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Sind Hellseher seriös?

| 11 Kommentare

Fortsetzung von „Sind Hellseher sympathisch?“

Nicht nur, dass es auch „sehr sympathische Hellseher“ gibt, wollte uns unser Kommentator beweisen – sogar „seriöse“ soll es geben.

Schauen wir mal.

Tatsächlich finden wir in dem besagten Interview mit Gabriele Hoffmann ein paar Bezüge, was denn „seriös“ und „unseriös“ in diesem Zusammenhang überhaupt bedeuten soll:

  • Seriös ist zum Beispiel, sich „als hellsichtiger Mensch jeden Tag […] seiner Verantwortung bewusst zu sein“ sowie Klienten abzulehnen, „wenn ich merke, dass dem Menschen das Wissen schadet, es keine Orientierungshilfe ist“.
  • Unseriös sind „Beratungen aus der Ferne“, Sitzungen mit „psychisch Kranken und seelisch gestörten Menschen“ sowie zu kurze Abstände zwischen den Sitzungen, weil das den Ratsuchenden in Abhängigkeit bringen könnte.

Das klingt zwar alles recht nobel – aber erkennt man daran wirklich einen „seriösen“ Hellseher?

Oder ist das nicht vielleicht eher eine Art „Ganovenehre“, wie ein Kommentator bei Astrodicticum simplex mal launig geschrieben hat?

Klar, die „Unseriösen“ sind natürlich immer die anderen:

Es gibt in jedem Beruf auch schwarze Schafe“,

strapaziert auch Frau Hoffmann den glitschigen Allgemeinplatz der Eso-Branche.

Aber wer bestimmt nach welchen Kriterien, wer nun zu den „schwarzen Schafen“ gehört und wer nicht?

Dazu entfaltet die „Hellseherin“ eine eigenwillige Vorstellung:

Wenn es sich um eine natürliche Gabe handelt, sollte der Berater bei dem Gewerbeamt, Finanzamt und der IHK angemeldet sein. Vor Betrug schützen müsste auch die Verbraucherzentrale, wobei ich schon der Meinung bin, dass sich jeder Mensch in seiner Arbeit mal irren kann.“

Verstehen wir das richtig? „Seriös“ ist ein Hellseher also dann, wenn er beim Gewerbeamt, dem Finanzamt und bei der IHK angemeldet ist?

Übersetzt heißt das eigentlich nur, dass das Kriterium „Geld damit verdienen“ zum Qualitätsmerkmal erhoben werden soll. Was aber hat das mit „Seriosität“ zu tun?

Die Dienstleistung von Hellsehern und Wahrsagern ist laut Rechtssprechung eine „unmögliche Leistung“. In einem Kurzkommentar (Palandt) dazu heißt es:

Die Leistung ist unmöglich, wenn sie nach Naturgesetz oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann.“

Und genau das ist die Situation.

Hellseher sind nicht „unseriös“, wenn sie das Finanzamt bescheißen.

Sondern sie sind unseriös, weil die „natürliche Gabe“, von der Frau Hoffmann salbadert, gar nicht existiert.

Und deshalb führt diese Do-it-yourself-Unterscheidung zwischen „seriösen“ und „unseriösen“ Hellsehern keinen Schritt weiter.

Nur weil Frau Hoffmann ihrer Tätigkeit ernsthaft und mit gutem Gewissen und bester Absicht nachgehen mag, ist sie deshalb noch längst nicht „seriös“. Um dieses Prädikat für sich beanspruchen zu können, müsste sie objektiv nachweisen, dass „Hellsehen“ überhaupt funktioniert.

Sowohl der One Million Dollar Paranormal Challenge der JREF als auch die Psi-Tests der GWUP würden sich dafür anbieten.

Erst wenn dieser Nachweis erbracht worden ist, könnte man ernsthaft überlegen, wie man die Kunden von Hellsehern, Wahrsagern und Astrologen vor Abzocke und Geschwafel schützen kann. Beziehungsweise welche Kompetenzen und Fähigkeiten ein Hellseher haben sollte und wie diese überprüft werden können.

Solange aber gar nicht belegt ist, dass es „Hellsehen“ überhaupt gibt, ist jede Form von „Hellseherei“ per se unseriös.

Und wie war das gleich nochmal mit der Ausrede, dass sich „jeder Mensch in seiner Arbeit mal irren“ kann?

Das ist richtig – und passiert auch Ärzten und Psychotherapeuten, Physikern und Biologen.

Der Unterschied:

Ärzte, Psychotherapeuten, Physiker und Biologen können grundsätzlich auf ein gesichertes und erprobtes Wissen in ihrem Fach zurückgreifen, das möglicherweise individuell falsch anwendet/interpretiert wird.

Und genau das ist bei „Hellsehern“ und „Wahrsagern“ anders, die lediglich eigene – wissenschaftlich ungeprüfte – Überzeugungen, Pseudo-Wissen, unbelegte Glaubensgrundsätze und erwiesenen (das heißt: zig-fach widerlegten) Unsinn von sich geben. Und zwar ganz weit außerhalb der „Scientific Community”, also jener Gemeinschaft von Personen, die weltweit nach den anerkannten Maßstäben wissenschaftlicher Arbeit vorgehen.

Wer einen „seriösen Hellseher“ sucht, sollte sich einfach mal fragen, ob er seine Zähne auch von einem Hobby-Zahnklempner anbohren lassen würde, der beim Finanzamt ein Gewerbe angemeldet und sich eine individuelle Berufsethik aufs Türschild genagelt hat, aber sein Wissen aus der Akasha-Chronik channelt. Oder als „Familiengabe“ erhalten haben will (wie Gabriele Hoffmann von sich behauptet).

Fazit: „Seriöse“ Hellseherei gibt es nicht – und daher auch keine sinnvollen Kriterien, um sie zu definieren. Bis zum Beweis des Gegenteils ist „seriös“ eine werbliche Selbstbezeichnung, die primär der Marktsegmentierung in „billig“ und „teuer“ dient.

Bleibt zu guter Letzt die Frage: Von wem werden Hellseher wie Frau Hoffmann eigentlich „anerkannt“?

Weiter zu Teil III: „Sind Hellseher anerkannt?“

 Zum Weiterlesen:

  • Sind Hellseher sympatisch? GWUP-Blog am 30. September 2012
  • Wie erkennt man einen seriösen Astrologen? Astrodicticum simplex am 6. August 2011
  • „Seriöse“ und „unseriöse“ Astrologie, GWUP-Blog am 3. Januar 2011
  • Fehlschluss 7: Kein echter Schotte, Ratio-Blog am 16. Juli 2011
  • GWUP-Thema: Wahrsager

11 Kommentare

  1. Nein, nein und nochmals NEIN!

    Dieses komplette Interview ist Werbung!

    Welche Werbung ist wirklich seriös?

    Die Zielsetzung, bereits angefangen im Kindesalter, muss die Auseinandersetzung mit diesen umsatzfördernden Aussagen sein!

  2. Sind vielleicht Hellseher seriös, wenn sie offen zugeben: „Eigentlich beobachte ich nur die Körpersprache und der rest ist geraten“?
    Vielleicht.
    Sind es dann noch Hellseher? Eigentlich ja irgendwie nicht.

    Aber was ist, wenn der vermeintliche Hellseher an seine eigene „Gabe“ glaubt? Wäre er dann nicht zumindest aus seiner eigenen Sicht seriös? Es gibt ja sicherlich auch einige, die wirklich glauben, sie könnten hellsehen.
    Obwohl, nein, streichen wir das… Das würde dann ja auch für den Hobbyzahnarzt gelten…

  3. Ich beantworte die Frage im Fall Gabrielle Hoffmann mit NEIN. Mir ist aufgefallen, daß sie auf ihrer Pinwand für Werbezwecke Bilder mit Prominenten veröffentlicht hat, die bereits vor vielen Jahren verstorben sind. Ich bezweifle, daß sie diese Menschen damals gefragt hat, ob sie damit einverstanden sind – falls es in vielen, vielen Jahren mal Fiesbook geben sollte – für Werbezwecke auf ihrer Pinwand herzuhalten!

  4. @ Frieda

    Ich halte Ihre These für gewagt. Ob Hellseher seriös sind oder nicht, sollte aus meiner Sicht schwerpunktmäßig an anderen Punkten gemessen werden. Sie wissen nicht, ob Frau Hoffmann von den verstorbenen Prominenten damals die Erlaubnis erhielt, mit den Fotos zu werben. Auch ich habe zeitweise mehrere Dutzend Fotos auf meiner Homepage veröffentlicht, die mich mit Prominenten zeigen, für die ich entweder aufgetreten bin oder mit denen ich zusammen in Programmen engagiert wurde. Und ich habe alle gefragt, ob ich ihre Fotos veröffentlichen darf.

    Davon abgesehen: Es gibt unter Prominenten eine sehr große Toleranz (solange sich alles im Rahmen hält). Wenn allerdings große Firmen Prominente ungefragt zu Werbezwecken missbrauchen, wird´s teuer für die Firmen.

    Frau Hoffmann war in den 80´er Jahren übrigens tatsächlich die in Deutschland am meisten im Fernsehen zu sehende Hellseherin. Ich erinnere mich noch genau an ihren ersten Fernsehauftritt, der in der NDR-Talkshow stattfand und vor ca. einem halben Jahr nach 30 Jahren als Wiederholung zu sehen war (bei youtube leider nicht zu finden).

    Ich möchte keinesfalls für diese Hellseherin Partei ergreifen (wie könnte ich auch – wo sie sich doch in ihrem wohl selbstgeschriebenen Interview als Altmeisterin aufspielt, indem sie Kollegen aus ihrem Metier runtermacht und mit Sprüchen trommelt, die mich zum Schmunzeln brachten).

    Aber ich denke mal, dass wir hier über Punkte diskutieren sollten, die zu überprüfen sind.

  5. @Hellseher: Dass diese Unterscheidung im Bereich der Esoterik (Hellsehen, Astrologie etc.) Unsinn und nicht haltbar ist, darum geht der ganze Beitrag.

    Überhaupt gelesen, oder nur die Überschrift?

  6. „Die Leistung ist unmöglich, wenn sie nach Naturgesetz oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann“

    Ich denke, die Juristen haben da keine gute Abgrenzung geliefert. Demnach würde aus einer unmöglichen Leistung eine mögliche werden (und unseriöse Heiler plötzlich seriös), sobald die Wissenschaft eine Phänomen experimentell überprüfen kann und Zusammenhänge versteht bzw. die Technik so weit verbessert wurde, um ein Phänomen beobachten zu können…

  7. @ Frank Carnevali:

    Juristen haben eine Abgrenzung geliefert, die für ihre Zwecke ausreicht: der Richter kann damit einen Fall entscheiden, der vor ihm liegt. Juristen wissen ansonsten ganz gut, dass es nicht ihre Aufgabe ist, die Welt zu erklären.

  8. Vor einigen Augenblicken wollte mich jemand überreden zur Frau Hofmann zu gehen. 250€/Stunde kostet der Spaß. Die 250€ spende ich lieber der GWUP :-)

  9. @Jim:

    Das wäre sehr freundlich :-)

  10. Da bin ich ja mal gespannt, ob Jim Wort hält;-)

    Wenn ja, ziehe ich meinen Hut!

  11. „Die Leistung ist unmöglich, wenn sie nach Naturgesetz oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann.“

    Leider halten sich viele Krankenkassen nicht an diese Definition und zahlen nach wie vor Schein“medizin“ wie Homöopathie.

    P.S.: Bernd Harder, das ist ein toller und zeitloser Beitrag, vielen Dank dafür!

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