Die Gebetsmühle
„Wer heilt, hat recht“ ist ein Standardargument aus der alternativen Medizin.
Das Argument scheint schlagend – aber korrekterweise sollte es heißen: „Wer dabei war, hat recht“. Die Frage, welche Therapie – wenn überhaupt – bei der „Heilung“ eine Rolle gespielt hat, ist ja gar nicht geklärt. Nun, der „Heiler“ war dabei und beansprucht jeglichen positiven Effekt einschließlich des Placebo-Effektes für sich, und deshalb soll er recht bekommen. Ein Schelm, wer dabei an Trittbrettfahren denkt. „Wer heilt, hat recht“ ist die Gebetsmühle, mit deren Hilfe Anbieter der alternativen Medizin – ob Dr. med. oder nicht – auf Beutejagd gehen, und es funktioniert!
Die Vorgehensweise ist einfach: Man werbe von der regulären Medizin enttäuschte Patienten, gebe ihnen ein gutes Gefühl, rede ihnen gut zu, rede ihnen Krankheiten ein, die sie gar nicht haben, und binde sie ideologisch. Welche Quacksalber-Methode man dabei nutzt, ist eigentlich egal. Homöopathie ist ein besonders guter Kandidat, weil für sie massive Medienkampagnen gelaufen sind und sie auch ihre akademischen Helfershelfer hat, die ihnen notfalls den Stempel „wissenschaftlich“ aufdrücken. Wer darauf nicht anspricht, dem kann man ja indische oder chinesische Medizin anbieten.
Nun kann nichts mehr schief gehen. Wenn doch, liegt es an der verteufelten „Schul“-Medizin. Möglicherweise hat ein Arzt, berechtigt oder unberechtigt, eine Therapie mit vielen Nebenwirkungen verordnet. Bereits durch das Absetzen dieser Behandlung fühlt sich der Patient besser – ob ihm dies langfristig dienlich ist, sei dahingestellt: Erfolg Nummer eins. Wenn es dem Betroffenen trotz Beginn der alternativen „Behandlung“ schlecht geht – aber nur dann! – liegt es an der „Erstverschlimmerung“. Geniale Ausreden für Misserfolge! Sind Krankheiten eingebildet oder eingeredet, kann man sie ohnehin mit dubiosen Messmethoden als „geheilt“ erklären und als Erfolg abhaken. Bei anderen Beschwerden warte man nur ab – geht es dem Patienten, aus welchen Gründen auch immer, besser, ist es ebenfalls ein Erfolg. Auch bei dem natürlichen Auf und Ab einer Krankheit kann man durch „Anpassen“ der Scheintherapie immer einen Erfolg buchen. Stirbt der Kranke, war die Vergiftung durch die „Schul“-Medizin schuld. Egal, was passiert, „der Heiler hat immer recht“, denn er ist dabei, und alle Erfolge (von wo auch immer) sind sein Verdienst, alle Misserfolge dagegen ein Problem der „Schul“-Medizin – oder Resultat einer „Erstverschlimmerung“.
Rechthaberei ist der Ausgangspunkt solcher Sprüche im Marketingprogramm der „alternativen“ Medizin, nicht Sorge um Patienten. Ein wenig Bescheidenheit und Selbstkritik wären angemessener.
Zu Teil 2
1. September 2010 um 08:06
Ich bin kein Freund „mehr“ der Homöopathie. Doch dieser Artikel hat zwei wesentliche Mängel.
1. Kaum ein Mediziner/Homöopath redet von „wissenschaftlich“.
2. Der Hauptmangel der sog. „Schulmedizin“ ist in erster Linie ihr kalte technische, reproduktive Art. Der Arzt fühlt sich nicht in den Patienten ein, warmherzige Zuwendung für viele Mediziner eine Zumutung, liebevolle Begleitung und Zeit für aufrichtige Menschlichkeit und entsprechende Gespräche … gibt es nicht! DAS aber hätte mehr Effekt auf sog. funktionelle, psychosomatische Störungen als jeder Placebo. Und genau DAS ist die eigentliche Stärke der Homöopathie und genau DAGEGEN wehrt sich die moderene Medizin konsequent mit allem, was sie hat (obwohl es Ausnahmen gibt, wie etwa die Palliativ-Medizin)!
1. September 2010 um 11:04
Hallo Mark,
zu 1.) ist zu sagen, dass viele Homöopathen um den Anstrich einer Wissenschaftlichkeit bemüht sind. Claudia Witt an der Charite ist nur ein Beispiel dafür.
Und 2.) würde ich nicht auf die „Schulmedizin“, sondern viel mehr auf das Gesundheitssystem schieben. Denn „Schulmedizin“ oder besser evidenzbasierte Medizin und Nutzung des Placeboeffekt bzw. warmherzige Zuwendung schließen sich nicht aus, nur macht man es den Ärzten heutzutage sehr schwer, ihren Beruf auch so hingebungsvoll und menschenliebend auszuüben.
1. September 2010 um 11:28
@ Herr Hamburg
Sie setzen in ihrem angesprochenen 2. Mangel die angewandte Methodik (evidenzbasierend bzw. homoöpathisch) des Berufstandes mit dem gleich der den Beruf innehat (Arzt bzw. Homoöpath).
Könnten Sie so freundlich sein und erläutern wie Sie darauf kommen, dass die Methodik mit dem Verhalten des Anwendenen kausal zusammenhängt?
MfG
1. September 2010 um 12:49
Erstmal vorneweg: Ich halte die Wirkweise von Homöopathie o.ä. wie sie erklärt für kompletten Unsinn. Trotzdem habe ich das angesproche Argument “Wer heilt, hat recht” bisher noch nie von Heilern gehört sonder immer von Patienten. Und zwar von solchen die zum Homöopathen gehen als auch von solchen die einfach von Freunden einige Döschen Globuli in die hand gedrückt bekommen haben, mit dem einfach Hinweis: „Nimm mal imemr 5 auf einmal und sag mir dann in 3 Tagen wie es dir geht“, sprich ohne die anscheinende Wirkung zu erklären, ohne Erstverschlimmerung blabla.
Kurz gesagt: Den Satz “Wer heilt, hat recht” höre ich auch von Menschen die an nichts „glauben“ und auch keine Indoktrination von „Heilern“ haben die damit ihr Geld verdienen.
Wenn der Placebo Effekt ausreicht um einige normale Krankheiten (billiger!) zu heilen als mit der Hausapotheke dann weiss ich nicht was dagegen spricht.
2. September 2010 um 03:42
Meines Erachtens ein erstklassiger Artikel, der den Nagel auf den Kopf Kopf trifft!
2. September 2010 um 05:36
@ kraeuterzucker:
Der Placebo-Effekt ist doch genau das, was mangels hinreichend zuverlässiger Vorhersagbarkeit aus Studienergebnissen „herausgekürzt“ werden muß, um Aussagen über echte Wirkungen treffen zu können. Es wäre also schlicht verantwortungslos, mehr als nur harmlose Befindlichkeitsstörungen ausschließlich mit Placebo-Effekten behandeln zu wollen. Obendrein ist es zutiefst unmoralisch, den Irrationalismus und die wissenschaftliche Ahnungslosigkeit der Menschen auszubeuten, statt ihnen entgegenzutreten, denn immerhin handelt es sich dabei um die wohl folgenreichsten aller Bildungsmißstände.
2. September 2010 um 10:40
Ich frage mich grade, was das übergeordnete Thema dieses Blogpostings ist. Ist es nicht eine Gebetsmühle, immer und immer wieder gegen Homöopathie zu wettern? Nein, es ist die Gebetsmühle der anderen.
Wenn nun das Marketing der anderen hervorragend wirkt, ist es dann Zeit, sich mal um das eigene Marketing zu kümmern? Nein, falsch machen es ja die anderen.
„Ein wenig Bescheidenheit und Selbstkritik wären angemessener“, exakt, aber es ist ja die der anderen.
Bin mal gespannt auf Teil 2.
2. September 2010 um 20:33
Solange Bullshit gebetsmühlenartig wiederholt wird bleibt wenig Spielraum: Kritik wiederholt sich zwangsläufig. Das Thema dieses Blogpostings ist eindeutig: Ein Lieblingsargument der Freunde der Homeopathie beruht mindestens auf einem Fehlschluss, manchmal auf böswillliger Manipulation. Kann man nicht oft genug sagen.
3. September 2010 um 16:10
Bin Ökonom und deshalb poppte bei mir zum Thema Homöopathie folgende Frage auf:
Wenn der Homöopath seine Mittelchen aus einer Lösung herstellt, die stinknormalem Wasser gleichkommt, ich Wasser aber im Discounter um die Ecke oder aus der Leitung für ein paar Cent kriege während der Quacks…, äh der Dr. hom. mir für die gleiche Menge ein X-faches an Euro aus der Tasche ziehen will, warum läuft das Ganze denn dann nicht ganz banal nach §138 BGB Abs.2 unter „Wucher“ ? Warum wird dagegen nicht vorgegangen ?
Lasst mich mal meine Überlegungen zusammenfassen:
Sicher wird der Homöopath argumentieren, das er durch sein fachmännisches Vorgehen (Aufschlagen auf einem Buchrücken, Extra-Schütteln der Ampullen während einer Vollmondnacht etc.) einen Mehrwert schafft, der den höheren Preis des Produkts rechtfertigt.
Das ist natürlich Blödsinn, denn es hiesse ja, dass jeder der ineffizient arbeitet den obengenannten Paragraphen aushebeln und Wucherpreise verlangen kann.
Das einzige Problem besteht darin, das sich die Homöopterixe dessen mehr oder weniger bewusst sind und peinlich darauf achten, dass ihre albernen Fläschchen und Pillen sich optisch deutlich von stinknormalem Wasser unterscheiden. Das nennt man Produktdifferenzierung, d.h. man schafft ein anderes Aussehen und täuscht damit im Prinzip dem Kunden die Existenz eines anderen Produktes vor.
Wenn es gelänge nachzuweisen, dass beide Produkte in Ihrer Wirkung und im Kundennutzen völlig homogen sind, würde das dazu führen, dass unsere Freunde von der Nichtschulmedizin ihre Preise deutlich nach unten korrigieren und mit Aldi & Co (oder dem städtischen Wasserwerk) konkurrieren müssten. Der Rest ist trivial: Ohne ordentliche Marge keine Gewinne => ohne Gewinne stirbt die Branche einfach ab. Ich schätze binnen 2 Jahren macht der letzte der Zunft seinen Laden dicht. Ein paar satteln sicher auch um. Im Idealfall konzentriert sich das Gros der Ärzte, die beides betreiben, nur noch auf die echte Medizin. Wär nicht viel, aber doch ein kleiner Erfolg gegen den Schwachsinn in der Welt.
Ich bin ja bestimmt nicht der erste mit dieser Idee. Wahrscheinlich hängt es daran den Juristen in den Gerichten zu beweisen das Globoli, hom. Tinkturen und Wasser homogene Produkte sind.
Über konstruktive Anmerkungen würde ich mich freuen. Vielleicht haben wir ja einen Juristen hier, der das ganze mal aus seinem Blickwinkel darstellen würde.
7. September 2010 um 13:10
„Wer heilt, hat recht“, sagen zuallerst die Therapeuten, erst danach sprechen es ihnen ihre Patienten nach. Es gibt noch solch einen Spruch, der sich großer Beliebtheit erfreut: „Galileo Gallilei wurde auch verkannt….“ Soll insinuieren: „Genau wie ich jetzt. Das tut aber dem Wahrheitsgehalt meiner Aussage und der Richtigkeit meiner Handlungen keinen Abbruch.“ Ebenfalls beliebt: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde….“ Wer wollte das bezweifeln! Nur: Daß ausgerechnet mein Gegenüber via direktem Draht nach oben die Welt erklären und deshalb auch alle irdischen Molesten beseitigen könnte, das ist dann doch starker Tobak!
7. September 2010 um 17:39
Welcher Homöopath ist schon bereit, die Wirksamkeit seiner Medizin in Selbstversuchen mit lebensgefährlichen Krankheit unter Beweis zu stellen?
Ich meine, wenn diese Zeug wirklich so wirksam und besser, als die Schulmedizin sein soll, warum zeigen die Homöopathen nicht, dass sie ihr Leben und ihre Gesundheit ihrer eignen Medizin anvertrauen?
Aber ich bezweifele, dass irgendein Homöopath bereit ist, so viel vertrauen in seine eigene Medizin zu demonstrieren.
7. September 2010 um 23:13
„wer heilt hat recht“,
man könnte auch sagen: „wer scheinheilt hat unrecht“ ;-)
9. September 2010 um 07:16
Das war auch mein großes Anliegen!
Wer heilt, hat recht!
Die Rechtfertigung der Unvernunft
Dieses Argument ist oft zu hören. Damit wird versucht, Paramedizin und Parapharmazie, also alles, was sich einer Erklärung entzieht und außerhalb wissenschaftlicher Pharmazie und evidenzbasierter Medizin (EBM) angesiedelt ist, zu rechtfertigen. Es wird dieses Argument als Brückenschlag zwischen Arzneimitteln und Therapien, die anerkannt und amtlich zugelassen sind, und den Methoden und Mitteln der alternativen und komplementären Heilszene eingesetzt. Wobei noch zu bemerken ist, daß es auch Heilkonzepte gibt, die zwar amtlich zugelassen sind, von Ärzten angewendet werden dürfen, die aber expressis verbis von einer Prüfung bzw. einem Nachweis der Wirksamkeit ausgenommen sind und in krassem Widerspruch zu fundamentalen naturwissenschaftlichen Tatsachen stehen. Die Anwendung einer Heilmethode oder eines Heilmittels in der Medizin hängt primär nicht davon ab, ob die Art und Weise der Wirkung bekannt ist und wissenschaftlich erklärt werden kann. Ein Wirkungsnachweis ist auch dann gültig, wenn es dafür keine Erklärung gibt.
Ein Kennzeichen für alle diese Heilverfahren und Mittel ist das Image, irgendwie mehr zu können oder besser zu sein als medizinische Standardverfahren. Daher werden sie von vielen Menschen als alternativ anwendbare Heilverfahren gesehen. Und wenn dieses Image nicht zu halten ist, dann wird den Leidenden auf ihrer Suche nach ungefährlicher Hilfe suggeriert, daß der Erfolg der (schul)medizinischen Behandlung nur unter Anwendung zusätzlicher komplementärer Maßnahmen und Mittel sichergestellt werden kann. Das giftige Antibiotikum etwa muß ausgeleitet werden, oder zur sicheren Geburtsvorbereitung sind bestimmte Globuli und Tees unerläßlich.
Es ist das Geschäft mit der Unvernunft und mit der Hoffung, wider alle Erkenntnis und Ratio doch noch Heilung ergattern zu können und dem Schicksal zu entkommen. Geschickt wird auch die Angst vor konventionellen Therapien und Medikamenten von den Anbietern angesprochen und ins Marketing miteinbezogen. Von einem naturwissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, kommen auf der einen Seite Mittel und Methoden zur Anwendung, die im Vergleich zum anderen Ende des Spektrums nicht irrationaler und unlogischer sein könnten. Und trotz aller Gegensätzlichkeit existiert zwischen den beiden „medizinischen Welten“ eine Grauzone. Allgemein anerkannte scharfe Grenzen zwischen ohne jeden Zweifel wirksamen Methoden und Mitteln und Hokuspokus gibt es nicht.
Dieser Handlungsfreiheit im Gesundheitswesen stehen umfangreichste und unzählige Gesetze und Vorschriften gegenüber, die zum Schutz der Patienten erlassen worden sind und eingehalten werden müssen. Die sich daraus ergebenden Rahmenbedingungen sind aber nicht so eng, daß es nicht Spielraum für unterschiedliche „Interpretationen“ gäbe. Die Wirksamkeit und Unschädlichkeit von Therapien und Medikamenten sollte immer gegeben sein, aber so selbstverständlich diese Anforderungen auch sind, diese in der Praxis durchzusetzen ist weder einfach noch gelingt es immer. Vor allem dann, wenn es um Mittel und Verfahren geht, deren Wirkung eben schwierig zu objektivieren ist, stößt man bald an Grenzen der Machbarkeit und der Akzeptanz. Ohne den daran Beteiligten vorwerfen zu wollen, nicht guten Willens zu sein, ist zu sagen, daß die Kluft zwischen Theorie und Praxis sowie zwischen subjektivem Empfinden und Wahrnehmen und objektiver Faktenabschätzung hinsichtlich Wirkungen und Nebenwirkungen nicht größer sein könnte.
Wie auch immer, die Hoffnung der Patienten auf Heilung und Besserung und die Überzeugung von Ärzten und Heilpraktikern dabei wirksam, also über gutes Zureden hinaus, helfen zu können, sind äußerst einflußreiche Faktoren, die auch stärkste Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Wirkung beiseite schieben. Erwiesene Unwirksamkeit alleine hat noch nie das „Aus“ für irgendeine alternative und komplementäre Therapie bedeutet. So dauerte es Jahre, bis nach zahlreichen und nicht mehr zu vertuschenden Todesfällen die Frischzellentherapie dezidiert verboten wurde. Aber es darf vermutet werden, daß trotzdem weiter therapiert wurde, und jetzt wurde das Verbot in Deutschland wieder aufgehoben. Ein Sieg der Juristen über die Bedenken der zuständigen medizinischen Fachleute wie Pharmakologen und Allergologen.
Beweis oder Rechtfertigung?
Homöopathie ist das prominenteste Beispiel für eine Therapierichtung, deren spezifische Wirksamkeit bis heute nicht bewiesen wurde. Alle diesbezüglichen Bemühungen erwiesen sich als trügerisch, und dementsprechend fehlt bis heute auch eine schlüssige Erklärung eines Wirkungsmechanismus. Bis dato waren alle groß angekündigten Erklärungsversuche spektakuläre Flops. Bewiesen hingegen wurde zigfach die Unwirksamkeit nach allen gültigen Regeln von Wissenschaft und Heilkunst. Trotzdem oder gerade deshalb ist die Homöopathie populärer denn je, und ihr ultimatives und einziges Argument ist immer noch „Wer heilt, hat recht!“ Die Wirkung dieses Arguments ist phänomenal und entspricht einer Kombination aus psychoaktiver Blendgranate mit antilogischem Nebelwerfer.
„Wer heilt, hat recht“, ist ein geradezu überplausibles Argument und so bestechend, daß weiteres Nachdenken sofort ausgeschaltet wird. Logisch, daß man das breite Publikum der Nichtbetroffenen durch dieses klassische Totschlagargument natürlich sofort überzeugen kann. Bedauerlicherweise besticht dieses Argument aber nicht nur die von Krankheit und Leid Betroffenen, sondern auch Ärzte, Apotheker und Naturwissenschafter, also Fachleute, die es besser wissen müßten. Somit zählt dieses Argument zu den erfolgreichsten und besten Scheinargumenten überhaupt. Jeder auch noch so Unerfahrene und Ungebildete kann damit argumentieren. Vom Wurzelsepp am Wochenmarkt bis hin zu den Edelscharlatanen im weißen Kittel erfreut es sich großer Beliebtheit. Wenn es nichts mehr zu sagen gibt, oder die vorgebrachten Argumente nichts erklären und in Widersprüche führen: Das kann immer gesagt werden.
Der Denkausschalter
„Wer heilt, hat recht“, ist ein unwissenschaftliches Argument, weil es nicht widerlegbar ist. Fehlende Erklärungen und Theorien lassen sich eben nicht widerlegen. Für lästige Zwischenfragen fehlen angreifbare Details. Das läßt Ärger mit Skeptikern, Kritikern oder dem wissenschaftlichen Establishment erst gar nicht aufkommen. Gerade das Fehlen jeglicher Erklärung ist das Erfolgsgeheimnis dieses Pseudoarguments. Wenn, wie in Falle von „Wer heilt, hat recht“, nichts über einen notwendigerweise zu beweisenden Zusammenhang gesagt wird, also das „Wie“, entfällt, kann buchstäblich alles damit bewiesen werden. Jedes auch noch so beliebige Ereignis „Therapie“ kann mit jedem Ereignis „Heilung“ unwiderlegbar verkuppelt werden. Und ehe überhaupt noch nachgedacht werden konnte, ist das „Nachher“ des zeitlichen Ablaufs zum ursächlichen „Weil“ mutiert. Schneller läßt sich kein Wunder beweisen – aber nur scheinbar. Und wenn dieser scheinbare Sachverhalt auch noch von einem entsprechend Betroffenen sinnlich erfahren wird, wird dieser zur gültigen und unerschütterlichen Tatsache. Danach ist es nur mehr eine Frage der Zeit und des Zeitgeistes, mit welcher Pseudologik die Wirkungsweise der zahlreichen diversen Pseudomedikamente und Scheintherapien erklärt wird. Alle anderen Möglichkeiten und Umstände, die ebenfalls zu einer Heilung oder Besserung hätten führen können, werden gar nicht erst in Erwägung gezogen. Niemand denkt mehr daran, daß viele Krankheiten nach einer gewissen Zeit von selbst oder auch spontan heilen. Es wird vergessen, daß bei einer Reihe von chronischen Erkrankungen es immer wieder Phasen der Beschwerdefreiheit gibt. Andere zur gleichen Zeit angewendete Therapien und Medikamente werden ebenso wie Zufall und Placeboeffekte vollkommen ausgeblendet.
Brettl vorm Kopf
„Wer heilt, hat recht!“ ist ein Argument wider den Fortschritt. Jeder, der so argumentiert, will aus persönlichen oder beruflichen Gründen teils bewußt oder unbewußt am „Statuts quo“ nichts ändern. Das Denken in die Zukunft wird blockiert. Einen Fortschritt zulassen bedeutet, neue und unbekannte Erkenntnisse zu riskieren, die möglicherweise zu einer Veränderung der Beurteilung und Bewertung von Wirksamkeit und Nebenwirkungen führen. Das könnte in Folge den Erfolg von fragwürdigen Therapien und Mitteln erheblich relativieren, was weder gewisse Ärzte und Apotheker sowie Heilpraktiker und Co. noch ihre Klientel wollen.
Und „Wer heilt, hat recht!“ wäre keine so wirkungsvolle Killerphrase, wenn sich mit ihr nicht dogmatische Lehren, die letztlich nur auf Glauben beruhen, rechtfertigen ließen. Daher argumentieren damit Therapeuten, die alternative und komplementäre Medizin für einzig und richtig halten. Sie haben ein großes Interesse daran, daß ihre Lehre, die sie für überlegen halten, anerkannt bleibt. Für dogmatische Lehren ist jeder Schritt in Richtung neuer Erkenntnisse eine potentielle Gefährdung für den Fortbestand, und daher muß alles vermieden werden, was dazu führen könnte. Eine Entwicklung zulassen, könnte darüber hinaus dazu führen, sich und anderen eingestehen zu müssen, an etwas Falsches geglaubt zu haben. Das will natürlich niemand; und die Existenz hängt auch davon ab.
Fazit: Rechtfertigen läßt sich (fast) alles, beweisen (fast) gar nichts!
Die Vergoldung des Bauchgefühls
Auf der anderen Seite befindet sich die Klientel, die auf Paramedizin und Parapharmazie vertraut. Ihr Vertrauen in und ihre Hoffnung auf Hilfe durch außergewöhnliche Verfahren und Mittel ist das Resultat langjähriger Konditionierung durch eine sogenannte Gesundheitsinformation in öffentlichen Medien. So werden jetzt positiv empfundene Begriffe wie biologisch, natürlich, ganzheitlich, biologisch, sanft etc. ausschließlich alternativer und komplementärer Medizin zugeordnet. Und Begriffe wie Chemie, Schulmedizin, Strahlen und dergleichen mehr werden, weil man ja aufgeklärt wurde, negativ wahrgenommen. Wer die ersteren Begriffe dem alternativen und komplementären Gesundheitssektor und die letzteren Begriffe den konventionellen Bereichen des Gesundheitswesens zuordnet, darf erwarten, daß er voll im Trend liegt. Dieser Meinung nicht zustimmen, bedeutet gegen den Strom des Zeitgeists zu schwimmen. Freundliche Zustimmung gibt es in der Regel dafür nicht.
Doppelte Wahrnehmung
Als Information, als Hilfe zu mehr Wissen, um sagen zu können, man weiß Bescheid, kann das alles, was öffentlich breitgetreten wird, nicht bezeichnet werden, dazu ist es in jeder Hinsicht zu einseitig. Diese Einseitigkeit der Information kann nicht zu einer Bildung führen, die notwendigerweise Grundlage jeder rationalen Entscheidung ist. Die Einseitigkeit und Unobjektivität besteht in einer fast vollständigen Abtrennung der jeweiligen Heilslehren von der übrigen Medizin, die stets immer irgendwie abwertend beurteilt wird. Im Kern vermeiden alle alternativen und komplementären Lehren in ihren Informationen jeden Bezug, der über die sorgfältig gezogenen Grenzen zum Schutz vor Kritik und Vergleich hinausgeht. Information über alternative und komplementäre Medizin ist immer subjektiv. Es ist, als existierten zwei voneinander völlig getrennte Welten, die auch vollkommen getrennt wahrgenommen werden.
Diese Trennung und die damit verbundene jeweilig isolierte und einseitige Wahrnehmung sind nahezu vollkommen. Es mag noch verständlich sein, wenn Laien dieser getrennten Wahrnehmung unterliegen und daher keine Querfragen zur jeweils „anderen“ medizinischen bzw. naturwissenschaftlichen „Welt“ stellen. Aber von dieser getrennten Wahrnehmung sind auch Studenten in den Universitäten erfaßt; Orte wo Wissenschaft angesagt sein sollte. Wissenschaft bedeutet immer auch ein Zweifeln am scheinbar Offenkundigen. Zweifel und Neugierde treiben Wissenschaft voran. Wer nicht den Mut zum Zweifel hat und nicht Neugier besitzt, kann nicht zu neueren Erkenntnissen gelangen. Aber auch hier wird gelernt und nichts mehr gefragt.
Die Medizinstudenten hören im gleichen Gebäude am gleichen Tag eine Vorlesung über die Grundlagen der Pharmakologie und eine Vorlesung z. B. in TCM. Es stört sie nicht, daß in der traditionellen chinesischen Medizin über Vitalenergien und deren Bahnen im Körper als wahr und gegeben referiert wird. Vitalismus und Meridiane, das sind Annahmen der Existenz einer besonderen Lebensenergie und Bahnen, entlang derer diese Energie fließt. Aber im Sinne der Naturwissenschaften sind das Konzepte, die ihren ontologischen Status mit dem Einhorn aus den Grimmschen Märchen teilen. Das in einem Hirn zu denken und beides für wahr zu halten, ist Doppeldenk ; und leider normal für Sonderschüler bis hin zu Universitätsprofessoren. Die Unmöglichkeit und die Unvereinbarkeit wird einfach nicht mehr wahrgenommen. Auch auf der Universität stellen die Studierenden, die über eine profunde naturwissenschaftliche Basisausbildung verfügen, die zu einem kritischen Hinterfragen der Widersprüche und Ungereimtheiten eigentlich zwingen sollte, keinerlei Fragen. Alles ist happy.
„Aber, mir hilft es!“
Viele Menschen sind in Angelegenheiten der Gesundheit verunsichert und vorsichtig. Die aus ihrer Sicht erkannten besonderen Gefahren um ihre Gesundheit sind meist mit bestimmten weltanschaulichen Grundhaltungen verbunden. Und dieses für sie erfolgreiche Weltbild wird natürlich verteidigt. Egal, ob für sie aus eben diesen Gründen alternative und komplementäre Medizin ein erstrebenswertes Ziel ist oder eine Zuflucht vor den Gefahren konventioneller Medizin darstellt: Ihre Antwort und ihre Verteidigung diesbezüglich lautet in Anlehnung an „Wer heilt, hat recht“ schlicht „Aber mir hilft ’s womit ein Aufklärungsversuch schon gescheitert ist, ehe damit begonnen wurde. Sie haben sich damit erfolgreich gegen den Versuch, ihre Meinung zu ändern, gewehrt, und alles bleibt subjektiv richtig.
„Wer heilt, hat recht“, ist andrerseits das bevorzugte Argument aller, die vor allem von sich und ihren Ideen ohne Einschränkung überzeugt sind. Ihr Erfolg liegt in einem überwältigenden Charisma. Ihr bombenfester Glaube, nach ihrer persönlichen Wundertherapie eine Heilung auslösen und bewirken zu können, läßt keinen Spalt für Zweifel offen. Es gibt keine Fakten, die z. B. einen Dr. Hamer von seiner „Germanischen Neuen Medizin“ abbringen könnten. Und noch überzeugter ist die Anhängerschaft. Der Guru wird zu Lebzeiten buchstäblich bis zum letzten verteidigt, und nach seinem Tode finden sich treue Jünger, die das Werk des Meisters fortführen, wobei der unbedingte Erhalt der reinen Lehre die Mission darstellt. Die Erfahrung des täglichen Lebens lehrt, daß Meinungen nicht durch Fakten zu ändern sind.
Diesem Totschlagargument folgt die Totschlagkasuistik, die nach wie vor die Werbelinie für Schlankheitspräparate und Waschmittel ist. „Frau B. wurde nach nur 14-tägiger Einnahme von Slimhip um 10 kg schlanker.“ „Nach der Umstellung auf „Super-R-Wasser“ verbrauchte Herr M. nur mehr die Hälfte an Waschpulver.“ Nur wie das alles zuging und wie es geprüft wurde, weiß niemand.
Es ist das Wesen von Killerphrasen, daß sie sich einer Beurteilung entziehen. Zum Hinterfragen, Erklären und Widerlegen muß etwas weiter ausgeholt werden.
Die gefühlte Kausalität
„Wer heilt, hat recht!“, ist genau so richtig wie: „Die Blumen sind vertrocknet, weil der Papst sie nicht gegossen hat!“ Wenn jemandem als Therapie empfohlen wurde, stündlich 20 „Ave Maria“ zu beten und auf den Knien nach Mariazell zu rutschen, und er verspürte hinterher tatsächlich eine Verbesserung seiner Leiden: Ist dann die Wirksamkeit dieses Therapievorschlags bewiesen?
Diese Frage wird sicher mit „Nein“ beantwortet werden. Aber das war nicht immer so. Diese Frage wird nur heute mit „Nein“ beantwortet. Vor der Aufklärung war das anders. Damals waren Gebet und Gottes Hilfe selbstverständlich wirksamste Mittel und logisch! Es wurde so und nicht anders von der überwiegenden Mehrzahl der Menschen geglaubt und wahrgenommen. Und es war auch logisch, denn wer sonst, wenn nicht der liebe Gott, konnte gegen die teuflischen Krankheiten helfen? Im Kontext des Mittelalters herrschte ein anderer Zeitgeist vor. Daher wurden die sinnlichen Erfahrungen einer Heilung dementsprechend anders gewichtet und interpretiert. Die Wunder einer Wallfahrt waren glaubwürdig. Aufgewachsen und eingebettet in einen christlichen Jahresablauf, konnte praktisch nichts anderes geglaubt werden, wollte man nicht zum Ketzer werden. Erzogen, fest an die unmittelbare Allmachtmacht Gottes und an die kraftvolle Fürsprache Marias zu glauben und in Kenntnis unzähliger erfolgreicher Heilungen, waren für die Menschen damals die Vorstellungen von einer himmlischen Hilfe sinnliche Realität und daher eine einsichtige bzw. befriedigende Erklärung.
Heute beschert uns der Zeitgeist eine andere Wahrnehmung. Die Glaubwürdigkeit hat sich verändert. Die sinnlichen Erfahrungen werden anders gewichtet und logisiert. Die Wunder werden anders verortet. Die verheißungsvolle Unwahrscheinlichkeit ist ins Medizinbusineß übersiedelt. Dort wird jetzt das Geschäft mit Hoffnung und Angst gemacht. Heilsam ist, was durch Medien wahrgemacht wird. Mit geschicktem Marketing getarnt, als Aufklärung und Information, kann heute alles als wirksam verhökert werden. Man muß versiert sein, um bezahlte Einträge von redaktionellen unterscheiden zu können. Und so wirkt nach mehr als zwei Jahrzehnten Dauerschleichwerbung die grüne, sanfte, natürliche, biologische, ganzheitliche und pflanzliche Homöopathie besser denn je. Diese Attribute sind zwar absolut unzutreffend, aber sie liegen im Trend und umreißen den ganzheitlichen Zeitgeist. Sie werden gerade von den Personen für zutreffend erachtet, die meinen, daß sie besonders kritisch sind. Die ängstlich nach Gesundheit suchenden Konsumenten und besonders die zeitgeistigen Neuintellektuellen haben verinnerlicht, daß alles wahr ist, was die Medien auf den „Gesunden Seiten“ über Krankheit und das wunderbar nebenwirkungsfreie moderne Heilbusineß berichten. Der Alternative ist kritischer als gewöhnliche Menschen, weil er selbst lesen und nachdenken kann, was ihm per Werbung vorgedacht wurde. Die Wundermedizin, die in Gratisinformationszeitungen beworben wird, hat einen fixen Platz im Gesundheitsmarkt.
Und so erscheint heute die Wirksamkeit der Homöopathie einem überwiegenden Teil der Bevölkerung so selbstverständlich wie Gottes Hilfe seinerzeit. Homöopathie kann heute alles. Sie ist der klassischen Medizin überlegen, die bewußt als „Schulmedizin“ mit unüberschaubaren Nebenwirkungen abqualifiziert wird. Und weil es eben so ist bzw. einfach kausal sein muß, werden Erklärungen für den Wirkungsmechanismus in der Homöopathie genauso wie in der Astrologie, auch wenn sie noch so abstrus und unlogisch sind, ebenfalls quer durch die Bevölkerung für höchst wahrscheinlich und richtig gehalten.
Aber in all diesen Fällen gibt es keine wirkliche Kausalität sondern nur eine emotionelle und/oder placebobasierte Kausalität. An z. B. Homöopathie nicht zu glauben, bedeutet Außenseiter zu sein. Überall hört man davon, und überall ist es zu lesen. Die Wirksamkeit wird durch die Medien vermittelt. Sie schaffen mit ihren sogenannten Informationen den dazu notwendigen Kontext. Ziel dieser direkt und indirekt bezahlten Informationen ist, den Umsatz der alternativen und komplementären Medizinindustrie zu steigern. Wellneßmagazine werden durch Inserate finanziert. Nur Infotainment garantiert Einschaltziffern und Auflagenzahl. In den Medien werden aber keine rationalen Argumente diskutiert, sondern ausschließlich auf Emotionen zielende scheinbar positive Eigenschaften klischeehaft wiederholt.
Die Placebowirkung, die natürlich von der Homöopathie bestritten wird, benötigt diesen Kontext. Der Placeboeffekt in weitem Sinne ist ein Phänomen, das weit über die Verabreichung eines konkreten Scheinmedikamentes hinausgeht. Die Umkehrung des Placeboeffektes ist der Nocebo-Effekt. Er mindert die Wirkung von Arzneimitteln, wenn diese negativ diskutiert werden. Desgleichen treten auch vermehrt und intensiver Nebenwirkungen auf, wenn deren Auftreten als unvermeidlich angeprangert wird. Alternative und komplementäre Mittel und Therapien werden als die bessere Alternative vermarktet. Im Gegensatz zur veralteten „Schulmedizin“ ist diese Medizin „neu“ dank Imagepflege nebenwirkungsfreier und wirkungsvoller.
Über die Placebowirkung wird geforscht und auch ausführlich diskutiert. Die Placebowirkung ist sicher ein bedeutender Faktor praktisch jeder Therapie oder Verordnung. Sie beeinflußt die Wirkung. Aber obwohl allgemein bekannt, viel davon gesprochen und auch der Existenz dieser Wirkung zugestimmt wird, will sich niemand eingestehen, daß er selbst, ob er will oder nicht, diesem Effekt nicht entkommen kann. Es wird als Makel angesehen. Niemand will einer Täuschung unterliegen. Daher gibt es diese Wirkung immer nur bei den unbekannten anderen. Dies gilt für Patienten und Behandler gleichermaßen. Das kann doch keine Placebowirkung sein, wo ich es doch an mir selbst erfahren habe. Ich kann mich doch nicht täuschen.
Vor diesem Meinungshintergrund wird dann jedes subjektive Erlebnis und jede persönliche Erfahrung zur unumstößlichen Bestätigung. Ich habe es selbst gespürt, und bei meinen Kindern war es auch so, also muß es richtig sein. Und die erklärende Ausweichlogik wird auch gleich in den Medien kolportiert. Je nach Intellekt, Bildung und Mentalität kann sich der einzelne etwas Passendes aussuchen. Der mächtige heilige Gott wurde durch Bioinformation und Quantengequatsche verdrängt, und die Rosenkranzperlen wurden durch Globuli ersetzt. Den Part des Geistlichen übernahm der Energethiker. Es wird nicht mehr wie früher geglaubt und zum Dank für Heilung eine Votivgabe gespendet, sondern das Geld wird für Therapien und Mittel lockergemacht, deren Wirksamkeit nur mit Marketing erzeugt wurde.
Der Marketingberater Guido Stepken beschreibt dies so:
… „Die Kopplung einer erfunden Erklärung an sinnlich wahrnehmbares ist typisch für die Mechanismen, wie Glaube aufgebaut wird. Und genau dann, wenn diese in „homöopathischer Behandlung“ sind, „geheilt“ werden, verbinden sie ihre angebliche „Heilung“ kausal mit dem „homöopathischen Heilmittel“, bzw. der „homöopathischen Behandlung“, ein Irrtum, wenn auch kaum ein folgenschwerer. Früher gab es den Ausdruck „gesundbeten“. Jeder der krank war, hat zum „lieben Gott“ gebetet, und – tatsächlich wurde Mensch wieder gesund. Der kausale Zusammenhang war „bewiesen“, weil ja auch „erfahrbar“. Tatsache ist, daß jeder Mensch in den allermeisten Fällen von alleine wieder gesund wird, ohne irgendein Zutun. Es gibt Milliarden Menschen auf der Erde, die fürchterlich alt werden, aber nie auch nur einen Arzt oder Apotheke jemals gesehen haben“ …
„Als ich wieder einmal spürte, daß meine Kinder Anzeichen einer beginnenden Erkältung zeigten, gab ich ihnen auf Anraten meiner Freundin Globuli, und siehe da, der Schnupfen war diesmal minimal. Schon beim Zahnen haben den Kindern die Globuli so gut geholfen. Wer weiß, was mir nicht alles bei der Geburt passiert wäre, hätte mir die Hebamme nicht Pulsatilla empfohlen.“ Und so weiter und so weiter…
Es liegt in der Natur des Menschen, wo immer es auch nur irgendwie möglich ist, eine Beziehung zwischen der beobachteten oder empfunden Wirkung und einer bestimmten Ursache festzulegen. Unsere Wahrnehmung ist aber nicht auf die Erforschung von wahren Ursachen optimiert, sondern um rasch handeln zu können. Dem zeitlichen Zusammenhang und der Beobachtbarkeit kommt dabei allergrößtes Gewicht zu. Chaos und Zufall sind Eigenschaften, die in unserem Denken keinen Platz haben vor allem dann, wenn es rasch zu handeln galt. Ob mit einer Wahrnehmung oder einer Beobachtung tatsächlich die wirkliche Ursache erfaßt wurde, war nicht wesentlich. Bedeutend für das Überleben war, daß die darauffolgende Reaktion zum Überleben führte.
Dies wurde von den Verhaltensforschern Konrad Lorenz und seinem Schüler Rupert Riedl mit folgendem Beispiel illustriert:
Wenn unsere Vorfahren die hinter dem Gebüsch vorblitzenden schwarzen und gelben Streifen (Wirkung) einem Tiger (Ursache) zuschrieben und sich davonmachten, waren sie gut beraten. Die schnelle Entscheidung, was wohl Ursache der Beobachtung sein könnte, und die daraus folgende Aktion waren lebenserhaltend.
Die diesem Verhalten zugrunde liegende Kausalitätserwartung gehört zu den „angeborenen Lehrmeistern“ (Konrad Lorenz): Die „Hypothese von der Ursache“ enthält die „Erwartung, daß gleiches dieselbe Ursache haben werde. Dies ist zunächst nicht mehr als ein Urteil im voraus. Aber dieses Vorurteil bewährt sich… in einem derartigen Übermaß an Fällen, daß es jedem im Prinzipe andersartigen Urteil oder dem Urteilsverzicht überlegen ist“ (Rupert Riedl, 1981).
Angeborene Lehrmeister haben eine Kehrseite: Sie können Denkfallen sein: „Das biologische Wissen enthält ein System vernünftiger Hypothesen, Vorausurteile, die uns im Rahmen dessen, wofür sie selektiert wurden, wie mit höchster Weisheit lenken; uns aber an dessen Grenzen vollkommen und niederträchtig in die Irre führen.“ (Rupert Riedl). Auf die Kausalitätserwartung geht zurück, daß oftmals vorschnell der Pilot, Kapitän oder Lokführer für ein Unglück verantwortlich gemacht wird.
Aus einer einzelnen Beobachtung kann keine Kausalität abgeleitet werden. Und auch mit Statistik allein kann ebenfalls keine Kausalität bewiesen werden. Die Anfänge der wissenschaftlichen Medizin waren geprägt vom mühsamen Weg der Erkenntnis. Aus einzelnen Fallbeispielen wurde die Kausalität abgeleitet. Diese Methode wird Kasuistik genannt. Am Beispiel Witwenbuckel läßt sich zeigen, wie irreführend Kasuistik sein kann. Die in früheren Zeiten immer wieder gemachte Beobachtung, daß Witwen Buckel haben, führte zu der Annahme, daß der Umstand, Witwe zu sein, irgendwie dazu führt, einen Buckel zu bekommen. Und im Namen Witwenbuckel kam diese Annahme auch zum Ausdruck.
Nun, die Ursache für den Buckel ist, wie wir heute wissen, ganz wo anders zu suchen. Heute wissen wir, daß dafür die Osteoporose verantwortlich ist, die vorwiegend bei Frauen nach der Menopause als Folge von Östrogenmangel auftritt. In der Vergangenheit aber waren die demographischen Verhältnisse so, daß dieses Phänomen in der überwiegenden und damit signifikanten Anzahl nur bei Witwen beobachtet werden konnte. Die allgemeine Lebenserwartung war kurz, für Frauen noch kürzer als für Männer. Nur wenige Frauen konnten die Menopause erleben und waren in aller Regel Witwen. Unverheiratete Frauen außerhalb eines Klosters waren eine Seltenheit, und bei Männern ist dieser Buckel, dessen Ursache in der Osteoporose liegt, selten und auch altersabhängig. Also bekamen nur Witwen einen Buckel!
Ein weiteres Beispiel einer Fehlinterpretation sind die sogenannten „Altersflecken“. Es handelt sich aber, wie heute feststeht, eindeutig um Lichtschäden. Auch alte Menschen haben daher keine derartigen Flecken an Stellen, wo wenig bis keine Lichtexposition möglich ist. Unter der Achsel ist die Haut auch bei älteren Herrschaften meist unauffällig, aber bei unbelehrbaren Sonnenanbeterinnen und Bräunungsfanatikern treten diese Schäden, weil eben Lichtschäden, schon mit 30 bis 40 Jahren und noch früher auf. Und so treten diese Schäden, als Resultat der gesamten erlittenen Sonneneinstrahlung bevorzugt auf Hautgebieten auf, die immer unbedeckt sind. Handrücken, Dekollete, hohe Männerstirne etc. sind daher als erste betroffen. In den Zeiten, wo der jährliche Sonnenbrand noch nicht obligat war, waren daher in erster Linie nur alte Menschen betroffen.
Einfaches Beobachten und Bauchgefühl sind zuwenig um die wirklichen kausalen Verhältnisse zu erfassen. Dazu bedarf es des Werkzeuges der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Beweises. Daher muß es heißen: „Nur wer auch wirklich belegen kann, daß er heilt, hat recht!“
Wenn etwas einmal passiert, ist es Zufall. Wenn etwas öfters passiert und immer in bestimmtem Situationen, kann entweder ein Zusammenhang oder eine statistische Abweichung vorhanden sein. Wenn mehrere verschiedene Personen ein bestimmtes Verfahren anwenden, und es ebenso wie ich durchführen und in einer statistisch signifikanten Anzahl von Fällen tritt immer der gleiche Effekt zutage, ist die Wirksamkeit einer Methode evident. Nun, ganz so einfach ist es nicht, aber es ist der Anfang der Beurteilung einer Evidenz, der nachweislichen Wirkung.
Die fromme Ausrede
Die Methode, um herauszufinden, ob etwas, wie auch immer, wirkt oder nicht, ist die evidenzbasierte Medizin, kurz EBM. Sie ist keine neue Errungenschaft der Medizin, sondern hat sich im Laufe der Geschichte der Medizin, wie vieles andere auch, aus gegebenen Anlässen gegen erhebliche Widerstände entwickelt. Heute werden Bedenken gegen EBM vor allem aus der Szene der Paramedizin und Parapharmazie geäußert. Unliebsame Ergebnisse werden mit dem Argument relativiert, daß EBM zur Prüfung nicht geeignet sei. Trotzdem berufen sich alle dogmatischen Systeme wie Homöopathie, TCM, Ayurveda, anthroposophische Medizin, GNM (germanische neue Medizin) auf Wissenschaftlichkeit, haben aber, wenn die Wissenschaftlichkeit EBM fordert, immer jede Menge Gründe parat, um gerade dieser Prüfung auf Evidenz nicht nachkommen zu müssen. Wenn es brenzlig wird, ist es mit der Wissenschaftlichkeit vorbei. EBM überprüft nur, ob die behauptete Wirksamkeit bzw. die beobachteten Wirkungen auf die Methode zurückgeführt werden können. Der postulierte Wirkmechanismus steht nicht zur Diskussion. EBM ist gewissermaßen eine luxuriöse Vorleistung, denn die Erfahrung der wissenschaftlichen Medizin lehrt, daß Methoden, deren Erklärung fundierte Naturgesetze Lügen straft, noch nie nach den Kriterien der EBM ihre Wirksamkeit belegen konnten. Und so wird entweder das Prüfungsergebnis negiert oder bei nächster Gelegenheit eine neue Überprüfung verlangt.
Aber, und das muß auch erwähnt werden, es gibt auch Therapeuten und Patienten, die an religiöse, esoterische oder sonst irgendwie spirituelle Heillehren unerschütterlich glauben. Hier kann nichts geprüft werden. Wiewohl es viele Gesetzte zum Schutz von Patienten und Konsumenten gibt, zeigt die Praxis immer wieder, daß es sehr schwierig ist, zu verhindern, daß durch solche Lehren Menschen an Leib und Seele Schaden erleiden.
Sofern es sich nicht um rein religiöse oder spirituelle Verfahren handelt, die nicht mit „materiellen“ Ursachen erklärt werden wollen, und nicht ein bewußter Betrug vorliegt, glauben alternative und komplementäre Therapeuten, daß ihre Methoden und Arzneimittel tatsächlich wirksam sind. Ihre Patienten hoffen und glauben, wirksam therapiert zu werden. Beide Parteien nehmen jedenfalls an, daß die postulierte Wirksamkeit auf die spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Methode bzw. auf die chemisch physikalischen Eigenschaften des Arzneimittels zurückzuführen ist. Nur ein wissenschaftlicher Ansatz, wie er mit EBM entwickelt wurde, ermöglicht, dies zu überprüfen und zu entscheiden, ob diese Annahme richtig oder falsch ist, also ob eine echte spezifische Wirksamkeit vorliegt oder nicht.
Sicherheit durch zweierlei Maß?
Feststellen, ob wirksam oder nicht, ist ohne Zweifel eine ethische und moralische Verpflichtung, der man sich nicht entziehen kann, wenn dazu die Möglichkeit gegeben ist. Eine ethische Medizin oder Pharmazie kann daher diese nunmehr zur Verfügung stehende Prüfmöglichkeit auf Dauer nicht ignorieren. Will man glaubwürdig bleiben, so ist es keine Frage, daß sich Medizin und Pharmazie zukünftig an einer überprüfbaren Evidenz orientieren werden müssen, und es kann nicht statthaft sein, negative Ergebnisse einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Diese Entwicklung totzuschweigen und einfach so wie bisher mit Therapien fortzufahren, die keine spezifische Wirkung haben, oder Präparate in Apotheken anzubieten, die weder so, wie behauptet, noch überhaupt wirken können, wird auf Dauer nicht statthaft sein.
Wer heute Automobile auf den Markt bringt, muß seine Fahrzeuge einem Crashtest unterziehen. Kein Hersteller würde es wagen, den Crashtest etwa mit dem Argument abzulehnen, daß dieser zu wenig erforscht ist. Auf EBM als Standard bzw. als „State of the Art“ verzichten zu wollen, EBM hintanstellen zu wollen, bedeutet, die Möglichkeit der Unterscheidung zu Quacksalberei und Kurpfuscherei zu negieren, und das ist ein unverzeihlicher Rückschritt. Aber bis in alle Bereiche des Gesundheitswesens hat sich diese Erekenntnis noch nicht durchgesetzt. Es gibt in der alternativen und komplementären Heilszene subtilen Widerstand.
Wenn Geld für Therapien und Mittel verlangt wird, sollte man meinen, daß auch der Nachweis, das ist die Evidenz, erbracht wird, daß diese Therapien und Mittel auch tatsächlich wirksam sind. Mit dem Argument „Wer heilt, hat recht!“ wird nur Reklame gemacht, aber nichts bewiesen. Der Beweis einer Wirksamkeit wird schlicht abgelehnt und die Beweislast umgedreht. Die Patienten bezahlen für unbewiesene Versprechen. Wem es nicht paßt, der muß den Gegenbeweis antreten. Nirgendwo sonst außer im Bereich der Medizin und Pharmazie wird so ein Manko bewußt hingenommen und geduldet, und es ist eine der Voraussetzungen für das Ausufern zweifelhaften Therapien und Mitteln aller nur erdenklichen Art und Herkunft.
„Wer heilt, hat recht!“ sind die Scheuklappen für Paramedizin und Parapharmazie. Ein verengtes Blickfeld ist die „conditio sine qua non“ für den Fortbestand dogmatischer Heilslehren. Es schützt sowohl Heiler als auch gläubige Patienten vor unliebsamen und verstörenden Wahrnehmungen. So können alle unbeirrt von allen Ergebnissen und Erkenntnissen ganzheitlich am ausgewählten Dogma festhalten. Am Horizont erscheint die Fata Morgana der Heilung. Weiterer Beweise bedarf es nicht. Die Vision beweist sich selbst. Diesem immer wieder zurückweichenden Trugbild wird, weil andere Wahrnehmungen ausgeblendet werden, was immer auch geschieht, nachgeeilt.
Dies gilt vor allem für die Gurus der Szene. Wer die Welt von allen Krankheiten erlösen will, darf keine Zeit mit Nachdenken verplempern. Die Lehre muß so einfach sein, daß es jeder einfach Denkende intuitiv versteht. Am besten wirkt, was Praktiker ganz einfach machen können. Man weiß es ja eh, die Wissenschafter verstehen nichts, weil sie zu kompliziert denken. Was kümmert da ein Massenwirkungsgesetz? Man braucht es nicht. Man weiß genug, um zu heilen. Was soll man sich um die Rezeptortheorie scheren? Nur Wissenschafter brauchen das, um Leben erklären zu können. Man weiß es besser, weil man heilt. Viren, Bakterien, Stoffwechselerkrankungen, genetische Defekte, Erbkrankheiten, Immunologie etc., kurzum das ganze „Schulwissen“ ist unnötiger Ballast und behindert die allheilende Mission. Und überhaupt die Placeboeffekte sind ein Problem der Schulmedizin. All das gibt es entweder nicht oder es ist nicht notwendig, weil man ganzheitlich agiert.
Therapiefreiheit ohne Grenzen
Die Schwierigkeit und/oder der Knackpunkt aller Bemühungen zur Durchsetzung einer wissenschaftlich fundierten Medizin ist, daß der Medizin das Recht eingeräumt wird, es trotzdem versuchen zu dürfen, auch wenn ein theoretisches Konzept derart konfus und widersinnig ist, daß nach allen Regeln der Naturwissenschaft keine spezifische Wirkung erwartet werden kann.
Ein Arzt hat das Recht, im Einzelfall nach seiner „Meinung“ zu entscheiden, was einem Patienten gut tun könnte oder nicht. Für diese Entscheidung haben die Ergebnisse einer EBM nur bedingte Gültigkeit. Nach derzeit geltender Medizinethik ist Medizin eine Anwendungswissenschaft. Anwendung geht vor wissenschaftlicher Erkenntnis. Alles, was ein Arzt meint, daß es dem Patienten hilft, darf getan werden. Auch wenn nach EBM feststeht, daß keine Wirkung gegeben sein kann, so bedeutet das nicht, daß es im Einzelfall nicht doch einem Patienten helfen könnte, und daher darf es angewendet werden. Honorare für ärztliche Tätigkeiten sind kein Erfolgshonorare, sondern Arbeitshonorare. Unabhängig von der Art der angewandten Behandlung und einem Erfolg werden diese immer fällig. Natürlich gibt es dabei zahlreiche Beschränkungen, aber im Grunde ist diese Behandlungsfreiheit nach wie vor gültig und hat auch ihre Kehrseite.
Mit dieser Argumentation ist die Ausübung einer „Lotto-Sechser-Medizin“ möglich. So eine „Lotto-Sechser-Medizin“ ist in der Praxis eine feine, weil bequeme Sache, und nicht wenige wissen, danach zu handeln. Erkenntnisse aus der medizinischen Wissenschaft gelten nur bedingt. Das bekannte dazugehörige Banalargument lautet: „Hilft ’s nix, so schadet ’s nix.“ Wer sich darauf einläßt, hat weniger Mühe. Dem Wunsche vieler Patienten oder deren Angehörigen nach Paramedizin nachzugeben, erfordert deutlich weniger Erklärungsbedarf, als die Sinnlosigkeit unwirksamer Methoden darzulegen und derartiges abzulehnen. Nur wenn ein wirklich gutes Vertrauensverhältnis gegeben ist, wird ein „Nein“ positiv akzeptiert werden.
Eine breite oder gar öffentliche Ethikdiskussion, wie in Medizin oder Pharmazie mit Methoden und Mitteln umzugehen ist, wenn deren Unwirksamkeit eindeutig nachgewiesen ist, gibt es nicht. Betrachtungen über die Auswirkungen, die Anwendungen von unwirksamer Paramedizin und/oder bewußter Placebogabe über den Bereich der betroffenen Patienten hinaus haben, sind in der Medizinethik noch kein wirkliches Thema. Jede paramedizinische Behandlung ist ja Reklame für eine Methode, die nicht wirksam ist, macht aber die Leute glauben, daß Wirksamkeit gegeben ist, und das fördert nicht nur den Umsatz, sondern hält auch viele Erkrankte zu ihrem Nachteil von einer echten Behandlung fern. Und dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Gesundheit und Leben.
Der Doppeldenk als Norm
Die Ethik in Medizin und Pharmazie muß daher in Richtung Annerkennung und Durchsetzung der wissenschaftlichen Prinzipien einer EBM zum Schutz und Nutzen aller weiterentwickelt werden. Dies hintanhalten zu wollen, neuere Ergebnisse einfach zu ignorieren, wird auf Dauer unhaltbar sein. Jeder Kompromiß in dieser Hinsicht ist intellektuell unredlich und kann auch nur mit Scheinargumenten wie „Wer heilt, hat recht!“ begründet werden und ist – erraten – ein Riesengeschäft, so mächtig, daß die Gesundheitsbehörden gezwungen werden sollen, die im Vergleich zu „echten“ Medikamenten ohnedies nur dürftigen Zulassungsbedingungen und Kontrollen gänzlich zu eliminieren.
Medikamente und z. B. Homöopathika werden von ein und demselben Arzt auf ein und demselben Rezept verschrieben. Die Wochenendbeilagen sind ein Werbedorado. Hier kann fast alles so hochgelobt werden, daß es wirksam sein muß. Am darauffolgenden Montag können dann die „Erkrankten“ die angepriesenen Mittel nach eigenem Empfinden kaufen oder zu alternativen Wunderheiler pilgern. Als Orientierung stehen den informationsbedachten intellektuellen Patienten nur umfangreichste Warnhinweise in den Beipacktexten der registrierten Medikamente zur Verfügung. Im Spital müssen die Patienten bestätigen, daß sie über Risiken und Folgen von Operationen und Therapien aufgeklärt worden sind. Im Bereich Paramedizin und Parapharmazie gibt es derartiges nicht. Alternative Produkte und Therapien werden bewußt wie wirksame Medikamente und echte medizinische Behandlungen vermarktet, sind aber mit dem Nimbus ausgezeichnet, keine Nebenwirkungen sondern nur Wirkung zu haben. Hier stören keine zwingend vorgeschriebenen Warnhinweise oder Aufklärungen die Entscheidungen der Patienten. Die Gesundheitsbehörden halten weitgehend das „Hilft ’s nicht, so schadet ’s nicht!“ und „Wer heilt, hat recht!“ für einen ausreichenden Schutz und Standard.
13. September 2010 um 15:29
„Wunder stehen nicht im Gegensatz zur Natur, sondern im Gegensatz zum Wissen über die Natur.“ Und die hier vertretenen Skeptiker scheinen nicht bereit, irgend etwas dazu zu lernen. Ihre Ablehnung der Homöopathie und anderer Dinge, die Sie nicht verstehen, ist wohl eher Ihrer inneren Wut geschuldet, dass Sie bisher keine Erkenntnisse über die Wirkungsweise erlangen konnten.
Sie werden Ihre Meinung an dem Tag ändern, an dem Sie schwer erkranken und Ihnen alle Errungenschaften der modernen Medizin nicht helfen können, aber – ein paar Tropfen mit „Informationen“ Ihre Gesundheit wieder herstellen. Bis dahin feiern Sie nur weiter Ihren begrenzten Horizont.
Es ist typisch für „Wissenschaftler“ wie Sie, alles vernichten zu wollen, was man nicht versteht. Oder anders gesagt, was Sie nicht verstehen, darf es auch nicht geben.
Der Vorwurf, Homöopathie wäre Wucher, ist angesichts der Medikamentenpreis-Abzocke der Pharmaindustrie (die zudem oft gewaltigen Schaden mit Nebenwirkungen anrichtet) absolut lächerlich.
Das Ihre jährlichen Tests bisher noch niemanden die 10.000 Euro eingebracht haben, ist leicht zu erklären. Resonanzbasierte Verfahren (das ist ein Sammelbegriff) funktionieren nun mal nicht, wenn EMF Ihres Labors und EMW Ihrer Leuchtstofflampen einem „um die Ohren fliegen“. Fragt sich nur, ob Sie das wissen und absichtlich so handbaben…
14. September 2010 um 19:26
„Und die hier vertretenen Skeptiker scheinen nicht bereit, irgend etwas dazu zu lernen. Ihre Ablehnung der Homöopathie und anderer Dinge, die Sie nicht verstehen, ist wohl eher Ihrer inneren Wut geschuldet, dass Sie bisher keine Erkenntnisse über die Wirkungsweise erlangen konnten.“
Und die Ablehnung gegenüber dem Glauben an Engel ist allein darin begrüdnet, dass die Herren und Damen Wissenschaftler noch nie deren Fossilien finden konnten. Meine Güte, kann der esoterische Quatsch, wenn er schon immer wieder geäußert werden muss, nicht wenigstens irgendwie in verdünnter Form daherkommen???
24. Oktober 2010 um 00:26
@ E. Berndt
Ein wunderbarer Beitrag. Leider ist er nicht in der Bild oder wenigstens in einer größeren Tageszeitung zu lesen.
Ich habe aus eigener, leidvoller, Erfahrung kennenlernen müssen, was es heißt, wenn Angehörige einer paramedizinischen „Wundermedizin“ (in diesem Fall die „Clustermedizin“ von U.J. Heinz) verfallen. Die immensen Kosten für alle darunter laufenden Therapieformen belaufen sich schnell auf mehrere hundert Euro pro Monat pro Patient.
Rational kann man mit den Patienten nicht mehr argumentieren da quasi das gesamte Leben durch diese „Medizin“ beeinflußt wird, also werden alle positiven Erlebnisse dem „clustern“ zu verdanken sein und alle negativen Erlebnisse wären ohne clustern ja noch weitaus schlimmer verlaufen. Dem ist mit Vernunft nicht mehr beizukommen. Bei auftauchenden Problemen verläßt man sich nicht mehr auf sich selbst sondern natürlich auf den nächsten Test…
Selbst wenn man, wie ich, mittlerweise beweisen kann, daß bei der „Diagnosefindung“ massiv betrogen und gelogen wird, nützt einem das nichts. Es interessiert sich niemand wirklich dafür.
Dies scheinen solche angeblichen „Wissenschaftler“ und „Entwickler“ zu wissen und nutzen diese Gesetzeslücke schamlos aus.
Wenn nur jemand wenigstens einmal diese Machenschaften öffentlich machen würde.
Bei Kosten für einen „Clustertest“ von 60-150€ und dem entsprechenden Therapeutika für bis zu 250€ klingt die Rechtfertigung „wenn es nichts nützt, dann schadet es ja nix“ wie ein einziger Hohn.
Was ist mit dem seelischen Schaden, den solche „selbsternannten Therapeuten“ unter ihren gläubigen Anhängern anrichten? Der Gipfel der Menschenverachtung ist dann daß, wenn einer der Patienten wirklich ernsthaft erkrankt, natürlich der Patient selbst schuld ist, weil er nicht intensiv genug geclustert hat oder zu spät damit angefangen hat usw.
Wie gesagt, kann ich mittlerweile, nachdem man mich 2 Jahre versucht hat zu bekehren (ein Mediziner macht sich ja immer gut im Kundenstamm eines Alternativmediziners) mit den eigenen Methoden des „Entwicklers“ beweisen, daß sein Verfahren Unsinn ist und nicht funktioniert. Ich habe ihm diese Versuchsergebnisse demonstriert. Außer dem „Rausschmiß“ aus dem „erlauchten Kreis der Wissenden“, dem Versuch der persönlichen Diffamierung und dem Vertuschen meiner Versuchsergebnisse ist leider nichts passiert. Dem zuständigen gesundheitsamt ist der Fall zu „heikel“ und schließlich zahlt Herr Heinz ja in der Gemeinde Steuern…
Jedem, der die Unbedenklichkeit der „alternativen Medizin“ preist, wünsche ich, einmal in einer ähnlichen Situation zu stecken. Zusehen zu müssen, wie ein geliebter Mensch seine Autonomie und seine Selbstreflexionsfähigkeit verliert und in quasi nur vom „Erleuchteten, genialen Wissenschaftler“ zu verstehende Sphären entgleitet, ist ein sehr, sehr schmerzlicher Prozess.
Zu meinem großen Leidwesen ist in Deutschland geistige Manipulation leider nicht strafbar.
16. Februar 2011 um 14:47
Ich denke, man kann schreiben, was man will – an dem Satz „Wer heilt, hat recht“ ist doch nichts zu deuteln, sofern eben wirklich ein Heilungserfolg dabei herauskommt. Was daraus gemacht wird und wo herumgelogen wird, kommt erst an zweiter Stelle. Lügen, Täuschung und Geschäftemacherei gibt es doch auf allen Seiten („Schulmedizin“ und „alternative Medizin“), nur in unterschiedlichen typischen Formen. Die einen vernachlässigen eher die handfesten Beweise und Erklärungen, die anderen vernachlässigen eher den Blick aufs Ganze und die Zuwendung. Bleibt doch nur, daß die Homöopathen vernünftige wissenschaftliche Studien machen und die „Schulmediziner“ einen Weg finden, sich den billigen und ungiftigen Placebo-Effekt (der eben tatsächlich ein handfester Effekt sein kann, auch wenn er anfangs „nur eingebildet“ ist) besser zunutze zu machen. Vielleicht liegt die Wahrheit eben doch dazwischen und alle Seiten können etwas dazulernen. Es gibt psychosomatische Erkrankungen mit echten und ernsten Symptomen, also wird es wohl auch „psychosomatische Heilung“, die echt ist, geben. Wer allerdings nicht heilt, sollte auch nicht dafür bezahlt werden, was wiederum für Schulmediziner und Homoöpathen gleichermaßen gilt. Wobei natürlich jeder sein privates Geld ausgeben kann, wofür er möchte – nachdem er ein paar unabhängige Meinungen und Argumente gehört hat.
16. Februar 2011 um 16:52
@Herrn Nehls:
<< Ich denke, man kann schreiben, was man will – an dem Satz "Wer heilt, hat recht" ist doch nichts zu deuteln, sofern eben wirklich ein Heilungserfolg dabei herauskommt. <<
Genau an dieser Stelle würde ich schon einhaken – bei dem weiteren könnten wir uns vermutlich einigen.
Ja – aber dann müsste z.B. die Homöopathie ganz konkret nachweisen, dass sie eine wirklich vorhandene Erkrankung spezifisch und ursächlich geheilt hat, was bislang keine einzige Studie je erbracht hat.
Homöopathie und Alternativmedizin kranken daran, dass Sie sie von sämtlichen Möglichkeiten, wie eine Heilung zustande kommen kann, ausgerechnet die unwahrscheinlichste für sich reklamieren – nämlich zum Beispiel eine spezifische Wirksamkeit von "geistartigen Kräften", nicht-materiellen Informationen und ähnliches.
Solange die Homöopathen nicht einmal die Notwendigkeit einsehen, ihr angebliches "Erfahrungswisssen" spezifisch überprüfen zu lassen, haben diese definitiv nicht recht – weil sie eben gar nicht belegen können, dass sie oder ihre Methode es sind, die heilen. Und solange müssen wir Skeptiker sinnvollerweise davon ausgehen, dass die Heilung ganz anderswo herkommt (Spontanremmission, wellenförmiger Verlauf von chronischen Krankheiten, Placebo und vieles, vieles mehr).
Derzeit ist der Satz "Wer heilt, hat Recht" eine nichtssagende Phrase, mit der Homöopathen und Co. sich gegen jede Überprüfung ihrer angeblichen Heilkunst wehren.
Nun mögen Sie fragen: Was soll's?
Nun ja, erstens sehe ich es als Patiententäuschung, wenn nicht als Betrug, an, einem Patienten eine Heilung mit einer spezifischen Methode vorzugaukeln, die aber gar nichts mit dieser Methode zu tun hat.
Zweitens besteht die große Gefahr, dass Homöopathen einer gewaltigen Selbsttäuschung unterliegen und sowohl sie selbst als auch ihre Patienten sich in eine angeblich "spezifisch wirksame" Methode verrennen, die aber in Wahrheit bloß Unsinn ist. Das führt nahezu zwangsläufig zu einer äußerst unguten Überschätzung der Möglichkeiten dieser Methode, die im Einzelfall lebensgefährlich sein kann (hatten wir schon x-mal).
18. Februar 2011 um 01:16
@Herrn Harder: Im Großen und Ganzen bin ich ja auf Ihrer Seite – wobei meine eigene Skepsis sich aber eben nicht nur auf eine Seite beschränkt und auch nicht verallgemeinernd eine bestimmte Gruppe anhand ihrer Extrembeispiele verurteilt. Auch „Schulmedizin“ kann einige Krankheiten nur symptomatisch behandeln und schlecht erklären. „Ursächlich“ kann schon sehr unbestimmt werden – z.B. könnte man einen bestimmten Krankheitserreger als Ursache annehmen, es könnte aber auch ein geschwächtes Immunsystem sein, denn schließlich sind Erreger ja oft „verfügbar“, ohne daß man deswegen krank wird. Oder ist/sind die Lebensweise/die Umwelteinflüsse/die Psyche, die zum geschwächten Immunsystem führen die Ursachen…? Das wird immer unspezifischer bzw. komplexer…
Klar: eine gefährliche Krankheit allein mit „geistartigen Kräften“ heilen zu wollen, kann schlimme Folgen haben. Aber es sind wohl hoffentlich nicht alle Homöopathen komplette Scharlatane. Und viele Patienten gehen ja auch erst dort hin, wenn eben die schulmedizinische Behandlung nichts (oder zu schwere Nebenwirkungen) gebracht hat. Für mich wäre das auch die beste logische Reihenfolge, zuerst einmal die einfache und sichere Lösung zu probieren und erst bei Mißerfolg anderes auszuprobieren.
Was den Wirksamkeitsnachweis betrifft: Na klar bevorzuge ich einen solchen und natürlich erregt jemand Verdacht, der sich dagegen sperrt oder Lorbeeren für unverständliche Behandlungsmethoden ernten möchte. Allerdings scheint es ja doch Untersuchungen zu geben, die in bestimmten Fällen für eine Wirksamkeit von Homöopathie sprechen: Davon ist z.B. in dem Ärtzteblatt-Artikel, der hier auf den Skeptiker-Seiten zitiert wird, die Rede (http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&p=&id=7612). Interessant wäre ja auch, den subjektiven Erfolg, also wie der Patient sich fühlt (Beschwerden), zu erfassen, neben dem objektiven, also inwieweit z.B. spezifisch untersuchte Organe/Gewebe gesunden (das verstehen Sie unter „spezifisch und ursächlich“?). Da muß ich wohl noch ein bißchen Originalliteratur lesen, bevor ich weiter schreibe…
3. April 2015 um 10:48
Mein Sohn der eine Warze hatte wurde durch das homöopatische Mittel dagegen geheilt. Die Warze hielt sich erst noch eine Woche bevor sie abfiel, und die fallen nicht von alleine ab, das wäre einfach, dann müsste man nur abwarten, wenn sie ohne Mittel abfallen. Ich habe da auch nichts besprochen, er hätte es in dem Alter eh nicht verstanden, viel zu klein. Und in die Wanne hat er auch nicht gepinkelt.
3. April 2015 um 11:09
Beate Hall:
Danke für dieses gute Beispiel, dass Homöopathie ein lupenreines Placebo ist.
Zunächst:
< < Ich habe da auch nichts besprochen, er hätte es in dem Alter eh nicht verstanden, viel zu klein. << Er braucht da auch nichts zu "verstehen", Placebos wirken auch bei kleinen Kindern und Tieren: https://blog.gwup.net/2010/03/05/homoopathie-bei-kindern-und-tieren/
https://blog.gwup.net/2013/10/22/auch-bei-tieren-ist-homoopathie-nur-eine-luge/
Weiter:
Warzen werden von Viren verursacht. Das heißt:
a) Sie sind dem Placeboeffekt zugänglich (egal ob „besprechen“, Homöopathie, Schamanentanz, Smarties etc.), der das Immunsystem anregt, diese Viren zu bekämpfen.
b) Sie haben eine hohe Spontanheilungsrate, man geht davon aus, dass bei Kindern mind. 70 Prozent aller Warzen innerhalb von drei Monaten wieder verschwinden.
Beides zusammen (oder eins davon) erklärt hinlänglich Ihre gemachte Erfahrung.
Bitte verwechseln Sie nicht „Korrelation“ mit „Kausalität“.
http://www.carta.info/73934/aberglaube-von-der-korrelation-zur-kausalitaet/