Das war also #b2808, der große Protest-Samstag in Berlin, für den allein die „Querdenker“-Szene acht Demos angemeldet hatte (von denen die meisten verboten wurden – nichtsdestotrotz machten Corona-Leugner und Maßnahmen-Gegner mit „mehreren Tausend Personen“ mobil):

Aufrufe, am Jahrestag des misslungenen Reichstagssturms ein weiteres Mal vor das Parlament zu ziehen und endlich den seit Monaten angekündigten „Umsturz“ zu erzwingen, findet man auf Telegram nur vereinzelt.

Ein neuerlicher Reichstagssturm wäre schon deshalb aussichtslos, weil die Zahl der Menschen auf den Straßen heute sehr viel geringer war als vor einem Jahr,

berichtet der Tagesspiegel.

Apropos „Reichstagssturm“:

Welt+ zeichnet in einem ausführlichen Artikel die Ereignisse vom 29. August 2020 nach:

Die Bilder und Videos vom versuchten Sturm auf den Reichstag, der am Sonntag ein Jahr zurückliegt, zeigten eindrucksvoll, wie schnell die Demokratie angegriffen werden kann. Reichsflaggen wehten vor dem Parlament, die Öffentlichkeit war bestürzt […] Und alle fragten sich: Was genau war eigentlich geschehen – und wie konnte das passieren?

An jenem Wochenende waren etwa 40 000 Menschen nach Berlin gekommen, um gegen die Corona-Politik der Bundesregierung zu demonstrieren. Die Protagonistin der Reichstags-Aktion, eine Heilpraktikerin aus der Eifel namens Tamara K., gibt den Welt-Autoren gegenüber zu Protokoll, dass es sich nicht um ein spontanes Geschehen gehandelt habe:

„Wir hatten bereits mehrere Wochen vor der Demo den Plan gemacht, den Reichstag zu stürmen“. Man habe sie gefragt, ob sie bereit wäre, als letzte Rednerin auf die Bühne zu gehen und zum Sturm aufzurufen. „Ich hatte Ja gesagt“, erzählt sie.

K. gibt an, am Nachmittag der Demo jedoch Angst vor einer gewalttätigen Eskalation bekommen und den Plan deshalb geändert zu haben:

Statt zum „Sturm“ rief sie die Demonstranten auf, sich friedlich auf die Treppe zu setzen. Damit habe sie Gewalt oder sogar Tote verhindern wollen. So lautet jedenfalls ihre Version.

Obwohl die Sicherheitsbehörden nach eigenen Angaben im Voraus wussten, „dass etwas passieren könnte“ und „symbolträchtige Orte“ wie das Kanzleramt oder das Reichstagsgebäude besonders geschützt werden, tat sich gegen 18.40 Uhr eine Lücke in den Polizeireihen zwischen Demonstration und Reichstag auf, die praktisch sofort ausgenutzt wurde:

400 bis 500 Personen seien „für wenige Minuten“ auf die Treppe gelangt: „Vornehmlich das Reichsbürgerklientel“ […] Ein Teil der Szene war genau darauf aus: auf Inszenierungen vor symbolträchtiger Kulisse.

Bemerkenswert sei, so die drei Welt-Autoren, was nach der Aktion passierte. Da führende Rechtsextreme das strategische Ziel verfolgten, die Mitte der Gesellschaft nicht zu verschrecken, hätte sich „mancher“ aus der Szene von dem Ereignis distanziert oder sogar „False Flag“-Theorien verbreitet, nach denen der Staat selbst die Aktion angezettelt habe, um die Bewegung zu diskreditieren.

In den Fokus dieser Heuchelei geriet ausgerechnet Tamara K.:

„Meine angeblichen Freunde haben mich hängen lassen“, sagt sie heute. „Ich wurde als Antifa, V-Frau des Verfassungsschutzes oder Agent Provocateur diffamiert.“ […]

Tamara K. sagt, sie habe für ihre Rede am Reichstag teuer bezahlt. „Nach der Aktion am Reichstag ist mein Leben implodiert“, erklärt sie. Sie habe darum kämpfen müssen, ihre Kinder bei sich behalten zu dürfen. Auf Demonstrationen gehe sie nicht mehr. „Ich gehe eigentlich überhaupt nirgendwo mehr hin, höchstens zum Spazieren in den Wald.“

Leider erfährt man aus dem Beitrag nicht, ob sich auch die Überzeugungen der Heilpraktikerin geändert haben.

Ein Teil der „Querdenker“ scheint sich jedenfalls immer weiter in das Narrativ von der „Corona-Diktatur“ zu verrennen – und annonciert eine skurrile „Gegenmaßnahme“, nämlich einen „Bürger-Shut-Down“ am 7. September:

Hier erklärt Eva Rosen von „Die Basis“, wie dieser selbstgewählte Lockdown funktionieren soll.

Der Datenanalyst Josef Holnburger ordnet das Ganze als „Luftnummer“ ein:

Passieren wird am 7. September vermutlich: nichts.

Ebenfalls recht spaßig: die x-te Ankündigung, irgendjemanden für irgendetwas zu verklagen.

Das klingt sehr aussichtsreich – wenn man mal beiseite lässt, dass Corona-Impfstoffe weder Graphenoxid enthalten noch magnetisch machen.

Und zu schlechter Letzt scheinen einige „Querdenker“ ernsthaft an ein Massensterben von Geimpften im Herbst zu glauben:

Realistischer ist allerdings, dass es genau andersrum kommen könnte:

Oder aber:

Im Oktober, spätestens im Oktober, wenn Ihr für die Tests bezahlen müsst, kriecht Ihr sowieso alle heimlich ins Impfzentrum,

ist Freddy Klueger überzeugt:

Zum Weiterlesen:

• Sturmwarnung am Reichtstag, Welt+ am 26. August 2021
• Verschwörungsideologien: Was wird aus den „Querdenkern“, wenn Corona vorbei ist? Welt+ am 26. August 2021
• Heilpraktikerin aus der Eifel: Das ist die Frau, die zum Sturm auf den Reichstag rief, tagesspiegel am 1. September 2020
• Framing des „Reichstag-Sturms“: Zwischen Verherrlichung und Verharmlosung, Belltower News am 3. September 2020
• Mysteriöser Massenaufruf: Rechtsextreme und Putin-Fans im Generalstreik-Fieber, t-online am 2. April 2018
• Querdenker wollen gegen 3G protestieren – mit freiwilligem Lockdown, volksverpetzer am 27. August 2021
• Nein, zugelassene Covid-19-Impfstoffe enthalten kein Graphenoxid, correctiv am 24. August 2021
• Nein, Covid-19-Impfstoffe enthalten kein Graphenoxid, mimikama am 27. August 2021
• Nichts klappt: Wenn Impfgegner zeigen wollen, dass Impfungen „magnetisch“ machen, GWUP-Blog am 20. Juni 2021
• So kaputt ist die „Querdenken“-Bewegung, tagesspiegel am 8. August 2021
• Kontroverse mit einem Pandemieleugner, Der goldene Aluhut am 5. Juli 2021
• Die „Querdenker“-Prophezeiungen, GWUP-Blog am 1. August 2021
• Die „Querdenken“-Bewegung, Skeptiker 2/2021