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Wild umstritten: Voodoo-Technik made in Austria

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Österreich hat auf dem Gebiet der Para- und Pseudowissenschaften einiges zu bieten, weiß Ulrich Berger, GWUP-Mitglied und Professor für Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ein Blick ins Paranoptikum: Austrias Alternativmediziner erfinden Apparaturen, die angeblich „Lebens-Energie“ herstellen. Gestandene Universitätsprofessoren bewerben esoterische Amulette. Honorige Herren aus Wissenschaft und Wirtschaft eröffnen Kongresse von Perpetuum-Mobile-Bastlern. Und das Wissenschaftsministeriums zeichnet wirkungslose Produkte von selbsternannten Naturforschern aus …

Bei der GWUP-Konferenz 2008 lädt Ulrich Berger ein zu einer bunten Reise durch eine sehr österreichische Parallelwelt, wo ganzheitliche Quantenmysterien wabern, energetische Schwingungen vibrieren – und am Ende doch immer nur das Euro-Symbol steht. Wir sprachen mit ihm über Voodoo-Technik, rechtsdrehendes Bier und die Gesellschaft für kritisches Denken (GkD). Dort haben sich GWUP-Mitglieder aus dem Großraum Wien formiert, um der Austria-Esoterik mit Vernunft und Wissenschaft die Stirn zu bieten.

Ulrich, in der Zeitschrift „Skeptiker“ hast du eine Artikel-Serie zum Thema „Pseudowissenschaft in Österreich“, auf der GWUP-Konferenz lautet der Titel deines Vortrags „Holo, Bio, Aqua, Quant: Voodoo-Technik Made in Austria“. Hat der gemeine Österreicher einen besonderen Hang zur Esoterik?

Ulrich Berger: Sagen wir, er hat besonders wenig Berührungsängste. Ein Beispiel: Das deutsche Bundesamt für Arbeitsschutz rät zu Feng Shui. Das erzeugt einiges an Hohngelächter in deutschen Blogs und Zeitungen. In Österreich kann man Feng Shui sogar in einem offiziellen Universitätslehrgang studieren. Da kräht kein Hahn danach. Mir ist nur ein einziger kritischer Artikel dazu untergekommen, und der stammt von mir. Oder nehmen wir Johann Grander. Gott flüstert ihm das Rezept für die Wasserbelebung ein, seine PR-Profis wedeln mit dubiosen russischen Gutachten und statt dass man ihn höflich ignoriert, kommt der Bundespräsident und hängt ihm das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kultur um den Hals. Vielleicht hat das damit zu tun, dass Österreich so eine lange Tradition von Esoterik-Gurus hat. Man denke nur an Rudolf Steiner oder Viktor Schauberger.

Was meinst du eigentlich genau mit „Voodoo-Technik“? Was soll man darunter verstehen?

Ulrich Berger: Abgeleitet ist dieser Begriff vom Titel von Robert Parks Buch „Voodoo Science – The road from foolishness to fraud“ [deutscher Titel: Fauler Zauber. Betrug und Irrtum in den Wissenschaften]. Es handelt sich also um Technik, die sich auf Pseudowissenschaft gründet und keine spezifische Wirkung hat. Meistens verletzt sie den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Wie beim Voodoo beruht die angebliche Funktion auf einer „magischen Fernwirkung“, sei es durch mysteriöse „Schwingungen“, wie beim Granderwasser, durch unbekannte „Raumenergie“, wie beim Aquapol-Gerät, oder durch eine geheimnisvolle „Resonanz“, wie beim Gabriel-Chip.

Wie kommt ein Wirtschaftswissenschaftler wie du überhaupt dazu, sich kritisch mit Homöopathie, freier Energie, Wünschelruten etc. zu befassen? Kannst du als Ökonom zu so fachfremden Gebieten überhaupt fundierte Aussagen machen?

Ulrich Berger: Jede Wissenschaft setzt kritisches Denkvermögen voraus. Mein Fachgebiet ist ja die Spieltheorie, und von der Ausbildung her bin ich Mathematiker mit ein wenig Physik nebenbei. Schon als Teenager war ich von Mathematik und Naturwissenschaft begeistert. Meine Helden waren Martin Gardner, Richard Feynman, Carl Sagan und Richard Dawkins. Erst viel später habe ich entdeckt, dass die alle Vorreiter der Skeptiker-Bewegung waren. In der Spieltheorie wiederum dreht sich vieles um die Grundfrage, inwieweit Menschen rational oder beschränkt rational handeln. Das führt dann auch zur Beschäftigung mit den aus der Psychologie bekannten Denkfallen und wie diese gegebenenfalls ausgenutzt werden um Geld zu machen.

Als Skeptiker muss man sowieso interdisziplinär unterwegs sein. Das Phänomen Homöopathie hat meines Erachtens – übrigens genauso wie die Rutengeherei – vier interessante Aspekte: a) Wie sieht die harte Evidenz aus? b) Wie wird der angebliche Wirkmechanismus erklärt? c) Warum wird sie nachgefragt? d) Warum wird sie angeboten?

Für die Beantwortung von a) braucht man Methodik und Statistik, b) bemüht die Physik bzw. Pseudophysik, c) kann durch Psychologie erklärt werden und d) durch Ökonomie. Man sieht, mit Medizin hat das am wenigsten zu tun.

Deinen Landsmann Dr. Erich Eder hat seine Kritik am Granderwasser viel Zeit und Nerven vor Gericht gekostet, bis er schließlich Recht bekam. Musst du nicht auch fürchten, von Esoterikern vor den Kadi gezerrt zu werden? Du argumentierst schließlich gegen ihre finanzielle Lebensgrundlage.

Ulrich Berger: Nein, man muss nur mit strafrechtlich relevanten Vorwürfen vorsichtig sein und Tatsachenbehauptungen notfalls belegen können. Viele in der Branche sind auch tatsächlich keine Betrüger, zumindest nicht im juristischen Sinne, sondern vielmehr Opfer von Täuschung, Selbsttäuschung oder schlichter Dummheit.

Seit September schreibst du regelmäßig skeptische Artikel in Kritisch Gedacht, dem Wissensblog der Gesellschaft für kritisches Denken. Welche Themen stehen denn da auf der Agenda?

Ulrich Berger: Die Themen rekrutieren sich querbeet aus den üblichen Verdächtigen: von den angewandten Pseudowissenschaften über die Placebomedizin bis zur plumpen Beutelschneiderei. Wir posten, was gerade aktuell ist, was wir besonders amüsant, besonders wichtig oder besonders ärgerlich finden, oder was uns gerade einfällt. Aktuelle Anlässe wie der Astrologiekurs vom Wiener Wirtschaftsförderungsinstitut, der „Bio-Computer“ von Skispringer Thomas Morgenstern oder der Anthroposophie-induzierte Masernausbruch in Salzburg bieten sich natürlich besonders an und erzeugen auch mehr Resonanz. In den einschlägigen Rankings klettern wir langsam aber stetig nach oben. Besonders geholfen hat dabei natürlich, dass wir auf der GWUP-Homepage verlinkt sind. Langfristig wollen wir uns als eine zentrale Anlaufstelle für Skeptiker-Themen in Österreich etablieren.

Und wie ist die Resonanz bisher?

Ulrich Berger: Zur Zeit pendelt die Zugriffsrate bei etwa 180 Hits pro Tag, es geht in Einzelfällen aber auch schon über 500 hinaus. Kommentare kommen in den letzten Monaten immer häufiger. Allein unser „PISA-Schock in der Arztpraxis“-Beitrag steht derzeit bei 80 Kommentaren. Von vielen anderen Bloggern wurden wir bereits auf die Blogroll gesetzt oder sonstwie verlinkt, sogar in die Wiener Zeitung haben wir es schon geschafft. Wir bekommen eine Menge positiver Rückmeldungen, persönlich und auch per E-Mail. Hate-Mails sind erst drei eingetroffen, aber wir arbeiten daran!

Was war eigentlich der größte Blödsinn, über den du bisher beim Surfen gestolpert bist?

Ulrich Berger: Mein persönlicher Blödsinnsfavorit aus dem Netz ist die „BioG Chip-Karte“, ein Plastikkärtchen, das man für ein paar Minuten hinter die Folie der Zigarettenschachtel steckt. Dadurch wird laut Hersteller die Schwingungsfrequenz der Atome erhöht, wodurch die Zigarette heißer brennt, was wiederum zur Reduktion der Schadstoffe im Rauch führt. Sie haben natürlich auch einen berühmten Wissenschaftler namens Prof. Dragojevic, der das alles bestätigt.

Und die beste Webseite – eure natürlich ausgenommen?

Ulrich Berger: Ich persönlich bin ein großer Fan von Ben Goldacres „Bad Science“-Seite, aber die Geschmäcker sind verschieden.

Mal zurück ins First Life. Was macht die GkD denn noch außer bloggen?

Ulrich Berger: Wir sind eine Gruppe von etwa zwölf Personen, die sich einmal monatlich in Wien treffen. Regelmäßig mit dabei sind z.B. der Physiker Heinz Oberhummer, der Biologe Erich Eder, die Medizinjournalistin Krista Federspiel, der Chemiker Thomas Tobisch, der Pharmazeut Edmund Berndt, die Röntgenologin Christine Viola und der Nachrichtentechniker Ernst Bonek. Der Molekularbiologe Roland Leitner ist uns leider abhanden gekommen, da er kürzlich eine Dissertationsstelle im Ausland angenommen hat.

Und wer kann bei euch mitmachen?

Ulrich Berger: Bei uns kann jedes österreichische GWUP-Mitglied beitreten, und interessierte Gäste sind ebenfalls immer willkommen. Bei unseren Treffen diskutieren wir die neuesten Entwicklungen an der Voodoo-Front und gehen danach auf ein rechtsdrehendes Bier.

Links zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

2 Kommentare

  1. Kritisch betrachtet ist die Verwendung des Begriffes „Voodoo-Technik“ in diesem Kontext mehr ein Hinweis darauf, dass keinerlei seriöse Informationen über das Phänomen Vaudou vorliegt. Ich kann einer abolitionistischen Kritik viel abgewinnen. Doch wenn ein spirituelles Konzept aus einer anderen Kultur in einer abwertenden Weise Verwendung findet, wird Kritik destruktiv.

  2. Pingback: Abzockmasche mit Hirngespinsten, die nicht tod zu kriegen ist: Aquapol Bautrocknung. Wie sich Bürger durch (angedrohte) Anwaltsschreiben einschüchtern lassen, 18.11.2013/17.10.2017 | Justizfreund

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