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Die „Stiftung Gesundheit“ und ihre zertifizierten Webseiten

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Manchmal gibt’s doch seltsame Zufälle:

Als Medizinredakteur bekommt man ja so allerlei Pressemitteilungen zugeschickt, heute zum Beispiel von der „Stiftung Gesundheit“:

Fünf große Gesundheitsportale erhalten Gütesiegel der Stiftung Gesundheit.“

Darunter sind NetDoktor.de und Diabetes-Ratgeber.net, scheint also einigermaßen seriös zu sein.

Und vielleicht hätte ich sogar eine kleine Meldung veröffentlicht – wenn nicht fast gleichzeitig ein Leser des GWUP-Blogs uns ebenfalls auf die „Stiftung Gesundheit“ aufmerksam gemacht hätte.

Er schreibt uns Folgendes:

Kurz etwas ausgeholt: Eine Verwandte von mir, die in einer Leukämie-Selbsthilfegruppe aktiv ist, sprach mich auf die Webseite biokrebs.de an, da sie wusste, dass ich mich öfter mal kritisch mit Medizinthemen beschäftige.

Die Seite ist grob gesagt das übliche Geschwurbel von alternativmedizinischem Schwachsinn und bewirbt zahlreiche vermutlich wirkungslose bis gefährliche Therapien. Soweit so unspektakulär.

Was mich aber etwas stutzig machte: Die Seite trägt zwei Siegel, die ihr wohl sowas wie Vertrauenswürdigkeit verleihen sollen. Eines von der Deutschen Stiftung Gesundheit und eins vom Deutschen Zentral­institut für soziale Fra­gen.

Die Deutsche Stiftung Gesundheit ist jetzt, soweit ich das spontan feststellen konnte, keine Quacksalber-Organisation, sondern sieht eigentlich wie eine Organisation aus, die sich seriös mit medizinischen Themen befasst.“

Ja, kam mir auch so vor.

Aber wie „seriös“ kann eine Initiative sein, welche eine Webseite zertifiziert, die für „Entgiftung“, „Colon-Hydro-Therapie“, „Störfeldsanierung“, Homöopathie und ähnlichen Nonsens in der Krebstherapie wirbt?

Das fragte sich auch unser Leser und ersuchte die Stiftung Gesundheit um eine Stellungnahme.

Die Antwort kann man im Blog der Stiftung Gesundheit nachlesen, unter der Überschrift:

Ich dachte, dass sei klar… – Reflexionen zur Zertifizierung von Websites“

Von der Orthografie mal abgesehen, ist das prinzipiell ja ganz nett, wenn eine solche Einrichtung sich von einer Anfrage gleich zur „Reflexion“ über das eigene Tun inspirieren lässt.

Aber was erfahren wir nun?

Zum Beispiel dieses:

Unser Claim “Wissen ist die beste Medizin” mag ein Hinweis darauf sein, dass die Stiftung errichtet wurde gerade als Kontrapunkt zu Scharlatanerie, mittelalterliche Mythen und interessengeleiteter Des- oder Partikularinformation.“

Gut, was genau „mittelalterliche“ Mythen in diesem Zusammenhang sind, würde mich schon vertieft interessieren – die allermeisten Pseudotherapien sind Kommerzprodukte aus weitaus jüngerer Zeit.

Aber kommen wir zum Kern:

Nun aber zu dem Siegel und dem gutachterlichen Verfahren: Es ist ein publizistisches, kein medizinisches.

Das Gütesiegel erhalten Websites, die sich dem gutachterlichen Verfahren mit definiertem Prüfungskatalog unterziehen und dabei keine wesentlichen Mängel aufweisen. Dafür bewerten die Gutachter die Site anhand eines Sets von mehr als 100 Kriterien. Wesentliche Prüfkriterien sind dabei beispielsweise, ob die geltenden juristischen Anforderungen an eine Website erfüllt sind.

Sie prüfen zudem auch die Userfreundlichkeit sowie die Barrierefreiheit einer Website. Die publizistische Güte bewertet u.a. die publizistische Sorgfaltspflicht sowie die Frage, ob Aufgabe, Zweck und Nutzen der Website für die jeweilige Zielgruppe klar erkennbar sind, die Autorenschaft bekannt gegeben wird.

Die Prüfung gilt nicht einer möglichen medizinischen Wirksamkeit der angebotenen Therapien zu beurteilen, wir sind weder das IQWiG noch der G-BA. Die Gutachter prüfen vielmehr, ob die Website anhand oben skizzierter Kriterien geeignet ist, die Besucher in qualifizierter Weise über gesundheitsrelevante Themen und Zusammenhänge zu informieren und mehr Transparenz für Patienten zu schaffen.“

Aha.

Aber wie soll das bitte funktionieren:

  • „Die Besucher in qualifizierter Weise über gesundheitsrelevante Themen und Zusammenhänge zu informieren“, ohne jedoch die „mögliche medizinische Wirksamkeit der angebotenen Therapien zu beurteilen“.

Noch besser:

  • „Transparenz für Patienten“ zu schaffen, aber dabei keinerlei Bewertung der Webseiten-Inhalte vorzunehmen.

Was heißt das?

Kann ich mir also eine formal perfekte und sehr moderne userfreundliche Webseite bauen, über die ich dann zum Beispiel eine kostspielige und vollkommen sinnlose Jodel-Therapie gegen Magersucht verkaufe – und bekomme dafür die Zertifizierung der Stiftung Gesundheit?

  • Und vor allem: Welcher Besucher einer „zertifizierten“ Seite weiß denn, dass das Gütesiegel der „Stiftung Gesundheit“ sich auf kaum mehr als die Usability bezieht?

Seltsam.

Und was den „grundsätzlichen Wert des Pluralismus“ angeht, auf den die Stiftung-Gesundheit-Projektmanagerin in ihrer Antwort auch abhebt: Zu diesem Thema („Pluralismus und Evidenzbasierung in der Medizin“) gab es gerade erst einen Workshop beim EBM-Kongress 2013.

Der Science-Blog Gesundheits-Check schreibt dazu:

Das zweite Impulsreferat kam von Jutta Hübner, bis vor kurzem ärztliche Leiterin der Komplementären Onkologie am Universitären Centrum für Tumorerkrankungen in Frankfurt/Main, jetzt bei der Deutschen Krebsgesellschaft.

Sie vertrat angesichts dessen, dass gerade Krebspatient/innen häufig komplementärmedizinische Methoden nachfragen, die Auffassung, dass komplementäre Methoden genauso evidenzbasiert sein müssen wie der Rest der Medizin, es gebe nur „eine Medizin“.

Manche komplementärmedizinische Verfahren seien sehr sinnvoll in der onkologischen Behandlung, z.B. Entspannungsverfahren, manche könnten aber hochproblematisch sein, etwa wenn dadurch die Anwendung wirksamer Methoden verzögert wird, was immer wieder der Fall sei.

Gerade in der Onkologie sieht sie die Berufung auf eine Erfahrungsheilkunde – oft verschlüsselt mit dem Satz „Wer heilt, hat recht“ – als irreführend und nicht hilfreich für die Patient/innen.

Dies führe zurück zur eminenzbasierten Medizin“.

Möglicherweise sollte die Stiftung Gesundheit mal genau darüber reflektieren.

Dann könnte man ihre Webseiten-Empfehlungen vielleicht auch wieder ohne große Bedenken veröffentlichen.

Zum Weiterlesen:

  • Mistel und Ginko in der Krebstherapie? GWUP-Blog am 13. Mai 2011
  • GWUP in WDR 5: Wer heilt, hat Recht? GWUP-Blog am 23. Januar 2012
  • Pluralismus und Evidenzbasierung in der Medizin, Gesundheits-Check am 17. März 2013
  • Australische Wissenschaftler warnen vor ,,Alternativmedizin“ bei Krebserkrankungen, GWUP-News am 8. März 2013

10 Kommentare

  1. So ist das mit den Zertifikaten. Das errinert mich daran, daß man auch Rettungsringe aus Beton nach ISO9000 zertifizieren kann. Man muß nur die Kriterien nach denen zertifiziert wird richtig definieren.

  2. 1. Anmerkung:
    Die Zertifizierung ist NICHT kostenlos, sondern muss beantragt und bezahlt werden.

    Und diese Aussage: „“Transparenz für Patienten” zu schaffen, aber dabei keinerlei Bewertung der Webseiten-Inhalte vorzunehmen.“ steht m.E. im krassen Gegensatz zu folgender Aussage: „Die erfolgreiche Zertifizierung zeigt jedem User: Ja, diese Website ist gewissenhaft geprüft und verlässlich.“
    http://www.stiftung-gesundheit.de/zertifizierung/zertifizierte-websites.htm

    Man kann zur Stellungnahme der Stiftung in ihrem Blog kommentieren:
    http://www.stiftung-gesundheit-blog.de/ich-dachte-dass-sei-klar-reflexionen-zur-zertifizierung-von-websites#comment-652

  3. tja, und mit einer solchen Zertifizierung darf dann der deutsche Naturheilbund (http://www.naturheilbund.de/index.php?id=1) Impfempfehlungen verbreiten (Masern sollte man natürlich nicht impfen), Schüsslersalze bewerben, die Irisdiagnose erklären usw. usf. (siehe http://www.naturheilbund.de/index.php?id=6)

    Wie lächerlich kann man sich eigentlich mit solch einer Zertifizierung machen?

  4. Hier noch ein interessanter Blick des bayerischen Zahnärzteblattes hinter die Kulissen der Stiftung:
    http://www.bzb-online.de/julaug12/17_19.pdf

    oder auch hier die Meinung der Zahnärzte aus Niedersachsen:
    http://www.zfn-online.de/index.php/zfn-aufgespiesst/items/stiften-gehen-oder-wie-laesst-sich-nachfrage-steuern.html

    oder die Wettbewerbszentrale, die vor Panikmache warnt:
    http://www.wettbewerbszentrale.de/de/_pressemitteilungen/?id=160

  5. Inzwischen gibt es auf dem Blog eine Antwort.
    Der wichtigste Satz dürfte sein: „Wie zuvor erwähnt lautet das Ziel der Zertifizierung ausdrücklich nicht, die medizinische Wirksamkeit der angebotenen Therapien zu bewerten.“

    Als könnte man das Siegel auch umbenennen in „Userfreundliche Webseite“.

    Andererseits steht in den Faqs zur Zertifizierung:
    “ Die Gutachter prüfen, ob die Inhalte sachlich richtig sind, die Website für die jeweilige Zielgruppe geeignet ist und die Texte publizistisch sorgfältig erarbeitet wurden. „

  6. Dass sie Zertifizierung nicht kostenlos ist, ist sehr bedauerlich.

  7. @Willi: Viel bedauerlicher finde ich, dass sie im Grunde nichts Wert ist.

  8. wenn ich nur die Rechtssicherheit meiner Webseite prüfen lassen will:
    ist die Zertifizierung durch die Stiftung Gesundheit dann sinnvoll?
    Oder wer macht es sonst (vielleicht billiger?)
    Was kostet das wohl?

  9. Kleine Seiten im Bereich Wellness und Gesundheitsvorsorge haben leider auch bei gewissenhafter und verantwortungsvoller Information kaum noch Chancen, mit umsatzstarken Portalen mitzuhalten. Zur Qualitätssicherung wären entsprechende Prüfungen und Zertifizierungen absolut sinnvoll.

    Allerdings sind diese mit Kosten verbunden, die für große Firmen irrelevant sind, für kleine Betreiber aber eine enorme Hürde darstellen. Dabei müssen die großen nicht unbedingt kundenfreundlicher oder besser recherchiert sein.

    In der Folge werden dann auch vom Internetherrscher Google die Algorithmen dementsprechend angepasst. Der Besucherstrom konzentriert sich dadurch noch weiter.

  10. Wahnsinn, was da alles im Namen der gesundheitlichen Aufklärung an Geschäftsmodellen rauskommt. Stiftung Gesundheit ist also eher sowas wie ein Lektorat???? Irreführender kann eine Bezeichnung nicht mehr sein.

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