Prozent ausgeschlossener (und für die Homöopathie positiver) Studien schließt Hahn, dass die Metaanalysen die gesamte Studienlage zur Homöopathie nicht korrekt wiedergeben.

Das bleibt ihm als Meinung unbenommen, ändert aber nicht das Geringste am Grundkonsens über die Unwirksamkeit von Homöopathie.

Weder macht Hahn Vorschläge für ein angemessenes Studiendesign, noch erbringt er Nachweise dafür, dass die ausgeschlossenen Studien wirklich ein unanfechtbares Ergebnis pro Homöopathie zeigen und die Gesamtsituation nachhaltig ändern würden.

Den letzte Schnaufer seiner argumentativen Luftnot tut OGHM-Chef Pichler dann mit dem klassischen Argumentum ad hominem:

Mich stimmt bedenklich, dass die Kritik zur Homöopathie hauptsächlich von Personen getragen wird, die keine Ärzte sind und die keine Erfahrung, weder theoretisch noch praktisch, mit Homöopathie haben. Und sie maßen sich an, über etwas zu urteilen, wovon sie keine Ahnung haben.“

Ob ein Argument richtig oder falsch ist, wird korrekterweise am Argument selbst festgemacht, nicht an der Person, die das Argument führt.

Außerdem hat der Herr Pichler wohl überlesen, dass Prof. Berger auch für die neue „Initiative für Wissenschaftliche Medizin“ spricht, die von Hunderten Medizinern und Ärzten unterstützt wird.

Immerhin sind Pichlers Einlassungen nicht ganz so abenteuerlich wie die eines englischen Homöopathen, der einen Kritiker darauf hinwies, man müsse den verschüttelten Wasserflakon zehnmal auf eine mit Leder und Pferdehaar bezogene Oberfläche schlagen, damit das Wasser sich an ein Molekül der Urtinktur erinnert, wie Ben Goldacre in „Die Wissenschaftslüge“ schildert.

Aber wesentlich gehaltvoller kommen die Schelmenstücke von DHU, OGHM und Co. auch nicht daher.

In diese Richtung weist auch der Dialog von Mr. MIR (FSMoSophica) mit einem „promovierenden Homöopathen“:

Seinem Schlusswort ist nichts hinzuzufügen:

Sie sind ein Esoteriker. Und ein Verschwörungstheoretiker. So wie fast alle Homöopathen, die ich bis jetzt getroffen habe. Außerdem können Sie sich nicht an die Spielregeln der Forschung halten. Oder Sie wollen es nicht.“

Zum Weiterlesen:

  • Ist Homöopathie wirkungslos? Die ganze Woche am 7. April 2015
  • Homöopathie: Ein Konzept ohne Wissenschaft, Freie Presse am 8. April 2015
  • Nichts wirkt so gut wie Homöopathie, diaphanoskopie am 9. April 2015
  • Gespräch mit einem promovierenden Homöopathen, FSMoSophica am 9. April 2015
  • Die Homöopathie-Hydra, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 3. Mai 2014
  • Metaanalysen in der Homöopathie, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 3. Februar 2014
  • SkepKon-Rückblick: Die fehlende interne Validität von Homöopathie-Studien, GWUP-Blog am 10. Juni 2014
  • Homöopathie: Ein Theologe kritisiert die Skeptiker, GWUP-Blog am 6. April 2014
  • Homöopathie: Warum diese ganze Schreiberei dagegen? Ratgeber-News-Blog am 14. März 2014
  • Anti-Homöopathie-Petition, Pils zu Starkbier und Vortrag von Dr. Norbert Aust in München, GWUP-Blog am 8. April 2015
  • Wissenschafter machen Fehler – Esoteriker nicht, NZZ Campus am 9. April 2015

5 Kommentare

  1. Mal ganz provokativ gefragt:

    „Was sollen Studien? Wenn schon der Grundansatz völlig den bekannten Naturgesetzen widerspricht?“

    Ich kann nicht verstehen, daß es intelligente Menschen gibt, die glauben, daß „Schütteln“ irgendetwas bewirkt, außer das man etwas kinetische Energie hinzuführt – natürlich kann schütteln bei Nitroglyzerin fatale Folgen haben, aber das ist wohl kaum mit dieser Verschüttelung zu vergleichen.

    Die geringe Menge an kinetischer Energie ist nicht in der Lage irgendetwas zu potenzieren und schon gar keine „Informationen“…das ist so absurd, wie die Annahme, daß eine Verdünnung zu einer „Potenzierung“ führt.

    Macht endlich Schluss mit dem Stuss ;-)

    Das ist auch der Grund, warum man die Petition unterzeichnen sollte (was ich getan habe)
    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2015/_03/_26/Petition_58168.mitzeichnen.registrieren.html

  2. Sehr gut auf den Punkt gebracht.

    Als ich die Erwiderung von Dr. Pichler gelesen habe, ist mir vor Lachen fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen.

    Da wird wirklich jedes noch so dumme Argument genutzt, Hauptsache beim Leser entsteht der Zweifel“äh, warum sind den 90% der Studien rausgeflogen, bestimmt wieder die böse Pharmaindustrie“.

    Es schreit förmlich aus allen homöopathischen Poren. Wissenschaftliche Methodik verstehen Homöopathen nicht, wenn Ergebnisse von irgendwelchen Studien positiv ausfallen. Super.

    Werden die Studien methodisch als unzureichend kritisiert, kann es nur Ignoranz und die böse Pharmaindustrie sein.

    Wie stimmig doch die Welt der gläubigen Homöopathen ist.

  3. OOoohhhh Ramen, liebe GWUP! Danke für Eure spirituellen Worte :) Das Monsterrr liebt Euch, da bin ich MIR sicher:)

  4. @Ralf:

    << Was sollen Studien? Wenn schon der Grundansatz völlig den bekannten Naturgesetzen widerspricht? << Das wird seit langem diskutiert, allerdings kontrovers. Nicht alle Skeptiker sehen das so wie Du (und ich): https://blog.gwup.net/2013/06/19/sind-homoopathie-studien-irrelevant-oder-was-bedeutet-scientabilitat/

  5. Ich sehe es auch so, der Ruf nach immer mehr und genaueren/neueren/besseren Studien hat doch zur Folge, daß die HP immer weiter forschen kann (oder das, was sie darunter versteht), sie haben immer neue Finanzmittel zur Verfügung, um ihre Irrlehre am Leben zu erhalten.

    Die völlige physikalische Unplausibilität sollte reichen, zumindest an öffentlichen Hochschulen/Universitäten die HP zu begraben.

    Daß das leider nicht so ist, ist für mich ärgerlich.

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