Parapsychologe zu sein, ist schon ein toller Job. Da kann man mit Blaulicht durch die Straßenschluchten von New York brettern und schöne Frauen aus der Gewalt von schleimigen Spuk-Gestalten retten – so wie Dr. Venkman, Dr. Stantz und Dr. Spengler.
Das gibt’s nur im Film? Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus? Stimmt – lesen wir jetzt sogar in der Zeit. Und zwar in einer Rubrik, in der wir es am allerwenigsten erwartet hätten. Das Ressort „Karriere“ stellt „ungewöhnliche Berufe“ vor – und subsumiert darunter erstaunlicherweise auch die spannende Profession des „Parapsychologen“.
Porträtiert wird in dem Beitrag natürlich der Unvermeidliche himself: Dr. Dr. Walter von Lucadou. Und schon die Überschrift sorgt nicht nur bei Skeptikern für ungebremste Heiterkeit: „Stimmen aus dem Wasserkessel – Ein Fall für den Parapsychologen“.
Schauder! Worum geht es hier? Um dieses Anekdötchen:
Allerdings kann er (Lucadou) nicht jedes Ereignis so leicht erklären. Gut im Gedächtnis geblieben ist ihm der Fall eines Mannes, der Stimmen aus seinem Wasserkessel vernahm, sobald er diesen auf den Herd stellte. Von Lucadou musste lange recherchieren, bis ihm auffiel, dass die Stimmen aus dem Wasserkessel eigentlich Stimmen aus einem Radio waren. Des Rätsels Lösung: Ein naher Mittelwellensender lies seinen Kessel als Empfänger fungieren, der Mann konnte mit seinem Teekessel Radio hören.“
Irgendwie seltsam, dass der von den Medien wahlweise als „bekanntester Parapsychologe Deutschlands“ oder „bekanntester Erforscher der Parapsychologie“ titulierte Lucadou schon seit Jahrzehnten immer und stets die zwei selben Storys zum Besten gibt: entweder die vom sprechenden Wasserkessel. Oder aber die von der Kompassnadel, die sich scheinbar durch „Telekinese“ bewegte – in Wirklichkeit aber von der Eisenmasse eines nahen Fahrstuhls beeinflusst wurde. Wer’s nicht glaubt: einfach mal bei Google „Lucadou + Wasserkessel“ oder „Lucadou + Kompassnadel“ eingeben.
Irgendwie scheint der Mann wenig Neues, Aufregendes, Weiterführendes, Zukunftsweisendes in seinem merkwürdigen Metier zu erleben. Nichtsdestotrotz, vor lauter Begeisterung über solche Uralt-Schmonzetten vergisst der Autor beinahe, seinem Gesprächspartner die entscheidende Frage zu stellen: Wie wird man nun eigentlich „Parapsychologe“?
Die Antwort darauf nimmt sage und schreibe ganze drei Sätze in dem umfangreichen Zeilenwerk ein:
Durch ein oder besser mehrere Studien. Denn Parapsychologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft. Umfangreiche Kenntnisse aus mindestens zwei unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen, beispielsweise Medizin, Psychologie oder der Physik sind notwendig.“
Das war’s. Und schon geht’s weiter mit der Huldigung des Meisters des Obskuranten: „Walter von Lucadou hat Physik und Psychologie studiert – und in beiden Fächern promoviert.“
Wow. Wir sind angemessen beeindruckt. Und was haben wir nun aus der Zeit über das Berufsbild des „Parapsychologen“ gelernt? Annähernd gar nichts. Und deshalb werden wohl auch weiterhin zahllose „Ghostbusters“- und „John Sinclair“-Fans bei der GWUP anfragen, wo man denn Parapsychologie studieren könne. Kurz gesagt: nirgendwo. Auch nicht im schönen Freiburg im Breisgau.
Konnte man übrigens noch nie. Ein bisschen Historie:
Im Jahr 1950 wurde von Hans Bender, dem berühmten „Spukprofessor“ und Nestor der Parapsychologie in Deutschland, das private Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) in Freiburg gegründet. 1954 übernahm Bender an der Universität Freiburg einen Lehrstuhl für Grenzgebiete der Psychologie, der 1967 in ein Ordinariat für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie umgewandelt wurde.
Nach Benders Emeritierung 1975 wurde sein Schüler Professor Johannes Mischo Lehrstuhlinhaber, der sich mit verschiedenen Fragebogen- und Interviewstudien zum Thema Jugendokkultismus hervortat. Zu den Lehr- und Forschungsaufgaben der Abteilung gehörten aber in erster Linie konventionelle psychologische Fächer wie Sozial- und Persönlichkeitspsychologie. Nur etwa ein Drittel der Forschungskapazitäten beschäftigte sich mit den „Grenzgebieten“. Zu dieser Zeit konnten Studenten mit Hauptfach Psychologie eine Diplom- oder Doktorarbeit mit einer parapsychologischen Fragestellung anfertigen sowie als freiwilliges Zusatzfach „Parapsychologie/Grenzgebiete der Psychologie“ für die Diplomprüfung wählen.
Allerdings, warnte die Uni stets, erscheine es „unrealistisch, eine alleinige Tätigkeit auf diesem Gebiet in den eigenen Lebensplan einzubeziehen“.
Weshalb nicht?
„Parapsychologie stellt kein selbständiges Studienfach dar und insofern gibt es kein Berufsbild des Parapsychologen. Die beste Voraussetzung für eine Arbeit und eine Beurteilung des Forschungsgegenstandes auf diesem Gebiet ist im Allgemeinen ein abgeschlossenes Studium der Sozial- oder Naturwissenschaften. Wichtig sind ferner gründliche Kenntnisse der experimentellen Methodenlehre sowie der Wissenschaftsgeschichte und -soziologie.“
Gut, soweit kann man Dr. Dr. von Lucadou immerhin zugestehen, in der Ausbildung alles richtig gemacht zu haben.
Nach der Emeritierung Mischos 1998 war der Zeit der parapsychologischen Forschung an der Universität Freiburg indes endgültig abgelaufen. Der Lehrstuhl für Psychologie und ihre Grenzgebiete wurde in einen für Pädagogische Psychologie umgewandelt. Nach wie vor existiert jedoch das ehemalige Bender-Institut, das von der Eichhalde in großzügige Arbeits- und Laborräume in der Freiburger Innenstadt umgezogen ist. Daneben gibt es die „Parapsychologische Beratungsstelle“, die Lucadou als eine Art Einmannunternehmen für den Verein „Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie“ (WGFP) betreibt.
Kurse in Parapsychologie – zum Teil mit dem akademischen Grad „Master of Science“ – bieten noch einige Universitäten in England und den USA an.
Warum ist „Parapsychologie“ kein ordentliches Studienfach? Darüber schweigt sich der Zeit-Artikel leider aus. Dabei ist die Antwort eigentlich recht einfach: Weil „Parapsychologie“ keine Wissenschaft ist.
Wieso Parapsychologie relativ langweilig und vor allem weitgehend sinnfrei ist, erklärt zum Beispiel die Ex-Parapsychologin Susan Blackmore. Und dass Falluntersuchungen richtig spannend sein können, wenn man skeptisch an die Sache herangeht, davon können etwa Joe Nickell und Massimo Polidoro viele, viele Beispiele erzählen.
Zum Weiterlesen:
- Detektiv des Übersinnlichen – Interview mit Massimo Polidoro, Skeptiker 1/2009
- Der Tod der Parapsychologie, GWUP-Blog am 23. Mai 2010
- Joe Nickell: Adventures in Paranormal Investigation. University Press of Kentucky, 2007
- Die PSI-Tests der GWUP 2009, Skeptiker 3/2009
- Andreas Hergovich: Der Glaube an Psi. Die Psychologie der paranormalen Überzeugungen. Huber, Bern 2005
- Wolfgang Hell: Von Schafen und Ziegen. Der Sechste Sinn und die unbewusste Wahrnehmung, Skeptiker 2/2010
22. August 2010 um 00:20
Dieser durch und durch unberechtigt polemisierende Artikel provoziert bei mir erheblichen Widerspruch, insbesondere an einer Stelle:
Der Autor schreibt:
„Warum ist “Parapsychologie” kein ordentliches Studienfach? Darüber schweigt sich der Zeit-Artikel leider aus. Dabei ist die Antwort eigentlich recht einfach: Weil “Parapsychologie” keine Wissenschaft ist.“
Ich frage mich an dieser Stelle ernsthaft, wieso Skeptiker es sich immer wieder so einfach machen und die Behauptung, Parapsychologie sei keine Wissenschaft, völlig beleglos in die Welt setzen. Ja, ich weiß, das wurde an anderer Stelle schon – kontrovers – diskutiert. Trotzdem ist diese belegfrei präsentierte Simplifizierung eines Magazins, das selbst den Anspruch der Wissenschaftlichkeit hat, unwürdig.
Zudem ist die Frage sinnfrei. Warum sollte etwas ein „ordentliches Studienfach“ sein, was historisch gesehen ein Teilgebiet eines anderen Faches, nämlich der Psychologie ist? „Quantenphysik“ ist ja auch in der Regel kein separates „ordentliches Studienfach“, sondern wird in den allermeisten Fällen im Rahmen des Physik-Curriculums gelehrt.
Daß Parapsychologie keine Wissenschaft sei, ist zudem eine völlig unhaltbare Behauptung, die nur dadurch zustandekommt, daß der Autor die Parapsychologie völlig unzulässig auf die Nachweisforschung reduziert. Und selbst da wird wissenschaftlich gearbeitet, wie dem Autor bekannt sein sollte. Aber Parapsychologie ist über die Nachweisforschung hinaus wesentlich mehr:
– Parapsychologie befaßt sich, wie der Autor ja selbst am Beispiels Mischos diskutiert, auch mit der Frage, warum Menschen an bestimmte Phänomene glauben. Das sind soziologische und psychologische Fragestellungen, die sich selbstverständlich problemlos wissenschaftlich untersuchen lassen.
– Parapsychologie befaßt sich zudem, wie beispielsweise primär Walter von Lucadou, mit Beratung und Therapie von Menschen, die meinen, außergewöhnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Die Forschung auf diesem Gebiet ist wohl am ehesten in den Bereich der klinischen Psychologie einzuordnen und ebenfalls unstrittig wissenschaftlich.
22. August 2010 um 12:46
@Alex:
Ich frage mich an dieser Stelle ernsthaft, wieso Skeptiker es sich immer wieder so einfach machen und die Behauptung, Parapsychologie sei keine Wissenschaft, völlig beleglos in die Welt setzen.
Tja, und ich frage mich, weshalb wir eigentlich bei jedem Blogging zahlreiche Links und Verweise angeben. Schon allein hier
http://www.gwup.org/infos/themen-nach-gebiet/334-parapsychologie?catid=63%3Aparapsychologie
sind Belege für diese Behauptung zu finden. Und nicht nur dort.
ist diese belegfrei präsentierte Simplifizierung eines Magazins, das selbst den Anspruch der Wissenschaftlichkeit hat, unwürdig.
Ich glaube, wir sind hier in einem Blog – nicht beim Skeptiker– oder einem sonstigen Magazin.
Zudem ist die Frage sinnfrei. Warum sollte etwas ein "ordentliches Studienfach" sein, was historisch gesehen ein Teilgebiet eines anderen Faches, nämlich der Psychologie ist? "Quantenphysik" ist ja auch in der Regel kein separates "ordentliches Studienfach", sondern wird in den allermeisten Fällen im Rahmen des Physik-Curriculums gelehrt.
Schön, dass Du Dir die Antwort gleich selber gibst: Richtig, Quantenphysik ist in das normale Studienfach Physik integriert und wird im Rahmen eines Physik-Studiums gelehrt. Zählst Du mir bitte detalliert auf, wo auf der Welt im Rahmen eines Psychologie-Studiums "Parapsychologie" gelehrt wird oder in welchem Psychologie-Lehrbuch „Parapsychologie“ auftaucht oder wie viele studierte Psychologen sich mit Parapsychologie beschäftigen oder diese auch nur im Ansatz ernst nehmen?
Daß Parapsychologie keine Wissenschaft sei, ist zudem eine völlig unhaltbare Behauptung, die nur dadurch zustandekommt, daß der Autor die Parapsychologie völlig unzulässig auf die Nachweisforschung reduziert. Und selbst da wird wissenschaftlich gearbeitet, wie dem Autor bekannt sein sollte.
Nur seltsam, dass das so viele Leute, die etwas davon verstehen, ganz anders sehen, zum Beispiel:
https://blog.gwup.net/2010/05/23/der-tod-der-parapsychologie/
Parapsychologie befaßt sich, wie der Autor ja selbst am Beispiels Mischos diskutiert, auch mit der Frage, warum Menschen an bestimmte Phänomene glauben. Das sind soziologische und psychologische Fragestellungen, die sich selbstverständlich problemlos wissenschaftlich untersuchen lassen.
Und die auch am IGPP sauber untersucht werden, da sind wir uns wohl einig. Ich kenne die Jahresberichte des Instituts. Dass man jedoch auch am IGPP wohl die Hoffnung aufgegeben hat, jemals einen sicheren Nachweis für "paranormale" Fähigkeiten zu finden, dürfte ebenfalls unstrittig sein, oder?
Parapsychologie befaßt sich zudem, wie beispielsweise primär Walter von Lucadou, mit Beratung und Therapie von Menschen, die meinen, außergewöhnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Die Forschung auf diesem Gebiet ist wohl am ehesten in den Bereich der klinischen Psychologie einzuordnen und ebenfalls unstrittig wissenschaftlich.
Du weißt genau, dass Dr. Dr. von Lucadou sich nicht auf seine – an sich sinnvolle – Beratungstätigkeit beschränkt, sondern nach wie vor davon ausgeht (und dies auch öffentlich vertritt), dass "paranormale" Phänomene existieren, für die er allerlei seltsame Modelle aufstellt, denen sogar innerhalb der Parapsychologie selbst allenfalls ein Außenseiter-Status eingeräumt wird. *Darum* geht es in dem Blog-Beitrag – nicht um "Beratung" oder "außergewöhnliche Erfahrungen".
Die Forschung auf diesem Gebiet ist wohl am ehesten in den Bereich der klinischen Psychologie einzuordnen und ebenfalls unstrittig wissenschaftlich.
Richtig. Bleibt allerdings die Frage, weshalb sich Dr. Dr. von Lucadou dann nicht einfach „klinischer Psychologe“ nennt und als solcher auftritt – anstatt für jedes Blödel-Medium in Deutschland den Vorzeige-„Parapsychologen“ zu geben? Ich vermute mal einfach, dass der arme Mann darauf angewiesen sind, ständig seinen Namen in die Medien zu bringen und sich nahezu verzweifelt irgendwie im Gespräch halten muss.